Die Lebensbiografie von Akio Morita (aus 1986), dem berühmten SONY Mitbegründer - Er war "Mister Japan"
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5. Kapitel - AMERIKANISCHE METHODEN UND JAPANISCHER STIL: DER UNTERSCHIED
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Der Beweis (?) einer Schwachstelle im amerikanischen System
Einem amerikanischen Freund gegenüber klagte ich einmal, daß man heute kaum noch original- amerikanische Produkte antreffe.
»Nehmen Sie nur unsere Anwälte, die sind wahrhaftig Made in America«, widersprach mein Freund. Wir lachten beide über seinen Scherz, aber eigentlich kann ich daran nichts komisch finden.
In meinen Augen ist der Anwalt zu einem gewichtigen Symbol des Unterschiedes zwischen amerikanischen und japanischen Geschäfts- und Führungsmethoden und zum Beweis einer Schwachstelle im amerikanischen System geworden. Ich habe mich bei vielen Gelegenheiten in Amerika in aller Offenheit zu diesem Thema geäußert; einmal sogar auf Einladung der John F. Kennedy School of Government der Harvard-Universität.
Jeder Amerikaner weiß, daß fast alle Beziehungen zwischen einzelnen Unternehmen sowie zwischen Wirtschaft und Regierung und deren nachgeordneten Behörden wie etwa der Börsenaufsicht oder dem FTC *) durch juristische Auseinandersetzungen gekennzeichnet sind.
*) "Federal Trade Commission" : Neben der >Antitrust Division< des Justizministeriums eine der Kartellbehörden (die Wettbewerbsbehörde) der USA. Die Kompetenzabgrenzung ist schwer durchschaubar. (A. d. Ü.).
Die Amerikaner scheinen dies auf die leichte Schulter zu nehmen, ich vermag das nicht. Diese juristischen Probleme beeinflussen zu stark die wirtschaftlichen Abläufe, schlimmer noch, sie prägen auch das Selbstverständnis der amerikanischen Unternehmer.
Sie halten es offenbar für ganz selbstverständlich, sich bei allem zu vergewissern, daß sie nicht mit den Gerichten in Berührung kommen. Statt in die ferne Zukunft zu schauen, müssen sie jederzeit auf der Hut vor Angriffen aus dem Hinterhalt sein.
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Das japanische (Rechts-) System ist mir lieber
Der Einfluß der Juristen und das legalistische Denken in weiten Kreisen der amerikanischen Wirtschaft stehen im Gegensatz zu japanischem Führungsstil und japanischer Unternehmensphilosophie.
Doch mit zunehmenden internationalen Verflechtungen unserer Wirtschaft mußten auch wir uns auf die Juristen einstellen, wiewohl ich hoffe, daß uns amerikanische Verhältnisse erspart bleiben. Mir ist das japanische System lieber, obwohl ich von den amerikanischen Methoden sehr viel lernen konnte.
Wir machen in Japan sicher nicht alles richtig, aber die genauere Kenntnis der Unterschiede könnte manches Mißverständnis aus der Welt schaffen.
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Die amerikanischen Juristen und ........
Graham Allison, den Dekan der Kennedy School, lernte ich in Shimoda kennen. Dort treffen sich in regelmäßigen Abständen amerikanische und japanische Intellektuelle, Wirtschaftsführer und andere Persönlichkeiten zu einer Tagung. (Der Ort Shimoda wurde gewählt, weil hier das erste amerikanische Konsulat auf japanischem Boden eingerichtet worden war.)
Man nutzt die Gelegenheit zum Gespräch, analysiert die Verhältnisse hüben wie drüben und sucht durch Meinungsaustausch das gegenseitige Verständnis zu fördern. Manche versuchen auch nur Bekanntschaften zu machen.
In meinen Gesprächen mit Dekan Allison muß ich mich wohl sehr lebhaft über das Thema Juristen geäußert haben, denn er lud mich zu einem Vortrag nach Harvard ein. In seinem Einladungsschreiben teilte er mir das Thema in der provozierenden Formulierung mit: »Die amerikanischen Juristen und ihre bremsende Wirkung auf unternehmerische Aktivitäten.«
Bei der Sammlung des Materials für meinen Vortrag stellte ich fest, daß sich auch andere Unternehmer darüber besorgt zeigten, welche Schwierigkeiten die Anwälte dem Wirtschaftsleben wie der amerikanischen Gesellschaft im allgemeinen machen.
