Günter Bartosch (1928 - 2013†) schrieb viel (sehr sehr viel) über und aus seine(r) Zeit beim ZDF in Eschborn und Mainz .....
Der ZDF Mitarbeiter Günter Bartosch war 30 Jahre beim ZDF - also von Anfang an dabei -, ebenso wie sein deutlich jüngerer Kollege Knapitsch. Angefangen hatte sie beide bereits vor 1963 in Eschborn, H. Knapitsch in der Technik, Günter Bartosch im Programmbereich Unterhaltung.
Und Günter Bartosch hatte neben seiner Arbeit und seinen Büchern so einiges aufgeschrieben, was er damals alles so erlebt hatte. In 2013 habe ich die ganzen Fernseh- und Arbeits-Unterlagen erhalten / geerbt und dazu die Erlaubnis, die (die Allgemeinheit interessierenden) Teile zu veröffentlichen.
Die Einstiegsseite zu den vielen Seiten beginnt hier.
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DAS FERNSEHEN AUS DER RÖHRE - 50 JAHRE MODERNES FERNSEHEN IN DEUTSCHLAND
Geschrieben für das "MUSEUM FÜR DEUTSCHE FERNSEHGESCHICHTE"
Der in Mainz ansässige Verein "Museum für deutsche Fernsehgeschichte" hat für ein geplantes Mainzer Fernseh-Museum bereits zahlreiche Exponate im Besitz. Darüber hinaus ist der Verein bemüht, besondere Ereignisse aus der nun schon über 100jährigen Geschichte des Fernsehens zu dokumentieren. Dazu gehört dieser Bericht.
Eine der ersten historischen Zusammenstellungen der Fernsehgeschichte auf 21 Seiten von Günter Bartosch im Oktober 1988
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50 Jahre modernes Fernsehen ?
Gab es denn auch unmodernes oder gar altmodisches ? Es geht hier nicht um das Programm, gemeint ist die technische Entwicklung. Sie umfaßte in der Vergangenheit zwei Epochen, während wir derzeit vor dem Beginn einer dritten stehen.
Die bisherigen Abschnitte lassen sich, vereinfacht, einteilen in die Zeit des mechanischen und die des elektronischen Fernsehens. Die neue Ära begann 1936 und führte 1938 zum offiziellen Beginn des sogenannten hochzeiligen Fernsehens in Deutschland.
Ein Fernsehbild besteht aus feinsten Lichtstrahlen
Zum besseren Verständnis sei - obwohl vielleicht bekannt - vorausgeschickt: Ein Fernsehbild besteht aus feinsten Lichtstrahlen, die blitzschnell in Zeilen über den Bildschirm laufen und ein Rasterbild entstehen lassen, welches das menschliche Auge als Ganzheit wahrnimmt. Die Qualität des Bildes wächst mit der Anzahl der Zeilen, in die es aufgelöst ist.
Anfang 1884 hatte der in Berlin studierende angehende Ingenieur Paul Nipkow ein Patent für ein "Elektrisches Teleskop" eingereicht, das die Grundlage des noch immer gültigen Fernsehprinzips darstellte, nämlich die Zerlegung eines Objekts auf elektrischem Wege am Orte A in kleinste Punkte, die Übertragung dieser Punkte und ihr Wiederzusammenfügen an einem entfernten Ort B zum ursprünglichen Gesamtbild.
Nipkow hatte dazu eine Lochscheibe erdacht, auf der die Löcher spiralförmig angeordnet waren. Indem diese Scheibe vor dem Objekt rotierte, wurde die Zerlegung in Lichtstrahlen erzielt.
Nipkow selbst hatte nicht die Möglichkeit, sein Patent auszuwerten oder die von ihm erdachte Vorrichtung herzustellen. Sein Fernsehprinzip aber beschäftigte in der Folgezeit zahlreiche Techniker, Erfinder und Konstrukteure.
Später diente die Nipkow-Scheibe als Grundlage aller Gedanken
Als in den Zwanziger Jahren durch das Aufkommen des Rundfunks auch das Fernsehen in eine stürmische Entwicklungsperiode geriet, diente die Nipkow-Scheibe als Grundlage der Apparatekonstruktion.
