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Die Lebensbiografie von Akio Morita (aus 1986), dem berühmten SONY Mitbegründer - Er war "Mister Japan"

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Ich wollte die "Sony Corporation of America" gründen.

Ibuka und Kazuo Iwama aber, der später Aufsichtsratsvorsitzender wurde, standen meiner Absicht recht skeptisch gegenüber, ohne allerdings besonders treffende Gegenargumente vorzubringen. Unsere amerikanische Tochtergesellschaft könnte ein eigenes Vertriebsnetz organisieren, als überregionale Verteilungsstelle fungieren und eigene Marketing-Erfahrungen sammeln. Da ich die amerikanischen Verhältnisse am besten kannte, wollten sich meine Tokioter Kollegen schließlich doch meinem Urteil beugen.

Da wir keinesfalls überstürzt handeln wollten, beschlossen wir, den günstigsten Augenblick abzuwarten. Wir hatten beim Finanzministerium nämlich längst beantragt, 500.000 Dollar zwecks späterer Verwendung in die USA transferieren zu dürfen, ohne allerdings zu wissen, ob und wann der Antrag genehmigt würde.

Die Genehmigung traf just in dem Augenblick ein, als wir uns mit ernsten Gründungsabsichten trugen.
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Im Februar 1960 die Sony Corporation of America

So konnten wir im Februar 1960 die Sony Corporation gründen. Sie wurde mit einem Grundkapital von 500.000 Dollar ausgestattet. 16 Monate später gingen wir mit zwei Millionen Sony-Stammaktien in Form von American Depository Receipts (ADR) auf den US-Markt.

Ich machte hierbei sehr wichtige Erfahrungen. Die Tokyo Electric Power Company hatte vor dem Krieg zwar schon Schuldverschreibungen vergeben, wir aber gingen als erstes japanisches Unternehmen auf den amerikanischen Aktienmarkt.

Dies wurde durch das damals in den USA eingeführte ADR-System ermöglicht: Die Aktien bleiben zwar im Emissionsland, die Zertifikate über die Hinterlegung bei einer US-Bank sind aber wie inländische Aktien handelbar.

Bereits im Herbst 1960 hatten uns unsere Hausbank sowie Nomura Securities und Smith Barney and Company, ein amerikanisches Emissionshaus, zu diesem Schritt geraten. Bevor wir jedoch zum amerikanischen Kapitalmarkt Zugang fanden, stand uns, da wir dem japanischen Handelsrecht, den Bestimmungen unseres Finanzministeriums und den Auflagen der amerikanischen Börsenaufsichtsbehörde (SEC) genügen mußten, noch sehr viel harte Arbeit bevor.
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1960 war SONY schon ein namhaftes japanisches Unternehmen

Glücklicherweise fand Ministerpräsident Hyato Ikeda Gefallen an unserem Vorhaben, der als Internationalist in einer Liberalisierung des Kapitalverkehrs nur Vorteile sah und die eher konservativen Denker im Finanzministerium in unserem Sinne beeinflussen konnte.

Da die Zeit drängte, bildeten wir eine Arbeitsgruppe und machten uns unverzüglich ans Werk. Ernest Schwartzenbach vertrat das Emissionshaus, John Stevenson kam von der Anwaltskanzlei Sullivan and Cromwell, neben mir und meinem engsten Mitarbeiterstab gehörte dann noch Yoshio Terasawa von Nomura Securities dazu (Terasawa war unmittelbar nach seiner Rückkehr aus den Flitterwochen im Februar 1961 zu uns gestoßen; er wurde von diesem Projekt so stark in Anspruch genommen, daß er in den nächsten vier Monaten seine junge Frau kaum zu Gesicht bekam!).

Wir arbeiteten an dem vorgeschriebenen vorläufigen Emissionsprospekt (»red herring« genannt), und hatten große Mühe, der Börsenaufsichtsbehörde SEC unser Vorhaben einleuchtend zu erklären.
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Vieles war völlig neu für mich.

So mußten wir unsere Methoden der Rechnungslegung ändern und entsprechend der westlichen Praxis zum ersten Mal eine konsolidierte Bilanz aufstellen. Als ich das Prinzip verstanden hatte, mußte ich einem amerikanischen Kollegen recht geben, der mich gefragt hatte: »Wie wollt ihr euch denn ohne Konsolidierung ein Bild von der Ertragslage eures Unternehmens machen?«

Eine konsolidierte Bilanz liefert tatsächlich einen besseren Überblick, so daß man unter Berufung auf unsere Erfahrungen in Japan schließlich allgemein zu konsolidierten Abschlüssen überging.

Alle unsere Verträge mußten ins Englische übersetzt werden. Dazu waren sämtliche unternehmensrelevanten Details schriftlich darzustellen und zu erläutern. So fanden es die amerikanischen Juristen und Wirtschaftsprüfer zum Beispiel verwunderlich, daß in vielen unserer Verträge die Klausel enthalten war, >ändern sich die Bedingungen während der Laufzeit des Vertrages, so daß der einen Vertragspartei die Erfüllung erschwert oder unmöglich wird, sind beide Seiten bereit, die neue Situation zu erörtern<.

Ein solcher Vorbehalt ist bei japanischen Verträgen üblich; tatsächlich kommen viele Unternehmen bei der Abwicklung ihrer Geschäfte sehr oft, wenn nicht gar überwiegend sogar ohne Vertragsabschluß aus.
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Wer die geschäftlichen Gepflogenheiten in Japan nicht kennt

Wer die geschäftlichen Gepflogenheiten in Japan nicht kennt, muß die erwähnte Klausel natürlich für einen groben Unsicherheitsfaktor halten.

Ich glaube, hierbei wurden uns erstmalig unsere unterschiedlichen Grundauffassungen deutlich. Die amerikanische Seite konnte nicht begreifen, wie man sich im Falle einer ernsten Meinungsverschiedenheit zusammensetzen und guten Glaubens miteinander reden kann.

Noch unverständlicher war für unser Emissionshaus unsere traditionelle Methode der kurzfristigen Kreditfinanzierung. In Japan ist es üblich, daß ein Unternehmen mit zahlreichen prolongierbaren Krediten mit einer Laufzeit von 90 Tagen arbeitet. »Wie kann man sich nur auf so viele kurzfristige Verbindlichkeiten einlassen?« wurden wir gefragt, »wenn die Banken die Kredite zurückfordern, dann sind Sie doch ruiniert.«

Dieser Fall werde eben nicht eintreten, erklärten wir; die Laufzeit werde immer wieder um neunzig Tage verlängert. Billiger könne man sich gar kein Geld verschaffen, und dieses traditionelle System gebe unseren Unternehmen eine große Flexibilität; wenn nötig, könne man Verlängerung der Laufzeit beantragen, andererseits könne man den Kredit jederzeit zurückzahlen. Die Banken behielten ihre Kreditnehmer fest im Auge und wüßten dafür zu sorgen, daß ihre Forderungen bevorrechtigt blieben.

