Günter Bartosch (1928 - 2013†) schrieb viel (sehr sehr viel) über und aus seine(r) Zeit beim ZDF in Eschborn und Mainz .....
Der ZDF Mitarbeiter Günter Bartosch war 30 Jahre beim ZDF - also von Anfang an dabei -, ebenso wie sein deutlich jüngerer Kollege Knapitsch. Angefangen hatte sie beide bereits vor 1963 in Eschborn, H. Knapitsch in der Technik, Günter Bartosch im Programmbereich Unterhaltung.
Und Günter Bartosch hatte neben seiner Arbeit und seinen Büchern so einiges aufgeschrieben, was er damals alles so erlebt hatte. In 2013 habe ich die ganzen Fernseh- und Arbeits-Unterlagen erhalten / geerbt und dazu die Erlaubnis, die (die Allgemeinheit interessierenden) Teile zu veröffentlichen.
Die Einstiegsseite zu den vielen Seiten beginnt hier.
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VOR 60 JAHREN BEGANN DAS DEUTSCHE FERNSEHEN
Kurzfassung / zweiteilig
Historischer Bericht von Günter Bartosch vom Jan. 1995
"Der 22. März dieses Jahres wird ein für die Entwicklung des deutschen Rundfunks und für das gesamte Fernsehen bedeutungsvoller, geschichtlicher Erinnerungstag bleiben", schrieb die Fachzeitschrift "Punk" in ihrer Ausgabe vom 1, April 1935.
Der damals utopisch anmutende Satz hat längst Richtigkeit erlangt, doch ist es mit der Erinnerung an den bedeutungsvollen Tag nicht weit her.
Der Start des Fernsehens vor 60 Jahren in Berlin war wenig spektakulär
Nicht einmal das heute allgegenwärtige Medium selbst gedenkt im Programm der eigenen Geschichte. Während "100 Jahre Kino" sich einprägen, weil die Gebrüder Skladanovsky 1895 im renommierten Berliner Varietee "Wintergarten" ihr "Bioskop" öffentlich vorführten, bleibt der Anfang des Fernsehens im Dunkeln, nicht zuletzt, weil der Start des "ersten regelmäßigen Fernsehprogrammdienstes der Welt" vor 60 Jahren in Berlin wenig spektakulär war, denn er fand in kleinstem Kreise unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt.
Zwar hatte es in den USA schon zu Anfang der 30er Jahre Fernsehprogramme gegeben, doch da sie nicht genügend Zuschauer fanden, überlebten sie nicht lange, denn damals wie heute wurden sie aus Werbeeinnahmen finanziert. 1935 jedenfalls hielt das Fernsehen in den USA einen Dornröschenschlaf.
Nicht so in Europa. In England und in Deutschland war das Fernsehen bereits seit dem Ende der 20er Jahre von den Postverwaltungen erforscht und intensiv weiterentwickelt worden. Frankreich hatte sich als drittes Land dem neuen Medium zugewendet; in Italien und in der Tschechoslowakei wuchs das Interesse. Daß in dieser Situation das deutsche Fernsehprogramm als "erstes der Welt" auf der Bildfläche erschien, hatte ebenso politische wie kuriose Gründe. 1935 jedenfalls v/ar für das Fernsehen ein ereignisreiches Jahr.
Und immer endet die Rückschau im 3. Reich
Ein Rückblick um 60 Jahre endet in Deutschland zwangsläufig in der Zeit des Nationalsozialismus. Und in der Nazizeit gab es nichts im öffentlichen Leben, das nicht politisch gewollt und im Sinne der herrsehenden Weltanschauung als nützlich betrachtet wurde. So gesehen hatte das Fernsehen allerdings keine Chance.
Hitler und sein Propagandaminister Goebbels setzten voll auf den Rundfunk als Massenbeeinflussungsinstrument. Fernsehen ? Wann hätte dieses noch unterentwickelte Mischwesen aus Rundfunk und Film jemals wenigstens 1 Million Menschen erreichen können ? Dies war so unrealistisch, daß ihm die nationalsozialistische Führung kein Interesse entgegenbrachte. Die Fernsehversuche wurden schon seit acht Jahren von der Deutschen Reichspost in Zusammenarbeit mit Firmen der Punkindustrie betrieben, und da hätten sie auch bleiben können.