Sowohl der englische Fernsehpionier John Logie Baird, als auch der Leipziger Universitätsprofessor August Karolus und der in Deutschland tätige Ungar Denes von Mihaly entwickelten ihre Fernsehsysteme auf der Basis von Nipkows Erfindung, wenn auch teilweise mit Abwandlungen und Ergänzungen.
Am einfachsten erwies sich die Übertragung von Filmen durch Einsatz eines "Abtasters" mit Nipkow-Scheibe. Die ersten regelmäßigen Fernsehsendungen, mit denen in Deutschland 1935 begonnen wurde, brachten fast ausschließlich Filme.
Für Ansagen und bescheidene Mini-Darbietungen wurde ein kleines Studio von 1,5 x 1,5m eingerichtet, in dem ein "Personen-Abtaster" das Fernsehbild erzeugte.
Der Nachteil war, daß es sich aus technischen Gründen um eine Dunkelzelle handeln mußte, in der Ansager und Künstler zu agieren hatten; die starre Aufnahmeapparatur ließ kaum Bewegungsspielraum zu.
Bis 1938 gab es nur 180 Bildzeilen
Das deutsche Fernsehen arbeitete vom Tage seines offiziellen Beginns bis zum Jahre 1938 mit der Norm von 180 Bildzeilen (gegenüber 625 Zeilen heutzutage).
Gemessen an heutiger Qualität handelte es sich dabei um ein relativ unvollendetes Bild (natürlich in schwarz-weiß). Sehr früh erkannten
die Techniker, daß dem Prinzip des optisch-mechanischen Fernsehens nach Nipkow Grenzen gesetzt sind.
Die Lochscheibe, obwohl vielfach verbessert, ergänzt und weiterentwickelt, erwies sich als zu träge und schwerfällig, als es darum ging, die Bildauflösung zu vervielfachen und die Geschwindigkeit der Abtastung zu erhöhen.
Schon sehr früh und bereits während das Nipkow-Prinzip mit der Lochscheibe eingeführt wurde, begann deshalb die parallele Entwicklung eines elektronischen Fernsehens.
Das elektronische Fernsehen ab 1936.
Die Grundlagen dafür waren schon lange geschaffen. 1897 hatte der deutsche Professor Karl Ferdinand Braun, angeregt durch die Entdeckung der Röntgenstrahlen, eine auf magnetischen Kräften beruhende Kathodenstrahlröhre entwickelt, die später Braunsche Röhre benannt wurde.
Max Diekmann und Gustav Glage, zwei Mitarbeiter Brauns, benutzten als erste die Braunsche Röhre in Verbindung mit einer Nipkow-Scheibe als "elektrischen Bildschreiber".
Braun war nicht begeistert von dieser Idee, die sich Diekmann und Glage 1906 patentieren ließen; Fernsehen schien ihm eine unrealisierbare Utopie zu sein. Daß gerade dieses Medium heute und sicherlich auch in Zukunft ohne Braunsche Röhre nicht denkbar ist, hatte er, der 1918 einsam und verarmt in den USA verstarb, sich nicht träumen lassen.
Die großen Industrieländer hatten das Fernsehen verschlafen
Erstaunlicherweise fand das epochemachende Prinzip keine Resonanz bei der Fernsehentwicklung in den großen Industrieländern. Nur in Rußland bei der Kaiserlich-Russischen Technischen Gesellschaft zu Petersburg beschäftigte man sich mit dem elektrischen Bildschreiber und sah die Zukunft des Fernsehens im elektronischen Verfahren.
Einer der begabtesten Mitarbeiter dieser Gesellschaft, der Russe Vladimir Kosma Zworykin, emigrierte in den Tagen der Bolschewistischen Revolution in die USA und konnte dort seine Entwicklungen fortsetzen.
Er erfand 1923 ein "elektrisches Auge", eine elektronische Speicherröhre, die er "Iconoscope" nannte. Mit Iconoscope und der Braunschen Röhre waren alle Voraussetzungen gegeben für ein rein elektronisch betriebenes Fernsehen, doch wurde eine praktische Nutzung aus diesen Errungenschaften damals noch nicht gezogen; das Fernsehen trat als optischmechanisches Verfahren an die Öffentlichkeit.