Unsere amerikanischen Freunde wollten jedoch eine Bankgarantie haben, daß die Kreditlaufzeiten immer wieder verlängert würden. Letzten Endes akzeptierte man jedoch die in Japan gängige Praxis. Aber auch wir lernten eine Menge hinzu.
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Drei Monate lang regelmäßig und bis tief in die Nacht

Nachdem wir uns in Tokio drei Monate lang regelmäßig und bis tief in die Nacht um alle Detailfragen gekümmert hatten, glaubten wir, alle Probleme so weit gelöst zu haben, daß wir nun von New York aus die letzten Einzelheiten der Registrierung klären könnten.

Wenn die Tokioter Börse um 15.00 Uhr schloß, war es in New York erst zwei Uhr in der Frühe. Wir mußten unsere Tokioter Notierungen aufmerksam verfolgen, da wir im Falle zu großer Kursschwankungen Schwierigkeiten mit der SEC befürchteten.

Folglich arbeiteten wir regelmäßig bis mindestens um zwei Uhr im New Yorker Büro der Nomura Securities, um uns dann telefonisch über die Tokioter Börsenkurse zu informieren. Anschließend fuhr ich, müde und abgekämpft, mit der U-Bahn zu meinem Hotel zurück, das einem Nachtlokal, dem >Gaslight Clubs genau gegenüber lag.

Der Nachtportier, den ich immer erst herausklingeln mußte, betrachtete mich wochenlang mit scheeler Anerkennung und wunderte sich über mein Stehvermögen, bis er mich eines Nachts verschmitzt kichernd ansprach: »Ich kann einfach nicht begreifen, woher Sie die Kraft nehmen, sich jeden Morgen bis halb drei im Gaslight Club herumzutreiben.«
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Lufttaxis gab es damals noch nicht .......

Als dann der Tag der Kursfestsetzung kam, konnten wir uns alle kaum noch auf den Beinen halten. Sobald wir morgens um zwei Uhr den Tokioter Schlußkurs kannten, mußten wir uns von Ernie Schwartzenbach das Plazet des Emissionshauses holen, den gebilligten Ausgabekurs an die Druckerei weitergeben und in aller Eile den Emissionsprospekt drucken lassen.

Unser Rechtsvertreter mußte mit dem 6-Uhr-Zug nach Washington (Lufttaxis gab es damals noch nicht), um die neue Aktiengesellschaft sofort bei Dienstbeginn um neun Uhr bei der SEC registrieren zu lassen.

Nach erfolgter Eintragung sollte der Anwalt sofort in New York anrufen, damit wir die ADRs auf dem Markt unterbringen konnten.

Aber an diesem letzten, entscheidenden Abend war Ernie Schwartzenbach so zerschlagen, daß er nach Hause fahren und sich etwas ausruhen wollte. Da das Umrechnungsverfahren bereits festgelegt war und nur noch die Tokioter Notierung ausstand, meinte er, könnten wir die Kursberechnung auch selbst vornehmen und ihn telefonisch um das rein formelle Einverständnis bitten.
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Als ein Streifenpolizist den "Bürgermeister" wecken mußte ....

Schwartzenbach stellte sich das Telefon neben die Couch und war nach kurzer Zeit so fest eingeschlafen, daß er auch durch fortwährendes Klingeln nicht mehr zu wecken war.

Unser Tokioter Haus, Nomura Securities, und ich hatten uns auf den Ausgabekurs bereits verständigt (17,50 Dollar für ein ADR, das zehn Aktien repräsentierte), aber wie gesagt, ohne Schwartzenbachs Zustimmung hing alles Weitere in der Luft.
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Da Ernie in Great Neck, seinem Wohnort, gleichzeitig Bürgermeister war, kam Sam Hartwell, seine rechte Hand, nach einiger Ratlosigkeit auf die Idee, die dortige Polizei anzurufen und Ernie von einer Streifenwagenbesatzung wecken zu lassen.

Wir hielten das für einen tollen Einfall, da wir nicht wissen konnten, daß erst in der Vorwoche irgendein Schwachkopf Polizeichef und Bürgermeister mit nächtlichen Anrufen gefoppt hatte. Jedenfalls reagierte die Polizei auf Hartwells Anrufrecht kühl, das heißt eigentlich lachte man ihn zunächst aus, bis er nach vielem Hin und Her endlich Gehör fand. Ein Streifenpolizist wurde losgeschickt und weckte erst mal den Bürgermeister und dann Schwartzenbach.
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Überraschung: ein Scheck über vier Millionen Dollar

Ich war wie gerädert, als endlich alles vorbei war; doch das Resultat unserer monatelangen Anstrengungen war eine angenehme Überraschung: ein Scheck über vier Millionen Dollar als Ertrag unserer ersten ausländischen Aktienemission. Zu Hause in Tokio kam ich vor Erschöpfung fast vierzehn Tage lang kaum aus dem Bett.

Später gaben wir unsere gesammelten Erfahrungen als Handbuch heraus, das bei allen japanischen Firmen, die in Amerika Aktien emittieren wollten, sehr gefragt war.

Als Schwartzenbach 1966 bei Smith Barney ausschied, übertrug ich ihm meinen Posten als Aufsichtsratsvorsitzenden der "SonAm", während ich Vorstandsvorsitzender wurde. Schwartzenbach, der das Haus Sony nach unseren gemeinsamen Anstrengungen praktisch ebensogut wie ich kannte, hatte diese Position bis zu seinem Tode im Jahre 1968 inne.
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Unser erster Ausstellungsraum im Ginza-Viertel in Tokio

Bereits 1960 hatten wir im Ginza-Viertel in Tokio einen Ausstellungsraum eröffnet, der sich beim Publikum schnell großer Beliebtheit erfreute. Es gab keine störenden Verkäufer, so daß der potentielle Kunde dort in aller Ruhe unsere Produkte anschauen und nach Belieben ausprobieren konnte.

Der Reklamewert dieser Einrichtung war enorm. Denn wir - damals noch eine junge Firma - mußten in Japan ebenso auf uns aufmerksam machen wie in Amerika und dann auch in Europa. Daher nahm ich mir vor, auch in New York eine solche Ausstellungsfläche anzumieten.

