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Walter Bruch - 1969
"Kleine Geschichte des deutschen Fernsehens"

Ein Buch von Dr.-Ing. E. h. Walter Bruch aus dem Jahr 1969 aus dem Fundus des ehemaligen "Vereins zur Errichtung eines Fernsehmuseums" in Wiesbaden. Mehr über die die Glorie, die Publikationen und das Vermächtnis des Ehrenmitgliedes dieses Vereins lesen Sie hier.

Inhaltsverzeichnis - Übersicht

Das originale Inhaltsverzeichnis verweist natürlich auf die originalen Seitennummern des Buches, die wir hier so nicht abbilden. Die einzelnen Bereiche sind bei uns themenbezogen an verschiedenen Stellen untergebracht.
Darum hier die Übersicht nur zur Information:

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  1. Zum Geleit (Informationen und Ansichten aus 1969)
  2. Einführung
  3. Die spekulative Periode - In Berlin erfindet Nipkow sein elektrisches Teleskop - Man spricht zum ersten Mal von „Fernsehen" - Auch der Film steckt noch in den Kinderschuhen - Ruhmer demonstriert in Berlin das Prinzip der Bildübertragung
  4. Beginn der mechanischen Bildabtastung - Mutige Erfinder, enttäuschtes Publikum auf der Berliner Funkausstellung 1928 - Erfolgreiche Bildtelegraphie gibt neue Impulse - Von 30 bis 180 Bildzeilen - Die Grenze der mechanischen Bildabtastung wird erkannt
  5. Die Geburt der Fernsehelektronik - 1930: Fernsehbilder auf der Braunschen Röhre - Erste drahtlose, vollelektronische Fernsehempfänger - Die Hochvakuumröhre macht das Rennen - Zworikyn erfindet das Ikonoskop
  6. Das Fernsehen nimmt Gestalt an - Erste Ausstrahlungen mit 30 Zeilen - Auch der Engländer Baird experimentiert in Berlin - London sendet Bild und Ton abwechselnd - Schröter propagiert die Ultrakurzwelle - Tönende 180-Zeilen-Bilder - Zeilensprung bringt flimmerfreie Bilder
  7. Dreimal Fernsehpremiere in Deutschland - Politischer Machtkampf um das Fernsehen beginnt - 1935: Feuerkatastrophe am Funkturm - Reichspost springt ein -Erster Fernsehstar: Postfacharbeiterin Ursula Patzschke -Femseh-Live-Übertragung von den Olympischen Spielen 1936 - Fernsehspielpremiere im Deutschlandhaus
  8. Kleine Schritte im Zweiten Weltkrieg - Fernseh-Einheitsempfänger mit Rechteckröhre auf der Funkausstellung 1939 - Fernsehprogramme für Verwundete -Bomben auf Sender Amerika-Haus - Fernsehkameras beobachten V-2-Start - „Magic-City" in Paris
  9. Das Fernsehen wird Massenmedium - Nach 1945: Arbeitsverbot und zaghafter Neubeginn - 625-Zeilen-Norm setzt sich in Europa durch - „Fernsehstraße" auf der Deutschen Industrieausstellung Berlin 1951 - Es gibt keinen Fernseh „Vorhang" in Deutschland - Von der EUROVISION zur transozeanischen Übertragung
  10. Farbfernsehen: ein fernes Ziel - Wie in Urzeiten: erst zeichnen, dann kolorieren - Was ist Farbe? - Rot, Grün, Blau heißt das Rezept - Farbfernseh-versuche schon in den 30er Jahren
  11. Amerika entwickelt das NTSC-System - Schon 1951 amerikanische Farbfernseh-Demonstrationen in Berlin - Drei Jahre später: geniale neue technische Lösung - Die Pointilisten weisen den Weg zur Farbfilmröhre -Henry de France sucht stabileres System
  12. PAL-Farbfernsehsystem letzter Stand der Technik - Europa studiert Farbfernseh-Verfahren - Des Rätsels Lösung: mit Automatik stabile Farben - 13 europäische Länder für PAL - Deutsche Farbfernseh-Premiere in Berlin
  13. Biographischer Hinweis
  14. Personenverzeichnis

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(1) Zum Geleit (von Dr. Fritz Schröter - geschrieben 1967)

In diesem Beitrag zur Geschichte des Massenmediums Fernsehen unternimmt es "Dr.-Ing. E. h. Walter Bruch", der Erfinder des Farbfernsehverfahrens „PAL", aus persönlichem Erleben und eigener Sicht die Rolle Berlins als Ausgangs- und Schwerpunkt der industriellen und der behördlich sanktionierten Entwicklung einer deutschen Fernsehtechnik seit den miterlebten Anfängen in den zwanziger Jahren zu schildern. In der Tat ist Berlin immer wieder Zentrum und Ausstrahlungspunkt der Bemühungen und Fortschritte gewesen, die seit jenen Erstlingstagen, weit über Deutschland hinaus wirkend, unserem Kontinent den programmäßigen Fernsehrundfunk in seiner heutigen, durch die natürliche Farbwiedergabe vollendeten Form beschert haben.

