Günter Bartosch (1928 - 2013†) schrieb viel (sehr sehr viel) über und aus seine(r) Zeit beim ZDF in Eschborn und Mainz .....
Der ZDF Mitarbeiter Günter Bartosch war 30 Jahre beim ZDF - also von Anfang an dabei -, ebenso wie sein deutlich jüngerer Kollege Knapitsch. Angefangen hatte sie beide bereits vor 1963 in Eschborn, H. Knapitsch in der Technik, Günter Bartosch im Programmbereich Unterhaltung.
Und Günter Bartosch hatte neben seiner Arbeit und seinen Büchern so einiges aufgeschrieben, was er damals alles so erlebt hatte. In 2013 habe ich die ganzen Fernseh- und Arbeits-Unterlagen erhalten / geerbt und dazu die Erlaubnis, die (die Allgemeinheit interessierenden) Teile zu veröffentlichen.
Die Einstiegsseite zu den vielen Seiten beginnt hier.
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Das Fernsehen als Geburtshelfer des Hörfunks
Ein dreiteiliger Bericht von Günter Bartosch vom Januar 1999
Die weitgehend unbekannte Geschichte der Ultrakurzwellen.
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Teil 1
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Vor 50 Jahren: UKW - "Die Welle der Freude"
Beim Ausbruch des Zweiten Weltkriegs war ein deutscher Rundfunksender mit im Spiel - unschuldigerweise. Hitler suchte Gründe, nach Polen einzumarschieren, und sein Handlanger Heydrich inszenierte mit einer SS-Truppe einen fingierten Angriff auf den Rundfunksender Gleiwitz, den angebliche polnische Aufständische besetzten und einen Aufruf in polnischer Sprache verbreiteten.
Die erwünschte Außenwirkung blieb zwar aus, weil der Sender Gleiwitz, der zum Reichssender Breslau gehörte, zu diesem Zeitpunkt auf regionale Ausstrahlung geschaltet war, doch störte dies den kriegslüsternen Diktator nicht; er nahm diesen und andere inszenierte Überfälle zum Anlaß, in Polen einzufallen.
Das Lügenregime der Nationalsozialisten hielt auch noch für das Ende des Krieges rundfunkpolitische Merkwürdigkeiten bereit. Tontechnikerin Anneliese Pechstein, die später auch Mitarbeiterin des ZDF-Studios Berlin war, berichtet, daß sie noch im Januar 1945, als die Rote Armee bereits an der Oder stand, von ihrer Funkdienststelle in Berlin einer Gruppe zugeteilt wurde, die den sogenannten "Geheimsender Weichsel" ausstrahlte, als melde er sich vom Widerstand im besetzten Gebiet.
Ort dieser Propagandaveranstaltung war jener betonierte Kellerraum unter der Ehrentribüne des Olympiastadions Berlin, in dem sich 1936 die Bildtechnik für die weltweit ersten elektronischen Fernsehübertragungen eingerichtet hatte.
Bis 1942 haben "wir" immer nur gesiegt und gesiegt .....
Auf dem Höhepunkt der deutschen Siege stand fast ganz Europa unter nationalsozialistischer Herrschaft. In den besetzten Ländern wurde der Rundfunk einer strengen Aufsicht unterworfen und mußte seine Berichterstattung im Sinne der deutschen Machthaber ausüben.
Insgesamt 107 Lang- und Mittelwellen- sowie 23 Kurzwellensender standen in den von Deutschland besetzten europäischen Gebieten unter Kontrolle. Daß dies mit dazu beitrug, den Zorn der unterdrückten Völker gegen die deutsche Herrschaft zu steigern, läßt sich denken. Mit dem Ergebnis : Niemals wieder sollte von Deutschland aus Rundfunkpropaganda betrieben werden können.
1948 - erste Kopenhagener Wellenkonferenz
Als nach dem Krieg 1948 die europäischen Staaten in Kopenhagen zu einer ersten gesamteuropäischen Konferenz zusammenkamen, um die Frequenzen für Rundfunkübertragungen zu ordnen und auf die Länder Europas neu zu verteilen, hatte das besiegte und in Besatzungszonen aufgeteilte Deutschland keine Chance, angemessen berücksichtigt zu werden.