Ein Erz-Nazi, ein Emporkömmling : Eugen Hadamovsky
Wenn es nicht einen Mann gegeben hätte, der in Bezug auf das Fernsehen buchstäblich visionär begabt war. Ein Erz-Nazi, ein treuer Gefolgsmann des Führers, ein nationalsozialistischer Emporkömmling: Eugen Hadamovsky, der sogenannte "Reichssendeleiter". Er war es, der gleichsam in einem Handstreich das deutsche Fernsehen in die Welt brachte.
Die Beurteilung dieses Mannes ist extrem schwierig
Der Historiker möchte anmerken, daß er sich im Falle der Beurteilung Hadamovskys in einer schwierigen Lage befindet. Rigoros hatte dieser Mann, der 29 Jahre alt war, als er "Reichssendeleiter" wurde, den gesamten deutschen Rundfunk im Sinne des Nationalsozialismus gleichgeschaltet, Juden, Demokraten und Andersdenkende verfolgt.
Ehrung hat er nicht verdient. Legt man allerdings vergleichende Maßstäbe an, so ergibt sich ein etwas anderes Bild. Die Konstrukteure der schrecklichen Kriegswaffe V2 fanden nach dem Kriege Beachtung und konnten sich einer Würdigung erfreuen, weil sie den Weg zum Mond und zu den Sternen ermöglichten.
Wenn das inzwischen weltbeherrschende Fernsehen in der Nazizeit von einem damals hohen Funktionär gefördert wurde - noch dazu in einem erstaunlichen Alleingang -, dann kann der Historiker diese persönliche Leistung nicht deshalb unbeachtet lassen, weil der Betreffende ein Vertreter und gläubiger Anhänger der herrschenden Macht war.
Eigentlich war es nicht in NS Propagandakonzept eingebunden
Das Fernsehen - entwickelt aus einer deutschen Erfindung und sehr wesentlich von Deutschland aus in die Welt gebracht - führte damals noch ein Schattendasein, beschäftigte viele Mitarbeiter, denen das Prädikat "politisch unzuverlässig" anhaftete, und war nicht ins nationalsozialistische Propagandakonzept eingebunden.
Für die wenigen Menschen, die es in Berlin, Potsdam und Hamburg sehen konnten, war es eine Abart des Kinos. Auch für die Zwecke des Krieges war es nicht "verwendungsfähig".
Für Hadamovsky, der im Bereich des Rundfunks eigene Vorstellungen nicht verwirklichen konnte, war das Fernsehen ein Gebiet, dem er sich persönlich widmete und dessen Weiterentwicklung er förderte. -
Hadamovsky starb den "Heldentod"
Hadamovsky, der "Reichssendeleiter", fiel 1942 bei seinem Chef Goebbels in Ungnade. Er endete, wie er gelebt hatte, im Dienste des von ihm verehrten Führers. Ende 1943 meldete er sich freiwillig zur Wehrmacht und starb - ganz im Gegensatz zu seinen Förderern Hitler und Goebbels - als Panzeroffizier 1944 an der Ostfront den Heldentod - wie man das damals nannte.
Er hatte die visionären Vorstellungen des Fernsehens
1935 war er im ganzen nationalsozialistischen Machtapparat der einzige, der die Bedeutung, die das Fernsehen erlangen werde, deutlich voraussah.
Noch am 22. März 1955 schrieb das angesehene "Berliner Tageblatt" über die Situation des Fernsehens und dessen Versuchsstadium: "Man hält es für ausgeschlossen, das Fernsehen in derselben primitiven Form starten zu lassen wie seinerzeit den Rundfunk". Am selben Abend startete es !
Kurzfristig und überraschend hatte Hadamovsky für den Abend des 22. März 1935 Vertreter der Deutschen Reichspost, der Funkindustrie, der Wirtschaft und der Presse in einen kleinen Saal des Funkhauses in der Masurenallee geladen und das deutsche Fernsehen offiziell eröffnet.
Es war ein richtiger "Handstreich"
Neben Ansprachen von Dr. Friedrich Wilhelm Barmeitz, dem Zuständigen der Reichspost für das Fernsehen, und dem Chefingenieur der Reichsrundfunkgesellschaft Dr. Hubmann, dessen Ansprache vorher gefilmt und nun auf dem Bildschirm wiedergegeben wurde, hielt natürlich Eugen Hadamovsky die Eröffnungsrede in einer Mischung aus visionären Erkenntnissen und nationalsozialistischer Geisteshaltung.
U.a. sagte er: "Das Fernsehen muß uns wirklich zusätzliche Kulturmöglichkeiten schaffen, es muß neuen künstlerischen Formen und Äußerungen bahnfrei geben, es wird uns eine unerhörte Vertiefung des politischen Gemeinschaftserlebnisses bringen durch das Mitwirken des Auges."
