Günter Bartosch (1928 - 2013†) schrieb viel (sehr sehr viel) über und aus seine(r) Zeit beim ZDF in Eschborn und Mainz .....
Der ZDF Mitarbeiter Günter Bartosch war 30 Jahre beim ZDF - also von Anfang an dabei -, ebenso wie sein deutlich jüngerer Kollege Knapitsch. Angefangen hatte sie beide bereits vor 1963 in Eschborn, H. Knapitsch in der Technik, Günter Bartosch im Programmbereich Unterhaltung.
Und Günter Bartosch hatte neben seiner Arbeit und seinen Büchern so einiges aufgeschrieben, was er damals alles so erlebt hatte. In 2013 habe ich die ganzen Fernseh- und Arbeits-Unterlagen erhalten / geerbt und dazu die Erlaubnis, die (die Allgemeinheit interessierenden) Teile zu veröffentlichen.
Die Einstiegsseite zu den vielen Seiten beginnt hier.
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Deutschlandhalle Berlin - GESCHLOSSEN
Ein Nachruf von Günter Bartosch im Febr. 1998
Mit den Berliner Kulturstätten ist es derzeit wie mit den Burgen an der Saale in dem "bekannten Lied: "... ihre Dächer sind zerfallen, und der Wind streicht durch die Hallen, Wolken ziehen drüber hin,"
Nun hat das Berliner Kultursterben auch die Deutschlandhalle ereilt : Am 31. Dezember 1997 gingen nach der Schau "Menschen-Tiere-Sensationen" die Lichter aus. Seitdem dämmert die Halle dahin.
Der Berliner Senat und die Messegesellschaft möchten sie abreißen lassen, die Charlottenburger Bezirksverwaltung ist dagegen, und die Berliner wollen sie nicht missen.
Zu sehr ist diese Halle für sie ein Stück Berlin, und gerade jetzt, wo die Stadt wieder zum Regierungssitz wird, hat der Name "Deutschlandhalle" eine besondere Bedeutung.
Die "Deutschlandhalle" - eine besondere Bedeutung.
Die hatte er auch für das ZDF. In dem deutlichen Engagement für die geteilte Stadt Berlin, dem sich die Mainzer Anstalt schon bei der Gründung 1962 verschrieben hatte, spielte die Deutschlandhalle eine herausragende Rolle.
Kaum, daß wir zu senden begonnen hatten - unter damals noch abenteuerlichen Voraussetzungen (in "Telesibirsk" (Eschborn) - präsentierten wir uns schon fünf Monate später mit einem umfangreichen Programmangebot auf der Großen Deutschen Funkausstellung 1963 in Berlin.
Neben einem ständigen Studiobetrieb zum Zuschauen für die Ausstellungsbesucher in einer der Messehallen, veranstaltete das ZDF zwei große Livesendungen in der Deutschlandhalle.
1963 - der "Musik-Express" + "Alle unter einem Hut"
Die eine war am 3. September ein unterhaltsames Programm unter dem Titel "Musik-Express", die andere, drei Tage später am 6. September, eine internationale Show, "ein fröhliches Treffen mit freundlichen Nachbarn Deutschlands".
Der Titel: "Alle unter einem Hut". Der weitgereiste Bob Iller präsentierte die Show als Moderator, und unter anderen waren die Künstler Jan und Kjeld dabei, die heute noch gelegentlich in unseren Unterhaltungssendungen auftreten.
Das Orchester Kurt Henkels und Regisseur Kurt Ulrich
Es spielte das Orchester Kurt Henkels, das sich das ZDF unter Vertrag genommen hatte. Mehrere Kritiken lobten die flotte Regie von ZDF-Regisseur Kurt Ulrich.
Dieser hatte sich so gut auf die Gegebenheiten der Deutschlandhalle eingespielt, daß wir dort bald danach "Holiday on Ice" und die große Schau "Menschen-Tiere-Sensationen" für unser Programm aufzeichneten, beide übrigens mehrere Jahre lang.
Zu der guten Zusammenarbeit trug unser persönlicher Kontakt zu Günter Körste, dem Hallenmanager, bei, der uns auch das Wohlwollen seines Chefs, Generaldirektor Ferry Ohrtmann, und damit weitgehende Unterstützung sicherte.
Von den etlichen Sendungen, die wir aus der Deutschlandhalle übertrugen, ist mir eine Episode in Erinnerung geblieben. Bei einer Veranstaltung im Winter beklagten wir uns bei Günter Körste, daß die Halle schlecht geheizt sei.