Deutsche Vertreter waren ohnehin nicht eingeladen; die Besatzungsmächte schickten je einen Offizier, doch wurde der Amerikaner nur als "Beobachter" zugelassen, weil die USA der Definition nach nicht zu den "Ländern des europäischen Rundfunkbereichs" gehörten.
Ursprünglich wollte man in Kopenhagen dem in vier Besatzungszonen aufgeteilten Deutschland nur eine einzige Mittelwelle zugestehen. Doch die eigenen Interessen der Besatzungsmächte ließen dies nicht zu. Daraufhin sollte jede Besatzungszone einen Programmsender erhalten.
Die Alliierten hatten allerdings schon durch die Zulassung mehrerer Programme Fakten geschaffen, die sich nicht mehr rückgängig machen ließen. Außerdem war in der Viermächtestadt Berlin der Rundfunkkrieg zwischen Ost und West entbrannt.
Die neue Mittelwelle hätten wir sowieso nicht empfangen können
Die sogenannte Mittelwelle (AM) war auf der Konferenz in ihrem Frequenzband über die damalige Grenze von 1.500 kHz erweitert worden. In diesem Bereich, der von vorhandenen Rundfunkgeräten nicht empfangbar war, teilte man Deutschland Frequenzen zu. Sie lagen sowohl quantitativ als auch qualitativ weit unterhalb der Anforderungen, die der Alliierte Kontrollrat für Deutschland gestellt hatte.
Als Termin für die Einführung des neuen Wellenplans wurde der 15. März 1950 angesetzt. Danach hätten sich die Empfangsverhältnisse in Deutschland erheblich verschlechtert.
Aber es gab ja noch die Ultrakurzwellen
Die deutschen Ingenieure, Techniker und Rundfunkfachleute nahmen dies als Herausforderung. Es gab ja noch den Bereich der Ultrakurzwellen, der im Kopenhagener Wellenplan unberücksichtigt geblieben war. Ultrakurzwellen haben die Eigenschaft, sich geradlinig auszubreiten, verlieren sich also mit der Erdkrümmung im Raum.
Ihre Empfangbarkeit endet normalerweise bei einer Strahlungsleistung von 100kW in einer Entfernung von 250-300km Luftlinie. Immerhin konnte man mit weiteren sogenannten Relais-Sendetürmen die Wellen auffangen und verstärkt in eine andere Richtung weitergeben.
Und "wir" kannten diese UKW-Wellen bereits
UKW-Wellen waren nicht unbekannt. In Deutschland, England und den USA hatte man sie bereits erprobt und teilweise angewendet. Doch galt es nun, sie sich in größerem Umfang nutzbar zu machen.
Die Rundfunkanstalten, die Deutsche Post und die deutschen Fernsehfirmen standen unter Zeitdruck. Und dieser trug dazu bei, daß man sich wohl oder übel - trotz widersprüchlicher Meinungen - auf ein System einigen mußte.
Als Grundprinzip wählte man die "Frequenzmodulation" (FM), die gegenüber der bisher verwendeten "Amplitudenmodulation" (AM) qualitative Vorteile bot.
Die "vertikale" Abstrahlung (AM) war bei UKW-Wellen von Störungen betroffen; eiserne Masten, Schornsteine mit Metallteilen, hohe Häuser, Regenrinnen u.a. machten sich nachteilig bemerkbar.
Eine tolle Qualität, "UKW - Die Welle der Freude"
Neben der störungsfreieren FM-Ausstrahlung ließ sich eine Verbesserung der Tonqualität erzielen, denn UKW erlaubte breitere Kanäle; ein UKW-Frequenzband bot 20mal soviel Übertragungsraum wie die Mittelwelle.
Das kam besonders Musiksendungen zugute und veranlaßte Eduard Rhein, den Chefredakteur der "Hörzu" - selbst ein bedeutender Radiofachmann - das Schlagwort zu prägen: "UKW - Die Welle der Freude".
Der NWDR mit Dr.-Ing. Werner Nestel ging voran
Vorreiter bei der technischen Entwicklung der UKW-Ausstrahlung war der Nordwestdeutsche Rundfunk (NWDR). Begünstigt von der liberalen Haltung der britischen Militärregierung gingen von Hamburg belebende Impulse für die Rundfunk- und Fernsehentwicklung in Deutschland nach dem Kriege aus.