Da ich Leute anzusprechen gedachte, die sich unsere recht teuren Produkte leisten konnten, kam als Adresse nur die Fifth Avenue in Betracht. Bei meiner Suche nach geeigneter Lokalität stieß ich auf eindrucksvolle Namen: Tiffany, Cartier, Sak's Fifth Avenue, Bergdorf-Goodman.

Daher beschränkte ich mich auf deren unmittelbare Nachbarschaft, auf den Abschnitt zwischen 45. und 56. Straße. Bei meinen Streifzügen bemerkte ich, daß vor vielen Geschäften zum Beweis ihrer Internationalität die Flaggen zahlreicher Länder wehten, vermißte jedoch überall das (unser) Sonnenbanner. So entschloß ich mich, mit Eröffnung unseres Ausstellungsraums auf der Fifth Avenue erstmals die japanische Flagge zu zeigen.
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Es dauerte über 2 Jahre

Erst nach zwei Jahren hatte ich eine wirklich geeignete Stätte gefunden, die aber leider nur recht klein war. Um sie größer erscheinen zu lassen, ließ ich eine Wand verspiegeln.

Während ich immer noch den amerikanischen Lebensrhythmus zu erfahren suchte, mußte ich einsehen, daß es nicht genügte, auf amerikanischem Boden ein Unternehmen zu gründen. Sollte es florieren und auf dem riesigen amerikanischen Markt einen gebührenden Platz erobern, mußte ich meine Familie nach Amerika holen und mit ihr als Amerikaner unter Amerikanern leben.
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Wir mußten und würden nach USA umsiedeln - mit gutem Grund

Auch als Strohwitwer war ich in New York sehr oft eingeladen worden, so daß ich viele Menschen kennenlernte. Wohin ich auch kam, wurde ich mit dem amerikanischen Familienleben konfrontiert. (Viele Einladungen waren an Herrn und Frau Morita gerichtet; irgendwann begriff ich, daß ein Mann ohne Begleitung für die Gastgeberin häufig zum Problem wird.)

Wenn ich mich entschließen würde, mit meiner Familie in den Vereinigten Staaten zu leben, könnte ich die Amerikaner besser verstehen lernen, als es einem auf sich allein gestellten Fremden je möglich wäre.

Ich behielt diese Überlegungen zunächst für mich, aber nach und nach wurde mein Entschluß unumstößlich. Bei der Eröffnung unseres New Yorker Ausstellungsraums war auch meine Frau anwesend. Inmitten der angeregten Stimmung während der kleinen Feier hielt ich den Augenblick der Wahrheit für gekommen.
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Yoshiko, wir ziehen nach New York

»Yoshiko, wir ziehen nach New York«, erklärte ich ihr ohne alle Umschweife. Yoshiko, die mich schließlich kennt, zeigte sich kaum überrascht. Ich wußte, daß sie mit dem Umzug und den neuen Lebensumständen fertig werden würde, obwohl sie praktisch keinerlei Englischkenntnisse hatte.

Trotzdem war sie entschlossen, meine Pläne zu ihrem Besten zu nutzen. (Yoshiko verblüffte so manchen; später eröffnete sie in New York sogar ein eigenes Geschäft.)

Meine Gewißheit, daß sie sich in die neuen Verhältnisse finden würde, war nicht unbegründet; denn während meiner vielen Geschäftsreisen hatte sie in Tokio nicht nur Haus und Kinder versorgt, sondern gleichzeitig auch als meine Vertraute und Kontaktperson fungiert.

Ich rief sie regelmäßig an, machte sie mit der Entwicklung der Lage vertraut und schaltete sie in die Verhandlungen zwischen mir und der übrigen Geschäftsleitung ein.

Ebensooft vertraute ich ihrem Rat. Natürlich würde sie in den Vereinigten Staaten auf gänzlich andere Lebensbedingungen treffen; aber ihre Persönlichkeit und ihre Entschiedenheit würden ihr bei einer erfolgreichen Eingewöhnung helfen.
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Meine Frau Yoshiko - ein unvergleichlicher Schatz

Heute hat Yoshiko viele ausländische Freunde, denn sie bewies eine außergewöhnliche Anpassungsgabe und ein ausgesprochen diplomatisches Gespür. Ich bewundere sie deswegen, denn in ihrer Jugend interessierte sich Yoshiko weder für fremde Länder noch zeigte sie die geringste Reiselust.

Die französische Küche beherrschte sie allerdings trotzdem.
Yoshiko entstammt übrigens einer Samurai-Familie, die sich nach dem Ende der Tokugawa-Ära im Verlagsgeschäft versuchte und heute zahlreiche Buchhandlungen besitzt.

Sanseido, so heißt das Familienunternehmen, verlegt heute unter anderem die >Concise<-Reihe von Wörterbüchern, die im Sprachunterricht an Schulen und Universitäten derzeit sehr weit verbreitet sind.

(Die Idee, Wörterbücher herauszubringen, stammt von Yoshikos Vater, der übrigens dem Alkohol nicht abgeneigt war. Während der Bombenangriffe, erzählt Yoshiko, saß er im Unterstand und trank Whisky, »als ob jeder Schluck sein letzter wäre«.

Daß seine Tochter in eine Sake-Brauer-Familie einheiraten wollte, gefiel ihm daher ganz besonders, hoffte er doch, auf diese Weise Zugang zu unseren >Spezialabfüllungen< zu bekommen, die es zu seinem späteren Leidwesen tatsächlich gar nicht gab.)
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Yoshikos Jugend in ihrem Elternhaus war zu meiner ähnlich

Yoshikos Jugend in ihrem Elternhaus in Tokio verlief kaum anders als bei uns in Nagoya: Scharen von Bediensteten und Verwandten unter einem Dach; sie, ihre Schwestern und ein Bruder spielten miteinander oder stritten sich.

Auch bei Yoshiko zu Hause wurde viel über Geschäfte gesprochen. Allerdings war sie über Tokios nähere Umgebung noch nie weit hinausgekommen; der westlichste Punkt war für sie ein Erholungsgebiet am Fuße des Fujisan. Meine Heimatstadt Nagoya, von Tokio aus immerhin noch weiter westlich als der Fuji, konnte ihrer anfänglichen Auffassung nach nur am Rande der bewohnten Welt liegen.
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Wir hatten bereits 2 Söhne und eine Tochter

Hideo und Masao, unsere Söhne, und unsere Tochter Naoko würden in Amerika selbstverständlich Anfangsschwierigkeiten haben, aber alle drei waren noch jung und daher anpassungsfähig. (Hideo war damals zehn, Masao acht, die kleine Naoko erst sechs Jahre alt.)