Der Begriff der "aktuellen Berichterstattung"
In Ergänzung des Hinweises, daß für das Fernsehen auch die aktuelle Berichterstattung als "Spiegel des Tages" vorgesehen sei, fügte Hadamovsky hinzu: "Nach dem 30. Januar 1933 hat der Rundfunk das Wort des Führers allen Ohren gepredigt. In dieser Stunde wird der Rundfunk berufen, die größte und heiligste Mission zu erfüllen: Nun das Bild des Führers unverlöschlich in alle deutschen Herzen zu pflanzen."
Hadamovsky hatte Tatsachen und Maßstäbe geschaffen
Hadamovsky hatte kurzerhand Tatsachen geschaffen, an denen niemand mehr vorbei konnte. Er hatte echte nationalsozialistische Gründe für sein Vorpreschen: Deutschland war das erste Land, hatte Engländern und Franzosen den Rang abgelaufen ! Deutsche Wissenschaftler, Ingenieure und Techniker hatten das Fernsehen geschaffen !
Um das Bild des Führers allen Volksgenossen "in die Herzen pflanzen" zu können, werde ein großes Sende- und Übertragungsnetz geschaffen und ein preiswerter Volks-Fernsehempfänger auf den Markt kommen !
Mit zwei Telegrammen meldete Hadamovsky dem Führer sowie dem "Chef des deutschen Rundfunks" Reichsminister Dr. Goebbels den "Beginn des ersten regelmäßigen Fernsehprogrammbetriebes der Welt", nicht ohne beflissen hinzuzufügen: "Mögen auch ... noch tausend Hindernisse zu überwinden und Jahre voll härtester Arbeit zu leisten sein, wir werden dieses Ziel erreichen, im Dienste unseres unvergleichlichen Führers, im Dienste an unserer stolzen deutschen Volksgemeinschaft. Heil Hitler !"
Die NS-Presse brauchte Erfolge
Das erste offizielle Fernsehprogramm am Abend des 22. März 1935 wurde von der Presse begeistert aufgenommen, die Genauigkeit und Vollkommenheit der Bilder gelobt.
Gezeigt wurden ausschließlich Filmstreifen, wiedergegeben auf sieben Empfängern mit Braunschen Röhren, geliefert von verschiedenen Gerätefirmen. Im Programm gab es einen Zusammenschnitt von Großkundgebungen der letzten Jahre, eine Bilderfolge der Berliner Heldengedenkfeier, einen Ufa-Tonfilm "Mit dem Kreuzer Königsberg in See" und einen Trickfilm der Ufa.
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Der Berliner Funkturm und die Sendetechnik
Abgestrahlt wurde das Fernseh-Programm vom Sender Witzleben, auf dem Berliner Funkturm, der schon 1934 für Bild und Ton zwei Ultrakurzwellensender am Boden und zwei Antennen auf der Spitze des Turms erhalten hatte.
Bei einer Leistung von etwa vier Kilowatt hatte der Sender eine Reichweite von rund 50 Kilometer im Umkreis. Die Übertragung erfolgte in der damals erreichten Norm von 180 Zeilen und 40.000 Bildpunkten.
Für den Sendebetrieb stand am historischen Eröffnungstag lediglich ein Filmabtaster im Fernsehhaus der Reichspost in der Rognitzstraße zur Verfügung. Durch die Initialzündung des erzwungenen offiziellen Programmdienstes ergab sich in wenigen Wochen eine rasante Entwicklung.
Doch wer konnte das Programm sehen ?
Hadamovsky hatte von zunächst einigen hundert Volksgenossen im Raum Berlin gesprochen, was wahrscheinlich viel zu hoch gegriffen war. Sein Stellvertreter Carl-Heinz Boese, den er zum Chef des Fernsehens gemacht hatte, zählte auf Anfragen der Presse die Fernsehzuschauer auf: Der Führer, Reichsminister Dr. Goebbels und die technischen und künstlerischen Teilnehmer am Aufbau des Fernsehens.
Das also waren die "Volksgenossen". In der Tat, der Start des Fernsehens am 22. März 1935 fand unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt ! Rückblickend darf man staunen, wie es sich von damals bis heute entwickelt hat.
- Anmerkung : Erstaunlich Ähnliches ereignete sich zur Einführung des Farbfernsehens im August 1967, als auch nur etwa lausige 2.000 Farbfernsehempfänger überhaupt verfügbar waren - im gesamten Bundesgebiet samt der Stasi in Ostberlin.