Besonders Dr.-Ing. Werner Nestel, der technische Direktor des NWDR, war es, der - zeitweilig im Alleingang - für sein Konzept kämpfte, den UKW-FM-Rundfunk gegen den drohenden Zusammenbruch der Rundfunkversorgung durch den Kopenhagener Wellenplan rasch einzuführen.
Seinem Geschick als "Rundfunkdiplomat", wie er in einer Biografie bezeichnet wird, gelang es, auch widerstrebende Kräfte zu überzeugen. Schließlich zogen die westdeutschen Rundfunkanstalten BR, HR, SWF, Radio Stuttgart mit dem NWDR an einem Strang, was dazu beitrug, daß sich auch die zögernde Geräteindustrie beteiligen mußte.
Am 1. März 1949 sollte es mit UKW losgehen
Nach eingehenden Versuchsphasen einigte man sich für die Einführung des UKW-Rundfunks auf den 1. März 1949, allerdings noch unter dem Aspekt eines Versuchsbetriebs.
Enttäuschung und Verärgerung gab es beim NWDR, als der Bayerische Rundfunk schon einen Tag vorher mit den Sendungen begann. Fair war das sicherlich nicht, und die Münchner entschuldigten sich, es habe am 28. Februar 1949 in München eine Tagung von Rundfunkgeräteherstellern gegeben, denen man schon den UKW-Rundfunk vorführen wollte.
Der NWDR strahlte zunächst von Hannover mit einer Senderleistung von 100 W ab; der Bayerische Rundfunk sendete mit 250 W aus Münohen-Freimann. Ein 1000 W-Sender, der ab 3. Januar 1950 von einem 22m hohen Antennenmast auf dem 1.738m hohen Wendelstein im Allgäu ins Bayerische Land ausstrahlte, erreichte für einen UKW-Sender ein riesiges Versorgungsgebiet, ein Viertel Bayerns.
Überbrückung mit UKW Vorsatzgeräten
Auf der Empfangsseite gab es in der Bevölkerung anfänglich nur Bastler, die sich selbst ein UKW-Teil bauten. Doch schon bald lieferte die Industrie Vorsatzgeräte für UKW, die an die Apparate angeschlossen werden konnten. Das billigste Vorsatzgerät war bereits für 19.50 DM zu haben.
Dann aber profitierte die Geräteindustrie vom beginnenden Wirtschaftswunder. Der Nachholbedarf war groß, denn die meisten Radioapparate stammten noch aus der Vorkriegszelt.
Die neuen Geräte hatten fast alle ein UKW EMpfangsteil
Wer sich nun ein neues Gerät zulegte, kaufte eines mit UKW-Teil. Waren die Sender zunächst mit dem normalen Mittelwellenprogramm belegt, so entwickelten die Rundfunkanstalten nun für die sich ausbreitende UKW-Versorgung eigene Programme, hauptsächlich mit Musiksendungen für die "Welle der Freude".
Als erster Sender bot der NWDR ab Frühjahr 1950 neben seinem Hauptprogramm auf Mittelwelle weitere Programme über «UKW-West" für Nordrhein-Westfalen und über "UKW-Nord" für Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hamburg an.
Als der 15. März 1950 kam, war Deutschland bereits voraus
Als der Kopenhagener Wellenplan am 15. März 1950 um 2 Uhr in Kraft trat, konnte Deutschland schon über ein beachtliches UKW-Netz verfügen, das alle Benachteiligungen der für Deutschland so schlechten Situation im Mittelwellenfeld auszugleichen in der Lage war.
Wieder einmal hatten deutsche Forscher, Ingenieure und Techniker Maßstäbe gesetzt, die für andere Staaten zum Vorbild wurden.
Wenn aber gelegentlich zu lesen ist, mit dem Doppeldatum 28.Februar / 1.März 1949 habe der UKW-Rundfunk seine Geburtsstunde gehabt, so ist das schlichtweg falsch. Er war zu diesem Zeitpunkt schon erheblich älter.
Er hatte nämlich einen Geburtshelfer: Das Fernsehen !