1933 - Die erste Hochvakuum-Bildröhre
Erst durch die praktische Beschäftigung mit dem System wurden die Grenzen sichtbar, und die Elektronik geriet ins Blickfeld der Techniker.
Sie erzielte den Durchbruch zuerst auf der Empfängerseite durch die Verwendung der Braunschen Röhre. Die erste Hochvakuum-Bildröhre, nach dem Prinzip von Braun von der Fernseh AG entwickelt, wurde 1933 auf der Deutschen Funkaussteilung in Berlin vorgestellt. Von diesem Zeitpunkt an begann ihre Verwendung in den Empfangsapparaten.
1936 - Die ersten elektronischen Kameras
Die ersten elektronischen Kameras erschienen 1936 in Berlin anläßlich der Olympischen Spiele; sie wurden am 1. August zum erstenmal öffentlich eingesetzt, und damit begann das Zeitalter der unmittelbaren Live-Übertragungen.
Es handelte sich um zwei Iconoscope-Kameras, die eine von Telefunken, die andere von der Deutschen Reichspost gebaut. Die Fernseh AG hatte eine dritte elektronische Kamera geliefert nach einem anderen System, einer Bildsondenröhre, die sich der junge Amerikaner Philo T. Farnsworth 1927 hatte patentieren lassen.
Obwohl es sich um eine sehr gute Konstruktion handelte, wurde die Farnsworth-Kamera (übrigens das Vorbild der inzwischen als Auszeichnung begehrten "Goldenen Kamera") nicht weiter entwickelt, da sie ganz besonders lichtabhängig war und nur bei gleichbleibender großer Helligkeit einwandfreie Bilder lieferte. Die Iconoscope hingegen bewährten sich auch bei schlechteren Lichtverhältnissen.
Aufpassen ! (jetzt kommt ein Stückchen Legende)
Walter Bruch, der 1936 mit Emil Mechau die Telefunken-Kamera konstruiert und auch während der Olympischen Spiele als Kameramann bedient hatte, berichtet, man habe während des praktischen Einsatzes so viele Erfahrungen und Erkenntnisse gesammelt, daß die Kamera nach den 16 Tagen der Spiele fast schon museumsreif war.
- Anmerkung : Das kann so nicht stehen bleiben. Auch wenn Walter Bruch Ehrenmitglied in diesem Fernseh-Verein war, die riesige Olympia-Kamera hatten Emil Mechau und Walter Heimann unter der Leitung von Dr. Schröter entwickelt. Bruch war zu der Zeit Techniker im Technikraum im Keller unter der Kamera. Es gibt nirgendwo schlüssige Beweise, daß er auch der Kameramann während der Spiele war.
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Von 375 Bildzeilen auf die 441 Zeilen-Norm
Die Zeilenzahl der elektronischen Kameras zu vermehren und dadurch ein besseres Bild zu erzielen, war im Prinzip nicht problematisch, doch nutzte das nichts, solange nicht die entsprechenden Sende- und Empfangsbedingungen geschaffen waren.
Jedenfalls wurde experimentiert und weiterentwickelt. Telefunken stellte auf der Pariser Weltausstellung 1937 im Deutschen Pavillon Fernsehvorführungen mit einem Abtaster und einem neuen "Bildfänger", wie die Kameras damals genannt wurden, mit 375 Bildzeilen vor.
Deutschland erhielt für die Gesamtdarstellung im Bereich der Fernsehtechnik insgesamt drei Grand-Prix-Auszeichnungen des internationalen Preisgerichts.
Gleichzeitig wurde in Deutschland die künftige Fernsehnorm von 441 Zeilen festgelegt und das neue Fernsehbild bei der 14. Großen Deutschen RundfunkausStellung Berlin 1937 zum ersten Mal vorgestellt.
Die Übertragung per Kabel und mit dem 100 Watt Sender
Bühnenvorführungen der Gerätefirmen wurden innerhalb der Ausstellung durch Kabel übertragen und konnten auf den neuen Empfängern betrachtet werden.
