Die Lebensbiografie von Akio Morita (aus 1986), dem berühmten SONY Mitbegründer - Er war "Mister Japan"
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SONY's eigenes weltweites Absatz- und Vertriebsnetz
Um dem Kunden unsere Produktaussage unmittelbar verständlich zu machen, schufen wir ein eigenes Absatz- und Vertriebsnetz. Soweit sinnvoll, hielten wir am alten Vertriebssystem fest, aber wir errichteten auch firmeneigene Vertriebsstellen und wickelten unsere Geschäfte nach Möglichkeit unmittelbar mit den Händlern ab.
So lernten wir sie persönlich kennen und konnten sie vom Wert unserer Produkte und ihren Verwendungsmöglichkeiten selbst überzeugen. Unsere Vertriebsbeauftragten praktizierten Kommunikation und wirkten auf den Einzelhandel ein, das gleiche zu tun.
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Die Vereinigten Staaten - für uns der ideale Absatzmarkt
Wir waren auf unser erstes Transistorradio sehr stolz, wenngleich es noch längst nicht so klein und praktisch wie spätere Modelle war.
Ich hielt die Vereinigten Staaten für den idealen Absatzmarkt: die Wirtschaft florierte bei hohem Beschäftigungsstand; die Bevölkerung war fortschrittlich und allem Neuen gegenüber aufgeschlossen; der zwischenstaatliche Reiseverkehr wurde zunehmend erleichtert.
Ich fuhr mit meinem kleinen US$ 29,95 - Empfänger nach New York und sprach beim Einzelhandel vor. Ein großer Teil der potentiellen Wiederverkäufer ließ sich nicht beeindrucken.
»Wieso bauen Sie ein so winziges Radio?« fragte man. »Hier in Amerika sind große Radios gefragt. Wir haben geräumige Häuser, mithin reichlich Platz. Wer kann diese kleinen Dinger schon gebrauchen?«
Ich kam auf meine Beobachtungen zu sprechen. »Allein in New York gibt es mehr als zwanzig Sender« , sagte ich. »Ja, natürlich sind die Häuser groß, und zwar so groß, daß jeder Familienangehörige über ein eigenes Zimmer verfügt, in dem er mit diesem kleinen Empfänger jeden beliebigen Sender hören kann, ohne jemanden zu stören oder zu belästigen. Gewiß ist der Klang nicht so gut wie bei einem großen Gerät, aber, wenn man die Abmessungen berücksichtigt, doch ganz ausgezeichnet.«
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Wenngleich unser Unternehmen damals noch jung und ich selbst sehr unerfahren war, so hat doch die Zeit die Richtigkeit meiner Entscheidungen bestätigt.
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Viele erkannten die Logik dieser Behauptung, und zu meiner Freude bot sich so manche verlockende Abschlußmöglichkeit. Ich blieb jedoch vorsichtig und verzichtete mehr als einmal auf höchst profitable Geschäfte.
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Also abgemacht, wir nehmen hunderttausend Stück.
Bei "Bulova" (eue der ersten und größten Uhrenfabrigen weltweit) zum Beispiel fand das Radio so großen Anklang, daß mir der Einkäufer ganz beiläufig erklärte: »Also abgemacht, wir nehmen hunderttausend Stück.«
Hunderttausend Stück! Ich war sprachlos. Der Auftragswert übertraf um ein Mehrfaches das Gesamtkapital unseres Unternehmens. Wir waren bereits bei den Einzelheiten, als die Auftragsbedingung zur Sprache kam: die Radios sollten unter dem Namen Bulova verkauft werden.
Davor schreckte ich zurück. Ich hatte mir geschworen, an andere Unternehmen keine OEM-Geräte zu liefern. Wir wollten uns mit unseren Produkten selbst einen Namen machen. Ich erklärte ihm, ich würde mich mit unserer Zentrale in Verbindung setzen und schickte wirklich ein Telegramm nach Tokio, in dem ich das Geschäft kurz erläuterte.Die Antwort lautete: »Auftrag annehmen!«
Da ich der Chef war, sagte ich "Nein" !
