Günter Bartosch (1928 - 2013†) schrieb viel (sehr sehr viel) über und aus seine(r) Zeit beim ZDF in Eschborn und Mainz .....
Der ZDF Mitarbeiter Günter Bartosch war 30 Jahre beim ZDF - also von Anfang an dabei -, ebenso wie sein deutlich jüngerer Kollege Knapitsch. Angefangen hatte sie beide bereits vor 1963 in Eschborn, H. Knapitsch in der Technik, Günter Bartosch im Programmbereich Unterhaltung.
Und Günter Bartosch hatte neben seiner Arbeit und seinen Büchern so einiges aufgeschrieben, was er damals alles so erlebt hatte. In 2013 habe ich die ganzen Fernseh- und Arbeits-Unterlagen erhalten / geerbt und dazu die Erlaubnis, die (die Allgemeinheit interessierenden) Teile zu veröffentlichen.
Die Einstiegsseite zu den vielen Seiten beginnt hier.
.
DAMALS WAR'S - VOR 40 JAHREN: EIN EINZIGES FERNSEHPROGRAMM !
Ein Rückblick von Günter Bartosch im Okt. 1994
Las ich doch neulich, wir könnten bald 1.000 Fernsehprogramme haben - die Technik macht's möglich, Schöne neue Welt ! Bleiben allerdings die Fragen: Wer macht die Programme, wer bezahlt sie und wer sieht sie ?
Wieviele Fernsehprogramme gibt es derzeit ? Man hat schon Mühe, sie zu zählen, und dann muß man noch die terrestrischen von den Satellitenprogrammen und die verschlüsselten von den unverschlüsselten unterscheiden. Sehen die Leute deshalb insgesamt mehr Fernsehen ? Es hat nicht den Anschein.
1994 - Blicken wir mal 40 Jahre zurück.
"Wie war im Land es doch vordem, mit einem Fernsehen so bequem !" Blicken wir mal 40 Jahre zurück. Das eine Programm - um nicht zu sagen: das erste - machten nicht die "Mainzelmännchen", die gab es damals noch nicht. Vielleicht waren die "Heinzelmännchen" am Werke, denn Köln war nicht unbeteiligt am damaligen Programm.
Die "Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten Deutschlands" (ARD) war schon 1950 gegründet worden, doch der Fernsehverbund der Anstalten war noch im Wachsen. Auch das beschlossene Gemeinschaftsprogramm entwickelte sich erst im Jahre 1954.
April 1954
Der Bayerische Rundfunk sendete sein erstes Fernsehprogramm am 2. April 1954 aus den Studios des NWDR in Hamburg-Lockstedt. Der Sender Freies Berlin war gerade erst entstanden und übernahm am 1. Juni 1954 das Berliner Studio des NWDR.
Oktober 1954
Am 6. Oktober wurde dann endlich Süddeutschland an die Dezistrecke der Deutschen Bundespost (sohieß die Richtfunkübertragung von Turm zu Turm) angeschlossen und damit der Bayerische Rundfunk und der Süddeutsche Rundfunk.
Am 13. Oktober 1954 konnten zum ersten Mal in Bayern Fernsehzuschauer das Programm des Deutschen Fernsehens empfangen, am 6.11. begann der Bayerische Rundfunk die Ausstrahlung eines eigenen Programmbeitrags aus München mit Mozarts Oper "Die Gärtnerin aus Liebe".
Am selben Tag nahm Deutschlands höchster Sender auf dem Wendelstein in den Alpen seinen Betrieb auf und strahlte die Wellen aus 1838 Meter Höhe ab. Die noch immer vorhandenen Versorgungslücken begannen, sich zu schließen.
November 1954
Ab 31. Oktober 1954 gab es den Begriff "Deutsches Fernsehen" mit dem entsprechenden optischen Kennzeichen, und nun steuerten noch weitere Anstalten der ARD ihre ersten Fernsehprogramme zur Gemeinschaftssendung bei: der Süddeutsche Rundfunk am 5. November und der Südwestfunk am 26. November.
Die Fußballweltmeisterschaft 1954
Die Zuschauerzahlen waren im Jahre 1954 stark angestiegen, nicht zuletzt durch die erste Übertragung der Fußballweltmeisterschaft im deutschen Fernsehen. Gab es zu Anfang des Jahres nur 11.658 Fernsehteilnehmer, so betrug ihre Zahl am Ende des Jahres 84.278.
Für heutige Verhältnisse waren das noch bescheidene Teilnehmerzahlen, doch die Einschaltquoten - heute das Maß aller Dinge - waren natürlich vergleichsweise astronomisch hoch.
Und was bekam der Zuschauer zu sehen ? Die "Tagesschau"
War das Programm vor 40 Jahren ganz anders als heute ? Nun, um 20 Uhr gab es die "Tagesschau", und daran hat sich bis heute nichts geändert.