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John Opel von IBM : "Unsere prozeßwütige Gesellschaft"
Mein Freund John Opel von IBM hatte schon Jahre zuvor einen Artikel mit der Überschrift »Unsere prozeßwütige Gesellschaft« verfaßt. Daher wußte ich, daß meine Auffassung, Anwälte und Prozeßsucht seien zu einer schweren Belastung der Wirtschaft geworden, von anderen geteilt wurde.
In den Vereinigten Staaten gibt es über eine halbe Million Juristen; jährlich kommen über 39.000 Neuzulassungen hinzu, so daß die Zahl der Anwälte kontinuierlich steigt. Viele Amerikaner legen zudem eine juristische Prüfung ab, ohne indessen auch als Anwälte praktizieren zu wollen.
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Bei uns in Japan ist es anders
In Japan gibt es etwa 17.000 Juristen. Diese Zahl nimmt jährlich um nur etwa 300 zu. Die juristische Staatsprüfung ist bei uns so schwierig, daß weniger als 3% der Kandidaten bestehen. Die Erfolgreichen werden im >Staatlichen Juristischen Ausbildungsinstitut< zusammengefaßt und dort je nach Wunsch zu Staatsanwälten, Richtern oder Rechtsanwälten weitergebildet.
Die jährlichen 300 Absolventen des Instituts verteilen sich normalerweise etwa gleichmäßig auf alle drei Bereiche der Rechtspflege. Selbstverständlich gibt es nebenher Tausende von Jurastudenten, die nach der ersten Staatsprüfung in die Wirtschaft gehen und es dort ihren amerikanischen Kollegen gleichtun, allerdings werden sie nur im außergerichtlichen Bereich tätig.
Viele von ihnen befassen sich mit firmeninternen Rechtsangelegenheiten und Auslandsgeschäften ihres Hauses. Manche Juristen sind auch in Schiedsgerichten tätig.
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Ganze Hausfassaden mit den Namen von Anwälten
In Japan gibt es keine riesigen Sozietäten wie in Amerika, wo die Namen Dutzender von Anwälten die Türen der Kanzleien - und manchmal sogar ganze Hausfassaden - zieren. Wer bei uns einen Zivilprozeß anstrengt, muß zunächst einmal eine streitwertabhängige und grundsätzlich verlorene Registrierungsgebühr entrichten.
Geht der Prozeß verloren, kommen die Gerichtskosten hinzu. Deswegen zögerten wir damals auch recht lange, ehe wir mit "Balcom Trading" wegen Verstoßes gegen das Patentrecht vor Gericht gingen. Wir konnten es uns damals nicht leisten, einen endlos verschleppten Prozeß zu verlieren.
Obgleich wir keine hemmungslose Juristen-Ausbildung betreiben, sind in Japan zahllose Fälle anhängig, die oft erst nach Jahren entschieden werden. Das liegt zum Teil an der etwas zu geringen Zahl von Juristen.
Doch schreckt gerade dies vielfach von mutwilligem Prozessieren ab, da jeder weiß, daß sich Verfahren sehr in die Länge ziehen können.
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Vernünftiger sind in Japan die Schiedssprüche
Die meisten gewöhnlichen Rechtsstreitigkeiten werden deshalb zwischen Individuen und selbst zwischen Wirtschaftsunternehmen durch Schiedsspruch beigelegt.
Wenngleich der japanische >Terminkalender< trotzdem auch noch randvoll ist, so ist das nichts im Vergleich mit amerikanischen Verhältnissen. Nach Opels Hochrechnungen werden dort im Jahre 2010 etwa eine Million Verfahren in der Berufungsinstanz neu verhandelt werden müssen.
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Kulturell bedingt haben wir andere Prioritäten
Während die Vereinigten Staaten eifrig Juristen ausbilden, sorgen wir lieber intensiver für den Ingenieurnachwuchs. Bei uns gibt es in den Ingenieurwissenschaften doppelt so viele Studienabschlüsse wie in Amerika.
