Die Lebensbiografie von Akio Morita (aus 1986), dem berühmten SONY Mitbegründer - Er war "Mister Japan"
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Mal nicht das beste Beispiel für den typischen japanischen Arbeitnehmer
Hideo, mein Ältester, ist vielleicht nicht das beste Beispiel für den typischen japanischen Arbeitnehmer, aber er hat eine interessante und meiner Meinung nach für Japan typische Arbeitsauffassung.
Er, der in England und Amerika studierte, wollte schon immer für Sony arbeiten. Auf Norio Ohgas Drängen hin trat er als zuständiger Mitarbeiter für Künstlerbetreuung und Programmgestaltung in die CBS-Sony- Schallplattenfirma ein.
Auf Grund des Verwandtschaftsverhältnisses und daher naheliegenden Verdachts auf Nepotismus hielten Hideo und ich es für falsch, ihn gleich in die Sony-Zentrale zu holen.
Deshalb stellte er seine Fähigkeiten bei CBS-Sony unter Beweis, arbeitete mit einheimischen und ausländischen Künstlern und erwarb sich in der japanischen Plattenindustrie mit außerordentlichen Erfolgen einen ausgezeichneten Ruf.
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Eine "abweichende Arbeitszeit" -ähnlich zu dem Redakteur Gert Redlich
Er arbeitete sehr hart, begann zumeist gegen Mittag und machte erst um drei oder vier Uhr nachts Schluß. Tagsüber ging er seiner normalen Bürotätigkeit nach und kümmerte sich ausschließlich um seine Künstler, sobald diese ihre Auftritte hinter sich hatten.
Da Hideo nicht trinkt, fiel es ihm sehr schwer, bei einer Coca-Cola in Diskotheken oder Bars zu hocken, während sich seine Rock-Stars bei einem Whisky entspannten.
Doch er hielt Kontaktpflege für eine wichtige Aufgabe. Obwohl er sich sehr lange auf seinen Lorbeeren hätte ausruhen können, faßte er an seinem dreißigsten Geburtstag und nach reiflichen Überlegungen einen neuen Entschluß.
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Hideo's Umdenken
»In der Plattenbranche«, sagte Hideo, »kommen viele Leute um die Vierzig mit Turnschuhen, weißen Söckchen, Jeans und T-Shirts ins Büro. Ich habe mir die Burschen angesehen und mir gesagt: So wie die möchtest du mit vierzig oder fünfundvierzig nicht aussehen. An sich fand ich die Branche gut, und Erfolg hatte ich auch, also gab es eigentlich keinen Grund aufzuhören. Andererseits:
Bleibe ich bei Sony-CBS, werde ich eines Tages vielleicht Topmanager, möchte aber nicht erleben, als Fünfzigjähriger mittags um eins in Turnschuhen und weißen Socken ins Büro zu kommen und die Kollegen mit einem fröhlichen >Guten Tag< zu begrüßen. Ich dachte, nach sieben Jahren in der Schallplattenbranche sollte ich mir einmal beweisen, daß ich, wie normale Leute auch, von neun bis nachmittags um fünf arbeiten kann.«
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Wir fanden einen Platz im Rechnungswesen der Sony Corp.
Hideo wurde in die Abteilung Rechnungswesen der Sony Corp. versetzt - ein weites Stück von der künstlerischen Seite des Schallplattengeschäfts entfernt, möchte man meinen. Viele fragten sich daher, ob Hideo die Umstellung schaffen würde; ich traute es ihm zu; denn er hat trotz seiner internationalen Erziehung eine sehr japanische Einstellung.
»Im Grunde genommen ist eine Arbeit nicht anders als die andere«, findet Hideo. »Man muß sich überall Mühe geben, einerlei, ob man Künstlerbetreuer bei einer Schallplattenfirma, Straßenverkäufer oder Buchhalter ist. Man bekommt sein Gehalt und liefert dafür hundertprozentige Arbeit.