Die Idee gefiel mir ebensowenig wie die Antwort aus Tokio. Ich überlegte hin und her und beschloß dann, Nein zu sagen. Wir würden Radiogeräte nicht unter einem anderen Namen herstellen.
Bei Bulova schien man mich zunächst nicht ernst zu nehmen. Wie konnte man einen solchen Auftrag ausschlagen? Der Einkäufer war überzeugt, daß ich am Ende doch akzeptieren würde. Als ich mich nicht umstimmen ließ, wurde er kurz angebunden.
»Unser Firmenname ist eine weltbekannte Marke, die sich in fünfzig langen Jahren durchgesetzt hat. Ihr Warenzeichen ist dagegen völlig unbekannt. Warum wollen Sie unser Angebot nicht annehmen?«
Ich verstand ihn sehr wohl, war aber ganz anderer Meinung. Ich sagte ihm: »Vor 50 Jahren war Ihr Name ebenfalls völlig unbekannt. Ich bin hier mit einem neuen Produkt, und ich tue jetzt den ersten Schritt in die nächsten 50 Jahre der Geschichte unseres Unternehmens. Ich verspreche Ihnen, in 50 Jahren wird unser Name ebenso berühmt sein wie Ihr Firmenname heute.«
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Es war die beste Entscheidung meines Lebens
Ich habe nie die Entscheidung bereut, mich nicht auf ein OEM-Geschäft eingelassen zu haben, weil sie mir erneut Stolz und Zuversicht gab. Als ich nach meiner Rückkehr in Tokio Ibuka und anderen Mitgliedern der Geschäftsleitung berichtete, waren nicht alle von der Richtigkeit meiner Entscheidung überzeugt.
Aber schon damals erklärte ich, was ich seither immer nur wiederholen konnte: Das war die beste Entscheidung, die ich je getroffen habe.
Ein anderer amerikanischer Interessent besaß eine Ladenkette von vielleicht hundertfünfzig Geschäften. Auch er hätte liebend gern große Mengen bestellt, und er bestand nicht einmal darauf, daß unser Produkt seinen Namen tragen sollte. Er bat lediglich um eine Preisofferte bei Abnahme von 5000, 10 000, 30 000, 50 000 und 100 000 Stück.
100 000 Stück - Welch eine Möglichkeit!
Jetzt konnte ich hereinholen, was uns durch Ablehnung des BUTOVA- OEM-Auftrages entgangen war. In meinem Hotelzimmer begann ich jedoch über die Auswirkungen solcher Großaufträge auf unseren kleinen Tokioter Produktionsbetrieb nachzudenken.
Trotz einer gewissen Expansion reichte unsere Kapazität für jährlich 100 000 Transistorradios nicht aus, sofern wir nebenher unserer kleinen Produktpalette treu bleiben wollten.
Nach dem damaligen Stand unserer Fertigungsmöglichkeiten konnten weniger als 10.000 Radios pro Monat gebaut werden. Bei einem Auftrag auf Lieferung von über 100.000 Stück hätten wir neue Mitarbeiter einstellen und anlernen sowie unsere Fertigungsanlagen noch weiter ausdehnen müssen. Mit dieser großen Erweiterungsinvestition wäre aber ein hohes Risiko verbunden gewesen.
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Expansion um jeden Preis ? Mein gesunder Menschenverstand
Ich war unerfahren und immer noch ein wenig naiv, aber ich besaß gesunden Menschenverstand. Ich ließ mir alle denkbaren Alternativen samt ihren Folgen durch den Kopf gehen, dann setzte ich mich hin und malte eine Kurve, die fast wie ein >U< aussah.
Der Kurvenansatz stellte den Grundpreis bei Abnahme von 5000 Stück dar. Bei 10.000 Stück würde ein Mengenrabatt gewährt - dies war der Tiefpunkt der Kurve.