Und die meisten stand in den Rundfunk-Anstalten bei den Abteilungsleitern und aufwärts.
VOR 60 JAHREN - 2. Teil 1935 -
EIN JAHR DES FERNSEHENS
Historischer Bericht von Günter Bartosch vom März 1995
Dem offiziellen Start des deutschen Fernsehens am 22. März 1935 als "erstem Programmdienst der Welt" folgten Initiativen, die das Jahr 1935 zu einem Jahr des Fernsehens werden ließen. Industrie und Reichspost, die bisherigen Verbündeten bei den Fernsehversuchen, wollten sich das Heft nicht von der "Reichsrundfunkgesellschaft " und vom "Reichssendeleiter" Hadamovsky aus der Hand nehmen lassen.
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Die ersten öffentliche Fernsehstellen
Plötzlich ging alles sehr schnell. Schon wenige Wochen nach dem Start eröffnete am 9. April 1935 die Deutsche Reichspost im Reichspost-Museum Berlin, Ecke Mauer- und Leipziger Straße, die erste öffentliche Fernsehstelle.
Hier waren Empfänger aufgestellt und Sitzplätze für etwa 20 Personen eingerichtet. Der Eintritt war frei, und nun konnten tatsächlich auch "Volksgenossen" am Fernsehen teilhaben.
Gleichzeitig setzte die Reichspost ihren bislang nur für Versuchszwecke benutzten "Personenabtaster" für das Programm ein, so daß zum ersten Mal "zur Überraschung der Anwesenden", wie die Presse schrieb, über den Bildschirm direkte Ansagen erfolgten.
Die erste Pernsehansagerin Ursula Patschke
Die offiziell erste Pernsehansagerin (vorher, in den Versuchssendungen, gab es bereits andere) war Ursula Patschke, die damals noch als "Postfacharbeiterin" geführt wurde. Sie war allerdings nicht allein, denn des optischen Effekts wegen waren zwei Ansagerinnen eingesetzt - Ursula Patschke mit schwarzem Haar und Annemarie Beck mit blondem.
Beide saßen im Studio Rognitzstraße in einem dunklen Raum im Ausmaß einer größeren Telefonzelle, der lediglich von einem Lichtstrahl durcheilt wurde.
Der "Lichtstrahlabtaster" mit der Nipkow-Scheibe
Per "Lichtstrahlabtaster" erzeugte den Strahl durch eine Nipkow-Scheibe aus besonders dünnem Aluminiumblech, das in vier Spiralumläufen präzis gearbeitete 180 Löcher besaß, woraus sich die Zeilenzahl ergab.
Die Scheibe bewirkte durch viermaligen Umlauf jeweils die Erzeugung eines Bildes des abgetasteten Raumes und lief mit einer Tourenzahl von 6.000 Umdrehungen in der Minute. Zur Verminderung der bei solchen Geschwindigkeiten sehr hohen Luftreibung war die Scheibe in ein Vakuumgehäuse eingeschlossen. Das Gerät war fest installiert, so daß es nur dazu ausreichte, höchstens zwei Personen im Brustbild zu zeigen - eine ähnliche Situation wie heute noch in den Photomaton- Kabinen auf den Bahnhöfen oder im Kaufhaus.
An 5 Tagen insgesamt dreieinhalb Stunden Programm
An fünf Tagen der Woche gab es vormittags je 2 Stunden und abends 1 1/2 Stunden Programm zu sehen, zweimal auch 1 1/2 Stunden am Nachmittag.
Am 13. Mai 1935 wurde eine Fernsehstelle in Potsdam eingerichtet. Weil das Programm auf dieses Ereignis abgestimmt war, erschien der erste deutsche Fernsehschauspieler auf dem Bildschirm: Otto Gebühr als Friedrich der Große. Er rezitierte die Ansprache des Königs vor der Schlacht bei leuthen. Zwei Tage später eröffnete die Post vier weitere Fernsehstuben in verschiedenen Bezirken Berlins.
Ein Sendernetz für ganz Deutschland - geplant
Parallel dazu verlief schon seit längerem die Planung des Sendernetzes für ganz Deutschland. Man erachtete etwa 25 Sender für notwendig und sah eine Verbindung durch im Boden verlegte neue Kupferkabel vor, die alle 30 Kilometer durch Verstärkerstationen ergänzt werden sollten.
Messungen hatten bereits ergeben, daß der Berliner Sender sogar noch in einer Entfernung bis zu 120 Kilometer empfangen werden konnte.
