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Alfred Hugenberg - Hier ein Rückblick vom September 1945 :

Alfred Hugenberg (1865 bis 1951) war der allmächtige Chef der in Europa bedeutenden "UFA"- Filmgesellschaft und des Berliner Scherl-Verlages. Von den Briten interniert stirbt er erst 1951. Um ihn ranken sich viele Gerüchte, Wahrheiten, Storys und viele gegensätzliche Erinnerungen. Am Ende verblieb die wahrhaft unrühmliche "Ehrung", als maßgeblicher Steigbügelhalter Adolf Hitlers und dessen NSDAP gewirkt zu haben. Hugenberg schaffte es mit mehr oder weniger akzeptablen Mitteln und Methoden, einen für damalige Zeiten recht großen Medienkonzern zusammenzukaufen und zu formen. Vor allem zu einer Zeit, als es noch kein allgemeines Telefon für Jedermann, kein richtiges Radio für alle und erst Recht kein Fernsehen für alle gab.

Alleine die ganzen regionalen und überregionalen Zeitschriften und der beginnende Film (oder besser der Ausbau der Kinos) waren vor 1933 zur Meinungsbeeinflussung verfügbar. Und mit dem Scherl-Verlag hatte er ein echtes schlagkräftiges mediales Schwert in der Hand. Nur der Berliner Ullstein Verlag mit seinen jüdischen Wurzeln konnte da noch Paroli bieten - bis zum März 1933. Ab März wurde dann allles anders.
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Im Sept. 1945 schreibt sich ein unbekannter Autor in West-Berlin mit seinem internen Wissen seinen Frust über diesen Mann von der Seele. Hugenberg glaubte sogar noch bis zu seinem Ableben 1951, er habe alles richtig gemacht. Lesen Sie dazu das Buch von Will Tremper.

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Der Meister der Intrige
Hugenberg einst ein Name - ein Programm

So hat man ihn noch in Erinnerung: mittelgroßer, untersetzter, typisch besserer Herr. Immer im Cut, den er seiner Würde schuldig zu sein glaubte, der aber seine Spitzbäuchigkeit unfreundlich hervortreten ließ. Im runden, rosigen Gesicht ein schlohweißer, wie in ständiger Gereiztheit gesträubter Katerschnurrbart. Hinter der goldgeränderten Brille kleine, flinke Rattenaugen. Oberer Abschluß stacheliges, hochstehendes Haar a la „Onkel Theodor". Im ganzen das, was die Franzosen eine „tete carree" nennen. Äußerlich also ohne Üeberraschungen, aber gleichwohl ein Karrieremacher.

Aus der Ochsentour des Verwaltungsbeamten vortragender Rat im preußischen Finanzministerium, von dort mit großem Hechtsprung in die Industrie, gleich in das Direktorium der Kruppwerke, dessen Vorsitzender er ein Jahrzehnt lang bis zum Ende des ersten Weltkrieges war. In dieser Position legte er den Grund zu seiner späteren politischen Machtstellung.

Als Treuhänder nämlich eines geheimnisvollen industriellen Millionenfonds erwarb und schuf er nach und nach einen vielgestaltigen Apparat zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung: den Scherl-Verlag in Berlin mit seinen Tageszeitungen und Zeitschriften, die Telegraphen-Union", die „Ufa" (das war die Universum-Film-AG), und darüber hinaus vereinigte er in den Dach- und Holdinggesellschaften „Vera" und „Mutuum" eine Anzahl Mehrheitsbeteiligungen an größeren Provinzzeitungen.

Er brachte dieses vielseitige Instrument als leihweise Morgengabe mit, als er sich bald nach ihrer Gründung im Jahre 1918 der Deutschnationalen Volkspartei anschloß und sofort in die Reihe ihrer führenden Parlamentarier aufrückte. Nach außen hin trat er kaum ins Rampenlicht; um so rühriger war er in der Kulisse und verstand die Drähte so trefflich zu ziehen, namentlich von der Seite der finanziellen Unterstützung der Parteikasse her, daß er 1928, allerdings gegen eine starke Opposition, zum Parteivorsitzenden gewählt wurde.