Legt man die Bevölkerungszahlen zugrunde, ist das Verhältnis vier zu eins. Bei uns (inzwischen 65 Millionen) werden jährlich allein rund 24.000 Elektroniker diplomiert, während es in Amerika (etwa 240 Mllionen) nur etwa 17.000 Absolventen sind.
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Die Einladung nach Harvard hatte ich angenommen
Mit diesen Zahlen und Gegebenheiten im Kopf, flog ich im Juni 1982 nach Boston, um mich mit Dekan Allison auf dem Campus von Harvard zu treffen. Als ich später in der Faneuil-Halle 1 *) mein Publikum musterte, sagte ich mir: Du bist hier in Amerika, und wahrscheinlich sitzen da unten Scharen von Juristen, fang also lieber mit einem Anspruchsverzicht an.
*) Peter Faneuil (1700-1743) erbaute diese alte Markt- und Versammlungshalle; da dort gewöhnlich die Zusammenkünfte der neuengländischen Revolutionäre stattfanden, heißt der Bau im Volksmund "Wiege der Freiheit". (A. d.U.)
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Deshalb begann ich so:
»Zunächst möchte ich deutlich sagen, daß ich meine persönlichen Beobachtungen vorzutragen gedenke, nicht etwa eine Auffassung von juristischer Relevanz. Ich brauche nämlich keine Rechtsprobleme.«
Das Publikum war keineswegs feindselig, sondern lachte sogar über meine Bemerkung. Dann jedoch zog ich kräftig vom Leder. Ich kam auf meine ersten Erfahrungen mit dem amerikanischen Rechtssystem im Zusammenhang mit der Gründung unseres Tochterunternehmens zu sprechen und gab zu, daß ich damals sehr viel lernen mußte.
Obwohl ich seinerzeit schon - für einen Japaner jedenfalls - recht beträchtliche amerikanische Rechtskenntnisse besaß, beschränkten sie sich hauptsächlich auf das Patentwesen und andere Bereiche, die in direktem Zusammenhang mit unseren Produkten standen.
Doch hatte ich keine Ahnung vom Vertragsrecht, verstand nichts von konsolidierten Bilanzen oder anderen komplizierten Angelegenheiten wie etwa Verhandlungen mit amerikanischen Bundesämtern (die nur über einen Anwalt geführt werden können).
Heute arbeiten in unserem Unternehmen viele Juristen, die mit zahlreichen Kanzleien in Amerika und im übrigen Ausland kooperieren und uns manchen wertvollen Rat erteilen.
»Aber wenn wir zu sehr auf die Anwälte hören«, fuhr ich fort, »können wir keine Geschäfte mehr machen. Der Anwalt spielt im Wirtschaftsleben eine bedeutende Rolle, die meiner Ansicht nach auch Gefahren mit sich bringt. Selbst wenn die Juristen an alle möglichen Risiken denken, so kann das Unvorhersehbare eintreten.«
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Ein Beispiel für die tägliche Furcht amerikanicher Bürger :
Ich erwähnte einen amerikanischen Freund, der aus Furcht vor Sturz und Verletzung seine Badewanne mit rutschfestem Gummi hatte auskleiden lassen - und eines Abends im Schafzimmer zu Fall kam und sich ein Bein brach.
Da ich inzwischen die Scheu vor den Zuhörern verloren hatte, sagte ich weiter:
»Wenn Sie so viele Juristen haben, müssen sie beschäftigt werden. Das heißt, sie müssen oft erst Probleme schaffen, die sie dann bearbeiten. Ich weiß, daß unter Ihnen viele Juristen sind. Aber so verhält es sich. Gelegentlich werden von Anwälten völlig unsinnige Prozesse geführt. In diesem Lande verklagt jeder jeden.«
Der von mr in Amerika bemerkte immense Vertauensverlust
Und was ich noch für viel schlimmer halte: In der in Amerika geschaffenen legalistischen Atmosphäre scheint niemand mehr einem anderen zu trauen. Ich selbst rate meinen Assistenten zwar auch des öfteren, niemand zu trauen, doch damit meine ich nichts anderes, als daß sie sich nicht darauf verlassen sollen, daß ein anderer eine Arbeit ebensogut wie sie selbst erledigen könnte; deshalb sollte man nicht damit rechnen, daß delegierte Aufträge zur eigenen Zufriedenheit ausgeführt werden.