Obgleich allen eine schwere Eingewöhnungszeit bevorstand, glaubte ich an die positiven Folgen einer solchen Erfahrung. Ibuka jedoch war skeptisch. Am meisten beunruhigte ihn, daß sich sein geschäftsführender Direktor in so großer Ferne aufhalten sollte.
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Insgesamt hatte ich 135 Male den Pazifik überflogen

Ich beruhigte ihn mit dem Versprechen, alle zwei Monate für mindestens eine Woche nach Tokio zu kommen. Außerdem ließe sich telefonisch jederzeit Kontakt halten. Als Ibuka schließlich erwartungsgemäß zustimmte, konnte ich meinen Umzugsplan realisieren.

Allerdings wußte ich, daß sich an meinen vielen Reisen deswegen nicht viel ändern würde. (Als ich vor ein paar Jahren zum 135. Male den Pazifik überflogen hatte, stellte ich das Zählen ein.)
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Ein möbliertes Appartement vom Konzertgeiger Nathan Milstein

Mein New Yorker Stab, der sich um die Wohnungssuche kümmerte, hatte sehr schnell etwas Passendes gefunden. Der berühmte Konzertgeiger Nathan Milstein ging für zwei Jahre nach Paris und mußte daher sein möbliertes Appartement im zweiten Stockwerk des Hauses Fifth Avenue Nr. 1010, unmittelbar gegenüber dem Metropolitan Museum of Art, aufgeben.

Die Miete - 1.200 Dollar monatlich - erschien mir damals recht hoch, zumindest nach japanischen Maßstäben, alles andere aber gefiel mir sehr gut: Zum einen die angesehene Wohngegend am Rande des Central Park; zum anderen brauchten wir nicht viele Möbel nach New York zu schaffen, und die Innendekoration selbst konnte unverändert bleiben - wir verließen uns auf Maestro Milsteins guten Geschmack.

Wir konnten also ohne weiteres einziehen. Die Zwölf-Zimmer-Wohnung kam uns als an beengte Räumlichkeiten gewöhnte Japaner beinahe palastartig vor. Es gab mindestens vier Schlafzimmer, Dienstbotenkammern, ein riesiges Wohnzimmer, ein separates Speisezimmer, einen gemütlichen kleinen Salon usw.

Ich zog bereits im April ein, meine Familie folgte erst im Juni, da wir das Ende des Schuljahres abwarten mußten. Ich hatte jedoch so viel zu tun, daß mir das Alleinsein in der großen Wohnung nicht schwerfiel.

Wenn ich mit dem Bus zwischen Wohnung und Geschäft pendelte, mischte ich mich unter die New Yorker, belauschte ihre Gespräche und achtete auf ihre Angewohnheiten.
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Beobachten wie fast wie ein gelernter Soziologe

Ich beobachtete Fahrgäste und Passanten fast wie ein gelernter Soziologe. Nebenher verkaufte ich unsere Produkte, telefonierte mit den Kunden und machte mich, so oft es nur ging, auf, um in Manhattan eine für meine Kinder geeignete Schule ausfindig zu machen.

Sam Hartwell von Smith Barney, der selbst noch schulpflichtige Kinder hatte, kannte das Terrain und gab mir manchen wertvollen Ratschlag. Manchmal war er bei meinen Gesprächen mit der Schulleitung anwesend, wenn nicht, bereitete er meine Kontakte zumeist vor.

Ich suchte eine Schule, die drei kleine Japaner ohne Englischkenntnisse für mindestens zwei Jahre aufnehmen wollte (so lange wollten wir ursprünglich auf jeden Fall in Amerika bleiben). Ich sprach wohl bei zwanzig Schulen vor, aber nirgendwo zeigte man großes Interesse.

Die meisten dieser Schulen waren von traditionell europäischen Vorstellungen geprägt *), aber schließlich erklärte sich der Direktor der St.-Bernard-Schule zur Aufnahme meiner Söhne bereit. Ihm war an einem internationalen Ruf seines Instituts sehr gelegen.

*) Das heißt, sie legten Wert auf eine rein weiße Schülerschaft von mitteleuropäischem Typus. (A. d. Ü.)

Nachdem ich auch Naoko an der Nightingale Bamford School untergebracht hatte, sah ich der Ankunft meiner Familie etwas gelassener entgegen.
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1963 - die Kinder auf den Umzug vorbereiten

Als nächstes mußten die Kinder auf den Umzug vorbereitet werden. Ich flog nach Tokio und quartierte die Familie für ein Wochenende im neuen Palace Hotel ein. Ein Jahr vor den olympischen Sommerspielen von 1964 glich die Stadt einer einzigen Großbaustelle.

Auch das Palace Hotel erwartete zahlreiche in- und ausländische Besucher. Da wir zu den ersten Gästen des Hauses zählten, wurden wir mit besonderer Zuvorkommenheit betreut. Unsere beiden Jungen erinnern sich noch heute genau an unsere damalige Zimmerflucht; denn beide wohnten zum ersten Male in einem Hotel westlicher Prägung. (Hideo fand es toll, daß er mit Schuhen ein Zimmer betreten durfte.)

Nach einem großartigen Abendessen im Dachrestaurant des Hotels brachte ich in unserer Suite die Umzugspläne zur Sprache. Einen Besuch im Disneyland würden wir auf jeden Fall machen, versprach ich.
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Die Kinder ahnten nicht, was ihnen bevorstand.

Masao war sofort Feuer und Flamme. Wie ich später erfuhr, hielt er Japanisch für die amerikanische Landessprache, da er im Fernsehen immer nur synchronisierte Wildwestfilme gesehen hatte. Hideo, der ältere, war nicht so begeistert, da der Umzug auch die Trennung von seinen Freunden bedeutete.

Wie versprochen, nahmen wir uns ein Hotel am Rande des Vergnügungsparks und ließen den Kindern ihren Spaß, ehe wir nach New York weiterflogen.

Ich selbst wußte natürlich sehr gut, was der Umzug für die Familie bedeuten würde. Als Anhänger der Ganzheitsmethode schickte ich daher eine Woche nach unserer Ankunft in New York die beiden Jungen nach Maine in ein Ferienlager. Auf sich allein gestellt, würden sie den amerikanischen Lebensrhythmus am ehesten kennenlernen.