Die Reichspost entwickelte eine fahrbare Sendeanlage, um vom Brocken im Harz und vom Feldberg im Taunus Meßversuche zu unternehmen, zwei Standorte, an denen Fernsehtürme vorgesehen waren.
Ein 1 Kilometer langer Meß-Zug zum Testen
Die Anlage bestand aus 14 schweren Lastkraftwagen für Sender, Zubehör und Bedienung sowie sechs Begleitfahrzeugen. Insgesamt hatte der Troß eine Länge von rund einem Kilometer. Vorgestellt wurde dieser erste fahrbare Fernsehsender am 17. Juni 1935 anläßlich der Jahrestagung des Verbandes Deutscher Elektrotechniker in Hamburg auf dem Heiligengeistfeld, genau an der Stelle, an der das Fernsehen nach dem Kriege seinen Wiederbeginn antrat.
Ab 17. Juli 1935 war die Sendeanlage für drei Monate auf dem Brocken stationiert und strahlte Versuchsprogramme für Meßzwecke ab. Das Fernsehen ging daran, sich von Berlin aus über ganz Deutschland auszudehnen.
Ziel war die Übertragung der Großkundgebung am 1. Mai 1935
Die eilige Startaktion für den offiziellen Fernsehdienst im März 1935, die "Reichssendeleiter11 Hadamovsky in Bewegung gesetzt hatte, basierte auch auf handfestem persönlichen Interesse . Er war zu seinem Posten gekommen, weil er direkt nach der Machtergreifung die Rundfunkübertragungen von Hitlers Großkundgebungen zur großen Zufriedenheit des Führers organisiert hatte.
Folgerichtig, und weil Hadamovsky klar die Möglichkeiten des Fernsehens erkannte, lief sein Bestreben darauf hinaus, die traditionelle Großkundgebung der Nationalsozialisten am 1. Mai 1935 direkt im neuen Fernsehprogramm zu übertragen.
Der legendäre Zwischenfilmwagen
Die technischen Voraussetzungen dazu waren gegeben, denn schon 1934 hatte die RRG einen Reportagewagen in Betrieb genommen, der nach dem sogenannten Zwischenfilmverfahren arbeitete.
Auf dem Dach des Fahrzeugs war eine Plattform angebracht mit einer festinstallierten Filmkamera. Hier wurden die Ereignisse von einem Kameramann gefilmt, der Spezialfilmstreifen lief belichtet in den Wagen, in dem ein perfektes kleines, automatisch arbeitendes Labor eingerichtet war, und wurde entwickelt und getrocknet. Der Vorgang dauerte etwa 90 Sekunden, dann konnte der Film, von einem Filmgebergerät im Wagen abgetastet, sofort gesendet werden.
Für die Verbindung zum Funkturm war allerdings eine Kabelstrecke oder ein kleiner UKW-Sender nötig. Das Zwischenfilmverfahren machte also (mit rund 90 Sekunden Verzögerung) eine Direktübertragung möglich.
Große Enttäuschung - Hitler und Goebbels waren dagegen
Intensiv betrieb Hadamovsky seinen Plan für den 1. Mai. Doch diesmal ließen ihn die mächtigen Vorgesetzten ins Leere laufen. Weder Hitler noch Goebbels konnten sich für das Fernsehen erwärmen; Hadamovsky erhielt keine Genehmigung, die Kundgebung des 1. Mai im Fernsehen zu übertragen.
So enttäuscht er gewesen sein mag, wieder reagierte er geschickt. Im engen Schulterschluß mit der Reichspost machte er die Generalprobe der Kundgebung zu einer Generalprobe für das Fernsehen.
So erfolgte am 30. April 1935 vom Tempelhofer Feld die "erste Fernsehreportage der Welt" - damals von der Presse so herausgestellt. Nur wurde sie nicht im Fernsehprogramm übertragen, sondern einem ausgewählten Kreis von Parteifunktionären, Technikern und Presseberichterstattern in einem Raum unweit des Tempelhofer Feldes vorgeführt. Immerhin, das Ad-hoc-Unternehmen lief perfekt ab und zeigte nicht nur die Leistungsfähigkeit des Fernsehens, sondern setzte auch schon Zeichen für die Zukunft.
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Fehlerberichtigung
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Hadamovsky hatte die Fernsehveranstaltung am 30. April 1935 ("Die erste Fernsehreportage der Welt") nicht im Schulterschluß mit der Deutschen Reichspost durchgeführt, sondern sogar hervorgehoben, daß der deutsche Rundfunk sie ganz aus eigenen Kräften ohne jede Beteiligung anderer Behörden veranstalte.