Von berufener Seite angeregt, wollte Walter Bruch kein Buch über Forschung und Technik im Fernsehen schreiben, wie es ein lernbeflissener Ingenieur vielleicht erwarten könnte. Formeln, Diagramme, Schaltungsangaben sind darin nicht zu finden. Es ist der Spiegel der Erfahrungen und Erlebnisse eines der Technik verschworenen Kämpfers gegen die Schwierigkeiten der Materie, eines zähen Arbeiters, den frühe Begeisterung für das Fernsehen geprägt hat, der aber ohne Utopien in wissenschaftlich nüchterner Selbstkritik an seine Aufgaben heranging. Die heiße Freude des Findens einer Lösung war sein Erleben, der Erfolg sein Schicksal.

Was ihm dabei in den einzelnen Stadien seiner beruflichen Laufbahn zufiel, hat Walter Bruch in diesem Buch als guter Beobachter der Zeitläufte und ihrer Menschen kritisch, humorvoll und unterhaltend geschildert und in eine Sammlung von historischen Daten eingebettet. Immer wieder zeigt er den Gang der Entwicklung als eine Kette geistiger Abenteuer. Kein Wunder, daß dabei stets Berlin und seine Liebe zu dieser Stadt hervortritt, der Stätte seines langjährigen Wirkens, dem Gehirn des Fortschrittsdenkens, der Geburtsstätte mancher bahnbrechenden Leistung im Fernsehen, seit Paul Nipkow.

Aus den Vorkriegsjahren, in denen Walter Bruch zur Schar meiner bewährten Mitarbeiter in der Fernsehabteilung von Telefunken gehört hat, leuchtet mir die Erinnerung an eine fruchtbare, unvergeßliche Zeit. Es war mir dabei stets beglückend, in einem heranreifenden Helfer ein harmonisches Gleichmaß von Begabung und Charakterfestigkeit zu entdecken. Bruch gehört zu den Menschen, die mir das Erleben jener Zeit als einen großen ethischen Gewinn und eine Stütze meines Vertrauens auf den Triumph des wirklich Sinnvollen im menschlichen Streben überhaupt erscheinen lassen. Dafür bin ich ihm dankbar. Möge sein Bekenntnis, wie es aus diesem Buche spricht, bei vielen Lesern Beifall und Anklang finden. Besonders aber bei den Berlinern!

Ulm, den 24. 4. 1967 - Fritz Schröter

Einführung (1969 - zum Verständnis dieses Buches)

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  • „ . der Wunder größtes liegt darin, daß uns die Wunder alltäglich werden."

Lessing

Fernsehen ist heute (1969) so selbstverständlich, als wäre es schon seit jeher ein Mittel der menschlichen Kommunikation. Bleibt unser Fernsehschirm unvorhergesehen dunkel, fühlen wir uns scheinbar von der Welt abgeschnitten. In Minuten der Besinnung, beispielsweise während einer technisch außergewöhnlichen Übertragung, die uns vielleicht den Menschen, einsam im Weltall schwebend, doch durch Fernsehen mit uns verbunden zeigt, oder die uns die Mondoberfläche zum Greifen nah vor Augen führt, offenbart sich uns das Fernsehen als eine zu bewundernde Leistung unserer Zeit. Der uralte Traum des Menschen, weiter zu sehen als es sein Auge kann, ist in Erfüllung gegangen.

Nicht einer plötzlichen Offenbarung, einer Erfindung, verdanken wir den erreichten Stand der Fernsehtechnik, sondern der Fleißarbeit von Idealisten in acht Jahrzehnten. Mühsam, von Stufe zu Stufe, strebten sie dem selbstgesetzten Ziel zu, dem Fernsehen in der technischen Vollkommenheit von heute.

Noch 1911, als schon nach fast 30 Jahren Forschungstätigkeit zahlreiche Vorschläge für eine Lösung dieser Aufgabe vorlagen, schreibt Arthur Korn, Pionier der Bildtelegrafie, einer Vorstufe des Fernsehens, der später als Professor über dieses Thema an der Technischen Hochschule in Berlin Vorlesungen hielt:

  • „ . kehren wir wieder auf den Boden der Wirklichkeit zurück, so kommen wir zu dem Resultat, daß mit den uns zur Zeit bekannten Hilfsmitteln das Fernsehen in einer praktisch ausführbaren Form mit Hilfe einer Leitung oder einer kleinen Zahl von Leitungen - nicht gelöst werden kann."


