Günter Bartosch (1928 - 2013†) schrieb viel (sehr sehr viel) über und aus seine(r) Zeit beim ZDF in Eschborn und Mainz .....
Der ZDF Mitarbeiter Günter Bartosch war 30 Jahre beim ZDF - also von Anfang an dabei -, ebenso wie sein deutlich jüngerer Kollege Knapitsch. Angefangen hatte sie beide bereits vor 1963 in Eschborn, H. Knapitsch in der Technik, Günter Bartosch im Programmbereich Unterhaltung.
Und Günter Bartosch hatte neben seiner Arbeit und seinen Büchern so einiges aufgeschrieben, was er damals alles so erlebt hatte. In 2013 habe ich die ganzen Fernseh- und Arbeits-Unterlagen erhalten / geerbt und dazu die Erlaubnis, die (die Allgemeinheit interessierenden) Teile zu veröffentlichen.
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Günter Bartosch erinnert sich im November 2012
Persönliche Notizen zur Anfangszeit im ZDF
Als das ZDF 1963 mit dem zweiten Fernsehprogramm begann, teilten sich neun Sendeanstalten der ARD das sogenannte erste Programm prozentual auf. Es war in vieler Hinsicht regional geprägt. Nun erschien das ZDF als gemeinsame Anstalt aller Bundesländer.
ZDF-Intendant Prof. Holzamer sah es als Aufgabe an, daß die Bundesländer im Programm Darstellungsmöglich- keiten hatten; diverse Inlandsstudios wurden eingerichtet. Seine besondere Aufmerksamkeit bezog sich auf die geteilte Stadt Berlin. Das geschah vordergründig in der aktuellen Berichterstattung und im politischen Geschehen. Doch schon die erste Unterhaltungssendung des ZDF am Abend des 1. April 1963 war unter dem Titel „Berlin-Melodie“ eine Hommage an die ehemalige Hauptstadt.
„Rhapsodie in Blumen“
Für eine erste Produktion in meiner Verantwortung hatten wir Hamburg ins Auge gefasst. Anlaß war die dort stattfindende Bundesgartenschau. „Rhapsodie in Blumen“ war eine „bunte“ Sendung mit vielen bekannten Schlagern und Künstlern - leider in Schwarz/weiß. (Farbe kam erst am 25. August 1967 ins Fernsehen mit der ersten Farbfernsehshow „Der Goldene Schuß“ vom ZDF - meine Produktion, worüber ich sehr stolz bin.)
Die Funkausstellung Berlin 1963
Mit meiner Abteilung „Öffentliche (Fremd-) Veranstaltungen“ konnte ich noch eine andere Zielsetzung des neuen ZDF-Programms erfüllen: International zu sein ! Da ergab sich schon mal die Zusammenarbeit mit den Schweizer Schmid-Productions.
Mit Chef Werner Schmid hatte ich schon im RIAS und beim Freien Fernsehen zusammen- gearbeitet. Nun ermöglichte sich eine umfangreiche Programmplanung. Eine frühe Produktion fand im niederländischen Scheveningen statt. Dann kam die Herausforderung, eine große Show während der Funkausstellung 1963 aus der Berliner Deutschlandhalle in Live-Übertragung zu senden. Ich entschloß mich mit den Schmid-Productions zu einem fröhlichen Treffen mit Künstlern aus unseren Nachbarstaaten mit dem Titel „Alle unter einem Hut“. Von ZDF-Regisseur Kurt Ulrich in Szene gesetzt, war es eine Live-Sendung, die sich buchstäblich sehen lassen konnte (siehe beiliegende Zeitungskritiken). Funkausstellung - das ZDF war voll da, bereits ein halbes Jahr nach Sendebeginn !
Unser Intendant, Prof. Holzamer
„Was sind wir noch so jung“, sagten wir unter Kolleginnen und Kollegen, als wir vor 50 Jahren im ZDF an den Start gingen. Aus allen Gegenden Deutschlands waren wir zusammengekommen, speziell die Fachleute für Programm und Technik. Es gab enormen Aufbruchsgeist, und unser Intendant, Prof. Holzamer - selbst bewährter Rundfunkproduzent und Reporter -, förderte den Unternehmungsgeist.
„Gut gefragt ist halb gewonnen“
Im Hörfunksender RIAS waren wir ein Trio junger Kollegen mit großen Erfahrungen in öffentlichen Veranstaltungen: Hans Rosenthal, Günter Körste und ich. Nun konnten wir alle unsere Kenntnisse beim ZDF einbringen. Es gelang mir, Unterhaltungschef Otto Meißner für Hans Rosenthal zu interessieren. und wir starteten die Quizserie „Gut gefragt ist halb gewonnen“, die TV-Adaption einer von uns produzierten erfolgreichen RIAS-Sendereihe. - Hans Rosenthal wurde seitdem mehr und mehr zu einem Markenzeichen des ZDF !
Günter Körste wurde Organisationsleiter und Geschäftsführer der Berliner Deutschlandhalle. Mit seiner Unterstützung konnte ich für das ZDF-Programm
große Shows der Deutschlandhalle in eigenen Aufzeichnungen übernehmen: „Holiday on Ice“ und „Menschen-Tiere-Sensationen“.