Zur Unterstützung hatte er allerdings die Firmen Fernseh AG und Telefunken herangezogen. Der auffallend rot lackierte Zwischenfilmwagen gehörte ohnehin der Reichs-Rundfunkgesellschaft.
Den kleinen 10-Watt-Kurzwellensender für Bild und Ton mit einer Reichweite von ca. 2 Kilometern im Umkreis, der für die Übertragung benötigt wurde, hatte die Telefunken-Gesellschaft geliefert, und Hadamovsky bezeichnete ihn scherzhaft als "offiziellen Schwarzsender der RRG".
Die Vorführung fand im Hinterzimmer (Vereinsraum) einer typischen Berliner Gaststätte in der Häuserzeile gegenüber dem Tempelhofer Feld statt? Es waren zwei Empfangsgeräte aufgestellt, diese vermutlich von der Fernseh AG.
Anmerkung: Ungefähr in der Gegend der Gaststätte wird sich am 1. Mai 1945 das Hauptquartier des russischen Generaloberst Tschuikow befunden haben, in der die ersten Verhandlungen über die "bedingungslose Kapitulation" der deutschen Wehrmacht in Berlin geführt wurden.
Weiter im Text :
Paul Nipkow - 74 jahre alt - kommt mit ins Spiel
Hadamovsky ließ nicht nach, sein Fernsehen auch den politischen Größen schmackhaft zu machen. Er startete eine neue Aktion. In Berlin lebte - weitgehend unbeachtet - der "Erfinder" des Fernsehens, Paul Nipkow. Er war 74 Jahre alt.
Nipkow hatte am 6. Januar 1884 sein Patent für ein "Elektrisches Teleskop, die von ihm erdachte rotierende Lochscheibe, zum Patent angemeldet, das ihm am 15. Januar 1885 (also vor 110 Jahren) zuerkannt worden war, jedoch seinerzeit nicht in die Praxis umgesetzt wurde.
In der Pionierzeit des Fernsehens, den 1920er Jahren, wurde die Nipkow-Scheibe zur Basis der Entwicklung. Auch heute noch erfolgt die Fernsehübertragung nach dem Prinzip von Paul Nipkow, nur nicht mehr auf mechanischem Wege mit seiner Lochscheibe, sondern elektronisch unter Einsatz der Braunschen Röhre.
Anmerkung : Dies Aussage ist aus der NS Literatur übernommen und scheint nicht ganz richtig zu sein. Auch andere Erfinder oder Vordenker hatten eine punktweise Auflösung eines Fotos samt zeilenweiser Abtastung beschrieben, vielleicht nicht so detailliert wie Nipkow. Aber die Legende blüht.
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Gründung einer "Fernsehgemeinschaft" am 1.Mai 1935
Hadamovsky holte Paul Nipkow in die Öffentlichkeit ! Der "Reichssendeleiter" gründete am 1. Mai 1935 im Rahmen der "Reichsrundfunkkammer" eine "Fernsehgemeinschaft" und ernannte Paul Nipkow zum Ehrenpräsidenten.
Wenige Wochen später, am 29. Mai, wurde anläßlich des "1. Fernseh-Kongresses" im Berliner Funkhaus Paul Nipkow persönlich geehrt und dort auch eine Gedenktafel eingeweiht (die heute nicht mehr vorhanden ist).
Bei einem Festakt am Abend in der Krolloper wurde ihm die Schenkungsurkunde für einen Fernsehempfänger überreicht. Nicht genug damit, ein neues Abtastgerät der Reichsrundfunkgesellschaft für Filmübertragungen im Haus des Rundfunks wurde auf den Namen "Paul-Nipkow-Sender" getauft.
Schon kurz danach, Mitte des Jahres 1935, erhielt der gesamte Sendebetrieb die Bezeichnung "Fernsehsender Paul Nipkow", und so blieb es bis Kriegsende. Zum 75. Geburtstag Nipkows am 22. August 1935 verlieh ihm die Naturwissenschaftliche Fakultät der Johann-Goethe-Universität Frankfurt/Main die Ehrendoktorwurde.
Makaber - alles hatte gepaßt, er war kein Jude !!!
Paul Nipkow, der erst ins Greisenalter kommen mußte, damit ihm die längst fällige Ehrung zuteil wurde, paßte gut in nationalsozialistische Schablonen.