In der Plattenbranche hatte ich eine interessante, fesselnde Tätigkeit; ich war rundum zufrieden. Eigentlich selbstverständlich; denn solange man in seiner Arbeit Befriedigung findet und die eigene Energie voll einsetzt, ist man eben zufrieden. Die Arbeit im Rechnungswesen fand ich ebenfalls sehr anregend. Ich lernte jeden Tag etwas Neues dazu, plagte mich mit Rechnungsstapeln und Lohnlisten ab, beschäftigte mich mit Kontenabschlüssen, Gewinn- und Verlustrechnung und hatte es mit allen möglichen Zahlen zu tun. Ich bekam eine ausgezeichnete Übersicht über das Unternehmen, seine Finanzlage, die alltäglichen Geschäfts vor fälle und erfuhr so, welchen Kurs es steuert. Dabei stellte ich fest, daß mich diese Tätigkeit ebenso fesselte wie die Musikproduktion im Aufnahmestudio.«
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Die Europäische Kommission befand: Japaner sind arbeitswütig
Ende der sechziger Jahre wurde durch Indiskretion ein internes Memorandum der Europäischen Kommission bekannt. Die Folge war ein erheblicher Wellenschlag, wurden darin doch die Japaner als »arbeitswütig« bezeichnet, die in »Kaninchenställen« ihr Dasein fristen.
Nun besteht nicht der geringste Zweifel, daß die unzureichenden Wohnverhältnisse zu den größten Problemen Japans zählen, und niemand möchte bestreiten, daß die Japaner das wohl am härtesten arbeitende Volk der Erde sind.
In Japan gibt es viele Feiertage, aber auch nicht mehr als etwa in den Vereinigten Staaten. Bei uns gibt es keinen langen Sommerurlaub; auch die Sommerferien der Schulkinder sind nur kurz.
Sony gehörte zu den ersten japanischen Firmen, die im Sommer einwöchige Betriebsferien einführten, damit alle Mitarbeiter gleichzeitig Urlaub machen konnten. Schon seit sehr langer Zeit gibt es bei uns die Vierzig-Stunden-Woche mit fünf Arbeitstagen.
Nach der japanischen Arbeitszeitregelung sind maximal 48 Wochenstunden noch immer legal, obwohl auch bei uns jetzt (in 1985) eine gesetzliche Arbeitszeitverkürzung bevorsteht (in der Industrie liegt die durchschnittliche Wochenarbeitszeit gegenwärtig bei 43 Stunden).
Doch selbst bei maximal 20 bezahlten Jahresurlaubstagen nehmen japanische Arbeiter ihren Urlaub nicht voll in Anspruch und verbringen daher noch mehr Zeit am Arbeitsplatz als ihre amerikanischen und europäischen Kollegen.
Erst 1983 - die Fünftagewoche versuchsweise einführen
Erst 1983 begannen unsere Kreditinstitute, die Fünftagewoche versuchsweise einzuführen (d. h. jeder vierte Samstag war arbeitsfrei), doch schließlich wird auch die gesamte arbeitende Bevölkerung der Fünftagewoche einmal näher kommen.
Trotzdem geht aus den Berichten des Internationalen Arbeitsamts (ILO) eindeutig hervor, daß die Wochenarbeitszeit in Japan noch immer länger ist als in den Vereinigten Staaten, in Frankreich oder in der Bundesrepublik Deutschland.
Gleichzeitig ist die Zahl der Arbeitskämpfe bei uns viel niedriger als in den Vergleichsländern. Nach meiner Meinung beweist dies, daß der japanische Arbeiter offenbar zufrieden ist mit einem System, das als Leistungsentgelt weder hohe Löhne noch ausgedehnte Freizeit bietet.
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Wir wollen keine egoistische ichbezogene Arbeits-Auffassung
Wir machten bei Sony die Erfahrung, daß ein gewohnheitsmäßig nur um des Geldes willen arbeitender Kollege ein Problemfall ist, denn er vergißt sehr oft, daß von ihm Leistungen zum Wohle der Gesamtheit erwartet werden.
Diese ichbezogene Auffassung, ohne Rücksicht auf die Ziele seiner Kollegen und des ganzen Unternehmens, nur für sich und seine Angehörigen zu arbeiten, können wir nicht akzeptieren.