Neu war damals das "Wort zum Sonntag", das somit auch schon 40 Jahre überdauert hat. Pfingsten 1954 erschien zum ersten Mal das Logo "Eurovision" auf dem Bildschirm.
Quizfrage: Welche Musik ist diesem Zeichen unterlegt ? Unser Musikfachmann Peter Freymann gibt die Antwort: Das Prelude aus dem "Te Deum" in D-Dur des Pariser Komponisten Marc-Antoine Charpentier (1634 -1704).
Seit 1953 Fernsehkoch Clemens Wilmenrod
Seit 1953 gab es schon regelmäßig wiederkehrende Sendungen. Der Fernsehkoch Clemens Wilmenrod bat zu Tisch und Werner Höfer zum "Internationalen Frühschoppen", Chris Howland war da als Schallplatten-Jockey, Jürgen Roland mit seiner Serie "Der Polizeibericht meldet", und Antonia Hilke stellte die neueste Mode aus Paris vor.
Auch schon seit 1953 übertrug der Kölner Sender Volksstücke aus dem Millowitsch-Theater, während Hamburg nun - nachdem bisher nur Ausschnitte gebracht worden waren - am 13. März 1954 das erste vollständige Stück aus dem Ohnsorg-Theater sendete, und zwar den Schwank "Seine Majestät Gustav Krause".
Titelrolle: Walter Scherau, mit dabei Heidi Kabel. Liselotte Pulver spielte ihre erste Fernsehrolle am 2. Dezember 1954 in Thornton Wilders "Unsere kleine Stadt", Caterina Valente sang in Schlagersendungen, in denen auch ein junger Pop-Sänger aus Wien und ein holländischer Chansonnier aus Paris auffielen: Peter Alexander und Lou van Burg.
In der Komödie "Im 6. Stock", die des großen Erfolges wegen später mehrere Fortsetzungen erhielt, wurde am 26. Juni 1954 ein echter Fernsehstar geboren: Inge Meysel.
Und "Uns Uwe" war plötzlich da ! Schon bei seinem ersten Länderspiel gegen Frankreich am 16. Oktober wurde Uwe Seeler der große Pußballstar, dem man auch am Bildschirm zujubelte.
Nov. 1953 - Hans-Joachim Kulenkampff und Peter Frankenfeld
Ja, und dann kamen noch regelmäßig die zwei von der Fernsehunterhaltung via Bildschirm in die Wohnstuben. Am 1. November 1953 hatte Hans-Joachim Kulenkampff seine Serie "Wer gegen wen ?" begonnen, ein vergnügliches Preisraten zwischen Mannschaften aus zwei Großstädten und dem Publikum in Frankfurt.
Peter Frankenfeld, schon etabliert mit seiner Talentsuche "Wer will, der kann", startete ab 31. Januar 1954 durch mit seiner großen Quiz-Show "1:0 für Sie !", übrigens mit Herrn Spahrbier, dem Postschaffner.
Das Publikum im Saal amüsierte sich ebenso wie die Fernsehzuschauer, spielte mit und war begeistert, damals noch ohne Gejohle und Gekreische. Auch die musikalischen Einlagen genoß man, ohne sie kaputtzuklatsehen. Opas Fernsehen !
Mit den Millionen-Dollar-Produkten aus Hollywood konkurrieren ?
Es muß wohl noch einiges Grundsätzliche gesagt werden zum besseren Verständnis der damaligen Situation. Mit seinen rund 80.000 Teilnehmern hatte das Fernsehen 1954 in der Medienlandschaft nur eine geringe Bedeutung - als Bayern begann, gab es dort nur rund 1.000 Fernsehgeräte.
Vorherrschend waren Rundfunk und Film. Mit den Millionen-Dollar-Produkten aus Hollywood konnte das bescheidene Fernsehen mit dem kleinen schwarz-weiß-Bild natürlich nicht konkurrieren.
Es mußte sich seinen eigenen Weg suchen. In den Rundfunkanstalten war Fernsehen damals ein geduldetes Anhängsel, wenn nicht ungeliebt, so doch belächelt.
Die neue Technik war extrem teuer
Die neue Technik (Kameras und Übertragungswagen) war teuer und forderte hohe Investitionen, die die Sender nicht gerne hergaben. Hätte es nicht den Pioniergeist derjenigen gegeben, die sich dem Neuen mit Haut und Haaren verschrieben hatten, wäre dem Fernsehen der Aufschwung versagt-geblieben.
1953 - die Übertragungen der Krönung
Zwar ließen die erfolgreichen und sensationellen Übertragungen der Krönung der britischen Königin Elisabeth II. 1953 aus London und der Fußballweltmeisterschaft 1954 aus Bern mit dem deutschen Sieg schon ahnen, welche Bedeutung das Fernsehen einmal erlangen werde, doch der Alltag war noch hart und mühselig.