Wir fröstelten und hatten kalte Eüße. Körste aber konnte keine Abhilfe schaffen; es blieb kalt. Lange druckste er herum, dann gestand er uns, daß unter dem Hallenboden, auf dem wir arbeiteten, bereits die Eisfläche für die folgende Schau "Holiday on Ice" vorbereitet war.
Aug. 1967 - das ZDF schrieb Fernsehgeschichte
Am 25. August 1967 schrieb dann das ZDE Eernsehgeschichte in der Deutschlandhalle. Am ersten Abend der Großen Deutschen Funkausstellung 1967 übertrugen wir - wieder unter der Regie von Kurt Ulrich - zum ersten Mal in Europa eine Live-Show in Farbe ! Mit der 25. Sendung der Spielshow "Der Goldene Schuß" und dem neuen Spielmeister Vico Torriani begann das Farbfernsehen !
Über die Deutschlandhalle selbst :
Die 1935 im Gebiet Eichkamp errichtete Deutschlandhalle gehörte im weiteren Sinne mit zur Planung der Bauten für die olympischen Spiele 1936 in Berlin. Durch ihre Lage zwischen Avus, Messegelände und Reichssportfeld konnte sie nach allen Seiten in eine Beziehung gebracht werden.
Zwar erhielt sie bei der Eröffnung am 29. November 1935 ihre "Weihe" durch eine "Führerrede", in der Hitler eine Stunde lang in seiner selbstgefälligen Art die Gegner des Nationalsozialismus beschimpfte und bedrohte, doch wurde die Deutschlandhalle nicht zu einer Propaganda-Arena der Nazi-Partei. Goebbels bevorzugte für seine Tiraden und Masseninszenierungen nach wie vor den Sportpalast, mitten im volkreichen Bezirk Schöneberg.
Größer als der Sportpalast
Sportlich wurde die Deutschlandhalle mit ihrer Länge von 117m und einer Breite von 83m zu einer Konkurrenz zum kleineren Sportpalast. Schon acht Tage nach der Eröffnung jagten Radsportasse um die 208-Meter-Piste. Eine Woche später fand das Deutsche Sportpressefest statt. Und dann folgte im Januar 1936 eine Schau, die sich jährlich wiederholte: Das Deutsche Reit- und Fahrturnier mit beeindruckenden Darbietungen von Reitern und Dressurleistungen.
Raum für 20.000 Zuschauer
In die Olympischen Spiele 1936 war die Deutschlandhalle voll einbezogen. Vor 20.000 Zuschauern bei vollem Haus fanden hier die Wettkämpfe im Boxen, Ringen und Gewichtheben statt, zumeist gleichzeitig auf zwei Boxringen oder Kampfflächen.
Dann spezialisierte sich die Deutschlandhalle auf glanzvolle Ausstattungsrevuen, zunächst, anläßlich der Automobilausstellung 1936, mit der Schau "100.000 PS".
Am 17, April 1937 folgte die Weltpremiere von "Menschen-Tiere-Sensationen", die, jährlich wiederkehrend, zu den besonders erfolgreichen Produktionen gehörte.
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1938 - die Schau "Ki sua heli"
Ein spektakuläres Ereignis bot die Schau "Ki sua heli", die vom 19. Pebruar bis zum 3. März 1938 parallel zur Automobilausstellung veanstaltet wurde - mit der sie aber nichts gemeinsam hatte außer dem Untertitel: "Mit 300 Std.-Kilometer durch die Tropen".
Neben dem bezaubernden exotischen Programm und der bewunderten Leistung von Koringa, dem einzigen weiblichen Fakir der Welt, gab es eine Schaueinlage, die in die Luftfahrtgeschichte einging: Der Flug eines Hubschraubers in einer Halle!
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Hanna Reitsch fliegt den Hubschrauber PW 61 - in einer Halle
Am 12. und am 13. Pebruar 1938 fanden die Proben mit dem von Professor Pocke 1937 neuentwickelten Hubschrauber PW 61 in der Halle statt.