Daher ist die Unternehmensleitung dafür verantwortlich, daß von jedem Mitarbeiter anspruchsvolle Arbeit verlangt wird, die befriedigt und an den Familiensinn appelliert. Um dies zu ermöglichen, wird bei Sony die Arbeit oft umorganisiert, um den Talenten und dem Können der Kollegen Rechnung zu tragen.
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Unklug - den Bewerber für die Stelle aussuchen
Manchmal vergleiche ich amerikanische Unternehmen mit Ziegel-, unsere japanischen eher mit Steinmauern. Damit möchte ich andeuten, daß in Amerika sowohl alle unternehmerischen Pläne als auch das Anforderungsprofil eines jeden Arbeitsplatzes im voraus erstellt werden.
Anschließend geht das Unternehmen daran - die flüchtige Durchsicht jeder amerikanischen Zeitung beweist dies -, für jeden Arbeitsplatz einen geeigneten Bewerber zu finden. Zeigt sich bei der Einstellungsprüfung, daß der Bewerber über- oder unterqualifiziert ist, wird er gewöhnlich abgelehnt. Deshalb spreche ich hierbei von einer Ziegelmauer; das Format eines jeden Steins ist zwecks idealer Einpaßbarkeit bereits im voraus festgelegt.
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Besser - für den Bewerber eine Stelle aussuchen
In Japan stellt man den Bewerber ein und versucht dann festzustellen, wie er sich am zweckmäßigsten einsetzen läßt. Wir haben es also mit einer zwar hochqualifizierten, aber doch wenig homogenen Gruppe zu tun.
Der Unternehmer schaut sich seine rohen, unbehauenen Steine lange an, soll er sie doch auf bestmögliche Weise zu einer stabilen Mauer zusammenfügen. Manche Steine sind rund, andere sind Würfel, Quader, groß oder klein; doch irgendwie muß die Unternehmensleitung darauf kommen, wie sie sich zusammenfügen lassen.
Da die Menschen mit den Jahren reifer werden, muß der japanische Manager berücksichtigen, daß seine > Steine< von Zeit zu Zeit ihre Form ändern. Das Unternehmen selbst ändert sich auch, so daß es immer wieder nötig sein wird, den einzelnen >Stein< an anderer Stelle einzupassen.
Ich möchte diesen Vergleich nicht übermäßig strapazieren, sicher ist aber, daß die Anpassungsfähigkeit von Belegschaft und Geschäftsleitung zum Gütezeichen japanischer Unternehmen geworden ist.
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Wenn (wegen Technologiewechsels) zum Niedergang verurteilte Industrien in eine andere Branche überwechseln oder sich einem zusätzlichen Betätigungsfeld zuwenden, bietet man der Belegschaft Umschulungsmöglichkeiten, von denen meist gern Gebrauch gemacht wird. Gelegentlich wird dann ein Umzug nötig, doch auch dazu sind japanische Familien im allgemeinen bereit.
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Wem gehört ein Unternehmen eigentlich?
Der Geschäftsleitung, den Aktionären oder den Arbeitern? Diese Frage ist keineswegs so einfältig, wie sie klingt. Wir Japaner meinen, daß die Sorge des Unternehmens Mitarbeitern und Aktionären gleichermaßen gelten muß.
Wie wichtig Aktionäre sind, weiß ich nur zu gut. Sony hat sehr viele Anteilseigner, von denen über vierzig Prozent keine Japaner sind. Die Pflichten des Management sind effizienter Mitteleinsatz und Erwirtschaftung einer höheren Rendite, als durch andersartige Kapitalanlage der Aktionäre möglich gewesen wäre.
Rendite ist in diesem Zusammenhang nicht unbedingt im Sinne von Dividende gemeint. Man könnte darunter auch Wertzuwachs des Portefeuilles verstehen, woran den Japanern übrigens mehr als an Dividenden gelegen ist; denn die Besteuerung von Kursgewinnen ist niedriger.
Ein reinvestierendes Unternehmen bringt dem Aktionär auf lange Sicht größere Vorteile als die in den USA und Europa überaus häufige Ausschüttung von Dividenden auf Scheingewinne.