Die Deutsche Reichspost übertrug ihre Demonstration sogar drahtlos vom Freigelände mit Hilfe eines 100 Watt-Senders. Ein Pressereporter schrieb: "Die Verbesserung der Bilder ist so verblüffend, die Art der Vorführung - hier Wirklichkeit, dort Übertragung - so instruktiv und lebendig, daß die Besucher sich nur schwer zu trennen vermögen."
Das moderne hochzeilige deutsche Fernsehen war an die Öffentlichkeit getreten, doch der regelmäßige tägliche Programmdienst des "Fernsehsenders Paul Nipkow" (so der offizielle Name) profitierte noch lange nicht davon.
In den öffentlichen Fernsehstuben und den zwei Berliner Großbildstellen (nur dort konnten Fernsehzuschauer das Programm sehen, denn außer ganz wenigen bevorzugten Ausnahmen gab es noch keine Geräte in privaten Haushalten) blieb alles beim alten.
England verglich die 240 Zeilen von Baird mit den 405 Zeilen von EMI
Mit dem Start des hochzeiligen Fernsehens war Großbritannien allen anderen Ländern vorausgeeilt. 1936 hatte man sich dort für drei Monate die Erprobung zweier verschiedener Fernseh-Systeme vorgenommen, und so begann BBC aus dem zu einer Fernsehzentrale umgebauten Alexandra Palace in London den regelmäßigen Programmdienst am 2. November 1936, abwechselnd nach einem mechanischen System des englischen Fernsehpioniers John Logie Baird mit 240 Zeilen und einem elektronischen Verfahren der EMI-Marconi-Gesellschaft mit 405 Zeilen.
Am 5. Februar 1937 endete der Versuch. Verlierer war Baird, jener fanatische Erfinder, der das Fernsehen in England populär gemacht hatte. Deutlich ging die Zeit des mechanischen Fernsehens zuende. Mit dem 2. November 1936 hatte in London die neue Ära der elektronischen Television begonnen.
1936 - neue Fernsehstudios im Deutschlandhaus
In Deutschland brauchte man für die Einführung des hochzeiligen Fernsehens genau zwei Jahre länger. Was man in England schon hatte, nämlich ein Fernsehzentrum mit elektronischer Technik und zwei großen Studios von 20 x 9m, mußte in Deutschland erst gebaut werden.
Gegen Ende des Jahres 1936 hatte die Deutsche Reichspost Räume im Deutschlandhaus in Berlin am damaligen Adolf-Hitler- und heutigen Theodor-Heuß-Platz angemietet, um dort, in unmittelbarer Nähe zum Ausstellungsgelände und zum Funkturm, in dessen Erdgeschoßräumen sich die Anlage des Fernsehsenders befand, Studios für das Fernsehen einzurichten.
Der Ausbau erfolgte in zwei Etappen. Zunächst sah man eine Zwischenlösung vor, um ein größeres Studio für die 180-Zeilen-Sendungen des damals noch laufenden UKW-Fernseh-Rundfunksenders Witzleben zur Verfügung zu haben.
Erbaut wurde eine Dunkelbühne von etwa 5 x 8m mit einem schräg nach vorn geneigten Bühnenboden für Bewegungen der Schauspieler. Ein Vorraum zum Eingewöhnen der Künstler vor ihrem Auftritt in der Dunkelheit lag nebenan, ebenso ein kleiner Orchesterraum hinter einer schalldurchlässigen Wand.
Der im bisherigen Kleinstudio in der Rognitzstraße verwendete sogenannte "Linsenkranz-Personenabtaster" wurde ins Deutschlandhaus verlegt und erhielt dort buchstäblich mehr Spielraum, so daß die Mitwirkenden nun in voller Größe erfaßt werden konnten und auch dem Tanz die Möglichkeit gegeben wurde, einen wesentlichen Platz im Programm einzunehmen.
Nach einer Zeit der Funkstille des Fernsehsenders Paul Nipkow zwischen dem 28.11. und dem 12. 12. 1937, in der der Umzug und der Einbau der Geräte erfolgte, begannen die regelmäßigen Sendungen aus dem neuen Studio am 13. Dezember 1937. Währenddessen wurde am Hauptstudio gearbeitet, das eine elektronische Anlage für die 441-Zeilen-Norm erhalten sollte.