Teil 2
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Vor 75 Jahren: UKW - Die Welle der Zukunft
Gerade erst hatte anfangs der 1920er Jahre der Rundfunk zu senden begonnen - über Mittel- und Langwellen -, da rückten bereits die Ultrakurzwellen ins Blickfeld der Ingenieure und Techniker. Bezeichnenderweise wegen des Fernsehens, für das man sich nun eingehender zu interessieren begann.
Früh war man sich im klaren darüber, daß die nötige Modulationsbreite für ein einigermaßen hochauflösendes Bildsignal weder auf Lang- oder Mittelwelle noch auf Kurzwelle zu erzielen sei.
1924 - "Der deutsche Rundfunk"
In der Fachzeitschrift "Der deutsche Rundfunk" stellte bereits am 27. April 1924 Werner Ludenia genaue Berechnungen darüber an, wie eine Trägerwelle beschaffen sein müsse, die in der Lage sei, lebendes Bild einwandfrei zu übertragen.
Ende 1925 gelang es Abraham Esau und seinen Mitarbeitern im Technisch-physikalischen Institut der Universität Jena, auf Wellenlänge 3m einen Sender mit 100 W Leistung zu betreiben.
1926 - Dr. Fritz Schröter berichtet von UKW
In einer Patentanmeldung vom 9. Januar 1926 machte Dr. Fritz Schröter, der technische Direktor der Firma Telefunken, darauf aufmerksam, daß UKW-Empfang für Großstädte und Ballungsräume gut geeignet sei.
Doch die ersten Erprobungen des Fernsehens wurden zunächst über bestehende Sendeanlagen durchgeführt. Am 8. März 1929 gab die Deutsche Reichspost dem in Berlin tätigen Fernsehpionier Denes von Mihaly Gelegenheit zu einer Versuchssendung über den Mittelwellensender Berlin-Witzleben.
Das Experiment fand in der Zeit von 23.10 Uhr bis 0,30 Uhr statt. "Fernsehen in Berlin geglückt !" hieß die Schlagzeile eines Extrablatts der Berliner Zeitung "12 Uhr-Blatt".
Dennoch - Fernsehen war noch lange nicht fertig
Wenngleich der Berichterstatter diese Vorführung eines Stummfilmstreifens, der mit Nipkow-Scheibe und Photozelle abgetastet wurde, schon mit den Worten vorstellte, das Problem des Heimkinos sei gelöst, war dies doch nur ein buchstäblich schwacher Versuch, der noch viele Fragen offen ließ.
Abgesehen von der Aufmerksamkeit, die das Extrablatt erzielte, fand alles,
was das Fernsehen anbetraf, unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt. Wenn Hobby-Bastler mit ihren Geräten auf der Mittelwelle empfangbare Sender suchten, so wunderten sie sich mitunter über merkwürdig knatternde Geräusche. Das war gesendetes stummes Bild !
Noch viele Experimente mit Lang- und Karzwellen
Die Deutsche Reichspost experimentierte in der Folge auch mit Lang- und sogar mit Kurzwellen, doch erwies sich die erwählte Fernsehnorm von 30 Bildern/sek als ungenügend für ein einigermaßen akzeptables Bild. Nur auf Ultrakurzwellen konnte eine wesentlich bessere Bildqualität erreicht werden.
Der Beginn intensiver Versuchssendungen im UKW-Bereich läßt sich datenmäßig kaum erfassen, da die verschiedenen Firmen in der verschiedensten Weise experimentierten.
Experimente mit 3m und 6m und 7m Sendern
Eduard Rhein berichtete, daß ein 3m-Sender im April 1929 auf dem Dach des Berliner Vox-Hauses, dem Domizil des Rundfunks, aufgestellt worden sei, der nach einiger Zeit wieder abgebaut wurde, weil die Verstärkeranlagen im Hause von ihm gestört wurden. Ein zweiter Sender habe auf dem Dach des AEG-Forschungsinstituts in Berlin-Reinickendorf gestanden.
Die Deutsche Reichspost hatte jedenfalls Mitte 1931 für wissenschaftliche Sende- und Empfangsversuche in Berlin zwei Ultrakurzwellensender in Betrieb.
Ein Lorenz-Sender arbeitete auf Welle 6,75m und ein Telefunken-Sender auf 7.05m. Installiert waren die Anlagen in einem Turm des 1929 neuerbauten Reichspost-Zentralamtes in Berlin-Tempelhof, Ringbahnstraße, in jenem Gebäude, in dem sich nach dem Kriege die ersten Studios des Berliner Fernsehens befanden.