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Wenn Gesellschaften die Lebensader abgedrückt wird
Manchmal sind es auch Machtkämpfe zwischen Unternehmen - ganz besonders seien hier Übernahmeversuche genannt -, die den Gesellschaften die Lebensader abdrücken. Zwar hat die »unfreundliche« gewaltsame Übernahme in Japan noch nicht Eingang gefunden, doch war zu Beginn dieses Jahres ein entsprechender Versuch noch in der Schwebe. (Er mißlang, wie man inzwischen weiß.) Viele Geschäftsleute glauben daher, daß sich diese in Amerika übliche Taktik vielleicht auch bei uns durchsetzen wird.
Der Fall eines vor mehr als fünfzehn Jahren mit einem Kapital von nur vier Millionen Dollar in Japan gegründeten Joint Venture soll meine Vorbehalte gegenüber dem amerikanischen System verdeutlichen.
Die Gesellschaft, innerhalb kürzester Zeit ungeheuer rentabel geworden, begann hohe Dividenden auszuschütten, behielt jedoch einen Großteil der Gewinne als Rücklagen im Unternehmen. So konnte die Gesellschaft 1985 zum Beispiel im Wege der Fremdfinanzierung zwei neue Fabrikanlagen errichten und behielt dennoch über hundert Millionen Dollar übrig.
Just da wurde die amerikanische Muttergesellschaft von einem Übernahmepiraten bedrängt. Um den Übernahmeversuch abzuwehren, mußte das Unternehmen die eigenen Aktien zu sehr hohem Kurs zurückkaufen. Dafür waren liquide Mittel nötig, und sofort dachte die Unternehmensleitung an ihr gewinnträchtiges japanisches Joint Venture.
Der Partner wurde davon in Kenntnis gesetzt, daß unverzüglich ein Dividendenbeschluß gefaßt werden müsse; mehr als drei Viertel der einbehaltenen Gewinne seien auszuschütten, um den Übernahmeversuch abwehren zu können. Der japanische Partner wollte die Gewinne zwar nicht hergeben, doch mußte er sich dem Druck schließlich beugen.
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- Anmerkung : Das Ausplündern war in USA "üblich" - siehe die Muttergesellschaften der BRAUN AG. 1981 wollte eine sogenante "Heuschrecke" die Firma GILLETTE schlucken und sezieren und dann zerlegt meistbietend verhökern.
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Über die Moral der Arbeitnehmer - (ist eher hypothetisch)
In Japan gilt die Moral der Arbeitnehmer als einer der wichtigsten Aktivposten eines Unternehmens. Verliert die Belegschaft ihre Einsatzfreude, kann das Unternehmen zugrunde gehen. Die Beschäftigten sehen den Abfluß einbehaltener Gewinne als Bedrohung der Arbeitsplatzsicherheit. Verkauft ein Unternehmen seine Vermögenswerte, hat es keine Zukunft.
Anscheinend vermag der Westen nicht zu verstehen, daß wir Japaner ein Wirtschaftsunternehmen nicht als alleiniges Eigentum der Aktionäre und des Management auffassen. Die Aktionäre können ihr Geld nach Belieben jederzeit zurückziehen.
Amerikanische Manager können mit Vertragsablauf ausscheiden; die Arbeiter kommen und gehen. Meines Erachtens aber ist letzteren - selbst in Amerika und Europa - hauptsächlich an sicheren Arbeitsplätzen gelegen. Die Arbeiter sind von allen Beteiligten zum Schutz ihrer Interessen am wenigsten in der Lage, trotzdem können Unternehmensleitung wie Aktionäre auf sie nicht verzichten.
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"Texas Instruments" brauchte eine japanische Niederlassung
Als in den 19sechziger und 19siebziger Jahren in Japan eine gewisse wirtschaftliche Liberalisierung einsetzte, reagierten viele von uns ablehnend.