Ein seiner Zeit weit vorausgeeilter Forscher, Boris Rosing aus Petersburg - er hatte schon 1907 die Braunsche Röhre für die trägheitsfreie Bildpunktverteilung vorgeschlagen -, entwarf 1911 in der französischen Zeitung „Excelsior" ein Zukunftsbild, das uns übermittelt, welche Gefühle die Erfinder jener Zeit angetrieben haben:

  • „ . . . Das Anwendungsgebiet des Telefons geht nicht über die menschliche Unterhaltung hinaus. Mittels der Teleskopie wird der Mensch nicht nur mit anderen Menschen verkehren können, sondern auch mit der Natur selbst. Ausgerüstet mit dem 'elektrischen Auge' werden wir bis dahin eindringen können, wohin bisher nie ein Mensch gelangte. Wir werden sehen, was bisher kein Mensch sah. Im gewöhnlichen Leben wird es die Verbindung unter allen Gliedern der menschlichen Gesellschaft erleichtern. Man fürchte indessen nicht, daß es, wie man glauben mag, in das private Leben der Familien eindringen kann: es bleibt ohnmächtig, durch Mauern zu sehen."

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Mitte der zwanziger Jahre gelang es dann, das erste, noch sehr bescheiden anmutende Fernsehbild zu übertragen. Rund vier Jahrzehnte hatte diese erste Periode tastenden Suchens gedauert. Ein neuer, vorwiegend experimenteller, fruchtbarer Zeitabschnitt begann. Einige der vorgeschlagenen Erfindungen wurden zunächst nur mit mechanischen Bildzerlegern verwirklicht. Das Bildfeld wurde in Punkte aufgelöst, weitergeleitet und im Empfangsgerät wieder zusammengesetzt. Diese Periode von etwa zehn Jahren wird daher als die mechanisch-optische der Fernsehgeschichte bezeichnet werden. Man war überzeugt, das Fernsehen sei im Grunde gelöst.

August Karolus, einer der deutschen Fernsehpioniere, umriß 1932, zur Halbzeit dieser zweiten Periode, nachdem er dies zum Ausdruck gebracht hatte, die noch ungelösten Probleme mit den Worten:

  • „ . . . In dieser Einstellung zum Problem des Fernsehens erblicke ich die Notwendigkeiten der kommenden Jahre in dem fortgesetzten Ausbau der Grundlage durch stille Forschung und Entwicklung im Laboratorium, beginnend bei den lichtelektrischen Zellen der Sender, endigend beim beleuchteten Bildschirm des Empfängers. Eine Fülle von Kleinarbeit bleibt zu leisten, bei der zwar kaum noch erfinderischer Ruhm zu ernten sein dürfte, die aber darum nicht weniger verdienstlich zu sein braucht, ja vielleicht sogar als ein Höchstmaß menschlicher Hingabe und Unterordnung im Dienste des Fortschritts zu werten ist."

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In einem irrte Karolus seinerzeit: die optisch-mechanische Bildzeriegung und -Zusammensetzung war zwar erfolgreich gelöst, aber gerade in dem Jahr, aus dem seine Äußerungen stammen, fand man Schritt für Schritt bessere Lösungen für die rein elektronische Bewegung der Bildpunkte, zuerst bei der Bildwiedergabe, dann auch bei der -aufnahme.

Die vorher nur behelfsmäßig benutzten elektronischen Bildschreiber und Bildzerleger wurden derart augenfällig verbessert, daß sich die maßgebenden Entwicklungslaboratorien nun mit Hochdruck ihnen zuwandten. Wieder mußte der Fortschritt mühselig Schritt um Schritt erarbeitet werden. Mit einer Fülle von Erfindungen und Entwicklungen wurde diese neue Technik des elektronischen Fernsehens aufgebaut, ein Entwicklungsprozeß, der heute noch nicht abgeschlossen ist. Wenn auch die damalige stürmische Entwicklung der Technik des Schwarzweiß-Fernsehens offensichtlich einer Stagnation gewichen ist, so haben statt dessen in jüngster Zeit die Fortschritte auf dem Gebiet des Farbfernsehens einen um so aktiveren Verlauf genommen.