So wurde hervorgehoben, daß das Fernsehen eine deutsche Erfindung sei, und - da Nipkow kein Jude war - konnte man einen schlichten deutschen Arbeiter und Ingenieur präsentieren, wie man ihn gerade brauchte.
Wenn heute manchmal kolportiert wird, der unpolitische greise Nipkow habe sich vor den Karren des Nationalsozialismus spannen lassen, so ist das unsinnig. Da gab es ganz andere, wie Professor Sauerbruch, Gründgens, Purtwängler, Karajan usw .
Auch hatten nicht die Nazis Paul Nipkow "für sich vereinnahmt", es fand auch nicht die sonst übliche große propagandistische Zurschaustellung statt, sondern einzig Hadamovsky hatte ihm gebührende Ehre zuteil werden lassen, zweifellos aus echter Verehrung und Überzeugung, denn wenn Hadamovsky damals sagte: "In einem Paul Nipkow ehren wir einen deutschen Erfinder, dessen grundlegende geistige Tat einmal der Schöpfung Gutenbergs an die Seite gestellt werden wird", so wissen wir heute, daß er schon vor 60 Jahren recht hatte, als eine solche Äußerung noch absolut phantastisch war.
Nipkow bekam einen monatlichen Ehrensold von 400 Reichsmark
Hadamovsky - und kein anderer - sorgte auch mit sanftem Nachdruck (so nennt man das im Nachhinein) dafür, daß die Industrie dem nicht gerade begüterten Rentner, dessen Erfindung sie verv/endete, einen monatlichen Ehrensold von 400 Reichsmark zahlte, damals eine ausreichende Summe, um ein Rentnerdasein führen zu können.
Und als Nipkow 1940 starb, nachdem ihm wenige Tage zuvor noch Ehrungen zu seinem 80. Geburtstag zuteil geworden waren, sorgte Hadamovsky für ein Staatsbegräbnis des Fernseherfinders, das einzige, das jemals für einen Zivilisten und Ingenieur ausgerichtet wurde. Vergessen ist's.
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Und dann ist alles abgebrannt - eine der wichtigsten Hallen
Das deutsche Fernsehen, das im Frühjahr 1935 einen so enormen Auftrieb bekommen hatte, mußte im selben Jahr noch einen erheblichen Rückschlag hinnehmen.
Während der 12. Großen Deutschen Rundfunk-Ausstellung vernichtete am Abend des 19. August 1935 ein Großbrand in der Funkhalle IV beide UKW-Sender des Fernsehens (Bild und Ton), die das tägliche Programm ausgestrahlt hatten.
Die von Professor Heinrich Straumer 1924 erhaute, ganz aus Holz bestehende Funkhalle (das brauchte man damals, damit die Funkstrahlen nicht abgeschirmt wurden) brannte nieder, der Funkturm, besonders das Restaurant, wurde stark in Mitleidenschaft gezogen.
Für die Portführung der Ausstellung und die weitere Fernsehausstrahlung errichteten die Reichspost und die Firma Telefunken innerhalb von 30 Stunden einen Notsender.
Schon vier Monate später konnten am 23. Dezember 1935 zwei neue, nun sogar verbesserte UKW-Sender für Bild und Ton in Betrieb genommen werden.
Nachsatz
Noch in zwei weiteren Punkten war das Jahr 1935 für das Fernsehen bedeutsam. Industrie und Reichspost begannen mit der Entwicklung von elektronisch arbeitenden Kameras, und beim Bau des Olympiastadions für die Spiele 1936 wurden Einrichtungen und Kabelanschlüsse für Fernsehübertragungen vorgesehen.
Damit bereitete sich der Start des elektronischen Fernsehens im Sommer 1936 vor.
Als das deutsche Fernsehen "als erstes der Welt" vor 60 Jahren offiziell begann, geschah das mit einer Initialzündung, die Programm, Technik und Verbreitung einen kräftigen Anschub gab. Hätten die nationalsozialistischen Machthaber nicht den verhängnisvollen Krieg begonnen, wäre das Fernsehen 1940 Allgemeingut geworden. Dennoch entwickelte es sich, im Kriege weiter und bestand mit seiner Filmabteilung noch bis zum Mai 1945 in Berlin.
Danach trat eine Zwangspause ein, bis 1950 im Bereich des NWDR Hamburg wieder die ersten Versuchssendungen beginnen konnten. Trotz des Jubiläums mit der runden 60 ist das offizielle deutsche Fernsehen also erst 55 Jahre alt.