Die erste UKW-Sendung am 19. August 1932 in Berlin
Feststellen lassen sich Daten, wenn ein neues System offiziell vorgestellt wird, auch wenn es sich trotzdem noch um Experimente handelt. So gesehen, fand die erste UKW-Sendung am 19. August 1932 in Berlin bei Beginn der Großen Deutschen Funkausstellung statt.
Eine Woche vorher war der Berliner Funkturm auf dem Messegelände Witzleben in einer nächtlichen Montageaktion mit einer UKW-Antenne versehen worden.
Die neue Antenne - nach einem Pressebericht "einem gewaltigen Spieß aus der Urzeit der Menscheit vergleichbar" - hatte man mit dem Fahrstuhl auf die Aussichtsplattform gebracht und dort mit einem Gegengewicht, einem achteckigen waagerechten Kupferkranz, befestigt, ohne das Leuchtfeuer abzustellen, das auch in der Nacht den Flugzeugen den Weg wies. Den Funkturm krönte nun eine neue Spitze, das äußere Zeichen, daß das Zeitalter des UKW-Funks begonnen hatte.
Dieser UKW-Sender war ein Fernseh-Bild Sender
Ausdrücklich sei angemerkt - weil darüber falsche Informationen im Umlauf sind -, daß es sich damals nur um eine Antenne und einen UKW-Sender handelte, der im Rahmen der Versuche nur für "B i l d" - Übertragungen gedacht war.
Das, was man in der Presse seinerzeit gern als kommendes "Heimkino" bezeichnete, war noch Stummfilm. Ursprünglich hatte man daran gedacht, den Ton zum Bild über eine normale Mittelwelle zu senden.
Fernsehgeräte, die als Muster gebaut worden waren, sahen zum Teil schon den Anschluß eines Radioapparates vor, andere besaßen bereits einen integrierten Tonteil, der aber für Fernsehzwecke nur über einen Kabelanschluß bespielt werden konnte.
Auf der Funkausstellung 1932
Während der Funkausstellung 1932 demonstrierte die UKW-Sendeanlage der Deutschen Reichspost in der Funkhalle bis zum 28. August Fernsehen in der damaligen Norm von 90 Zeilen.
Waren in den Testphasen zuvor oft die Wellen der normalen Programmsender für Fernsehexperimente benutzt worden, so verfuhr man nun umgekehrt und belegte den UKW-Sender in den Vorführpausen des Fernsehens mit einem Hörfunkprogramm.
Damals schon wichtig : Reichweitenmessungen
Es galt ja auch, Reichweitenmessungen vorzunehmen, die so den ganzen Tag über stattfinden konnten. Ab Oktober 1932 führte die Reichspost mit dem UKW-Sender regelmäßige Fernsehversuchssendungen auf Welle 6,985m mit stummen Filmen durch, täglich jeweils eine Stunde vormittags, nachmittags und abends. Dazwischen wurde das Programm der Berliner Funkstunde übertragen.
Der Bildprojektor und die Bildzerlegereinrichtung des Fernsehens standen im benachbarten Haus des Rundfunks. Ein 750m langes Kabel führte zur Sendeanlage, die in der Ausstellungshalle verblieben war. Von dort zog sich ein 200m langes Kabel hoch zur Antenne auf dem Funkturm.
Der größte Ultrakurzwellensender der Welt
Die Fachzeitschrift "Funk-Bastler" berichtete in ihrer Ausgabe vom 9. Dezember 1932 über die von Telefunken erbaute Anlage: "Der geschilderte Sender ist der größte Ultrakurzwellensender der Welt. Ferner sei darauf hingewiesen, daß Deutschland als erstes Land ein regelmäßiges Fernsehprogramm auf Ultrakurzwellen bringt."
Die Reichspost aber dämpfte aufkommende Euphorie mit dem Hinweis, es handele sich nach wie vor um Versuchssendungen, und an eine offizielle Einführung des Fernsehens sei zunächst nicht gedacht.