Geflogen wurde die Maschine von Flugkapitän Hanna Reitsch. Das Berliner Tageblatt bemerkte zu dem damals völlig neuen Fluggerät:
"Entscheidend an diesem Flugzeugtyp ist, dass der Apparat buchstäblich 'auf der Stelle' starten und ebenso wieder landen kann. Der Hubschrauber wurde in die Hallenmitte geschoben. Er stieg genau senkrecht bis unter das Hallendach auf, flog dann mit eigener Motorkraft zum Hallenende, wendete und flog zum anderen Hallenende. Dann landete er genau auf der
Stelle, die vorher bezeichnet worden war.
Professor Focke erklärte dazu, dass es sich dabei keineswegs um eine Spielerei oder gar um eine Varietenummer handle; vielmehr ergäben sich für die Praxis bedeutsame Polgerungen ! Heute, nach 60 Jahren, wissen wir, was aus Professor Pockes Visionen wurde.
Als der Motor ins Stottern geriet
Als am 19. Februar 1938 bei der Premiere der Schau "Ki sua heli" Hanna Reitsch den sensationellen Hubschrauberflug öffentlich vorführte, ergaben sich plötzlich Probleme.
Der Motor geriet ins Stottern, weil der Sauerstoff in der vollbesetzten Halle nicht ausreichte. Damit das Plugzeug nicht abstürzte, öffnete man eiligst sämtliche Tore und Türen.
Januar 1943 - die Halle brannte aus
Am 16. Januar 1943, als während eines Fliegerangriffs auf Berlin die Schau "Menschen-Tiere-Sensationen" abgebrochen werden mußte, fielen Brandbombem in die Halle, und sie brannte aus.
Rund 16.000 Besucher sollen in den Kelleräumen, die für den Luftschutz ausgebaut waren, mit dem Schrecken davongekommen sein. Auch die Zirkustiere konnten gerettet werden.
Am Ende des Krieges waren sowohl die Deutschlandhalle als auch der Sportpalast, in dem Goebbels den "totalen Krieg" verkündet hatte, nur noch Ruinen.
1956 - Wiederaufbau der Deutschlandhalle
Es waren die berühmten Berliner Trümmerfrauen, die nach dem Kriege den Schutt wegräumten, um 1956 den Wiederaufbau der Deutschlandhalle zu ermöglichen.
Eröffnet wurde sie am 19. Oktober 1957 mit einem Festakt und einem Radrennen am nächsten Tag. In der Folge macht die Deutschlandhalle dem Sportpalast Konkurrenz und veranstaltet die berühmten Berliner 6-Tage-Rennen.
Das große Haus wird auch wieder zur Boxarena, Hallenhandball und Hallenfußball werden hier gespielt. Das Reit- und Springturnier etabliert sich, und jährlich findet die Show "Holiday on Ice" statt.
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Und dann kam die Mauer - am 13. Aug. 1961
Auch auf die großen Ausstattungsrevuen besinnt man sich wieder. Doch die beeindruckende Show "Ole - Eine spanisch-südamerikanische Piesta", die der frühere Scala-Chef Eduard Duisberg inszeniert und in der "Yma Sumac", das "Stimmwunder aus den Anden", auftritt, muß in der Zeit vom 15. September bis zum 1. Oktober 1961 den Kummer aller kulturellen und sportlichen Veranstaltungen West-Berlins teilen:
Es fehlen die Gäste aus dem Osten. Am 13. August 1961 war die Mauer errichtet worden, die Berlin teilte und die Menschen trennte.
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Eine glanzvolle Geschichte - die Deutschlandhalle
Zuvor schon war die Deutschlandhalle auch zu einem Konzertsaal geworden. Der Sender RIAS-Berlin präsentierte hier sporadisch seine beliebte Rundfunksendung "Schlager der Woche" in der Öffentlichkeit.
So lernten die Berliner aus Ost und West den populären "Diskjockey" Wolfgang Behrend (ab 1962 beim ZDF) persönlich kennen und die Schlagerstars Caterina Valente, Rita Paul, Bully Buhlan, Gerhard Wendland sowie das RIAS-Tanzorchester unter der Leitung von Werner Müller.
Später hießen diese Veranstaltungen "RIAS-Parade", und Horst Jankowski war der Dirigent. 1961 begeisterte Ella Pitzgerald die Berliner, 1975 Liza Minnelli.
Die Liste großer Künstler und Weltstars, die die Halle füllten, ist lang:
Tina Turner, David Bowie, Sammy Davis jun., Teddy Stauffer, Louis Armstrong, Juliette Greco, Udo Jürgens, Karel Gott, Hildegard Knef - um nur einige zu nennen. Nach einem Auftritt der Rolling Stones lassen die Fans einen Trümmerhaufen zurück - auch das gehört zur Hallengeschichte.