Von diesem Augenblick an war es dank seiner Diktaturgelüste mit dem inneren Zusammenhalt dieser Partei vorbei. Es gelang ihm überraschend schnell, sie in mehrere Gruppen aufzuspalten. Ihm selbst verblieb als Enderfolg seines Parteivorsitzes ein „kleiner, aber fester Block" — wie er ihm rühmen ließ — von subalternen Mitläufern, während nebenher die neuen Gruppen der „Volkskonservativen" und der „Bauern- und Landvolkpartei" entstanden. Das war sein beachtlicher persönlicher Beitrag zum „Partei-Unwesen der Systemzeit", über das seine Blätter dann wacker schmälten.

Der ihm verbliebene „kleine, aber feste Block" reichten nun freilich nicht mehr hin und her, um seinem Streben nach Höherem Stab und Stütze zu sein. Daher sah er sich nach Bundesgenossen um und fand sie im „Stahlhelm" Franz Seldtes, den es nachgerade auch nach politischer Machtstellung gelüstete, und in Adolf Hitler mit seiner rasch anschwellenden „Bewegung".

Hugenbergs genialer Gedanke war die Gründung der sog. Harzburger Front, der Zusammenschluß der deutschnationalen Restpartei und des — teilweise stark widerstrebenden — „Stahlhelms" mit dem Nationalsozialismus zur späteren „Kampffront Schwarz-Weiß-Rot" im Oktober 1931.

Hugenberg hätte vom Nationalsozialismus, wäre dem nicht Dankbarkeit wie alles andere Menschliche fremd geblieben, schon bei Lebzeiten ein Denkmal erhalten müssen. Er ist es gewesen, der ihm (dem Nationalsozialismus) den „legalen" Weg zur Macht gebahnt, die bürgerlichen Hasen aus dem eigenen Revier in die Küche gejagt hat. Als seine Anhänger sahen, daß der Parteiführer selbst mit dem bisherigen Gegner den Bruderkuß tauschte, begriffen sie nicht mehr die Notwendigkeit der eigenen, halb bankerotten deutschnationalen Firma, sondern gingen, Industriekapitäne und ostelbische Granden voran, in hellen Haufen ins größere Lager, in dem ja auch im gegebenen Augenblick die größere Beute zu erwarten stand.

So wurde Hugenberg, dank seiner besonderen Gabe, niemals gradlinig, sondern immer um die Ecke herum zu denken, zum Verderber in den Reihen des Bürgertums. Und als seine überrumpelten Unterführer in öffentlichen Versammlungen noch ein Häuflein Aufrechter um die alte Fahne zu scharen versuchten, machten sie bereits unliebsame Bekanntschaft mit den wackeren „Rollkommandos" der SA.

Diese Entwicklung hat freilich den nur noch nominellen Parteivorsitzenden nicht gehindert, sich nach dem berühmten Rütlischwur in die Hand des Reichspräsidenten, der den Deutschnationalen und dem „Stahlhelm" die selbständige Fortexistenz gewährleisten sollte, zwei scheinbar wichtige Machtpositionen aus dem Ertrag der „Machtübernahme" zu reservieren: das Wirtschafts- und das Ernährungsministerium.

Im Januar 1933 doppelter Reichsminister, im Juni 1933 ein geschlagener Mann; seine Partei aufgelöst, unter Anwendung der bestens bekannten Terrormethoden; das halbe Dutzend deutschnationaler Konzessionsschulzen in Staatssekretär- und Ministerialdirektorposten unsanft hinauskomplimentiert; er selbst außer Amt und Würden, nachdem er endlich eingesehen hatte, daß ihm keine andere Wahl mehr bliebe als der Rücktritt aus sogenanntem eigenem Entschluß. Das war das Ende seines kurzen Traumes von der Macht.