Der Vergleich USA und Japan
Wir Japaner trauen uns gemeinhin gegenseitig; aus diesem Grunde kommen Regierung und Industrie seit Kriegsende auch so hervorragend miteinander zurecht, obwohl es bei allem Vertrauen gelegentlich natürlich doch zu Streitigkeiten kommt.
Die amerikanischen Geschäftsleute dagegen trauen ihren Kollegen zumeist nicht; denn auf Grund der landesüblichen Fluktuation können sie morgen schon erbitterte Konkurrenten sein. Angesichts dieser Sachlage gehen gegenseitiges Vertrauen und Verläßlichkeit durch die Bank und fast zwangsläufig verloren.
Die Unternehmensleitung traut der Belegschaft nicht, und umgekehrt; die Regierung traut dem Handel und der Industrie nicht, und umgekehrt. Manchmal traut der Mann seiner Frau nicht, oder umgekehrt - obwohl dies natürlich keine typisch amerikanische Eigentümlichkeit ist.
Der einzige, dem man in Amerika offenbar trauen kann, ist der eigene Anwalt. Gespräche und Korrespondenz zwischen Anwalt und Mandant unterliegen der als Rechtsgut besonders geschützten Schweigepflicht. Alle übrigen Äußerungen oder Taten können vor Gericht zitiert oder enthüllt werden - wieso sollte man da einem Dritten noch trauen können ?
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Beispiele aus dem amerikanischen Rechtssystem
Ich hatte meine Schwierigkeiten mit dem amerikanischen Rechtssystem und glaube mich daher sachkundig dazu äußern zu können. Wir gründeten unsere Tochtergesellschaft in den Vereinigten Staaten als Sony America, mithin als ein amerikanisches Unternehmen, und wurden zu gesetzestreuen Bürgern der amerikanischen Geschäftswelt.
Wir mußten unverzüglich den Umgang mit amerikanischen Regierungsämtern und Rechtsinstanzen erlernen, und zu meinem großen Glück hatte ich einen Anwalt wie Edward Rosiny, der mich darin unterwies.
Die Notwendigkeit gewisser Auflagen und Vorschriften sah ich nur mit Mühe ein, doch lernte ich ihnen nachzukommen. Dennoch glaube ich, daß das amerikanische Recht oft als Störpotential mißbraucht wird.
Ich möchte diese Behauptung mit folgendem Beispiel belegen:
Im Jahre 1968 brachte der Verband der amerikanischen Elektronik-Industrie beim Finanzministerium eine Klage ein. Den japanischen Fernsehgeräteherstellern wurde vorgeworfen, ihre Produkte in Amerika billiger als auf dem Inlandsmarkt anzubieten und damit Dumping zum Nachteil der amerikanischen Anbieter zu betreiben.
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Die Amerikaner wollten alle Japaner "über einen Kamm scheren"
Sony wurde nach Überprüfung seiner Preispolitik für unschuldig befunden, doch da nach entschiedener Auffassung der Amerikaner einfach alle japanischen Firmen verdächtig sein mußten, wurde Sony noch jahrelang unglaublich umständlichen, ineffizienten und zeitraubenden Ermittlungen ausgesetzt.
Im Jahre 1975 wurden diese Ermittlungen bei uns eingestellt, ohne daß wir wußten, wieso sie überhaupt aufgenommen worden waren. Doch aus technischen Gründen dauerte es noch weitere acht Jahre, bis der Fall endgültig geklärt war.
Während die Ermittlungen noch liefen, wurden im Jahre 1970 einige japanische Fernsehgerätehersteller, darunter auch Sony, von einem amerikanischen Konkurrenten (National Union Electric Company, die ihre Geräte unter der Marke > Emerson< vertrieb) wegen Kartellrechtsverletzung und Dumping verklagt.