Etwas mehr über das Deutschlandhaus
Das Deutschlandhaus und das benachbarte Amerikahaus waren in den Jahren 1928 bis 1931 durch den Berliner Bauunternehmer Heinrich Mendelssohn als Teil der südlichen Randbebauung des damaligen Reichskanzlerplatzes geplant und erbaut worden.
Am Entwurf des Deutschlandhauses war der bekannte Architekt Heinrich Straumer beteiligt, der auch den Berliner Funkturm mitgestaltet und Bauten auf dem Ausstellungsgelände konzipiert hatte. Ein großer, nahezu kreisförmiger Raum im Erdgeschoß des Deutschlandhauses, der als Cafe gedacht war, wurde nun zu einem etwa 300 Quadratmeter großen Fernsehstudio.
Walter Bruch, der spätere Professor und "Erfinder des deutschen Farbfernsehsystems PAL", erhielt den Auftrag, dieses Studio mit der modernsten Technik auszustatten.
- Anmerkung : Wieder solch ein Schmarren des Telefunken Marketings aus 1962. Der nahezu unbekannte Techniker Walter Bruch bekäme einen Auftrag, ein Fernsehstudio einzurichten. Alleine die Kapitalfrage der Installation hätte mittlere Firmen überfordert, ähnlich wie die erste Ampex 2" Videobandmaschine für den SWF Baden Baden in 1958 für über 600.000 DM, die alleine Siemens Karlsruhe schultern konnte. Also viele recht dumme und unglaubwürdige Verfälschungen der Historie durch die Marketing-Leute von Telefunken. - Und was die "Erfindung" des PAL Farbfernsehens angeht, siehe weiter oben.
Der Turm des benachbarten Amerikahauses war dafür vorgesehen, den neuen Fernsehsender für 441 Zeilen aufzunehmen.
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AB 1938 wurde mit 5 Kilowatt gesendet
Bevor das neue Studio, das erste vollelektronische Fernsehstudio Deutschlands, in Betrieb genommen wurde, stellte sich die neue Technik mit dem verbesserten Bild auf der Funkausstellung Berlin 1938 erneut der Öffentlichkeit vor, nunmehr völlig drahtlos mit 5kW.
So konnten die Sendungen von der Funkausstellung - sofern entsprechende Empfänger vorhanden waren - auch außerhalb des Ausstellungsgeländes gesehen werden.
Ein Blick auf das Progarmm
Vorgeführt wurde auf einer Fernsehbühne in der Ausstellungshalle II die bunte Revue "Endstation Berlin" mit vielen bekannten Künstlern von Rundfunk, Bühne, Kabarett und Variete.
Fernsehkritiker Dr. Kurt Wagenführ schreibt
Der Fernsehkritiker Dr. Kurt Wagenführ gehörte zu den wenigen, die damals für sich privat ein Fernsehgerät zur Verfügung hatten. Er schrieb am 23. August 1938 im "Berliner Tageblatt":
"Der erste Fernsehempfänger, der in mein Zimmer gestellt wurde, war ein reichlich mittelgroßer Guckkasten auf vier Beinen ... Wie ist nun das neue 441-Zeilen-Bild ? ... Der Fortschritt gegenüber dem 180-Zeilen-Bild ist erstaunlich. Das Flimmern (an das man sich übrigens gewöhnte) ist fortgefallen, die Ausleuchtung zeigt erfreuliche Ergebnisse, und die Männer an der nunmehr beweglichen Kamera handhaben das Gerät schon recht munter. ... Die Sendungen haben durch die bewegliche Kamera außerordentlich gewonnen, die Zahl der Bildausschnittmöglichkeiten, der Einstellungen, Großaufnahmen, Schwenkungen usw. ist um ein noch nicht abmeßbares Vielfaches gegenüber dem bisherigen Betrieb gesteigert worden."
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Die öffentlichen Fernsehstuben bekamen 441 Zeilen Geräte
Nach der Funkausstellung wurden die öffentlichen Fernsehstuben mit den neuen Empfangsgeräten für 441 Zeilen ausgestattet. Ab dem 22. August 1938 verzeichnet das Programm des Fernsehsenders eine Zweiteilung: Von 20 bis 21 Uhr wurden 441 Zeilen gesendet, von 21 bis 22 Uhr erfolgte die Wiederholung des Programms für 180-Zeilen-Empfänger.