Zu entscheiden, welchen Menschen und Erfindungen im Werden unseres Fernsehens die größte Bedeutung zugesprochen werden sollte, wird erst später möglich sein, wenn man einen längeren objektiveren Zeitabstand für eine solche Rückschau gewonnen hat.

Anmerkung (1) : Eins sehr weise frühe Feststellung, denn erst lange nach 1945 kamen Dokumente ans Licht der Öffentlichkeit, die 1965-1967 noch nicht da waren.


Fest steht aber: Die Entwicklungsgeschichte des deutschen Fernsehens ist ein Stück Berliner Historie; das deutsche Fernsehen ist mit Spreewasser getauft! In Berlin hat Paul Nipkow den ersten realisierbaren Fernseher erfunden.

Anmerkung: Das ist natürlich sehr weit hergeholt und entspricht den heroischen Phrasen der NS-Propaganda von vor dem Krieg. Paul Nipkow hatte lediglich die Gedanken und Ideen fern jeder Realisierbarkeit formuliert und aufgeschrieben.

In Berlin wirkten die meisten deutschen Forscher bei den führenden Firmen der Elektroindustrie. In der Reichshauptstadt hatten sie den Kontakt mit einer jeder Neuheit aufgeschlossenen Bevölkerung, und sie lebten und arbeiteten in einer Atmosphäre, die sie brauchten.

Gewiß ist das Fernsehen nicht nur in Deutschland entstanden. Auch in England, in den USA und in Frankreich sind etwa gleichzeitig ähnliche Fortschritte erreicht worden.

Anmerkung (2) : Wir dürfen dabei die Russen und Ungarn und viele andere Nationalitäten nicht vergessen, die auch mit ihren Ideen dazu beigetragen hatten.


Es sei nur daran erinnert, daß die ersten Modelle von Bildaufnahmeröhren in den USA entwickelt wurden und daß auch das Farbfernsehen seine ersten bedeutenden Impulse aus den Vereinigten Staaten erhielt. Dennoch bietet die Entwicklung des deutschen Fernsehens einen guten Überblick über die Geschichte des Fernsehens in der ganzen Welt.

Zumindest in den ersten Perioden waren die deutschen Forschungsergebnisse richtungweisend und bei Entwicklungen, deren Ursprung nicht in Deutschland lag, wurde der technische Stand gleichlaufend mit den anderen Nationen erarbeitet. Eine Chronologie des Fernsehens - aus der heutigen Sicht gesehen - würde nur verhältnismäßig wenige Fachleute interessieren.

Auch gibt es derartige Rückblicke schon, wie beispielsweise die hervorragende Arbeit aus 1953 von Oberpostdirektor Dipl. Ing. Gerhart Goebel vom Fernmeldetechnischen Zentralamt der Deutschen Bundespost.

Anmerkung (3) : Das Werk von Gerhart Goebel ist hier im Museum komplett abgebildet.


Dieser (mein) Bericht soll nicht eine Folge von Bildern, von Fotografien dessen, was einst gewesen ist, aneinanderreihen. Noch weniger war an eine lückenlose Sammlung aller überlieferten Einzelheiten und Notizen gedacht. Vielmehr berichte ich aus dem persönlichen Erleben und aus der Perspektive meiner Arbeit. Von dem vielfältigen Geschehen der jeweiligen Gegenwart wird nur soviel wiedergegeben, wie es für das Verständnis der Ereignisse und ihrer Zusammenhänge erforderlich erschien.

Eine gewisse Einseitigkeit ist schon durch eine nicht ganz zu vermeidende Subjektivität und die Beschränkung des Umfanges der Darstellung unvermeidlich gewesen.

In den annähernd vier Jahrzehnten, in denen ich mich selbst mit dem Fernsehen beschäftige - 33 Jahre davon in der Industrie -, habe ich forschend an nahezu allen bedeutenden Entwicklungsprojekten in Deutschland mitarbeiten dürfen. Dabei habe ich vor allem auf vielen Auslandsreisen in „Sachen Fernsehen" fast alle namhaften Wissenschaftler und Ingenieure, die an der Entwicklung des Fernsehens mitgewirkt haben, kennengelernt.

Soweit die Anschauungen dieser Kollegen und Augenzeugen mir noch gegenwärtig sind, habe ich sie erwähnt. Meine enge Bindung an Berlin kam der Schilderung der Beziehungen zwischen der Hauptstadt und der Geschichte des Fernsehens zugute, denn ich habe so lange am Berliner Fernsehen gearbeitet, daß ich heute wie Carl Zuckmayer im Titel seiner Autobiographie empfinde: „Als wär's ein Stück von mir."

Walter Bruch (1967 bis 1969)

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