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Es dauerte über 10 Jahre
Meinen besten Hausjuristen und einigen hinzugezogenen Anwälten gelang es nach zehnjähriger harter Arbeit, den Federal District Court in Philadelphia zu einem entlastenden Urteil zu bewegen. In der gerichtlichen Begründung hieß es ausdrücklich, Sony verlange auf dem amerikanischen Markt die höchsten Preise, und es sei ganz und gar unlogisch anzunehmen, das Unternehmen beteilige sich an einem abgestimmten Preisverhalten.
Trotzdem dauerte es weitere zwei Jahre, bis das Urteil von der Berufungsinstanz bestätigt wurde.
Ich hielt den Fall damit für erledigt, doch weit gefehlt. Amerikanische Farbfernsehgerätehersteller und ihre Gewerkschaften taten sich zusammen und brachten bei der International Trade Commission (ITC) einen Antrag ein, mit dem durch erhöhte japanische Farbfernsehgeräteexporte entstandener Schaden geltend gemacht wurde.
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Es gab da schon ganz merkwürdige Klagen gegen die Regierung
Präsident Jimmy Carter ließ sich auf die verlangte zwanzigprozentige Einfuhrzollerhöhung zwar nicht ein, aber er handelte mit der japanischen Regierung eine für drei Jahre gültige freiwillige Exportbeschränkung aus.
Mein Unternehmen fiel unter die Vertragsbestimmungen, obwohl unser Absatz auf dem amerikanischen Markt gar nicht so weit gestiegen war, daß sich inländische Hersteller hätten beeinträchtigt fühlen können.
Als ob das alles noch nicht gereicht hätte, verlangte man in zwei Fällen, daß unsere Erzeugnisse mit höheren Zollsätzen belegt würden. Als das Finanzministerium in beiden Fällen entschied, daß die in Japan produzierten elektronischen Geräte nicht staatlich subventioniert worden waren, wurde die amerikanische Regierung selbst von der Firma Zenith wegen dieser Entscheidung verklagt!
Das Urteil wurde mit der Begründung angefochten, die Erstattung der Mehrwertsteuer in Japan sei als Subvention aufzufassen. *)
*) Exportgüter sind in jedem Ursprungsland umsatz- beziehungsweise mehrwertsteuerfrei, jedoch im Importland mit Einfuhrumsatzsteuer (in Höhe der inländischen Mehrwertsteuer) und gegebenenfalls mit Zoll belegt, so daß der hier erhobene Vorwurf in jeder Hinsicht verfehlt ist. (A.d.U.)
Drei Jahre später wies das Oberste Bundesgericht der Vereinigten Staaten die Zenith-Klage ab.
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Wir sprechen von einer durch Dummheit verlorenen Schlacht
Ich muß sagen: all dies - und ich könnte noch viel mehr Fälle anführen - deutet darauf hin, daß amerikanische Firmen alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um japanische Importe zu behindern oder gänzlich zu unterbinden.
Diese Unternehmen können zwar Millionen von Dollar in Rechtsstreitigkeiten investieren, bringen es aber nicht fertig, ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den japanischen Produzenten zu verbessern.
Die Folge solchen Vorgehens ist große Erbitterung und eine auf dem Markt verlorene Schlacht. Und wer profitiert davon? Nicht die Konsumenten, nicht die amerikanischen oder die japanischen Anbieter. Nutznießer sind einzig und allein die Juristen!
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Hoch riskant : In den Fängen der Anwälte
Wenn ich ihnen also, wie von Dekan Allison als Thema vorgegeben, eine Erschwerung unternehmerischer Leistungen vorwerfe, dann wohl nicht zu Unrecht.
Um zu verdeutlichen, was mich an den von Juristen verursachten Problemen am meisten ärgert, möchte ich noch einmal auf die Klage der "National Union Electric" (NUE) zurückkommen. Während sich der Fall immer mehr in die Länge zog, sagte ich mir, daß man vernünftigerweise eine Einigung herbeiführen sollte, weil die Prozeßkosten für beide Seiten immer mehr stiegen.
Die Muttergesellschaft der NUE war die Electrolux. Ich ging daher zu Hans Werthen, dem Konzernchef, und schlug ihm eine gütliche Einigung vor. Doch Werthen erklärte mir, er könne in den Fall nicht eingreifen, es sei denn, sein Anwalt gebe das Plazet.