Und nochmals gesteigert - Herbert von Karajan dirigiert
Nach, einem Umbau, der 1973 zu einer Verbesserung der Akustik führt, entdeckt Herbert von Karajan die Halle und dirigiert dort das Philharmonische Orchester.
Bald darauf gibt Leonard Bernstein ein Konzert, und das Bolschoi-Ballett tritt auf. Am 20. September 1992 findet in der Halle das letzte britische Tattoo statt, im Beisein der Queen.
Und in den Jahren von 1994 bis 1997 wird die Deutschlandhalle auch zur großen Opernbühne: "Carmen", "Aida", "Nabucco", "Die Zauberflöte".
Das Ende naht mit dem Silvesterabend 1997
Das Ende naht, wieder einmal, mit der Schau "Menschen-Tiere-Sensationen". Die große Abschiedsvorstellung, mit der die Halle schließt, ist am Silvesterabend 1997.
In den vergangenen 48 Jahren dieser Schauserie sahen 4,8 Millionen Besucher (und weit mehr ZDF-Zuschauer !) diese größte europäische zirzensisch artistische Hallen-Show.
In diesen Vorstellungen traten rund 4.000 Artisten auf, wurden Dressuren mit etwa 1.700 Tieren vorgeführt. Schon bei der ersten Schau hatte Hallenchef Ferry Ohrtmann den Veranstaltungstitel urheberrechtlich schützen lassen.
Jetzt müßte die Deutschlandhalle saniert werden. "Wirkliche Schäden hat eigentlich nur das Dach", sagt die Charlottenburger Baustadträtin Beate Profé.
"Für 6 bis 8 Millionen könnte man das reparieren. Der Abriß würde etwa 10 Millionen kosten." Und Prof. Helmut Engel, der Leiter der obersten Denkmalschutzbehörde, meint: "Man kann diesen Geschichtsort nicht einfach wegen ein paar Rissen vernichten."
Der Berliner Senat setzt auf neue Hallen
Doch der Berliner Senat setzt auf andere, neue Hallen im Ostteil der Stadt, hat er doch in übersteigerter "Olympia 200O"- Euphorie in die Max-Schmeling-Halle für 8.500 Zuschauer und in das Velodrom an der Landsberger Allee für 9.500 Zuschauer rund 800 Millionen DM investiert, die nun irgendwie gerechtfertigt werden müssen.
Da bietet es sich an, die Deutschlandhalle, die immerhin 11.000 Zuschauer bequem fassen kann, als alt und marode darzustellen. Die Konzertveranstalter und die Manager internationaler Künstler betrachten die neuen Hallen mit Skepsis.
Das Für und das Wider
Einerseits sind ihnen die Besucherkapazitäten zu klein, andererseits glauben sie, daß in den nüchternen Sportarenen die Begeisterung des Publikums bei weitem nicht so aufkommen wird wie in der bewährten und weltbekannten Deutschlandhalle.
Sie hat mit den vielfältigsten Veranstaltungen bewiesen, daß in ihr eine Atmosphäre entstehen kann, die Zuschauer und Künstler gleichermaßen beflügelt. Ähnliches konnte nur der traditionsreiche Berliner Sportpalast aufweisen, der allerdings schon am 13. November 1973 der Spitzhacke zum Opfer fiel, wobei ein ganzes Stadtgebiet viel von seinem Flair verlor.
Die Deutschlandhalle war für Vielerlei ideal
Die Deutschlandhalle, das haben auch immer wieder die dort durchgeführten Produktionen des ZDF gezeigt, war ein ideales Fernsehatelier für Großveranstaltungen.
Unsere Anstalt, die sich dem Denkmalsschutz verschrieben hat, sollte gemeinsam mit anderen Fernsehsendern - darunter könnten durchaus auch private sein - die Initiative ergreifen, damit die zur Sanierung des Gebäudes notwendigen rund 8 Millionen DM aufgebracht werden.
Es muß in unserem eigenen Interesse sein, daß die historische Deutschlandhalle, in der das ZDF vor rund 30 Jahren mit dem Farbfernsehen Geschichte schrieb, für Veranstaltungen und Fernsehübertragungen in Deutschlands Hauptstadt erhalten bleibt. Eine dafür besser geeignete Großarena gibt es nicht !
von Günter Bartosch im Febr. 1998
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