Manche konservative Unternehmer wollten grundsätzlich keine ausländischen Firmen ins Land lassen und verlangten nach immer massiveren Schranken und Hindernissen. Ich jedoch entschied mich für den anderen Weg, versuchte, diese Liberalisierung zu fördern und das Land dem Zustrom ausländischer Güter zu öffnen.
Ich gründete daher die Sony Trading Company und importierte von Kühlschränken bis hin zu Falcon-Jets so ziemlich alles und jedes. Gleichzeitig hoffte ich, daß sich immer mehr ausländische Firmen in Japan niederlassen würden.
Auf Grund meiner Aktivitäten für Sony und als Mitglied des "Morgan Guaranty Trust International Council", des "Pan American Board" und des "IBM World Trade Board" habe ich in zahllosen Ländern viele hervorragende Unternehmer und Industrielle kennengelernt; mit nicht wenigen von ihnen verbindet mich eine langjährige Freundschaft. Es war deshalb wohl nur recht und billig, daß man gerade mich bat, der "Texas Instruments" zu einer japanischen Niederlassung zu verhelfen.
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Doch es gab politische juristische Probleme
Pat Hagerty von TI kannte ich schon seit 1955; wir hatten seinerzeit die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens erwogen, zu der es dann doch nicht kam.
Im Jahre 1968 war Mark Sheppard der Vorstandsvorsitzende der Tl. Texas Instruments hatte besonders starre Vorstellungen vom eigenen Auftreten auf dem japanischen Markt: Sheppard wollte japanischen Firmen erst dann IC-Lizenzen erteilen, wenn das Unternehmen in Japan eine hundertprozentige Tochtergesellschaft besaß.
Texas Instruments wollte nämlich die ICs in Japan selbst produzieren und natürlich auch verkaufen. Nach geltendem japanischem Recht aber kam man nur über eine Joint Venture mit einem japanischen Unternehmen ins Land.
Die TI-Technologie genoß hohes Ansehen; viele Japaner sahen in einer TI-Niederlassung nur Vorteile für unsere Industrie und die gesamte Nation. Außerdem waren viele Firmen auf den Zugang zur IC-Technologie versessen. Man trat an mich heran, um eine Kompromißlösung zu finden.
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Ich empfahl eine Joint Venture mit Sony
Schließlich stellten wir ebenfalls Halbleiter her. Das Ministerium für Außenhandel und Industrie (MITI) schien gegen die nach Ablauf von drei Jahren vorgesehene Veräußerung unseres Anteils keine Einwände zu haben; doch als TI von uns die Garantie der Regierung verlangte, daß dem beabsichtigten Verkauf unserer fünfzig Prozent nach Ablauf der Wartefrist nichts im Wege stehen werde, gab es Schwierigkeiten.
Im voraus Zusicherungen zu verlangen, wird von den Regierungsstellen aller Länder als Zumutung empfunden. »Sie müssen uns vertrauen«, erklärte ich dem Tl-Unterhändler, doch er wollte die Sache schwarz auf weiß sehen.
Schließlich dachten wir uns ein Papier aus, das den Erwartungen der amerikanischen Anwälte mit knapper Not genügte. Texas Instruments führte vereinbarungsgemäß das Gemeinschaftsunternehmen so, als ob es ihnen allein gehörte, und übernahm nach Ablauf von drei Jahren unseren Anteil, wie es der schriftlichen Zusicherung entsprach.
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General Motors wollte 35% der Isuzu Motors übernehmen
Ein paar Jahre nach dieser Transaktion half ich James Roche von General Motors bei seinen Verhandlungen wegen Übernahme von 35 Prozent der Isuzu Motors. Da es sich hierbei um die erste größere Anteilsübertragung der Automobilbranche handelte, verlangte die Abwicklung des Geschäfts besondere Diskretion.
Als James Roche im April 1971 bei uns eintraf, war die Stimmung im Lande sehr ablehnend. Die Zeitungen brachten Mutmaßungen über die Absichten des Riesenkonzerns GM und ergingen sich in militärischen Fachausdrücken wie Brückenkopfbildung und Invasion. Roche sei gekommen, um Isuzu Motors zu schlucken, hieß es. Was die Gemüter aber so erregt hatte, war der Besuch Henry Fords II.