Immer noch wurden Bild und Ton getrennt gesendet
Erforschung und Weiterentwicklung des UKW-Bereichs führten 1934 zu entscheidenen Verbesserungen. Die Versuche hatten gezeigt, daß es große Schwierigkeiten gab, Bild und Ton in verschiedenen Wellenbereichen zu senden. Der notwendige Gleichlauf konnte nur gesichert werden, wenn die Sendefrequenzen dicht nebeneinander lagen.
Zur Funkausstellung 1934 wurde Mitte August ein zweiter UKW-Sender in Betrieb genommen. Auf der Spitze des Funkturms streckten sich nun zwei UKW-Antennen in den Himmel, deutlich sichtbar durch die nun doppelten Kupferkränze als Halterungen. Auf die alte wurde der Ton geschaltet, die neue strahlte das Bild ab, das am 1. April 1934 auf 180 Zeilen umgestellt worden war. Erst jetzt war das Fernsehen komplett und voll einsatzbereit.
Teil 3
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Vor 65 Jahren: UKW - Die Welle des Fernsehens
Am 22. März 1935 wurde in Berlin offiziell der regelmäßig deutsche Fernsehprogrammdienst eröffnet. Vorerst aber gab es Fernsehsendungen nur an drei Wochentagen je eineinhalb Stunden am Abend. Das erste optische Stationskennzeichen des deutsehen Fernsehens verkündete : "Ultrakurawellensender Berlin-Witzleben auf Welle 6,7m".
Man behielt die Praxis bei, den UKW-Tonsender außerhalb der Fernsehzeiten mit einem Hörfunkprogramm zu belegen und schaltete nun nach Ansage verschiedene Reichssender.
Die Fachzeitschrift "Die Sendung" schrieb dazu : "Die Verwendung eines Ultrakurzwellen-Empfängers nur für den Tonempfang kann darum heute bereits jedem Bastler empfohlen werden" und meinte, die Bastler könnten so mithelfen, Neuland zu erforschen, (tatsächlich waren es dann 1948 Bastler, die aufgrund eines Preisausschreibens der Rundfunkanstalten die ersten Zusatzgeräte für UKW-Empfang entwickelten.)
1935 - Das Propagandanetz für das Saargebiet
Schon vor dem offiziellen Fernsehbeginn war der UKW-Sender in das Propagandanetz der Nationalsozialisten einbezogen worden. Mit besonderer Stimmungsmache über den Äther wurde die Saarabstimmung am 13. Januar 1935, die darüber entscheiden sollte, ob das Saargebiet nach dem Willen der Bevölkerung wieder dem Deutschen Reich anzugliedern sei, begleitet.
Mit dem Rundfunk demonstrierte man die Einheit aller Deutschen. Erhalten geblieben ist in einem Filmbericht die Übertragung einer sogenannten "Saarkantate" aus Hamburg und die vorausgeschickte Ansage - heute ein Dokument in Sachen UKW.
Es hieß damals : "Hier ist der Deutsche Rundfunk. Hier sind alle deutschen Reichssender, der deutsche Kurzwellensender und der Ultrakurzwellensender Witzleben. Sie hören als Reichssendung die 'Saarkantate'."
Das Großfeuer während der Funkausstellung 1935
Ein verheerendes Großfeuer am 19, August 1935 während der Funkausstellung zerstörte die beiden UKW-Sender der Reichspost für Bild und Ton. Mit schnell zusammengebauten Hilfssendern wurde das Fernsehprogramm notdürftig fortgeführt. Am 23. Dezember 1935 konnten dann in einer Steinbaracke unter dem Funkturm zwei neue Sender in Betrieb genommen werden.
Einen Fernseh-Versuchswagen zur Reichweitenmessung
Bereits 1934 wurde das Ziel verfolgt, ganz Deutschland mit Fernsehen zu versorgen. Zur Reichweitenmessung und zum Studium der Ausbreitung von Ultrakurzwellen rüstete das Reichspostzentralamt einen Fernseh-Versuchswagen aus.
Nach einem Bericht des Fernsehhistorikers Gerhart Goebel handelte es ich um einen Landkraftwagen, der bestückt war mit einer Bildempfangsanlage für 180 Zeilen, mehreren UKW-Empfängern verschiedener Empfindlichkeit, einem UKW-Tonempfänger, einem UKW-Feldstärke-Meßgerät sowie einem kleinen Meßsender.