Bei Abnahme von 30.000 Geräten sollte der Einzelpreis langsam ansteigen, um bei 50.000 etwas höher und bei Bestellung von 100.000 erheblich höher als der Preis der ersten 5.000 Stück liegen.
Ich weiß, es klingt merkwürdig, aber ich ging von folgender Überlegung aus: Wenn wir unsere Produktionskapazität verdoppeln müßten, um einen Auftrag über 100.000 Stück erfüllen zu können, und falls im folgenden Jahr Nachbestellungen dieser Größenordnung ausblieben, würden wir große Schwierigkeiten bekommen und möglicherweise in Konkurs gehen.
Denn wie sollten wir in dem Falle das zusätzliche Personal beschäftigen und die neuen und ungenutzten Kapazitäten finanzieren?
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Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste
Ich ließ mich bei meinen Überlegungen von vorsichtiger Zurückhaltung leiten. Denn wenn wir schon einen Großauftrag hereinnehmen würden, müßte er so viel Gewinn einbringen, daß die neuen Fertigungsanlagen sich noch vor Abschluß des Auftrages amortisiert hätten.
Expansion ist nicht einfach; die Beschaffung zusätzlichen Kapitals noch schwieriger, und außerdem halte ich es für falsch, mit nur einem Auftrag in der Hand zu expandieren.
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Unsere japanische Kultur und Geschichte setzt Ziele
In Japan kann man nicht je nach Auftragslage kurzerhand neu einstellen oder entlassen. Im Mittelpunkt des japanischen Wirtschaftssystems steht das langfristige Treueverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber.
Ich war natürlich auch ein wenig besorgt, daß mir der Kunde bei Einräumung eines sehr großen Mengenrabatts 100.000 Stück abzunehmen verspricht und nach Erhalt einer entsprechend preisgünstigen Partie von vielleicht 10.000 Stück das Nachbestellen "vergißt". Dagegen versuchte ich mich wenigstens halbwegs abzusichern.
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Ein völlig perplexer amerikanischer Einkäufer
Als ich am nächsten Tag meine Offerte präsentierte, glaubte der Kunde, seinen Augen nicht zu trauen. Schließlich legte er das Angebot aus der Hand und meinte:
»Herr Morita, ich bin seit fast dreißig Jahren Einkäufer, aber Sie sind der erste, der mir mit steigenden Bestellmengen steigende Stückpreise abverlangt. Das ist doch unlogisch!«
Nachdem er sich meine Erläuterungen aufmerksam angehört und seinen Schock überwunden hatte, bestellte er lächelnd eine Partie von 10.000 Stück - bei entsprechendem Nachlaß -, so daß beiden Seiten gedient war.
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Ich hatte damals sehr viel Glück.
Ich verstand nicht viel von geschäftlichen Dingen und hatte zudem auch keinen Chef, dem ich Rechenschaft schuldig gewesen wäre. Hielt ich eine solche Preisgestaltung für richtig, konnte mir im Hause niemand widersprechen. - So machte ich die Unternehmenspolitik auch weiterhin allein. Später waren uns Großaufträge natürlich willkommen.
SONY war anders, ich hatte meine Unternehmensphilosophie
Ich war nicht der einzige Japaner, der Mitte der fünfziger Jahre in New York seinen Geschäften nachging. Allerdings bauten die meisten anderen, wenn nicht gar alle, auf die gigantischen japanischen Handelshäuser, die die Auslandsmärkte kannten und dort Niederlassungen unterhielten.
Mir genügte dies jedoch nicht; denn keines dieser Häuser kannte meine Produkte oder meine Unternehmensphilosophie. - Wenn amerikanische Geschäftsleute heute über das komplexe japanische Absatz- und Vertriebssystem klagen, so kommt es mir wie blanke Ironie vor.
