In Sachsen wurde nur eine 35mm Film-Kamera hergestellt.
von Gert Redlich im Juli 2021 - Mit freundlicher Unterstützung von Manfred Romboy vom Filmmuseum Wesseling wurde uns ein Zeitungs-Artikel über unser Geschenk - eine richtige Kurbelkamera - zugeschickt. Ein Kameraman aus dem Ossiland - aus Sachsen - beschreibt, wie er damals als 17jähriger den Kontakt zu dieser kleinen Firma „Schneider & Munzke" in Dresden bekam, die vor langer Zeit seine französische 35mm Flohmarkt-Schrott-Kamera wieder zum Leben erweckt hatte. Und von dieser Firma stammt höchstwahr- scheinlich auch unser nostalgisches Exemplar.
Rechts : Ernst Hirsch vor seiner Sammlung.
„Schneider & Munzke" aus Dresden
Was interssiert uns an einer ..... an dieser ..... Kurbelkamera ?
Schon lange vor diesen Museenseiten (angefangen in 2007) hatte ich immer wieder bemängelt, daß viele Vortragende nicht chronologisch und plausibel erzählen können und die fragenden Augen ihrer Zuhörer nicht beachten.
Und so ging es mir bei einem Vortrag vor über 30 Kindern, die mit der Ankündigung "Wir drehen einen Film" nichts anfangen konnten. Und so dachte ich, das ist eigentlich der allererste Einstieg in einen Vortrag (für Kinder) von der Fotografie über den Film und das Kino zum Fernsehen.
"Warum heißt es immer, einen Film 'DREHEN' ?"
.
Eine (jetzt unsere) unbekannte Kamera aus Dresden.
eine Biografie von Ernst Hirsch.
Hermann Schneider - Kino-Technik - DRESDEN-HELLERAU
Der bedeutendste deutsche Hersteller für Fotoapparate, die Dresdener Firma Ernemann, fertigte bis zu ihrer Eingliederung in die Zeiss Ikon AG im Jahre 1926 auch zahlreiche 35mm Kinofilmkameras.
Nur eine dieser Kameras, das Amateurmodell „A", wurde dann unter „Zeiss Ikon" bis 1938 weiter gebaut.
Hermann Schneider, geboren 1892, hatte als Meister im Kamerabau bei Ernemann gearbeitet und erwarb 1925 die Lizenz für den Weiterbau der 1917 unter „Ernemann E" vorgestellten 35mm Profikamera. Gemeinsam mit einem Kollegen gründete er die Firma „Schneider & Munzke"
.
Die Firma „Schneider & Munzke"
In der Reitbahnstaße in Dresden wurden nun unter diesem Firmnamen Kameras und Stative für Berufsfilmer hergestellt, bis zum Bombenangriff am 13. Februar 1945, der auch Schneiders Werkstatt zerstörte.
Schon kurz nach Kriegsende wagte Hermann Schneider den Neubeginn, errichtete in einer Baracke auf seinem Grundstück in Hellerau eine neue mechanische Werkstatt und begann, wieder Kameras zu bauen.
Neuanfang in der SBZ, der sowietisch besetzten Zone
Unvorstellbar schwierig war dabei die Materialbeschaffung. Die für die Fertigung benötigten Präzisionsmaschinen hat Schneider zum Teil selbst gebaut. Hermann Schneider verbesserte seine Kameramodelle ständig.
Für Realaufnahmen wurden sie nun mit einem Elektromotor ausgestattet. Der clevere Monteur entwickelte ein Balgen- kompendium für Filter, ein sehr stabiles Stativ mit Kreiselkopf und alternativ ein Friktionsstativ.
Die Objektive lieferte Zeiss Jena. Es standen Brennweiten von 25 bis 135mm zur Verfügung, die durch einen Bajonettverschluss schnell ausgewechselt werden konnten.
Das Film-Durchsicht Bild im "Sucher" Okular
Schneiders Kameras basierten auf dem Konstruktionsprizip der sogenannten Film-Durchsicht. Bildausschnitt und Schärfe wurden auf der Filmrückseite eingestellt. Das Schwarz-weiß- Film- material hatte noch eine durchscheinende Emulsion.