Bis zur Inbetriebnahme des neuen Studios wurden nur Filme gesendet.
Und jetzt kam man an die absolute Grenze der Mechanik
Für die technische Einrichtung lieferte die Fernseh AG 1938 noch einen neuen Universalabtaster für Personen, Filme und Diapositive, ein Gerät von höchster Präzision.
Die Zerlegerscheibe lief im Vakuum mit 10.500 Umdrehungen in der Minute, die Abtastlöcher (es handelte sich um 882 haarfeine Löcher von 0,06 mm Durchmesser) waren in zwei 7-fach-Spiralen angeordnet, 441 Schlitze für die Synchron-Impulse waren mit feinster Teilungsgenauigkeit eingestanzt und viele weitere Präzisionsleistungen erbracht worden.
Dies sei hier nur erwähnt, weil es das letzte Gerät war, das für die Epoche des mechanischen Fernsehens hergestellt wurde. Weiter ließ sich dieses Prinzip nicht mehr verbessern, die Spitzenleistung an Präzision war ebenso erreicht wie die Grenze des technisch Möglichen.
Zum Vergleich: Denes von Mihalys Scheibe, die er genau 10 Jahre vorher auf der Funkausstellung Berlin 1928 vorgeführt hatte, lief mit 600 Umdrehungen in der Minute und besaß 30 spiralförmig angeordnete Löcher für ein 30-Zeilen-Bild. So stürmisch war die Entwicklung verlaufen, und die Zukunft gehörte von nun an eindeutig dem elektronischen Fernsehen !
Und jetzt mit ca. 9 kW im Umkreis von ca. 35 km
Wochenlang war die Reichweite der neuen im Amerikahaus installierten Fernsehsendeanlage getestet worden. Sie erreichte mit einer Leistung von ca. 9 kW ein Gebiet im Umkreis von 35 km. Das genügte zwar für die Versorgung Berlins, doch wurde zur Verbesserung des Empfangs im Berliner Osten vorübergehend ein 1 kW-Bildsender auf dem Dach des Karstadt-Gebäudes am Hermannplatz eingesetzt.
Mit dem Programm am Abend des 31. Oktober 1938 endete das "alte" Fernsehen, und das neue Zeitalter begann am 1. November 1938. Von diesem Tage an wurde das regelmäßige Programm nur noch in der neuen 441-Zeilen-Norm ausgestrahlt.
Und es kam aus dem elektronischen Rund-Studio im Deutschlandhaus. Das erste große Abendprogramm - nun endlich wieder live und nicht vom Film - hieß: "Aller Anfang ist schwer"; der Titel war sicherlich doppeldeutig gemeint, denn es handelte sich um ein buntes Programm mit noch unbekannten Nachwuchskünstlern.
Vom Dunkelstudio ins 600 Kilowatt Scheinwerferlicht
Das bisherige Dunkelstudio im Hause wurde zu einem Probenraum umgebaut. Nun hatte endlich auch das deutsche Fernsehen leistungsfähige Studios in der notwendigen Größe.
Der Fernsehhistoriker Gerhart Goebel schreibt dazu: "Die Türen des Studios hatte man zufällig so groß bemessen, daß man für die Fernsehvorschau auf ein Automobilrennen einmal einen ganzen Rennwagen hineinbringen konnte oder - anläßlich einer Zirkus-Reportage - jenen Elefanten, der seither für die Dimensionierung von Fernsehstudios maßgebend geworden zu sein scheint."
Das Fernsehzentrum im Deutschlandhaus war mit allen Nebenräumen so ausgestattet wie ein Theater oder ein Filmstudio. Hinzu kamen die technischen Räume für die elektronische Einrichtung.
Endlich konnte die Produktion im Licht der Scheinwerfer stattfinden. Doch die Künstler vermochten sich nicht zu freuen, daß sie dem Dunkelstudio entronnen waren.