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Das damalige amerikanische Import-System
Als ich damals an die Planung des US-Exportgeschäfts heranging, war ich erstaunt und befremdet über das komplizierte Marketing-System der Amerikaner. Meine amerikanischen Geschäftsfreunde sind stets überrascht, wenn ich ihnen dies erzähle.
Wer in die USA exportieren wollte, überließ seine Produkte damals einem erfahrenen japanischen Handelshaus mit Niederlassungen in den USA. Das Handelshaus verschiffte die Partien zum günstigst gelegenen amerikanischen Hafen; dort besorgte ein Agent die Einfuhrzollabfertigung und schaffte die Sendung zu einer Vertriebszentrale, von wo aus der Großhandel beliefert wurde, der seinerseits die Einzelhändler bediente.
Erstaunlich, wieviel Zeit in einem so großen Lande für den Transport und den Kundendienst aufgewandt wird. Niemals habe ich aber die Größe des Landes oder die englische (oder französische oder deutsche) Sprache für ein >nicht-tarifäres Handelshemmnis< gehalten.
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Mein alter Freund Shido Yamada und Adolph Gross
Wir jedoch suchten einen Absatzweg, auf dem die Botschaft unserer neuen Technologie und deren Vorteile einfacher und direkter zum Kunden gelangte. Nach längerem Suchen, begleitet von manch bitterer Erfahrung, fanden wir diesen Weg dann auch.
Ich hatte das Glück, daß mich mein alter Freund Shido Yamada mit Adolph Gross bekannt machte. Gross, ein Handelsvertreter, war Inhaber der Agrod Company.
Als ich ihm Näheres über mein Unternehmen und unsere Exportpläne berichtete, war er sofort zur Vertretung unserer Interessen bereit. Er bot mir in seiner Firma im Hause Broadway Nr. 514 sogar einen Büroraum an.
Was als reine Geschäftsbeziehung begann, entwickelte sich bald zu einer persönlichen Freundschaft.
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Noch andere Lehrmeister in den Vereinigten Staaten
Neben Gross fand ich in den Vereinigten Staaten auch noch andere Lehrmeister.
Zu ihnen gehört Yoshinobu >Doc< Kagawa, ein auf Hawaii gebürtiger Japano-Amerikaner, den ich in Tokio kennenlernte. Kagawa, der als Anwalt und Wirtschaftsfachmann mit den amerikanischen Streitkräften nach Japan gekommen war, blieb auch nach dem Ende der Besatzungszeit, 1952, im Lande und übernahm die Vertretung verschiedener japanischer Firmen, darunter die Toho-Filmateliers.
Auch ich verließ mich auf sein Urteil und nahm ihn daher auf einige meiner ersten Amerika-Reisen mit. Adolph Gross und >Doc< Kagawa waren gute Lehrmeister, wahrscheinlich am meisten lernte ich jedoch von Edward Rosiny, der zunächst Gross' Anwalt war, später auch der meine.
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Adolph Gross importierte den fabelhaften ELAC-Plattenspieler
Gross war als Endfünfziger fast doppelt so alt wie ich, dennoch wurden wir sehr enge Freunde. Er war ein freundlicher, intelligenter, unprätentiöser Mann von gewinnendem Wesen und absoluter Integrität, der jederzeit für einen guten Scherz zu haben war.
Er hatte sich auf die Vertretung überseeischer Firmen spezialisiert und importierte damals bereits zahlreiche hochwertige Erzeugnisse der europäischen Elektronik-Industrie, unter anderem den fabelhaften ELAC-Plattenspieler, der bei den Hi-Fi-Fans sehr gefragt war.
Wir führten gleich beim ersten Kennenlernen eine sehr lange Unterhaltung. Er wollte alles über mich, mein Unternehmen und meine Unternehmensphilosophie wissen.