Laut Lagerordnung war während der ersten vierzehn Tage jeglicher Besuch der Eltern untersagt. Die Jungen waren also bei der Gewöhnung an die neuen Lebensumstände auf sich selbst angewiesen.
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In USA braucht "jeder/jede" den Führerschein

Als nächstes ließ ich Yoshiko einen amerikanischen Führerschein machen. Sie hatte auf meinen Wunsch zwar schon 1951, gleich nach unserer Heirat, fahren gelernt (Frauen am Steuer waren im damaligen Japan die Ausnahme) und besaß eine entsprechende Praxis; dennoch fürchtete sie sich ihrer mangelnden Englischkenntnisse wegen vor der theoretischen Prüfung.

Obwohl sie das meiste gar nicht verstand, lernte sie den gesamten Lehrstoff einschließlich der hundert möglichen Prüfungsfragen auswendig, bestand mit einem hervorragenden Ergebnis und hatte auch bei der Fahrprüfung keine Schwierigkeiten (allerdings mußten wir für die Prüfungsfahrt einen Volkswagen leihen; mein neuer Cadillac sagte ihr wegen der Automatik nicht zu).
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Ein dauernder Besucherstrom aus Tokio

In der Aufbauphase riß der Besucherstrom aus Tokio nicht ab. Yoshiko war allen eine wertvolle Hilfe. Der eine wurde krank, ein anderer vertrug das amerikanische Essen nicht oder fühlte sich hilflos, weil er gar nicht begriff, was um ihn herum geschah. Yoshiko pflegte, kochte, beriet und erklärte.

Unsere Wohnung wurde zu einem Elektroniklabor umfunktioniert, in dem unsere Ingenieure Fernsehgeräte und Bauteile der Konkurrenz testeten und bewerteten.

Yoshiko war ständig unterwegs; sie holte die Besucher vom Idlewild Airport (heute: Kennedy Airport) ab, fuhr nach New Jersey hinüber, wenn eine ankommende Maschine aus diesem oder jenem Grunde zum Newark Airport umgeleitet wurde, und kutschierte uns zu geschäftlichen Besprechungen in ganz Manhattan herum. Außerdem saß sie gewöhnlich am Steuer, wenn einer unserer Ingenieure die Empfangsleistung unserer UKW-Geräte prüfte (indem er feststellte, in welcher Entfernung vom Sendemast auf dem Empire State Building das Signal zu schwinden begann).
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Unsere beiden Buben im im amerikanischen Sommerlager

Die Jungen hatten es im Sommerlager zunächst sehr schwer, denn sie waren die einzigen japanischen Kinder und zudem verschiedenen Schlafzelten zugewiesen worden. Der Lagerleiter beschaffte sich ein englisch-japanisches Wörterbuch und lernte ein paar Brocken auswendig, um den Kindern das Gefühl völliger Isolation zu nehmen.

Verständlich, daß die Kinder sich in den Schlaf weinten. Wir hatten ihnen zwar gesagt, falls sie Kummer hätten und nicht mehr weiter wüßten, sollten sie ihr Zettelchen - »Bitte rufen Sie meinen Vater an« - vorzeigen, aber sie taten es nicht.

Ich hatte bei alledem ein sehr ungutes Gefühl, glaubte aber zum Besten der Kinder nicht anders handeln zu können. Als Yoshiko und ich die beiden allein im Lager zurückließen, waren wir selbst den Tränen nahe.

Masao sagt, er hätte immer getan, was auch die anderen Kinder machten, obwohl er zunächst gar nicht erkannt hätte, warum. Im Camp Winona durften sich die Kinder teilweise nach eigenem Gutdünken beschäftigen - ganz anders als in japanischen Ferienlagern, wo es für alle dasselbe Programm gibt.

Wie gesagt, Masao schloß sich immer der Mehrheit an. Da die Gruppen nach Jahrgängen gebildet wurden, sah er seinen älteren Bruder nur beim gemeinsamen Mittagessen; die übrige Zeit waren beide, die nicht einmal Englisch konnten, nur unter Kindern, deren Umgangssprache >American slang< war.

Sie lernten Baseball spielen, schwimmen und klettern und kamen, allen Verständigungsschwierigkeiten zum Trotz, mit ihren Kameraden bestens zurecht. Yoshiko und ich besuchten sie nach Ablauf der Sperrfrist natürlich fast jedes Wochenende.

Hideo, der für sein Leben gern aß, hatte an den gewaltigen Portionen und vielen Eiskremspezialitäten seine helle Freude; auch Melonen- und Obstsäfte bewältigte er in größeren Mengen.

Masao fühlte sich im Lager nicht ganz so wohl, trotzdem wollte er im Jahr darauf unbedingt wieder teilnehmen und konnte den Abreisetag kaum erwarten.
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Selbständigkeit und amerikanische Lebensart

Im Lager lernten die Kinder Selbständigkeit und amerikanische Lebensart kennen - eine Erfahrung, die ihnen sehr zustatten kam. Sie erlebten die Unterschiede zwischen Amerikanern und Japanern, entwickelten Nationalstolz, begriffen die Symbolik der Landesfarben, sangen begeistert die amerikanische Nationalhymne mit und wohnten ergriffen der allmorgendlichen Flaggenparade bei.

Als wir uns später in Tokio ein neues Haus bauten, ließ ich davor einen Fahnenmast errichten, an dem wir jeden Morgen die japanische Flagge hißten, bis die Kinder wieder zur Schule nach Übersee mußten.

Heute weht auf allen Sony-Fabriken, neben der Kontorflagge und den japanischen Farben, die Flagge des jeweiligen Gastgeberlandes. Da wir, wie unsere Olympioniken, letztlich Japan vertreten, sollten auch wir auf unsere Flagge nicht verzichten.
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Unsere Tochter Naoko

Da Naoko damals fürs Lager noch zu jung war, schickten wir sie in New York in eine Ferientagesstätte. Mit der kleinen Kindern offenbar eigenen schnellen Anpassungsfähigkeit gewöhnte sie sich an die neuen Verhältnisse.

Nachdem sie ihr erstes Schuljahr hinter sich gebracht hatte, wollte sie - durch die Berichte ihrer Brüder über Camp Winona neugierig geworden - ebenfalls ins Sommerlager. Uns war's recht. Bei unserem ersten Besuch führte sie uns an den See und ruderte uns, voller Stolz auf ihre neuerworbenen Fertigkeiten, ganz allein herum.

Doch auf meine Frage nach ihrem allgemeinen Befinden gab sie zu, daß sie sich nachts im Bett immer ganz verlassen fühle und unter der Decke ihre Taschenlampe einschalte, um nicht weinen zu müssen. Damit war auch die Frage geklärt, wo ihr Taschengeld geblieben war: sie hatte es für immer neue Batterien ausgegeben.
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New York stank damals schon - im Vergleich zu Japan

Als die Jungen nach ihrem ersten Sommerlager in der frischen Landluft und voller Energie aus Maine zurückkehrten, klagten sie in New York als erstes über den Gestank der Auspuffgase und den Smog der Großstadt.

