Achtung: Artikel und Texte aus NS/Hitler-Deutschland 1933-45
Nach der Gleichschaltung der reichsdeutschen Medien direkt nach der Machtübernahme in Februar/März 1933 sind alle Artikel und Texte mit besonderer Aufmerksamkeit zu betrachten. Der anfänglich noch gemäßigte politisch neutrale „Ton" in den technischen Publikationen veränderte sich fließend. Im März 1943 ging Stalingrad verloren und von da an las man zwischen den Zeilen mehr und mehr die Wahrheit über das Ende des 3. Reiches - aber verklausuliert.
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Leitartikel in der "Kinotechnik" 1936 Heft 3
Die neue El-(oder E1 ?) Berufs-Kamera
Die alte Ernemann-E-Kamera
Der Kameramann, der die letzten Jahrzehnte des deutschen Films mit durchlebt hat, kennt auch die alte Ernemann-E-Kamera. Sie ist in sehr vielen Modellen noch heute (wir sind in 1936) in Betrieb und zeichnet sich durch große Zuverlässigkeit aus, die in der sauberen Durchkonstruktion des Werkes begründet ist.
Vor etwa 10 Jahren (1927) wurde der Bau dieser Kamera von der Firma Schneider & Munzke in Dresden übernommen. Durch dauernde Zusammenarbeit mit führenden Kameramännern des Kultur-, Industrie-und Werbefilms wurde die Kamera allmählich weiterentwickelt und den heutigen Ansprüchen angepaßt. Heute wartet die Firma mit einem ganz neuen Modell auf, das in vielen Teilen Neuartiges aufweist.
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Das neue Modell von Schneider & Munzke Dresden
Die äußere Form des Gehäuses hat sich nicht geändert. Sie entspricht in der Größe der alten Ernemann-E für 120m Kassetteninhalt. Das Filmfassungsvermögen beträgt ebenfalls noch 120m, die Art der Filmführung ist auch noch die gleiche. Das Gehäuse wird in drei Ausführungen geliefert: entweder Metallgehäuse oder Holzgehäuse oder Holzgehäuse mit Metallüberzug.
Bei allen Neuerungen wurde darauf geachtet, die alte Betriebssicherheit keinesfalls zu gefährden, sondern sie nach Möglichkeit noch zu erhöhen. Im Werk selbst hat sich nur der Greifer etwas geändert. Er greift tiefer in die Perforation ein als früher, um ein Versetzen des Bildstriches von vornherein unmöglich zu machen. Weiter arbeitet der Greifer so, daß auch beim Rückwärtsdrehen, wie dies bei Trickaufnahmen oft notwendig ist, der Bildstrich seine Lage in der Mitte zwischen zwei Perforationslöchern unverändert beibehält.
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Kein Sperrgreifer mehr
Das sehr sichere Arbeiten dieses Greifers hat es möglich gemacht, auf einen Sperrgreifer zu verzichten und somit eine Geräusch- und Fehlerquelle zu vermeiden. Ebenfalls verzichtet wurde auf das Pendeldruckfenster. An Stelle dessen fungiert das übliche mit Rollen ausgebildete und gefederte Druckrähmchen hinter dem Bildfenster.
Das Bildfenster selbst ist ausgespart, so daß der Film nur außerhalb des Bildfeldes geführt wird. Der Film läuft von der Abwickelkassette zur Aufwickelkassette vollkommen frei, so daß die Möglichkeit des Verschrammens nur noch am Samt der Kassettenmäuler besteht. Aber auch hier wird der Film durch Röllchen im Kassettenmaul (die ebenfalls nur die Perforation berühren) streng geführt, so daß der Film durch ein Pendeln der Kassette im Gehäuse oder durch das Größer- bzw. Kleinerwerden der Filmrollen in den Kassetten keine Lageveränderung im Kassettenmaul erfahren kann, die oft zum plötzlichen Einsetzen von Verschrammungen mitten in einer Filmrolle führen können.