Und es mußte billig sein - jedenfalls damals
Was der Bildschirm hergab, war vergleichsweise von bescheidener Qualität, denn es durfte ja auch nichts kosten. Für die erwähnte erste Übertragung aus dem Millowitsch-Theater mußte man das ganze Haus mieten und die Eintrittskarten verschenken, weil die Zuschauer sonst wegen der störenden Beleuchterbrücken und Kameras protestiert hätten - und was zahlte das Fernsehen alles in allem ? 1000 DM !
Es war ein voller Erfolg, von dem auch das Millowitsch-Theater profitierte, weil es plötzlich in ganz Deutschland bekannt wurde.
Damals erhob NWDR-Generaldirektor Grimme Einwand gegen diese Sendung des Schwanks "Der Etappenhase", weil ihm das Programm zu wenig kulturell war. Demgegenüber würde er heute wohl verzweifeln.
Und man mußte immer wider improvisieren
Kurios war die Situation der Kölner bei ihrer Sendung "Der internationale Frühschoppen" jeden Sonntag Mittag, Da es nur einen Ü-Zug und nur wenige Kameras gab und am Sonntagnachmittag meistens eine Sportübertragung zu fahren war, mußte Werner Höfer mit der Technik mitziehen.
In der Nähe des Sportübertragungsortes wurde dann eine Räumlichkeit gesucht, in der Höfer mit seinen Journalisten aus dem In- und Ausland tagen konnte. Nur so war es möglich, die Mittagsrunde zu senden und anschließend am Nachmittag das Sportereignis zu übertragen.
Die Pionierzeiten verlangten Einfallsreichtum und Improvisationstalent.
Noch 1954 täglich nur ca. eine Stunde am Nachmittag
Außer den bereits erwähnten Programmen am Sonntag Mittag und Nachmittag wurde im November 1954 täglich ca, eine Stunde am Nachmittag gesendet, wovon ein Teil Kinder- und Jugendprogramm war.
Sonst gab es die regelmäßigen Abendsendungen von 20 bis 22 Uhr. Dabei darf nich unerwähnt bleiben, daß sich damals die Filmwirtschaft beharrlich weigerte, der vermeintlichen Konkurrenz Fernsehen die Ausstrahlung von Filmen zu ermöglichen; das Fernsehen mußte also ohne Spielfilme auskommen. Was für eine Zeit !
Die Familien-Serien begannnen
Hinübergerettet aus den alten Tagen bis in unsere heutige Zeit hat sich etwas sehr Fernsehtypisches. Am 15. September 1954 erschien zum ersten Mal eine Familien-Serie auf dem Bildschirm: Die Familie Schölermann,
Alle 14 Tage nach der "Tagesschau" konnte der Zuschauer für 45 Minuten einen Blick ins Wohnzimmer der Schölermanns tun, und er meinte: "Das ist aus dem Lehen gegriffen. Die Schölermanns, das sind wir selber, das sind die Nachbarn von nebenan, das ist die deutsche Durchschnittsfamilie schlechthin,"
Niemand ahnte, daß diese Serie bis 1960 laufen und es auf 111 Folgen bringen würde. 17 Autoren schrieben für sie. Der Regisseur dieser ersten Erfolgsserie des deutschen Fernsehens ist heute noch bekannt: Ruprecht Essberger, die Schauspieler kennt kaum noch jemand: Willy Krüger, Lotte Rauch, Margit Cargill, Charles Brauer und Harald Martens.
Vergänglich ist der Fernsehruhm
Wer sich heute als Fernsehstar feiern läßt, möge das bedenken. Und wer da meint, die Fernsehserie von damals habe zuviel heile Welt gezeigt, der muß sich auch fragen, ob es heute nicht zuviel unheile ist.
Die Einschaltquoten - wenn seinerzeit überhaupt danach gefragt worden wäre - waren jedenfalls den heutigen haushoch überlegen.
Zwei Meldungen aus dem Alltag des Fernsehens vor 40 Jahren mögen den heutigen Fernsehleuten noch zum schmunzeln dienen: Die Fußballvereine verlangten mehr Geld für die Übertragungen der Spiele; Schalke 04 forderte 25.00 Mark.
"Indiskutabel", sagte Intendant Dr. Pleister. Und die zweite Meldung: Klaus Mahlo wurde Pressechef beim Fernsehfunk des NWDR. Das Branchenblatt "Filmpress" definierte seine Aufgabe so: "Er hat der Öffentlichkeit zu beweisen, daß das Programm des NWDR-Fernsehens besser ist als sein Ruf." - Damals war's.
Ein Rückblick von Günter Bartosch im Okt. 1994