Von Beginn an zeigten ihre Mitschüler auf der St.-Bernard-Schule zunächst zurückhaltende Neugier. Kaum jemand konnte ihre Namen korrekt aussprechen. Hideo zum Beispiel wurde von den meisten Klassenkameraden >Heidi< gerufen. Als er später auf ein englisches Internat überwechselte, nannte man ihn dort Joe als Abkürzung von Tojo (das war offenbar der einzige japanische Name, der seinen Mitschülern geläufig war).

Masao litt darunter, daß er mit seinem bescheidenen englischen Wortschatz auch dem Französischunterricht sollte folgen können.
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Die Landessprache und nochmal die Landessprache

Yoshiko sprach zunächst ein fürchterliches Englisch; aber sie kannte keine Angst und lernte eifrig dazu. Wenn ich auf Geschäftsreisen war und ihre geschäftlichen Verpflichtungen es zuließen, fuhr sie mit den Kindern zum Schilaufen in die Catskills oder besuchte Freunde und Bekannte in der näheren Umgebung.

An Wochenenden, die ich in New York verbrachte, fuhren wir des öfteren zum Picknick - Yoshiko saß am Steuer, ich hielt eine Straßenkarte auf dem Schoß und spielte den Lotsen.

Zudem entwickelte sie sich zu einer guten Gastgeberin. Bei ihren Dinner- und Cocktailparties ging ihr nur eine einzige japanische Hausgehilfin zur Hand - ein Mädchen, das wir aus Tokio mitgebracht hatten. Während unserer New Yorker Zeit bewirteten wir im Hause mehr als vierhundert Gäste.

(Als wir wieder in Japan lebten, brachte Yoshiko ihre gesammelten Erfahrungen und Eindrücke in Buchform heraus. >Was ich unter einem gastlichen Haus verstehen Das Büchlein, ein großer Verkaufserfolg, wird noch heute oftmals als Ratgeber herangezogen, wenn Japaner ausländische Gäste erwarten oder von ausländischen Familien eingeladen sind.)

Selbst heute noch kommt es nur selten vor, daß Japaner Gäste im eigenen Hause bewirten, wenngleich es in Kreisen, die auf dem internationalen Parkett vertraut sind und in überdurchschnittlichen Wohnverhältnissen leben, inzwischen schon etwas häufiger geschieht.

Anfangsschwierigkeiten mit völlig anderen Gepflogenheiten

Yoshikos Anfangsschwierigkeiten waren ganz besonderer Art. Sie wurde oft von den Frauen amerikanischer Geschäftsfreunde und von anderen Damen zu einem späten Frühstück eingeladen.

Nun hatten wir damals in New York nur einen einzigen Dolmetscher, einen männlichen zudem. Yoshiko fand es unschicklich, ihn zu einem reinen Damenkränzchen mitzunehmen.

Übrigens nehmen Japaner ihre Frauen niemals zu geschäftlichen Einladungen mit; treffen sich dennoch zwei oder drei Paare irgendwo außerhalb, dann sitzen Mann und Frau grundsätzlich nebeneinander. Im Westen holt sich der Gastgeber den weiblichen Ehrengast gewöhnlich an seine rechte Seite, dem Ehemann wird meistens in gehöriger Entfernung ein Platz zugewiesen. Yoshiko kam also gar nicht umhin, sich in amerikanischer Konversation zu üben.

In ihrem Buch schildert sie, wieviel Mut es ihr machte, wenn sie als kaum gereiste Japanerin mit unzulänglichen Sprachkenntnissen auf irgendwelchen New Yorker Parties auf Französinnen oder Spanierinnen stieß, deren Englisch keinesfalls besser war.

Sie sparte auch nicht mit praktischen Ratschlägen. So riet sie unter anderem davon ab, zur unpassenden Gelegenheit im Kimono zu erscheinen:

»Man gibt eine Party, damit sich die Gäste bei Tisch oder im Gespräch gleichermaßen wohl fühlen. Einheitliche Kleidung fördert die Harmonie. Hebt sich nur ein einziger durch auffällige Kleidung ab, leidet das Wohlbehagen aUer, und die ganze Gesellschaft entbehrt jeglicher Herzlichkeit und Wärme.«

Sie lernte es, gewandt und ungezwungen zu unterhalten und unsere Gäste in gelöste Stimmung zu versetzen.
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Unsere ausländischen Gäste - und die Stäbchen

In Japan fiel ihr auf, daß manche unserer ausländischen Gäste die leise Besorgnis hegten, trotz des abendländischen Zuschnitts unseres Hauses japanisches Essen mitsamt den obligaten Stäbchen vorgesetzt zu bekommen. Seither öffnet sie, noch bei den Cocktails, die Tür zum Speisezimmer.

Der Anblick der westlich gedeckten Tafel zerstreut dann sehr schnell alle diesbezüglichen Befürchtungen. Überdies führt sie ein Gästeregister, in dem sie auch die besonderen Vorlieben der einzelnen Persönlichkeiten festhält. Dietrich Fischer-Dieskau zum Beispiel schätzt einfaches Gegrilltes; die Mutter des Pianisten Andre Watts mag keinen Fisch; Leonard Bernstein liebt >sushi< (in rohe Fischstreifchen gewickelte, kalte Reisküchlein) und >sashimi< (roher Fisch in dünnen Scheiben, als Appetithäppchen mit diversen Saucen serviert); usw.
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In Amerika eine andere Art der Geselligkeit

Yoshikos gesellige Art gefiel ihren amerikanischen Bekannten, manche Japaner aber fühlten sich durch ihre - nach heimischen Maßstäben - mehr oder weniger unverblümte Offenheit und mangelnde Zurückhaltung eher irritiert.

Eines Tages erklärte mir in New York mein Freund Issey Miyake, ein Modedesigner, ganz aufgeregt, Yoshiko und Diana Vreeland, eine befreundete Moderedakteurin, hätten sich >ganz furchtbar< gestritten.

Gleich darauf rief Diana bei uns an und fragte nach Yoshi, wie meine Frau in Amerika nur gerufen wurde. Was es denn mit dem Streit auf sich habe? Welcher Streit denn? Man habe halt, wie in westlichen Ländern üblich, eine kleine Meinungsverschiedenheit gehabt.

Die meisten Japaner gehen solchen Unstimmigkeiten aus dem Wege. Auf japanisch läßt es sich gar nicht so leicht streiten; unsere indirekte und auf Ausgleich bedachte Ausdrucksweise zwingt zur Höflichkeit, wenn man nicht gerade gleich grob werden will.