Ganz viel gelernt über amerikanische Geschäftspraktiken
In kurzer Zeit lernte ich von ihm eine Menge über amerikanische Geschäftspraktiken. Er weihte mich in die amerikanischen Verhältnisse und in das amerikanische Geschäftsleben ein, sparte nicht mit praktisch verwertbaren Informationen über Art und Image der verschiedenen Warenhäuser und klärte mich über die in Amerika erfolgreichsten Geschäftsmethoden auf.
Außerdem versuchte er mich ständig zu amerikanisieren oder mir doch mindestens ein wenig Weltoffenheit und westliche Kultiviertheit beizubringen.
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Adolph Gross und unser >My Fair Lady< Besuch
Eines Tages fragte er mich ganz beiläufig, ob ich mir vielleicht >My Fair Lady< ansehen wolle. »Eigentlich sehr gern, Adolph«, gestand ich, »aber mit Sicherheit sind keine Karten mehr zu haben, denn das Haus ist regelmäßig ausverkauft.«
Das Musical stand zwar erst seit kurzem auf dem Spielplan, war aber von Anfang an das Broadway-Ereignis der Saison. »Nur keine Sorge«, meinte Gross und beschaffte tatsächlich im Handumdrehen zwei Eintrittskarten.
Sie dürften ihn je hundert Dollar gekostet haben, und das war (damals) für einen Theatersessel sehr viel Geld - für mich, 1957, ein Vermögen.
Wir gingen gleich nach Feierabend ins Mark-Hellinger-Theater und nahmen unsere Plätze ein. Ich fand es ungemein aufregend, inmitten des Publikums die größte Show der Saison zu erleben.
Kaum daß die Lichter erloschen und das Orchester mit der Ouvertüre begann, meinte Adolph: »Also dann mal gute Nacht, Akio.« Und da saß er dann in seinem Hundert-Dollar-Sessel und verschlief die wundervolle Vorstellung.
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Greoss war bis 1958 mein amerikanischer Ziehvater
Als Adolph Gross 1958 in London unverhofft einem Herzanfall erlag, waren wir alle zutiefst betroffen. Ich sehe mich nach wie vor in seiner Schuld und betrachte ihn als meinen amerikanischen Ziehvater. (Frau Gross hält mit der Sony-Familie noch immer engen Kontakt, und wir laden sie zu jedem Firmengeburtstag der Sony America ein.)
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Edward Rosiny, der Anwalt von Gross
Edward Rosiny, seinen Anwalt, lernte ich erst nach Gross' Tode kennen; gleichzeitig auch Irving Sagor, der in Gross' Firma für Buchhaltung und Bilanz verantwortlich war. Beide gaben mir einen Einblick in das amerikanische Rechnungswesen und Wirtschaftsrecht.
Ohne sachverständige Vertraute war mein Vorhaben, Sony America zu gründen, nicht realisierbar. Daher machte ich diese beiden lauteren, hochanständigen Männer zu meinen Ratgebern und Helfern. Da Sagor Wirtschaftsprüfer war, konnte er sich um die sachkundige Abwicklung meiner Steuersachen kümmern.
Eddie Rosiny und ich faßten brüderliche Zuneigung zueinander; wir arbeiteten gemeinsam, aßen gemeinsam und spielten gemeinsam Golf (er verhalf mir zur Mitgliedschaft in seinem Country Club in Spring Valley, N.Y.). Neben anderem unterwies mich Eddie auch im amerikanischen Vertragsrecht, einem in Japan fast unbekannten Sachgebiet.
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Ganz am Anfang nur ein billiges Hotelzimmer ......
Anfänglich nahm ich mir in New York immer ein billiges Hotelzimmer und aß gewöhnlich in Automatenrestaurants und Selbstbedienungsgaststätten.
Dort brauchte ich zum Glück nicht viel zu sagen, denn mein Englisch war ebenso bescheiden wie meine Barschaft. Als ich das erstemal mit >Doc< Kagawa in die Staaten kam, uns in einem billigen Hotel einquartierte und ihn in die nächstbeste Imbißstube führte, mußte ich mir von ihm sagen lassen, daß wir uns unserem Stolz und unserer Würde und dem Firmenprestige zuliebe auf höherem Niveau bewegen müßten.