Auch die Lichthof-Schutzschicht war transparent. So bildete der Film gleichzeitig eine Art Mattscheibe. Durch das Okular sah man mit Hilfe einer Fernrohrlupe ein großes aufrecht stehendes und seitenrichtiges Bild.
Ein schwarzes Tuch, ähnlich wie bei den alten Fotoplatten- kameras, gehörte zum notwendigen Zubehör des Kameramanns, denn das Sucherbild war sehr dunkel und nur bei offener Blende war überhaupt deutliches Einstellen möglich.
.
Eine "Ladung" Film - eine Kassette mit 120m lief 4min 20sek
Die beiden koaxial montierten Kassetten konnten mit 120m Film bestückt werden, was bei 24 Bildern pro Sekunde einer Laufzeit von vier Minuten und zwanzig Sekunden entsprach.
Mit Hilfe der verstellbaren Sektorenblende waren Auf-, Ab- und Überblendungen möglich. Mit auswechselbaren Bildfenstern und Masken konnten Menrfach- und andere Trickaufnahmen gemacht werden. Natürlich war auch ein Kamerarücklauf möglich.
.
Die Firma hieß nur noch "Schneider" Dresden
Die nun unter dem Namen „Schneider" vertriebene Kamera, Herr Munzke war inzwischen ausgeschieden, war eine konstruktive Weiterentwicklung der Ememann "E".
Deren Holzgehäuse wurde von einer stabilen Aluminiumkonstruktion abgelöst. Auch Teile der Sektorenblende wurden neu konstruiert. Weiterhin konnte mit der Hand gekurbelt werden.
Doch für den Normalbetieb hatte Schneider einen von ihm entwickelten elektrisehen Regelmotor vorgesehen. Für die Verwendung auf Tricktischen bot die Firme die Fernrohrlupe auch mit einem Winkelprisma an.
.
Eine Vorab-Bemerkung von Gert Redlich zu "DDR" :
.
- Anmerkung : Wie sie auf sehr vielen unserer Museen-Seiten bemerken werden, habe ich als Wessi nach wie vor mit der Bezeichnung "DDR" (oder auch "GDR") meine Probleme. Nichts war dort demokratisch und von Republik war auch keine Spur. Die alten greisen Männer in Ostberlin waren zeitlebens die machtlosen Marionetten von Moskaus Gnaden. Für uns Wessis war das östliche Deutschland sogar bis nach 1989 (das war das Jahr der sogenannten "Wende") immer noch die Ostzone oder die Zone und nichts weiter. Die Abkürzung "BRD" wurde auch nur von der Ostpresse gepuscht, um damit dieses eigene Kürzel "GDR" oder "DDR" aufzuwerten. Bei uns war "BRD" nahezu ungebräuchlich. Weltweit gab es nur "West-Germany".
.
Die Probleme mit dem Ossi-Staat names "DDR" .....
Bedingt durch die deutsche Teilung wurde Schneider der einzige Hersteller von 35mm Filmkameras in der sowjetischen Besatzungszone, die ab 1949, wie bekannt, als "DDR" firmierte.
In Westdeutschland oder gar im westlichen Ausland Kameras zu kaufen, war wegen der komplizierten Vorschriften des Staatshandles der "DDR" nahezu ausgeschlossen.
.
- Anmerkung : Von Anfang an gab es die chronische Devisenknappheit - sogar im Handel mit Ostblockstaaten. Das eskalierte Anfang 1989, als so gut wie gar nichts mehr aus dem Westen importiert werden konnte. Der "Laden" war restlos Pleite. Die Bücher von Gerhard Ronneberger und Alexander Golodkowski geben da einen detaillierten Einblick.
.
Trotz schikanöser Benachteiligung bei der Rohstoffzuteilung produzierte der kleine private Handwerksbetneb Kamera um Kamera.
Seine Kunden: die verschiedenen Studios der DEFA-Staatsfilm und der staatlichen DEWAG-Werbung, die Filmabteilungen der Hochschulen und die wenigen privaten Filmproduzenten in der DDR.
.
1950 konnte Hermann Schneider sein 25jähriges Firmenjubiläum feiern.