Daher pflegen die meisten Japaner einem Wortwechsel zwischen Angehörigen westlicher Nationen zuviel Bedeutung beizumessen.
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Unser allerneuestes U-Matic-Videosystem

Yoshiko hat sich schon immer sehr für Mode interessiert. Ihre Bekanntschaft mit amerikanischen Persönlichkeiten dieser Branche brachte sie auf die Idee, die Japaner mit modischen Neuheiten bekannt zu machen. So interviewte sie Modeschöpfer wie Bill Blass, Oscar la Renta, Perry Ellis und andere und filmte deren Kollektionen (mit unserem allerneuesten U-Matic-Videosystem).

Als wir wieder nach Japan zurückgekehrt waren, berichtete sie im Fernsehen etwa zehn Jahre lang über den jeweils letzten Schrei, bereiste die Modezentren des Auslands und kam mit Interviews und neuen Ideen nach Hause zurück. Japan, dem damals praktisch jedes Modebewußtsein fehlte, hat dieses Manko inzwischen mehr als wettgemacht.
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Dann starb unerwartet mein Vater - ich war der Älteste

Obwohl wir ursprünglich zwei Jahre in New York bleiben wollten, machte der unerwartete Tod meines Vaters alle diesbezüglichen Pläne zunichte.

Er hatte mich zwar gleich nach dem Krieg von allen Verpflichtungen gegenüber dem Familienunternehmen entbunden, aber ich war und blieb der älteste Sohn; ich war jetzt das Familienoberhaupt und hatte mich um das Vermögen der Moritas zu kümmern. Daher mußte ich nach Tokio zurück.

Ich reiste unverzüglich ab; Yoshiko hatte innerhalb von vierundzwanzig Stunden unser Appartement geräumt. Dann holte sie eiligst die Kinder aus Camp Winona zurück, erledigte in New York die letzten Kleinigkeiten, schickte unsere bewegliche Habe voraus und traf eine Woche nach mir in Japan ein.

Die Kinder verließen das Ferienlager und Amerika nur ungern. Wie alle drei übereinstimmend erklärten, hatten sie sich dort gerade heimisch zu fühlen begonnen. Sie setzten den Schulbesuch eine Weile in Japan fort. Als wir geeignete Internate gefunden hatten, gingen Hideo und Masao nach England, Naoko fuhr in die Schweiz.
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Die Veränderungen im japanischen Bildungssystem

Ein Todesfall in der Familie läßt einen Dasein und Zukunft überdenken. Was meine Kinder betraf, so hatte ich das unbehagliche Gefühl, daß das Bildungssystem im Nachkriegsjapan auf Disziplin keinen Wert mehr legte.

Von wenigen rühmlichen Ausnahmen abgesehen, hatten die Lehrer weder die frühere Würde noch die gesellschaftliche Stellung, die ihnen eigentlich zustand. Die linke Lehrergewerkschaft und der Druck von Seiten bestimmter Gruppierungen innerhalb der Elternverbände hatten den Wert des Bildungssystems ausgehöhlt; das Lernen war zu einer mechanischen Pflichtübung vor Prüfungen verflacht.

Zu meiner Mittelschulzeit nahm man es mit der Disziplin noch peinlich genau, übrigens auf körperlichem wie auf geistigem Sektor. In unseren Klassenzimmern herrschte im Winter Eiseskälte; es gab keine Heizung, zusätzliche warme Kleidung war uns nicht gestattet.

In der Marine wurde ich hart herangenommen, obwohl ich nur vier Monate eine Grundausbildung zu absolvieren hatte. (Frühstück gab es immer erst nach einem längeren Dauerlauf.)

Ich hielt mich damals keineswegs für kräftig, doch im Zuge der harten Ausbildung merkte ich, daß ich wohl doch nicht so verweichlicht wie befürchtet war. Das Erlebnis der eigenen körperlichen Tüchtigkeit gab mir ein Selbstvertrauen, das ich vorher nicht gekannt hatte.

Auf geistigem Gebiet verhält es sich nicht anders: Ohne Zwang wird man denkfaul und schöpft seine intellektuellen Möglichkeiten nicht aus.
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In England gab es noch Schulen vom alten Schlage

Ich wußte, daß es in England noch Schulen vom alten Schlage gab. Das amerikanische Bildungssystem kam seiner in meinen Augen allzu großen Freizügigkeit wegen von vornherein nicht in Betracht.

Ich selbst hatte mir meine Englischkenntnisse unter äußerst erschwerten Bedingungen aneignen müssen; daher wollte ich, daß meine Kinder diese Fremdsprache frühzeitig beherrschen lernen und sich gleichzeitig an strikte Selbstdisziplin bei der Arbeit gewöhnten.

Und schon wieder : die Spache und nochmals die Sprache

Dieser Gedanke bewegte mich, seit ich elf Jahre zuvor meine erste Amerika-Reise angetreten hatte. Als ich von den Staaten aus nach Europa weiterflog, machte ich von meinem bißchen Englisch nur sehr zögernd Gebrauch.

Auf dem alten Kontinent angekommen, stellte ich jedoch fest, daß viele Reisende aus Amerika und anderen Ländern die europäischen Landessprachen zumeist auch nicht beherrschten. Einige sprachen sogar ein noch schlechteres Englisch als ich.

Wenn ich mit dem Zug unterwegs war, merkte ich sehr oft, daß viele Ausländer Deutsch zum Beispiel auch nur bestenfalls gebrochen sprachen. Insofern saßen wir alle in einem Boot. Das machte mir Mut.

Ich klaubte also meine wenigen englischen, deutschen und französischen Brocken zusammen, und siehe da - es reichte zur Kommunikation.

Wenngleich meine Kenntnisse des Englischen nur rudimentär waren, so verstand man mich doch und ließ mich gelten. Als ich aus Europa nach New York zurückkehrte, verständigte ich mich zur allgemeinen Verblüffung auf englisch.

Besonders wunderte sich mein Freund, Shido Yamada, der mir unmittelbar vor meiner Abreise nach Europa bei den Verhandlungen wegen der Transistor-Lizenz als Dolmetscher zur Seite gestanden hatte.