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Es ist besser, das billigsten Zimmer des besten Hotels zu buchen
Im billigsten Zimmer des besten Hotels zu übernachten war seiner Ansicht nach vernünftiger als das beste Zimmer des billigsten Hotels zu nehmen. Er verlangte, daß ich in guten Restaurants aß und die Unterschiede in Küche und Service begreifen und schätzen lernte.
Wegen unseres bescheidenen Spesenkontos mußten wir gelegentlich hier und da sogar ein Doppelzimmer nehmen, aber wir stiegen nur noch in den besseren Hotels ab. In New York zum Beispiel aß ich von nun an nicht länger bei Hörn & Hardart, sondern ging stets zu Stouffer, Fifth Avenue Nr. 666.
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Lehrmeister wie >Doc< Kagawa waren von unschätzbarem Wert.
Japanische Geschäftsleute, die damals nach Amerika gingen, ließen sich zumeist von dort bereits tätigen Landsleuten über die Neue Welt informieren.
Man begreift ohne allzuviel Nachdenken, daß sich diese Methode nicht empfiehlt. Japanische Geschäftsleute >vor Ort< bleiben trotz mehrjährigem Auslandsaufenthalt Fremde; sich auf ihren Rat zu verlassen heißt soviel wie einen Blinden zum Blindenführer zu machen.
Ich lernte Amerika durch Amerikaner kennen, die als Einheimische den rechten Blick für die Eigentümlichkeiten des Landes hatten.
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Ich wollte von Anfang an nie "billig, billiger ... "
Als geschäftsführender Direktor meines Tokioter Unternehmens hatte ich zahlreiche Aufgaben, so daß ich den Verkauf unserer Produkte auf dem amerikanischen Markt nicht im Alleingang schaffen konnte.
Gross, mit dem ich dies erörterte, schlug für unsere Radios die Delmonico International Corp. als Vertriebsorganisation vor. Eine Zeitlang war ich mit Delmonico sehr zufrieden, doch bald verschlechterten sich unsere Geschäftsbeziehungen.
Als unser Name bekannter wurde und unsere Umsätze stiegen, war Delmonico offenbar mehr an Niedrigpreisen als an Qualität gelegen. Am Ende feilschten wir gar darum, ob sich die Kosten der Kunstlederetuis nicht vielleicht um ein paar Cents drücken ließen.
Häufig wurden wir gebeten, doch Billigradios zu produzieren, die sich mit hohen Nachlässen in großen Mengen absetzen ließen. Das war jedoch nicht nach meinem Geschmack. Wir seien nicht daran interessiert, erklärte ich, des reinen Geldverdienens wegen minderwertige Produkte auf den Markt zu werfen.
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Das erste volltransistorisierte Fernsehgerät der Welt
Ende 1959 meldeten wir die Serienreife des ersten volltransistorisierten Fernsehgeräts der Welt. Ohne jede Absprache mit uns stellte sich Delmonico in einer breitangelegten Anzeigenkampagne als autorisierte Vertriebsorganisation dar.
Noch ehe die Druckerschwärze trocken war, ließ ich Delmonico wissen, daß ich gar nicht daran dachte, sie auch mit dem Vertrieb unserer Fernsehgeräte zu betrauen.
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Der Streit mit Delmonico eskalierte
Die Querelen der letzten Zeit hatten mich sehr beunruhigt; bei Fortsetzung der Geschäftsverbindung sah ich eine Katastrophe voraus.
Ich mußte nämlich befürchten, daß unsere Großgeräte, immerhin weltweit die ersten ihrer Art, billig verschleudert oder gar unter Preis verkauft würden. Nach meinem Willen sollte die neue Produktlinie jedoch ein ihrem wahren Wert gemäßes Image - Klasse und hohe Qualität - bekommen.