Der Wagen konnte am Meßort an des örtliche Wechselstromnetz angeschlossen werden. Im Juni 1935 stand ein ganzer Fahrzeugzug als fahrbarer UKW-Bild- und Tonsender zur Verfügung, der insgesamt aus 14 Fahrzeugen, teilweise mit Anhängern, bestand und bei einer Fahrgeschwindigkeit von 65 bis 70 km/h eine Marschtiefe von etwa 1 km besaß. Strahlungsversuche vom Großen Feldberg im Taunus erreichten sogar die 370 km entfernte Zugspitze.
1937 - Der Fernsehturm auf dem Brocken im Harz
Im Juni 1937 fand das Richtfest für einen Fernsehturm auf dem Brocken im Harz statt. Im November 1938 wurden im fertigen Turm zwei von Telefunken hergestellte UKW-Sender für Bild und Ton eingebaut. Von April bis Juni 1939 führte diese Sendeanlage mit behelfsmäßigen Antennen einen Probebetrieb durch; ein Filmabtaster spulte ein Versuchsprogramm ab.
Das Berliner Fernsehprogramm konnte noch nicht übernommen werden, da die Kabelstrecke vom Brocken zum Abzweigpunkt Braunlage des Breitbandkabels Frankfurt/Main noch nicht fertiggestellt war.
1940 - ein Fernsehturm auf dem Großen Feldberg im Taunus
Auf dem Großen Feldberg im Taunus wurde ebenfalls ein Fernsehturm errichtet. Anfang 1940 war er fertig. Die Bild- und Tonsender wurden zwar noch installiert, konnten aber wegen des Krieges nicht mehr in Betrieb genommen werden. Eine Sendeanlage der C. Lorenz AG war für München hergestellt worden. Weil die dafür vorgesehenen Räume im Glockenturm an der Theresienwiese noch im Bau waren, blieb die Anlage bei der Post in Berlin.
Zwei im Spätherbst 1938 im Turm des Amerika-Hauses in Berlin untergebrachte Telefunken-Fernsehsender lieferten mit Ton bereits Bilder im 441-Zeilen-Format.
1939 - und dann war es vorbei mit dem Fernsehen
Der Krieg stoppte jede weitere Entwicklung; er setzte andere Prioritäten. Wie begehrt in der Kriegswirtschaft auch die geringsten funktechnischen Geräte und Bestandteile waren, verdeutlicht ein persönliches Erlebnis.
Mein persönliches Erlebnis als Flak-Helfer
Als fünfzehnjähriger Soldat unter der verharmlosenden Bezeichnung "Luftwaffenhelfer" war ich mit einer Berliner Flakbatterie nach Marburg an der Drau (heute Marlbor in Slowenien) verschlagen worden. Ich gehörte zum Bedienungspersonal des Funkmeßgerätes Würzburg (Radar).
Eines Tages im Jahre 1944 erschienen zwei Soldaten vom I-Dienst (Instandsetzungsdienst) und entfernten während eines Vormittags etwa - wie mir schien - die Hälfte der technischen Innereien unseres Funkmeßgeräts.
"Was baut ihr da aus ?" fragte ich und bekam zur Antwort: "Die Nachtjägerkennung" (das war die Identifizierung der eigenen Maschinen) "Der Tommy hat den Code geknackt, das Zeug ist jetzt überflüssig. Aber wir brauchen das Material."
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1943 - Fernsehen nur noch zur Lazarettbetreuung
Während sich der UKW-Bereich für Kriegszwecke nur in ganz engen Grenzen anwenden ließ, blieb in Berlin das Fernsehen zur Lazarettbetreuung verwundeter Soldaten weiterhin auf Sendung.
Am 23. November 1943 vernichtete eine Brandbombe die UKW-Sender im Amerika-Haus. Provisorisch weitergesendet wurde dann immernoch von Kleinsendern, die seit der Versuchsphase auf dem Fernamt in der Winterfeldtstraße und dem Reichspostzentralamt in Tempelhof standen.
Ein schwacher Bildsender mit einem in den Werkstätten der Post gebauten Tonsender befand sich auch vorübergehend im Berliner Osten auf dem Dach des Karstadt-Gebäudes in Berlin-Neukölln. Wann der Sender dort abgebaut wurde, ist wohl nicht mehr feststellbar.