Damals hatte ich mit ihm nur Japanisch gesprochen, und jetzt, nur wenige Monate später, redete ich in englischer Sprache! Er nahm zunächst an, daß ich auf meiner monatelangen Europareise Englischstunden genommen hatte. Ich wies seine Vermutung als unbegründet zurück. Eigentlich, erklärte ich ihm, sei alles nur eine Frage des Selbstvertrauens, und dieses Selbstvertrauen habe ich in Europa gewonnen.
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Unser Söhne und die englischen Schulen

Da ich von zahlreichen englischen Freunden nur Positives über die Vorbereitungsschule des Atlantic College (zur Aunahme an eine UNI) gehört hatte, wollte ich Hideo dorthin schicken. Leider stellte sich heraus, daß er für die Aufnahme bereits ein Jahr zu alt war.

Wir hatten die Kinder übrigens nach der Rückkehr aus Amerika das letzte Schuljahr wiederholen lassen, um etwaige Schwächen in den Hauptfächern wie Japanisch. Geschichte usw. zu beheben.

Auf der Suche nach einer für Hideo geeigneten Schule hielten sich meine Frau und ich längere Zeit in England auf. Yoshiko ging mit beinahe wissenschaftlicher Gründlichkeit vor. Mit Midori Namiki, einer Freundin, reiste sie durch das ganze Land.

Sie sprachen bei mehr als einem Dutzend Internaten vor, ehe sie das Gesuchte fanden: eine zweijährige Schule, die nur fünfzig Schüler aufnahm. Hideo selbst bewarb sich, obwohl es ihm nicht leicht fiel.

Im zweiten Jahr war Hideo bereits >Head Boy< *). Seine Noten waren ausgezeichnet.
*) Aufsichtführender Schüler mit gewisser Befehls- und Disziplinargewalt. (A. d. Ü.)
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Auf Grund seiner Schwächen in europäischer Geschichte und Literatur bekam er in England nur die Befähigung zu einem naturwissenschaftlichen Studium. Hideo aber interessierte sich mehr für Volkswirtschaft, da er, wie er sagte, nicht mit seinem Vater konkurrieren wollte.
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»Ich wurde schanghait«, meint Masao

Masao behauptet im Scherz, daß er ins Atlantic College >gepreßt< worden sei. Der Direktor, Admiral Hall, bereiste Japan und wurde auf der Suche nach Förderungsmitteln an mich verwiesen.

Masao hatte gerade einen Tag schulfrei und hielt sich bei mir im Büro auf, als Admiral Hall vorsprach. »Ich wurde schanghait«, meint Masao heute, denn Hall prüfte ihn sofort auf Herz und Nieren und erklärte ihn für aufgenommen.

Das Atlantic College ist in einem 135-Zimmer Schloß auf einem kleinen Landgut bei St. Donaths, Glamorganshire/Wales, untergebracht. Die Gebäude aus dem elften Jahrhundert wurden nach und nach erweitert.

Als der amerikanische Presse-Zar William Randolph Hearst im Jahre 1934 das Anwesen kaufte, legte er dort Tennisplätze und ein riesiges Schwimmbad an. 1938 wollte er das Objekt wieder abstoßen, doch dann kam der Krieg; die britischen Streitkräfte requirierten die Gebäude und richteten dort eine Offiziersschule ein.

1960 kaufte jemand den Besitz auf und machte daraus eine Schulstiftung. Als Masao dort nach zwei Jahren seinen Abschluß gemacht hatte, ging er an die Georgetown-Universität nach Washington D.C.
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Also doch keine Rinder in Brasilien züchten

Hideo kehrte zum Studium nach Japan zurück. Eine Weile spielte ich mit dem Gedanken, in Brasilien Rinder zu züchten. Hideo, der gerne Verwalter geworden wäre, ging daher an die University of California in Davis, studierte dort zwei Jahre lang Agrarwissenschaft und machte schließlich in Japan, an der Ashiya-Universität, sein Examen. Die Ranch habe ich dann allerdings doch nicht gekauft.

Unsere Tochter Naoko

Naokos Bildungsweg war etwas komplizierter. Zuerst wollte sie überhaupt nicht aufs College. Das war zum Teil auch meine Schuld; denn ich hatte ein Buch geschrieben - >Was bedeuten schon schulische Leistungen?< -, mit dem ich mich gegen die im japanischen Wirtschaftsleben gängige Praxis wandte, auf akademische Würden übermäßigen Wert zu legen.

In meinem Unternehmen ordnete ich an, daß die Bewertungen der Universität bei der Einstellung eines Mitarbeiters unberücksichtigt zu bleiben hätten. Niemand sollte in Versuchung geraten, die akademische Ausbildung überzubewerten.

Es kam auf Fähigkeiten und Leistungen und das Entwicklungspotential an.

Der Grund: bei uns wird meist zu großer Wert auf den bloßen Namen der Universität gelegt, die ein Student besucht.

Naoko also lernte auf der Schule Französisch und ging dann zur Abrundung ihrer Sprachkenntnisse nach Lausanne in die Schweiz. Sie zeigte gute Leistungen (auch im Sport, wo sie sich besonders im Volley- und Basketball auszeichnete), vermißte aber am schweizerischen Französisch den ersehnten Pariser Akzent. Deshalb schickten wir sie anschließend für ein Jahr nach Paris.

Später übersiedelte sie nach Washington und studierte Englisch an der Georgetown-Universität, wo Masao seinerzeit immatrikuliert war. Anschließend studierte sie in Los Angeles Modezeichnen.

Als sie endlich wieder nach Hause zurückkehrte, war aus der schüchternen Naoko eine weltgewandte, muntere und selbstbewußte junge Dame geworden. Bis vor kurzem lebte sie mit ihrem Mann, einem leitenden Angestellten von Kyoto Ceramics (Kyocera), in Kalifornien. Inzwischen wohnt sie wieder in Tokio.
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Der persönliche Gewinn über den Kontak mit fremden Kulturen

Der Bildungsweg meiner Kinder hat auch mich einiges gelehrt, insbesondere, daß ein Japaner durch die Berührung mit fremden Kulturen erfährt, in weitestem Sinne ein Insulaner zu sein, mithin auf dieser Erde einer Minderheit angehörig.

Eine ganz wichtige Erkenntnis -
die Akio Morita zeitlebens gelebt hatte.

So lernt er, sein >Japanertum< richtig einzuschätzen und begreift, daß er in die Welt passen muß (und nicht etwa umgekehrt)!

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Dennoch bleiben wir selbstverständlich Japaner

Nach Yoshikos Auffassung ist es besonders wichtig zu erfassen, daß >Ausländer< individuell verschieden sind, andere Ansichten und Religionen haben und in eigenen Milieus und Traditionen verwurzelt sind.

Meine Familie ist durch Auslandsaufenthalte weltoffen und aufgeschlossen geworden, so daß wir uns überall wohl fühlen können, unser wahres Zuhause aber ist selbstverständlich allein Japan.

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