Es kam zum Streit, aber mit Hilfe von Ed Ro-siny konnten wir eine langwierige gerichtliche Auseinandersetzung vermeiden. Unsere Verhandlungen zogen sich trotzdem hin und kosteten uns am Ende eine Menge Geld.
Wir machten Delmonico gegenüber geltend, daß der Vertriebskontrakt für Radios zustandegekommen war, als wir bereits wußten, daß wir als nächstes auch Fernsehgeräte produzieren würden (die Entwicklungsarbeiten waren tatsächlich schon weit vorangekommen, doch wir wußten nicht genau, wann wir ein marktreifes Gerät anbieten konnten).
Da der Fernsehsektor im Vertrag nicht ausdrücklich erwähnt war, erstreckte sich das Vertriebsrecht ausschließlich auf unsere Radios. (Den TV-Bereich hatten wir aus dem Delmonico-Vertrag absichtlich herausgelassen.) Da Delmonico mit unserer Argumentation nicht einverstanden war, hielten wir es für das beste, die Beziehungen gänzlich abzubrechen.
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300.000 Dollar wegen Vertragsbruchs waren sehr sehr viel Geld
Delmonico verlangte eine hohe Abfindung - 300.000 Dollar wegen Vertragsbruch -, aber wir blieben hart, auch als die Forderung nach und nach reduziert wurde. Einige Male wäre ich zum Einlenken bereit gewesen, weil ich Delmonico kein weiteres Nachgeben zutraute.
Ed Rosiny aber blieb standhaft, und so verließ ich mich auf sein Urteil. Und tatsächlich - wir konnten Delmonico auf eine Abfindung von fünfundsiebzigtausend Dollar herunterhandeln. Auch dies war für uns damals eine gewaltige Summe, mir ging es jedoch hauptsächlich ums Prinzip: Wir mußten aus dem Vertrag heraus, selbst wenn es uns eine große Ablösesumme kosten sollte.
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Anmerkung : 1957 - Superscope and Sony
In dem ganzen Buch erwähnt Akio Morita mit keinem Wort, daß sie das gleiche Problem mit dem 1957er Vertrebs-Vertrag für den SONY Bandgeräte-Vertieb in USA hatten. In USA mußte per Gesetz ein Hersteller oder Vertrieb in jedem Bundesland (State) eine reale Servicestelle vorweisen können und das konnte SONY damals nicht schultern und so machten Ibuca und Morita 1957 mit den Brüdern Joseph, Irving, Nathan, and Fred Tushinsky einen Vertrag über 25 Jahre. (http://www.hifimuseum.de/superscope-usa-00.html) - Diesen Vertrag wollten und mußten sie nach ca. 15 Jahren (1975) teuer zurückkaufen. Das war bitter und teuer, aber unumgänglich. Wie gesagt, kein Wort davon.
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1960 - Und dann mußten wir alle Lagerbestände unserer Radios zurückkaufen und abholen
Zu meiner großen Erleichterung waren meine amerikanischen Berater derselben Auffassung. In Erfüllung des außergerichtlichen Vergleichs mußten wir von Delmonico übrigens alle Lagerbestände unserer Radios - insgesamt 30.000 Geräte - zurückkaufen.
Spricht man von Produktionsziffern oder jährlichen Absatz- oder Versandmengen, macht die Zahl 30.000 in der Unterhaltungselektronik-Industrie auf keinem der genannten Gebiete besonderen Eindruck.
Aber als die paar Leutchen, die wenig später das Stammpersonal der "Sony Corp. of America" bildeten, an einem bitterkalten Februartag des Jahres 1960 in New York vor etlichen Lkw-Ladungen Radios - allesamt natürlich in ihrer ansprechenden, aber sperrigen Verkaufsverpackung - standen, glaubten wir es mit Millionen Geräten zu tun zu haben.
Wir hatten uns über die anfallende Arbeit keine Gedanken gemacht und deshalb nicht für Hilfskräfte gesorgt. Durch Irving Sagors Vermittlung durften wir die Geräte im Warehouse der Agrod einlagern.