Ursprünglich hatten wir mal 14 UKW Sender
Von den 14 zu Anfang des Krieges vorhandenen UKW-Sendern der Reichspost mit großer Leistung gingen 13 im Verlauf der kriegerischen Ereignisse verloren oder wurden zerstört.
Nur ein fahrbarer Bildsenderzug von 4 Wagen, der beim Zusammenbruch in Holstein gestanden hatte, sei der Vernichtung entgangen, berichtete Fernsehhistoriker Gerhart Goebel.
Der Zug mußte 1946 auf Befehl der britischen Militärverwaltung für Versuche nach England überführt werden.
Erhalten geblieben war aber eine hochmoderne, auf dem neuesten Stand der Technik befindliche Fernseheinrichtung in Paris. Es gehört zu den Merkwürdigkeiten des Krieges, daß die deutschen Behörden im besetzten Paris von Juni 1943 bis zum 18. August 1944 einen Fernsehsender betrieben.
Die Franzosen hatten einen 30KW UKW Sender im Eiffelturm
Die Franzosen besaßen einen UKW-Sender für Ton aus dem Jahre 1937 und den überhaupt stärksten UKW-Bildsender mit 30 kW Oberstrichleistung aus dem Jahre 1939, gebaut von französischen Firmen.
Sie standen in einem Bunker am Fuße des Eiffelturms und waren von den Franzosen vor dem Einmarsch der deutschen Truppen teilweise zerstört worden.
Nachdem der deutsche Plan, in Paris einen Fernsehsender zu betreiben, der, wie in Berlin, zur Unterhaltung der Verwundeten in den Lazaretten dienen sollte, Gestalt angenommen hatte, wurde die Pariser Anlage unter Beteiligung französischer Firmen modern ausgebaut und auf die deutsche Norm von 441 Zeilen umgestellt.
Der vom hohen Eiffelturm abstrahlende Sender war so stark, daß er vom englischen Militär an der Kanalküste empfangen wurde, was kein Deutscher wußte.
Der preußische Ordnungssinn der Deutschen Reichspost
In Anbetracht des unaufhaltsamen Vormarschs der Alliierten nach der Invasion hatte die Deutsche Reichspost mit preußischem Ordnungssinn bereits am 12. August 1944 den größten Teil der technischen Anlagen des Sendebetriebs der
Radiodiffusion Francaise übereignet.
Ein Befehl, die Sendeanlage am Eiffelturm beim Abzug aus Paris zu sprengen, wurde von den verantwortlichen Deutschen ignoriert. Bei der "eiligen Flucht aus Paris", die in Wirklichkeit ein geordneter Abzug war, hatte man das "vergessen".
Das Ergebnis der Wellenkonferenz war absolut verblüffend
Fünf Jahre später verblüffte das besiegte Deutschland die Welt mit einem UKW-Sendernetz, das eine rasante Entwicklung erlebte. Und ab 1949 regte sich auch wieder das Fernsehen. Die deutschen Ingenieure und Techniker konnten natürlich weitgehend auf den Erfahrungen aufbauen, die sie schon seit den 1930er Jahren mit den UKW-Wellen gemacht hatten.
Pate dafür stand das Fernsehen. Neu war 1949 eigentlich nur, daß die bisher benutzte Amplitudenmodulation (AM) durch die Frequenzmodulation (FM) ersetzt wurde, weil diese weniger störanfällig war. UKW-FM hat sich bis heute in vielfältigster Weise bewährt und unter anderem auch den Stereoton ermöglicht. Im Umbruch der modernen Zeit wird dies nun der Digitalisierung weichen.
50 Jahre UKW ? Nein !
Rein offiziell wird der UKW-Rundfunk am 19. August 1999 genau 67 Jahre alt. Das Medium, das ihn ins Leben rief, war das Fernsehen !
Dieser UKW-Artikel ist von Günter Bartosch am 8. Januar 1999
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Nachtrag
Lieber Herr Gültner,
es ist zu lang, ich weiß es. Verzeihung. Natürlich kann der Anfang dieser Geschichte wegfallen, aber ich berichte gern auch mal etwas aus der Rundfunkgeschichte, das sicherlich den Kolleginnen und Kollegen nicht bekannt ist.
Mit den besten Grüßen - in Eile
Günter Bartosch am 10. Januar 1999