Denn nun brannten bis zu 600 kW auf sie ein, und die Temperatur stieg zuweilen auf 50 Grad Celsius; die Kameras von damals benötigten soviel Licht. Schon nach wenigen Minuten waren bei den Herren die Kragen durchgeschwitzt, und von den Gesichtern der Damen lief die
Schminke. Dieses neue Kapitel des Künstlerleidens besserte sich erst mit der nachfolgenden Kamera-Generation, als empfindlichere Iconoscope Verwendung fanden.
Bereits 1938 war der E!, der Einheitsfernseher geplant
Kurz vor Beginn der Funkausstellung 1938 hatte der damalige Reichspostminister Ohnesorge die Absicht verkündet, im Herbst den allgemeinen öffentlichen und privaten Fernsehempfang für Berlin zuzulassen.
Kurz danach sollten die Empfangsgebiete der im Bau befindlichen Fernsehsender Brocken/ Harz und Feldberg/Taunus folgen, womit sich der Kreis der Fernsehteilnehmer erheblich erweitert hätte.
Nur hatte die Massenproduktion von Heimempfängern noch nicht begonnen. Im August 1938 beauftragte daher die Reichspost die deutsche Geräteindustrie, innerhalb eines Jahres einen Einheitsempfänger zu schaffen. Er sollte 650.- Reichsmark kosten. Daneben bemühten sich die Firmen, auch Empfänger zu entwickeln, die höheren Ansprüchen genügen konnten.
Als die ersten Geräte etwa im August 1939 fertig waren und das Zeitalter des Heimempfangs hätte beginnen können, brach der Krieg aus, und die gesamte Elektroindustrie mußte auf Kriegsrüstung umschalten. Angemerkt sei, daß die Industrie schon vorher darum zu kämpfen hatte, die notwendigen Rohstoffe für ihre Fertigung zu bekommen.
Krieg - nicht nur die Butter wurde rationiert
Die Kriegsvorbereitung des Nationalsozialistischen Regimes war schon lange im Gang, und viele Produktionsvorhaben für den privaten Verbrauch verzögerten sich durch den dadurch hervorgerufenen Rohstoffmangel.
Nicht nur die Butter wurde rationiert, um stattdessen Kanonen herzustellen, auch die Fernsehgeräteindustrie, wie viele andere Wirtschaftszweige, wurde gebremst. So kam es bis zum Zusammenbruch des Deutschen Reiches 1945 hierzulande nie zu einem wirklich privaten Fernsehempfang.
Als die Fernsehgeräte in den Lazaretten standen
Aus dem Deutschlandhaus und ab März 1941 auch aus dem Kuppelsaal des Reichssportfeldes lief das Fernsehen weiter. Sehen konnte man es nach wie vor in den Fernsehstuben (zuletzt auch in Hamburg). Ferner wurde es zur Verwundetenbetreuung in den Lazaretten verwendet - dort standen nun die Fernsehgeräte in den Gemeinschaftssälen -, und auch die öffentlichen Live-Produktionen fanden vornehmlich vor Verwundeten als Publikum statt.
Am 26. November 1943 zerstörten Brandbomben bei einem Luftangriff den Berliner Fernsehsender im Amerikahaus. Im Deutschlandhaus aber produzierte man weiterhin Fernsehen, das über Drahtfunk und Breitbandkabel an Fernsehstuben und Lazarette verbreitet wurde. Erst 1944, im letzten Stadium des von Goebbels verkündeten "totalen Krieges", endete der Fernsehbetrieb,
8 lange Jahre Zwangspause bis 1952
Die folgende Zwangspause des deutschen Fernsehens dauerte mehr als acht Jahre. Als der NWDR in Hamburg am 25. Dezember 1952 wieder offiziell mit täglichen Programmausstrahlungen beginnt, hat das Nachkriegs-Fernsehen die neue Norm von 625 Zeilen und wird später auch noch farbig.
Das Studio im Deutschlandhaus, bis zum Ende des Krieges noch von der Mars-Film zur Produktion von Kriegsfilmen benutzt, hatte den Krieg überstanden, doch war die technische Einrichtung nach der Eroberung Berlins durch die Rote Armee demontiert und als Reparationsgut in die Sowjetunion abtransportiert worden.