Es ist sicher nicht falsch, sich von einem Anwalt beraten zu lassen, doch muß man ihm unbedingt solche Macht zugestehen? Werthen befürchtete sogar, im Fall einer von ihm herbeigeführten Einigung mit Sony von seinem Anwalt verklagt zu werden.
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Der Elektrolux Chef Werthen hierzu 1978 im Zeugenstand:
Von unserem Anwalt befragt, erklärte Werthen hierzu 1978 im Zeugenstand: »Ich mußte ihm (Morita) bei aller Sympathie jedoch sagen, daß dieses Verfahren meinen Händen völlig entzogen sei. Ich sagte ihm, ich hätte einen Vertrag - wir haben einen Vertrag mit unseren Juristen, nach dem ihnen ein Honorar gezahlt wird, das sich am Ergebnis des Verfahrens orientiert ... das heißt, ich kann meinen Anwälten keine Anweisungen geben, dies fallenzulassen oder jenes vorzubringen. Das muß ihnen allein überlassen bleiben. Ich sagte Morita, ich wäre wohl kaum in der Lage, in diesem Fall Weisungen zu erteilen ...«
Es gibt keinen Beweis, daß sich der Anwalt des hohen Honorars wegen das Heft nicht aus der Hand nehmen lassen wollte, doch hatte ich den starken Verdacht, denn Werthen sagte mir, daß sein Anwalt die Firma auf Erfolgshonorarbasis vertrete. Im vorliegenden Falle ging es um 360 Millionen Dollar: das alte Gesetz ließ bei entsprechendem Nachweis Schadenersatz in dreifacher Höhe zu.
Eine Kombination des Systems des dreifachen Schadenersatzes und privater Klagen, die nach dem Finanzgesetz von 1916 in Fällen vermuteten unlauteren Wettbewerbs zulässig waren, sowie der Erfolgshonorare, schienen hinreichend Anreiz für Mandanten und ihre Anwälte zu sein, private Antitrust-Verfahren anhängig zu machen, um sich die zuerkannten Schadenersatzbeträge dann zu teilen.
Die Idee muß von den Anwälten stammen; deswegen behaupte ich, daß die Probleme erst von den Anwälten geschaffen werden. Rechtsbeistand auf Erfolgshonorarbasis kann nach meiner Auffassung im Prinzip durchaus gerechtfertigt sein; auf diese Weise ist es jemandem, der sich einen Anwalt eigentlich nicht leisten kann, möglich, in begründeten Fällen den Klageweg zu beschreiten.
In Amerika sind solche Vereinbarungen legal und auch in Japan nicht ausdrücklich verboten. Ich glaube jedoch nicht, daß dieses Prinzip auch bei Großunternehmern angewandt werden sollte.
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In Japan ist die Regierung unser Geschäftspartner
Viele Amerikaner sind auf das gespannte Verhältnis zwischen Wirtschaft und Regierung noch stolz, als ob deren Ziele von Hause aus antagonistisch sein müßten.
In Japan sehen wir die Dinge anders. Grob gesagt, verhält es sich einfach so: Ob es uns nun gefällt oder nicht, die Regierung ist unser Geschäftspartner, ohne daß sie auch nur eine einzige Sony-Aktie besitzt oder das geringste Risiko trägt.
Daher ist auch die amerikanische Regierung Partner der amerikanischen Wirtschaft. Die japanische Regierung schöpft über fünfzig Prozent unserer Gewinne ab, wodurch sie gewissermaßen zum Mehrheitsaktionär wird.
Deshalb wünscht sie, daß der Partner hart arbeitet und Gewinne erzielt. Dadurch kann die Wirtschaft ihren Beschäftigungsstand halten, Unternehmen und Arbeitnehmer können Steuern zahlen, statt dem Arbeitsamt zur Last zu fallen.
Auch hier geht es um die weite Sicht. Wir haben natürlich auch unsere Mißhelligkeiten mit Regierung und Bürokratie (hinter der sich ja eigentlich auch nur die Regierung verbirgt); ich selbst kritisiere auch des öfteren bestimmte Regierungsprogramme oder politische Maßnahmen; trotzdem weiß ich, daß das Verhältnis zwischen Staat und Wirtschaft im Grunde genommen auf gegenseitige Unterstützung baut.