Ende der 1950er Jahre wurde die "Schneider Kamera" durch die Weiterentwicklung der Schwarz-weiß- und Farbfilmmaterialien und ihrer immer dunkler werdenden Lichthofschutzschicht ein Opfer der modernen Zeit.
In der Werkstatt Schneiders, in der auch sein Bruder mit arbeitete, spezialisierte man sich auf den Bau von Stativen. Hermann Schneider verstarb 1964 im Alter von 72 Jahren. Die Firma existiert noch heute (von wann ist dieser Artiekl ?), sein Enkel baut Stative für Kameras und Mikrofone.
.
Ernst Hirsch schreibt über seinen Werdegang ....
1953 beendete ich meine Berufsausbildung als Feinoptiker bei Zeiss Ikon in Dresden. Dort wurde auch die 16mm Spiegelreflexkamera „AK 16" hergestellt und wir Lehrlinge durften zur Erprobung damit "drehen".
Nach dem Ende meiner Lehrzeit bewarb ich mich umgehend beim DDR-Fernsehen als freier Kameramann. Voraussetzung dafür war jedoch der Besitz einer eigenen 35mm Filmkamera. Eine absolute Rarität in diesen Jahren.
- Anmerkung : Für einen Wessi ist (war) das eine damals sehr merkwürdige Vorab-Forderung, denn solch eine 35mm Kamera war ja ein richtig teures und seltens "Utensil". Und dann war auch das 35mm Roh-Filmmaterial sehr rar. Sowohl Curt Riess wie auch Heinrich Fraenkel beschreiben diese Zustände ab 1945 in ihren Büchern - insbesondere den der DEFA und den des Films in der SBZ/Ostzone noch weit nach 1956.
Die wenigen „35iger", die den Krieg überstanden hatten, wurden von den Russen konfisziert oder waren bei der volkseigenen DEFA-Filmproduktion im Einsatz.
.
Wie sollte ich zu einer 35mm Filmkamera kommen ?
Ich hatte Glück; Ein älterer Kameramann aus Dresden verkaufte mir für 500 DDR-Mark eine „Debrie-Parvo"-Kamera im Holzgehäuse, ohne Objektive, Antriebsmotor, Stativ und Kassetten. Eigentlich ein Schrott-Teil, fast unbrauchbar.
Durch einen Zufall erfuhr ich von einer kleinen Kamerawerkstatt im Dresdener Norden auf der Straße „Am Torfmoor 26" in Hellerau. Inhaber war der Mechanikermeister Hermann Schneider.
Zu ihm fuhr ich nun mit meinem Kamerawrack.
.
Mechanikermeister Hermann Schneider fragte mich damals :
"Mein lieber Junge (ich war 17 Jahre alt), wie stellst Du Dir das vor ? Und kannst Du denn einen Umbau überhaupt bezahlen ?"
3.000 Ost-Mark veranschlagte er für den Umbau der französischen Kamera. Und das war damals sehr sehr viel Geld. Doch Hermann Schneider versprach, mir zu helfen. Vielleicht, weil er im Krieg seinen einzigen Sohn verloren hatte und mein Vater im russischen Internierungslager an der Elbe umgekommen war.
Er akzeptierte, dass ich die Kosten für den Umbau in Raten abzahlen konnte und ermöglichte mir damit den Einstieg in meinen Filmberuf.
.
Das werde ich ihm nie vergessen!
In Schneiders Wohnzimmer hing ein Foto, auf dem ein Kameramann ein winterliches Motiv filmt. Neben ihm einer der ersten schicken Volkswagen.
Das Foto, vor dem Krieg entstanden, brachte mich ins Träumen. Vieleicht gelingt es dir, auch eines Tages so hinter der Kamera zu stehen und zu filmen. Der Traum sollte durch Hermann Schneider Wirklichkeit werden.
.
Fotos:
Archive Schneider, Hirsch, Romboy
Anmerkung der Redaktion der
Mitglieder-Zeitschrift des Club Daguerre
Den beruflichen Lebensweg Ernst Hirschs haben wir in PA Nr. 104, Juni 2011, im Rahmen einer Abhandlung über freiberufliche Filmemacher in der DDR beschrieben.
.