Eine Zeitlang diente das Deutschlandhaus der britischen Besatzungsmacht in Berlin als Bürogebäude. Im Jahre 1955 aber wird sein Fernsehstudio wiedererweckt !
Als es in Westberlin den Sender Freies Berlin (SFB) gibt
Der Sender Freies Berlin (SFB) hatte ein Jahr zuvor das Deutschlandhaus für 4,2 Millionen DM (West) gekauft und die Räume neu ausbauen lassen. Die erste Sendung aus dem neuen "alten" Fernsehhaus erfolgte am 19. Februar 1955 unter dem Titel "Premiere im Metropol".
Am 1. April wurde dann das 520qm große Studio I, das sich über drei
Etagen des Hauses erstreckt, in Betrieb genommen. Das Gebäude wird auch zur Heimstätte der "Berliner Tagesschau".
Doch eines Tages meint der SFB, der mit nur 8 Prozent am Gesamtprogramm der ARD beteiligt ist und sich auch das Dritte Programm mit zwei Partnern, dem NDR und Radio Bremen, teilt, daß das Deutschlandhaus mit seinen drei Studios "an der Grenze seiner Auslastung" angelangt sei, und erbaut für teures Geld neue Studios.
Ab Sommer 1967 beginnt der Umzug in die neuen Ateliers, und ab 1970 hat das alte Pernsehhaus, das so genial konzipiert war, quasi ausgedient. Zwar werden in einigen Räumen heute unter der Schirmherrschaft des SPB Praktikanten aus den Entwicklungsländern in Fernsehtechnik und Programmarbeit ausgebildet, doch steht das große historische Studio leer, ist inzwischen unbenutzbar und wird teilweise als Lagerraum verwendet.
Leider läßt der Sender Freies Berlin dieser historischen Stätte - dem ersten Fernsehzentrum Deutschlands - nicht die Ehre angedeihen, die ihr gebührt.
Anzumerken sei auch noch, daß es unverständlicherweise heute in Berlin noch ein zweites "Deutschlandhaus" gibt, ein Bürogebäude am ehemaligen Anhalter Bahnhof. Nichts weist am heutigen Theodor-Heuß-Platz darauf hin, daß hier in den erhalten gebliebenen Bauten "Deutschlandhaus" und "Amerikahaus" deutsche Fernsehgeschichte geschrieben wurde. So pflegt Berlin seine Fernsehtradition !
Doch der Mainzer Verein "Museum für deutsche Fernsehgeschichte", dem viele Berliner als Mitglieder angehören, erinnert daran, daß vor 50 Jahren die Zeit der modernen Television mit der guten Qualität und dem flimmerfreien Bild in Berlin begann.
Im Kriegsjahr 1944 endete in Deutschland das 441 Fernsehen
Mit der Einstellung des Fernsehens im Kriegsjahr 1944 endete in Deutschland die Periode der 441-Zeilen-Norm.
Heute werden 625 Zeilen in ganz Europa verwendet. Für die Zukunft ist in der westlichen Welt bereits ein "High Definition Televison" (HDTV), ein "Fernsehen höherer Auflösung", im Gespräch, doch streiten sich Japaner, Europäer und Amerikaner noch über die künftige wesentlich höhere Zeilenzahl und weitere technische Einzelheiten.
Das Ende der 625-Zeilen-Norm ist allerdings vorprogrammiert. Wäre das 390 Millionen DM teure deutsche Satelliten-Projekt TV-Sat 1 im Februar 1988 nicht an einem simplen falsch eingesetzten Bolzen gescheitert, so gäbe es heute schon aus dem Weltall Versuchsausstrahlungen in neuester Technik mit weiter verbesserter Qualität in einer Norm, der die Techniker
die geheimnisvolle Bezeichnung D2-MAC gegeben haben.
Aber das ist ein neuer Abschnitt der Fernsehgeschichte. Dann endet das moderne Fernsehen, das in Deutschland vor 50 Jahren begann, und wird ein supermodernes.
Autor: Günter Bartosch, 6200 Wiesbaden im 10. Oktober 1988
- Anmerkung : Zu der Zeit um 1988 wußte der Autor Bartosch noch nicht, daß dieses D2-MAC ein gigantischer 350 Millionen Flop wurde, den wir alle bezahlen durften.
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