- Anmerkung : Einige der obigen Statements oder "Darstellungen" sind historisch nicht ganz richtig. Auch die Amerikaner arbeiteten am Fernsehen und die Engländer auch, wenn auch im Verborgenen. Da hat Herr Bartosch nicht alle Karten auf den Tisch gelegt und uns eine etwas zu heroisch lokalpatriotische Darstellung geschrieben.
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Wiesbaden 30. Juni 1995 - ein Brief an Herrn Sinar Maschmann in Kappeln
Lieber Herr Maschmann,
besten Dank für Ihren Hinweis auf Ihren Artikel in "Film- u. TV-Kameramann*. Ich habe ihn mir inzwischen besorgt. Der Artikel ist informativ, und Sie haben sich ja sehr intensiv und erfolgreich um interessante Fotos bemüht. Die redaktionelle Vorspruch, der sicherlich nicht von Ihnen stammt, ist natürlich Quatsch, daß vor 60 Jahren in Berlin die ersten Bilder on air gingen". Ansonsten sollte ich wohl richtigstellen, daß die Reihe "Zeitdienst" (nicht "Spiegel des Tages" - so etwas war nur mal geplant, erst ab November 1938 gesendet wurde.
1935 gab es noch keine aktuellen Berichte im deutschen Fernsehen. Ab 1936/37 lief dafür die rund 15minütige Informationssendung "Aktueller Bildbericht", deren Hauptbestandteil die Ufa-Tonwoche bzw. Ausschnitte daraus waren.
Bei der Generalprobe zur Maifeier 1935, die am 30. April stattfand und die auch dem Fernsehen als Generalprobe diente, wurden keine gestellten Aufnahmen des Reichssendeleiters Eugen Hadamovsky gedreht - wo haben Sie das her ? Von Gerhart Goebel ? Der gute und gewissenhafte Meister - leider gerade verstorben - irrte selten, aber hier irrte er, zumindest in der Formulierung.
Bei der Pressevorführung (keine offizielle Sendung!) am 30.4.1935 sprachen von der "Führerkanzel" vor der Kamera als Generalprobe für die Maifeier der stellvertretende Reichsssendeleiter Boese, der Gaupropaganaleiter von Groß-Berlin Schulze-Wechsungen und Gauleiter Walter Schulze von der Reichspropagandaleitung in Hünchen.
Hadamovoky war der Gastgeber für die in einem kleinen Raum in der Nähe des Tempelhofer Feldes versammelten Presseleute, die er begrüßte und für die er die Einführung gab - nicht "gut gestellt vor der Kamera".
Soviel dazu. Und wenn Sie schreiben: Der Zwischenfilmwagen übertrug noch bis 1938, und dann gab es nur noch Elektronik, so ist das sehr kühn formuliert. Zweifellos verdrängte das elektronische Verfahren die anderen Systeme über einen längeren Zeitraum, und der Zwischenfilmwagen war sicherlich auch noch nach 1938 im Einsatz.
Das alles nur zur Richtigstellung. Gelernt habe ich allerdings etwas von Ihnen, daß der erste Zwischenfilmwagen auffällig rot lackiert war. Ich hatte bisher noch keine farbigen Aufnahmen davon zu sehen bekommen, und vermutlich wissen Sie das von einem Modell im Postmuseum. Danke für diese Information.
Mit den besten Grüßen ......
Ich lege Ihnen mal meine Artikel zum 60jährigen Jubiläum des deutschen Fernsehprogrammdienstes bei.
Weitere Korreckturen :
Auch mir ist da - wie ich soeben merke - ein Fehler unterlaufen, Hadamovsky hatte die Fernsehveranstaltung am 30.4.1935 nicht in engem Schulterschluß mit der Reichspost durchgeführt, sondern abermals im Alleingang, zu dem er lediglich die Firmen Fernseh AG und Telefunken hinzuzog.
Der (rot lackierte) Zwischenfilmwagen gehörte ohnehin der Reichsrundfunkgesellschaft. Den kleinen 10-Watt Kurzwellensender, der für die Übertragung benötigt wurde, hatte die Telefunken-Gesellschaft geliefert, und Hadamovsky bezeichnete ihn scherzhaft als "offizieller Schwarzsender der RRG". Der Sender hatte eine Reichweite von ca. 2 Kilometern im Umkreis. Die Vorführung fand im Vereinsraum einer Gaststätte in der Häuserzeile gegenüber dem Tempelhofer Feld statt, und es waren zwei Empfangsgeräte aufgestellt.