Ford hatte, kurz bevor Roche eintraf, auf einer Pressekonferenz in Tokio das gemächliche Tempo der japanischen Handelsliberalisierung heftig kritisiert. Da Ford kein Blatt vor den Mund genommen hatte, waren viele Japaner durch seine unverblümten Äußerungen ziemlich gereizt.
James Roche war mir persönlich bekannt; auch er gehörte dem Morgan International Council an. Während Roches Reise noch vorbereitet wurde, bat mich der Tokioter Morgan-Repräsentant, Roche zu beraten und ein paar Kontakte für ihn herzustellen.
Ich hielt dies für keine schlechte Idee; denn Fords Besuch wurde von allen, denen an größerer Liberalisierung des Landes und an der Abkehr von wirtschaftlicher Kirchturmpolitik gelegen war, als Rückschlag ihrer Bemühungen gewertet. Ein zweiter kontraproduktiver Auftritt würde uns in Sachen Liberalisierung und Internationalisierung der Wirtschaft vielleicht um Jahre zurückwerfen.
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Nichts war wichtiger als gute Kontakte nach ganz oben
Nach meinen Willen sollte Roche die Japaner von Anfang an positiv beeindrucken. Ich hatte im Tokyo-Hotel am Haneda-Flughafen ein Zimmer für ihn reservieren lassen. Bei seiner Ankunft wurde den wartenden Reportern mitgeteilt, Herr Roche sei müde und abgespannt und wolle sich erst ein halbes Stündchen ausruhen und frischmachen, ehe er sich der Presse stellen werde. Ich selbst war zeitig und daher unbemerkt ins Hotel geeilt und hatte nunmehr eine halbe Stunde lang Zeit, Roche ins Bild zu setzen.
Ich hatte mich in aller Stille auf dieses Zusammentreffen vorbereitet und bereits für Termine mit Kiichi Miya-Zawa, dem Minister für Außenhandel und Industrie, und dem Präsidenten der IHK gesorgt.
Außerdem hatte ich für Roche eine erste Presseverlautbarung entworfen und grob skizziert, wie er auf die nächstliegenden Fragen der Pressekonferenz reagieren sollte. Roche und seine Begleitung stellten zahlreiche Fragen, die wir in allen Einzelheiten erörterten. Ich empfahl ihm, den Standpunkt der General Motors offen, doch behutsam darzulegen, da man in Japan gegenwärtig mit sehr allergischen Reaktionen rechnen müsse.
Die Presse sah in GMs Interesse an einem japanischen Unternehmen eine der zugkräftigsten Stories der Nachkriegszeit. Die Blätter rangelten untereinander um Exklusivfotos und -berichte über die Absichten des Konzerns. Ich riet Roche, rundheraus und wahrheitsgemäß zu erklären, daß General Motors an einer Übernahme der Isuzu nicht interessiert sei. Roche hielt sich an meinen Rat und beantwortete auch alle Fragen so, wie ich es ihm nahegelegt hatte.
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Der Dank kam spät, aber er kam von ganz oben
Seinerzeit mußte, wenn Ausländer mehr als 33 Prozent eines japanischen Unternehmens erwerben wollten, die Zustimmung der Regierung eingeholt werden. Auch hier konnten meine guten Dienste der General Motors ein wenig den Weg ebnen. Die Abwicklung der Transaktion ging glatt und ohne nennenswert negative publizistische Begleiterscheinungen vonstatten.
Zu meiner Freude konnte ich feststellen, daß sich GM auch Jahre später noch dankbar für meine guten Ratschläge zeigte: Der Chef der GM Japan lud mich irgendwann einmal zum Essen ein, um mir zu eröffnen, er habe vor Antritt seiner Reise die Unternehmensakten gelesen. »Deshalb weiß ich sehr genau, was GM Ihnen zu verdanken hat«, meinte er.
Es freute mich doch sehr und gab mir Mut für die Zukunft, daß auch in Riesenkonzernen wie General Motors jene menschlichen Qualitäten zu finden sind, an denen fast nur japanische Unternehmen so reich sind.
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