Und dann war da noch Hans-Joachim Rödel, Schauspieler und freier Mitarbeiter beim RIAS. Auch ihn konnte ich vorschlagen, und er wurde ein aktiver ZDF-Kollege, der viele Sendungen produzierte, in erster Linie aber „Der Große Preis“ mit Wim Thoelke.
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Der alte Teamgeist vom RIAS
Auch mit bewährten Autoren konnte die Hörfunk-Zusammenarbeit fortgesetzt werden, so mit Günter Neumann („Die Insulaner“), Horst Pillau und Rolf Merz, der für mehr als hundert ZDF- Sendungen die Manuskripte schrieb („Der Goldene Schuß“, „Der Große Preis“, „Erkennen Sie die Melodie“, neben zahlreichen Musiksendungen).
Der alte Teamgeist vom RIAS bewährte sich auch ressortübergreifend. Bei allen Produktionen in Berlin fand ich Unterstützung von Studioleiter Hanns Werner Schwarze und Hans-Christoph Knebusch. Und in Mainz hatte ich als Mitglied des Personalrats immer gute Ansprechpartner in Gerhard Löwenthal und Chefredakteur Wolf Dietrich. So machte sich das berufliche Vorleben, das man ins ZDF mitbrachte, in angenehmer Zusammenarbeit bezahlt.
geschrieben im November 2012 - Günter Bartosch
Nachtrag : Kontakt zu Walt Disney
Produzent Werner Schmid entpuppte sich als genialer Aufreißer für attraktive TV-Programme. Jahrelang war er mit Schwester und Bruder als „Swiss-Trio“ singend und jodelnd durch die USA getourt. Daher hatte er gute Verbindungen. Unter anderem konnte er für Auftritte im „Goldenen Schuß“ Louis Armstrong, Al Martino und Gina Lollobrigida gewinnen sowie Ausschnitte aus aktuellen Musicals vom Broadway ins Programm bringen, so „West Side Story“ und „Hello Dolly“.
Plötzlich überraschte er mich mit der Nachricht, er habe Kontakt zu Walt Disney aufgenommen, und das ZDF könne Disney-Programme übernehmen. Otto Meißner und ich waren sofort Feuer und Flamme für dieses Projekt. Werner Schmid wollte bei Walt Disney das ZDF offiziell in die Verhandlungen einbeziehen. Ich sollte dazu als Vertreter nach Hollywood reisen. Das war schwieriger als gedacht. Intendant Prof. Holzamer zögerte, die Genehmigung für die Reise zu geben, die der Produzent bezahlen wollte, ohne schon einen Programmauftrag des ZDF zu haben. Schließlich erhielt ich doch die Genehmigung, mit Walt Disney zu verhandeln.
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Werner Schmid, Lou van Burg und ich in den USA
Ich reiste mit Werner Schmid und Lou van Burg, der als Moderator der Disney-Sendungen im ZDF ins Auge gefasst worden war, nach Burbank/Los Angeles.
Bei der Ankunft auf dem amerikanischen Flughafen gab es noch eine Episode. Ich hatte als orginelle Begrüßungsgabe für den Chef Walt Disney mir eine Kollektion der etwas größeren Mainzel- männchen- Figuren in den Koffer getan. Der strenge Mann vom Zoll entdeckte die Figuren und fragte barsch: „What’s this ?“ Ich antwortete wahrheits-gemäß: „Puppets for Walt Disney“, was den Zöllner noch strenger blicken ließ.
Da griff der amerika-erfahrene Werner Schmid ein und erklärte: „We go to visit Mr. Disney. This are image-puppets from German Television Channel Two”. - So erfuhr ich, was ZDF auf englisch hieß.
Die Verhandlungen waren sehr erfolgreich, und wir begannen - nicht ganz legal - mit Walt Disney in seinen Ateliers schon eine kleine Einführung für eine Sendereihe im ZDF zu drehen. Die Zusammenarbeit war außerordentlich gut. Sie brachte Micky Maus, Donald Duck und Mary Poppins ins ZDF-Programm - viel beachtete und beliebte Sendungen ! Über 12 Jahre hatten wir diese Highlights im Programm, und es hätte noch weitergehen können. Aber die lebendige, innovative Aufbruchsstimmung im ZDF war leider vorbei - Bürokratie erschwerte auch die Programmgestaltung.
Die „Berlin-Melodie“
Ich hatte das Glück, dass Unterhaltungschef Karlheinz Bieber - der mit der ersten Sendung „Berlin-Melodie“ bereits Erfolg erzielt hatte - mir bei der Progammgestaltung für die Funkausstellung freie Hand ließ, da er wusste, dass Horst Gehrke - Organisationsleiter und Produktionschef für die gesamte ZDF-Beteiligung an der Funkausstellung - und ich bereits 1961 beim SFB für dieses vielbeachtete Ereignis unterm Funkturm gearbeitet und Erfahrungen gesammelt hatten.
Das ist der letzte bislang bekannte Artikel oder Aufsatz von Günter Bartosch.
Günter Bartosch hatte sicher noch einiges an Ideen in der "Pipeline", wie die Amerikaner sagen, konnte es aber nicht mehr zu Papier bringen.
Der Museumsverein war in 2010 bereits platt und somit war ihm das letzte Hobby genommen. In dem extrem heißen Sommer 2013 bekam ich zum Glück all diese Unterlagen auf 2 Paletten und vielen Koffern, die sonst auch in den Container gewandert wären.
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