Also zogen wir Arbeitsjacken über und schleppten die Kartons ins Lager. Etwa zu fünft schufteten wir vom frühen Vormittag bis morgens um vier.
Als wir dann das letzte der dreißigtausend Radios fein säuberlich auf Paletten gestapelt hatten, schlurften wir erschöpft ins Schuppenbüro, um uns bei einer Tasse Pulverkaffee zu erholen.
Charlie Farr, der Schuppenvorsteher (er arbeitet noch heute für uns), verzichtete auf den Kaffee und fuhr zu seiner Brooklyner Wohnung, um ein wenig zu schlafen.
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Und dann gabs amerikanischen EInbruchs-Alarm
Einer von uns ging noch einmal in den Schuppen, um die Kartonstapel nachzuzählen. Anschließend kam er wieder ins Büro zurück und löste beim Öffnen der Tür versehentlich Einbruchsalarm aus.
Als die Männer der Wachgesellschaft hereinstürmten, fanden sie ein paar verdreckte, übermüdete Japaner und einen ebenso abgekämpften, schmutzigen Amerikaner vor, die ihre blaugefrorenen Hände an heißen Kaffeetassen wärmten.
Ähnelten wir wohl kaum dem klassischen Einbrecher, so blieben die Wachmänner doch mißtrauisch. Irving Sagor versuchte zu erklären, daß wir die Geschäftsleitung darstellten. Die Wachmänner musterten uns und unsere schmutzige Arbeitskleidung und glaubten ihm natürlich kein Wort.
Farr, der die Codekombination der Alarmanlage im Kopf hatte, war schon auf dem Nachhauseweg und also nicht erreichbar. Also saßen wir da und starrten uns hilflos an, bis Sagor auf die Idee kam, den Safe aufzuschließen.
Unsere Bewacher fanden den Vorschlag zunächst ein wenig überraschend und mußten sich erst etwas bedenken; aber Irving öffnete schließlich die Safetür und bewies damit, daß er die Kombination tatsächlich kannte.
Anhand von Unterlagen und Papieren konnte er sich ausweisen und die Rechtmäßigkeit unseres Treibens glaubhaft machen. Widerwillig und kopfschüttelnd zogen sich die Wachmänner schließlich zurück.
Wir anderen aber fühlten uns durch das gemeinsame Erlebnis schon fast zu einer Familie verbunden.
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Ich war nicht nur Lagerarbeiter, ich war auch der Chef
Sehr bald schon pendelte ich zwischen Tokio und New York hin und her. Als geschäftsführender Direktor durfte ich Tokio nicht lange fernbleiben; da ich aber gleichzeitig mit der Gründung unserer amerikanischen Tochtergesellschaft beauftragt worden war, hielt ich mich andererseits nicht allzulange in Japan auf.
Damit unsere Firma auf dem amerikanischen Markt feste Wurzeln schlagen konnte, mußte ich das Land zunächst besser kennenlernen. Ich hatte zwar viele amerikanische Freunde, wußte aber noch nicht genug über Lebensstil und Denkweise der Amerikaner!
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Für mich gab es noch sehr viel zu lernen
War es schon nicht leicht, unseren Firmennamen bekannt zu machen, so würde es noch schwieriger sein, die Amerikaner verstehen zu lernen. Ich war jedoch überzeugt, daß die Zukunft unseres Unternehmens nicht anders als mein persönlicher Erfolg in starkem Maße von Amerika und anderen Auslandsmärkten abhing.
Etwas mehr als die Hälfte unserer Produktion wurde bereits im Ausland abgesetzt. Daher meinte ich, daß unsere Gesellschaft zwar Kosmopolit, aber doch loyaler Bürger eines jeden Gastgeberlandes werden sollte. Unsere Kenntnis mußte über Marktstatistiken und Absatzdaten hinausreichen.
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