Die Änderungen
Wesentliche Aenderungen hat das ganze Vorderteil der Kamera erfahren. Die Umlaufblende wurde auf 170 Grad gebracht. Die Sektorverstellung (Abb. 1e) ist mit einem leicht zu handhabenden Hebel versehen, der ein sauberes Auf- und Abblenden mit der Hand gestattet. Bekanntlich neigen die Umlaufblenden bei Betätigung während des Laufes zum Flattern, das sich bei der Vorführung als ein lästiges Flackern zeigt. Dieses Flattern der Blendenflügel wurde durch eine sehr einfache Vorrichtung beseitigt.
Das Hauptaugenmerk wurde darauf gelegt, die optische Ausrüstung der Kamera so modern und vielseitig wie nur irgend möglich zu gestalten. Zu diesem Zwecke wurde als erstes der alte enge Schneckengang durch einen solchen mit bedeutend größerem Durchmesser ersetzt. Dies ermöglicht den Einbau der höchsten praktisch verwendbaren Lichtstärken in jeder Brennweite.
(Das auf den Abbildungen gezeigte Modell wurde unter anderem mit zwei Biotaren, Lichtstärke 1:1,4 und 40 und 50mm Brennweite ausgerüstet, letzteres mit ausziehbarer Fassung, die bekanntlich besonders viel Raum beansprucht.)
Der große Schneckengangdurchmesser ermöglicht weiter auch die Verwendung kürzester Brennweiten bis zu 28mm, ohne daß dunkle Bildecken entstehen. (Es wurde ein Pan-Tachar von der Brennweite 28mm, Lichtstärke 1:1,8 eingebaut, das das stumme Bildfeld bis in die Ecken gleichmäßig hell auszeichnet.)
Auch der Lichtschutz ist so reichlich bemessen, daß er bei Verwendung so kurzbrennweitiger Objektive nicht abgenommen zu werden braucht.
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Das Wechseln der Objektive
Das Wechseln der Objektive geschieht ebenfalls, ohne daß der Lichtschutz weggeschoben oder abgenommen werden muß. Ein außerhalb des Lichtschutzes liegender Hebel (Abb. 2h) wird abwärts bewegt und die Optik durch den Lichtschutz herausgezogen bzw. die neue hineingeschoben. Durch Hinaufdrücken des genannten Hebels wird die Optik wieder verriegelt. Beim Objektivwechsel ist die Stellung des Schneckenganges bzw. der Entfernungseinstellung gleichgültig.
Der Schneckengang hat noch eine weitere wichtige Neuerung: Der Vorschub beträgt nicht wie bisher 3 bis 4mm, sondern 11mm. Dies bedeutet praktisch, daß man bei Verwendung einer Brennweite von 40mm die Schärfe von einer Großaufnahme mit einem Bildfeld von etwa 60 mal 70mm in einem Zuge bis Unendlich verstellen kann. Um nur ein praktisches Beispiel zu nennen: Es wäre ohne weiteres möglich, von der Großaufnahme einer Rose, in der eine Biene Honig saugt, in einen weiten Park hineinzuschwenken. Es ist dem Kameramann überlassen, sich auszudenken, welche weiteren überraschenden Bildwirkungen er mit Hilfe dieser Möglichkeit erreichen kann.
Anfangs tauchten Bedenken auf, daß die durch den größeren Vorschub bedingte engere Lagerung der Entfernungswerte die Genauigkeit der Scharfeinstellung vermindern werde. Die Praxis hat jedoch gezeigt, daß die Scharfeinstellung auf den Film dadurch erleichtert wird, daß die Pendelbewegung des Entfernungshebels, die man nach beiden Seiten über den scharfen Punkt hinaus ausführen muß, nur noch halb so groß ist.