Blind wie Hödur in seinem endlich befriedigten Ehrgeiz, hatte er das Unwetter nicht einmal heraufziehen sehen, sondern saß vergraben in einem Wust nebensächlichen Kleinkrams in seinen beiden Ministerien. Als er schließlich unter den verzweifelten Hilferufen seiner Parteifreunde die Situation begriff, beeilte er sich, zu kapitulieren und rettete aus dem Ende seiner Machtträume nichts weiter als das — späterhin selbstverständlich gebrochene — „Führer-Versprechen", daß seinem geliebtem Scherl-Verlag für die Dauer seiner eigenen Lebenszeit nichts Böses widerfahren solle. Nicht verhindern aber konnte er, daß ihm die „Telegraphen-Union", der übrige Zeitungsbesitz und die Ufa entwunden wurden.

Gleichwohl konnte er sich nicht entschließen, auch sein Reichstagsmandat mit in die Konkursmasse zu werfen. Er ließ es sich von NS-Gnaden immer wieder verleihen und blieb „Parlamentarier" bis zum Ende. Als dann im Lauf des Jahres 1944 auch noch das Haus Scherl zur Strecke gebracht, der „Berliner Lokalanzeiger" eingestellt, die „Nachtausgabe" mit dem „Angriff" verschmolzen wurde — die Zeitschriften waren schon vorher den „Kriegsnotwendigkeiten" zum Opfer gefallen —, konnte der einstige Gebieter über Presse und Film auf seinem Landgut Rohbraken an der Weser die in solchen Fällen üblichen Betrachtungen über das Vergängliche der Herrlichkeiten dieser Welt anstellen.

Kalt, unzulänglich und unbelehrbar, von Eisesluft umweht, konnte und wollte Hugenberg keinerlei werbende Wirkung von sich ausgehen lassen. Im Kreise seiner eigenen Parteifreunde hieß er wegen solcher Herzenswärme „d a s gefrorene H a n d t u c h".

Stur in der Verfolgung seiner schiefen persönlichen Vorstellungen, war er jederzeit bereit, ihnen die Interessen der Gesamtheit unterzuordnen. Als Helfferich auf dem Höhepunkt des Inflationselends den rettenden Gedanken der Rentenmark hatte, suchte Hugenberg ihn zu überreden, das Projekt keinesfalls der damaligen Linksregierung zur Verfügung zu stellen, sondern es für den Augenblick einer günstigen Konjunktur der Rechten nach einer völligen Katastrophe zurückzustellen.

Als sein früherer Parteifreund Schiele sich dem Kabinett Brüning als Fachminister beigesellte, beschwor er ihn, doch lieber den Zusammenbruch des Zentrums abzuwarten, den er damals bereits binnen weniger Monate für besiegelt hielt. In Wirklichkeit überlebte dann das Zentrum sogar noch seine eigene Deutschnationale Volkspartei um einige Wochen. Der Gedanke der Mitwirkung an dem Versuch eines ruhigen evolutionären Aufbaus, wie er sich in Brünings Kanzlerschaft abzeichnete, war ihm als grundsätzlichem Katastrophenpolitiker greulich.

Stark und von eiserner Sturheit nur im Negativen, Meister der heimlichen Intrige, Ehrgeizling von hohen Graden, von Skrupeln kaum geplagt, wenn es um die Förderung seiner Pläne ging: das war Hugenberg. In all diesen Beziehungen war sein Name ein Programm. Mit all diesen Eigenschaften war er der berufene Vorläufer des Nationalsozialismus. Daß er sich freilich auch noch zu dessen Nachläufer degradierte, war ein perverser Ehrgeiz. Das deutsche Volk möchte ihn schon gern vergessen. Aber die Hitlersche Hinterlassenschaft wird uns noch oft Anlaß sein, an seine Patenrolle bei der „Machtübernahme" zurückzudenken. Es sind keine Segenswünsche, die sich dabei auf unsere Lippen drängen. A.
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