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Wenn Börsenaufsicht und Kartellbehörde sich als Polizisten aufspielen
Das amerikanische Wirtschaftssystem verläßt sich nach meinem Dafürhalten bei der unternehmerischen Entscheidungsfindung zu sehr auf die Hilfe Außenstehender. Die Ursache dafür liegt in der - gemessen an der Situation der meisten japanischen Führungskräfte - für unsicher gehaltenen Position amerikanischer Entscheidungsträger.
Auf Grund der gesetzlich geregelten Publizitätspflicht muß die Leistung des Verantwortlichen quartalsweise ausgewiesen werden, und nur allzu oft werden diese Quartalsabschlüsse vorschnell zur wichtigsten Bewertungsgrundlage des Management gemacht.
Nach dem großen Börsenkrach von 1929 war die Notwendigkeit von Sicherheitsvorschriften und/oder periodischer Geschäftsberichterstattung für jedermann einsehbar; Aktionärs- und Gläubigerschutz sind erstrebenswerte Ziele.
Doch Börsenaufsicht und Kartellbehörde spielten sich als Polizisten auf. In Amerika mag das gerechtfertigt sein, weil dort vielfach leitende Angestellte wegen Wirtschaftsverbrechen inhaftiert wurden.
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Wer bei uns einmal das Vertrauen mißbraucht, ist weg, für immer
In Japan ist der leitende Angestellte in einer Vertrauensstellung. Wer dieses Vertrauen mißbraucht, fällt ein für allemal in Ungnade. Auf Grund unserer geschlossenen Gesellschaft bekommt er keine Gelegenheit mehr, einem Unternehmen nach dem anderen zu schaden, wie es in Amerika und selbst in Europa bisweilen vorkam und vorkommt.
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Dr Absturz der Boeing 747 von Japan Air Lines 1985
Wenn bei uns in Japan irgendwo innerhalb einer Gesellschaft ein größerer Mißerfolg eintritt, ein Gesetzesverstoß begangen oder das Vertrauen der Kundschaft schwer erschüttert wird, übernimmt sehr oft der Vorstandsvorsitzende die Verantwortung für das Versagen seines Unternehmens und tritt zurück, obwohl er nur in den seltensten Fällen persönlich haftbar zu machen wäre.
So stellte zum Beispiel der Generaldirektor der Japan Air Lines 1985 seinen Posten zur Verfügung, weil der Absturz einer Boeing 747 seiner Fluggesellschaft 520 Todesopfer gefordert und damit zu einer der größten Katastrophen der zivilen Luftfahrt geführt hatte. Mehrere Jahre zuvor hatte er es sich nicht nehmen lassen, die Überlebenden und die Familien der Opfer eines Flugzeugunglücks aufzusuchen.
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Die Geschichte mit den angeblichen persischen Antiquitäten
Als ein berühmter alter Tokioter Kaufhauskonzern angebliche persische Antiquitäten für echt ausgab und verkaufte, weigerte sich der für seinen selbstherrlichen Führungsstil und seine protzende Art bekannte Direktor, die Rufschädigung seines Hauses mit sofortigem Rücktritt zu sühnen. Die Sensation war perfekt. Doch der Aufsichtsrat brach mit der durch die Jahre geheiligten Tradition und berief den Direktor ab.
Da die Führungsgremien japanischer Firmen auf lange Zeit berufen werden und kollektiv entscheiden, ändern sich die langfristigen Unternehmensziele oder der Umgang mit Personal oder Zulieferern durch das Ausscheiden einer Spitzenkraft normalerweise nicht.
Im oben geschilderten Fall fühlte sich das ehrwürdige alte Unternehmen durch den Skandal jedoch so gedemütigt, daß der Aufsichtsrat nicht nur den Direktor entließ, sondern auch den von ihm durchgesetzten Führungsstil aufgab. Es kommt allerdings nur sehr selten vor, daß ein japanischer Aufsichtsrat einen Spitzenmanager entfernen muß.
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