Das Nachstellen der Entfernung bei Fahrtaufnahmen nach Skala hat sich ebenfalls nicht als schwieriger erwiesen. Um denkbar größte Genauigkeit in der Scharfeinstellung auch bei lichtstärksten Objektiven zu ermöglichen, wurde der Schneckengang bedeutend stärker ausgeführt als bisher. Er weist auch keinen toten Gang auf.
Die Lupe
Besondere Aufmerksamkeit verdient noch die Lupe. Sie besitzt mit Rücksicht auf den heute ausschließlich verwendeten Panfilm mit Lichthofschutzschicht eine bedeutende Lichtstärke, die das Einstellen und spätere Betrachten des Bildes während der Aufnahme sehr erleichtert.
Ein weiterer Vorteil besteht darin, daß das Bild bis in die Ecken gleichmäßig hell sichtbar ist. Auch bei einem Bewegen des Auges an der Muschel tritt kein Vignettieren des Bildfeldes ein. Im übrigen ist die Lupe sehr kurzgehalten; dies ermöglicht, daß der Kameramann beim Durchblicken durch dieselbe alle Teile der Kamera mit den Händen bequem erreichen und bedienen kann.
Der Motor
Zum Antrieb der Kamera dient ein Motor mit eingebautem Widerstand. Die Regulierung des Widerstandes bzw. der Bildfrequenz geschieht durch Drehen an dem in Abb. 2 mit i bezeichneten Ring. In diesem Regulierring liegt versenkt der Schalter für Vor- oder Rücklauf. Der Ein- und Ausschalter ist in das Stromzuleitungskabel kurz hinter den Stecker am Motor gelegt.
Als Stromquelle dient normalerweise ein Akkumulator von 18 Volt Spannung und einer Leistung von 8 A/h. Mit Hilfe des Widerstandes ist eine Frequenzregulierung von 17 Bildern/Sekunde bis 32 Bilder/Sekunde bei voller Filmbelastung möglich. Der Akkumulator ist weiter auf 16 und 12 Volt umklemmbar. Beim Arbeiten mit 12 Volt läßt sich ohne weiteres ein gleichmäßiger Lauf von 4 Bildern/Sekunde erreichen. Die Höchstgeschwindigkeit bei 12 Volt beträgt 20 Bilder.
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Zum Lichtschutz
Nun sei noch einiges über den Lichtschutz gesagt, den Abb. 1 näher zeigt. Er wird von einer Schiene getragen, die mit Hilfe einer Querschiene und zwei starken Klemmschrauben rechtwinklig an der Vorderseite des Gehäuses befestigt ist. Dadurch ist ein genaues Stehen des Lichtschutzes in der optischen Achse gewährleistet. Die hintere Standarte dient zum Aufnehmen von Filtern, Gazen, Masken, Softlinsen und dergleichen. Diese werden in den Schieber (a) eingesetzt, der einen quadratischen Ausschnitt von 88 X 88 mm hat.
Zum Einsetzen eines Filters kann der Schieber herausgezogen oder auch in der Standarte belassen werden. Dieser Schieber gleitet in einem Kanal, der um 360 Grad um die optische Achse der Kamera geschwenkt werden kann. Außerdem ist die Standarte noch seitlich verstellbar (Abb. 1b). Auf diese Weise ist es möglich, eine Maske oder ein Verlauffilter in jede gewünschte Lage zu bringen.
Soll ein Filter oder eine Tricklinse ganz nahe an eine kurz-brennweitige Optik herangebracht werden, so kann der hintere Balgen mit einem Griff herausgenommen werden. An der vorderen Standarte besteht ebenfalls noch die Möglichkeit, Masken und dergleichen einzusetzen. Die Lichtschutzschiene besteht aus zwei Stücken. Das vordere Stück ist ansteckbar. Für Brennweiten bis 50mm genügt der kurze Stab. Erst bei längeren Brennweiten macht sich bei ungünstigem Gegenlicht im Freien oder bei knapp an der Bildbegrenzung stehenden Scheinwerfern im Atelier das Anstecken der Verlängerung nötig.
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Weitere Details
Abb. 3 zeigt die El-Berufs-Kamera, ausgerüstet mit langbrennweitiger Optik. Die den Schneckengang entlastende Stütze ist an das Objektiv angelenkt und läuft beim Einstellen mit Hilfe einer Rolle auf der Lichtschutzschiene. Durch eine Justierschraube wird die Höhe der Stütze genau abgestimmt. Beim Verpacken des Objektives wird die Stütze nach hinten umgelegt.
Im übrigen ist die Kamera noch wie folgt ausgerüstet: Zum Verstellen der Irisblende dient ein nicht abnehmbarer Hebel (Abb. 1c), der demzufolge auch nicht verlorengehen kann. An der Rückseite der Kamera befinden sich: Tachometer, Meterzähler mit Bildzähler und ein Umdrehungszähler; weiter ein Knopf zur Umstellung des Werkes auf Einergang und eine Stanze, die den Film am Rande markiert. Wichtig ist noch, daß die optische Achse der Kamera auf Wunsch auf Tonformat eingestellt wird. Sie liegt dann etwa um 1,5 mm seitlich von der Filmmitte.
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Verpackung und Transport
Die Verpackung der Kamera kann so erfolgen, daß sie mit Motor und Lichtschutz, wie sie Abb. 2 zeigt, also vollständig aufnahmebereit, in einem Koffer untergebracht wird. In dem durch den vorstehenden Motor bedingten freien Raum können Objektive oder Kassetten untergebracht werden. Diese Verpackung macht die Kamera außerordentlich schnell aufnahmebereit und ist daher für Außenaufnahmen zu empfehlen. Macht sich eine getrennte Verpackung der einzelnen Teile notwendig, so kann der Motor mit einem Griff und der Lichtschutz mit wenigen Griffen abgenommen werden. Die dann noch vorstehende Lupe ist einschiebbar.
Es dürften den Leser noch Maße und Gewicht der Kamera interessieren. Das Gehäuse hat folgende Außenmaße: 260 x 190 x 145mm. Die aufnahmebereite Kamera (Abb. 2) hat eine Gesamtlänge von 490mm. Das Gewicht der Kamera ohne Motor und Lichtschutz und ohne Film beträgt etwa 8 kg, mit 120m Film etwa 10 kg. Die aufnahmebereite Kamera, also mit 120 m Film, Motor und Lichtschutz, wiegt nur etwa 13 kg.
Das geringe Gewicht und die moderne optische Ausrüstungsmöglichkeit machen die Kamera universell verwendbar. Mit Vorteil wurde sie bereits im Atelier nicht nur für Spielszenen, sondern auch bei Fahrtaufnahmen an Modellen verwendet, wo es auf eine weitgehende Schärfenverstellung während der Fahrt ankam.
Für Außenaufnahmen erweist sich außer dem geringen Gewicht die schnelle Aufnahmebereitschaft als besonders günstig. Sehr wesentlich ist auch, daß keine Einzelteile vorhanden sind, die durch Verlorengehen die Kamera außer Betrieb setzen könnten. Die gleichen Eigenschaften, dazu die schnelle Auswechselbarkeit der Objektive ermöglichen es, die Kamera als sehr bewegliche Schnittbildkamera bei Wochenschauaufnahmen einzusetzen.
Für Aufnahmen im Hochgebirge bei Schnee und bei großer Kälte hat man vor allen Dingen bei Verwendung von Holzgehäuse angenehmes Arbeiten schon wegen des geringen Gewichts und vor allem deshalb, weil alle Teile, die zur Bedienung der Kamera notwendig sind, stark und handlich ausgeführt sind und daher auch mit steifen Fingern leicht gehandhabt werden können.
Somit dürfte die EI-Berufs-Kamera ein Aufnahmegerät darstellen, das in der Anwendung sehr universell, trotzdem aber einfach zu handhaben ist und dem Kameramann außerdem noch manche neue Möglichkeit bietet.
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