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Achtung: Artikel und Texte aus NS/Hitler-Deutschland 1933-45

Nach der Gleichschaltung der reichsdeutschen Medien direkt nach der Machtübernahme in Februar/März 1933 sind alle Artikel und Texte mit besonderer Aufmerksamkeit zu betrachten. Der anfänglich noch gemäßigte politisch neutrale „Ton" in den technischen Publikationen veränderte sich fließend. Im März 1943 ging Stalingrad verloren und von da an las man zwischen den Zeilen mehr und mehr die Wahrheit über das Ende des 3. Reiches - aber verklausuliert.
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Stand und Richtung der Entwicklung von Verstärkerröhren

aus Kinotechnik Heft 8 - April 1936 von Dr. Paul Hatschek, D.K.G.
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April 1936 - Bedeutsame Fortschritte im Röhrenbau

Unter Beibehaltung des schon durch die Lieben-Röhren verwirklichten physikalischen Prinzips hat der Röhrenbau gerade in jüngster Zeit sehr bedeutsame Fortschritte in konstruktiver und fabrikatorischer Beziehung gemacht.

Daneben tauchen aus aller Welt Berichte über vollkommen neuartige Wege auf, die von verschiedenen Erfindern, Konstrukteuren und Erzeugerfirmen betreten wurden. Mancher dieser Berichte läßt, obgleich Vorsicht und Skepsis stets am Platz sind, die Möglichkeit offen, daß die technische Entwicklung sich in späterer Zukunft mit dem einen oder anderen der neuen Wege auseinandersetzen wird.

Im folgenden sollen zunächst die praktisch greifbaren und sodann die aussichtsvollsten der zu erwartenden Fortschritte kurz geschildert werden, insoweit sie den Verstärkertechniker und damit auch den Kinotechniker interessieren.

Die deutsche Röhrenproduktion 1935/36

Die deutsche Röhrenproduktion 1935/36 charakterisiert sich schon rein äußerlich durch die kleineren Ausmaße der Kolben, denen die Verkleinerung der in sie eingebauten Elektrodensysteme korrespondiert.

Insbesondere die Verkürzung der Systemlänge und die vollkommenere Halterung durch zwei parallele Streben (vorher durch eine einzige) ermöglichten es, diejenige Störanfälligkeit auf einen Bruchteil herabzusetzen, die besonders peinlich empfunden wurde: das Röhrenklingen.
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Das Röhrenklingen

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  • Anmerkung : Heutzutage (also nach 1950) sprechen wir vom sogenannten Mikrofonie-Effekt.

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Dieses Röhrenklingen ist mechanischen Ursprungs, d. h. es entsteht dadurch, daß entweder das ganze Röhrensystem oder einzelne seiner Teile gegeneinander durch äußere Einwirkungen ins Schwingen geraten, wodurch sich die elektrischen Daten der Röhre verändern.

Solche äußeren Einwirkungen sind vor allem durch das Auftreffen von Schallwellen des Lautsprechers auf die Röhre gegeben. Diese verursachen also mechanische Schwingungen des Systems, die wiederum proportionale Veränderungen des Anodenstroms zur Folge haben, die im Lautsprecher das zusätzliche „Klingen" hervorrufen.

Bei der Entwicklung der neuen „klingfesten" Röhrentypen wurde jede Zwischenkonstruktion durch besondere Messungen auf Klingfestigkeit geprüft, bevor man sich zu einer endgültigen Konstruktion entschloß.

Abb. 1*) zeigt punktiert die "Klingkurve" der Vorläuferröhre REN 904 und vollausgezogen die der Neukonstruktion AC 2, die an deren Stelle trat. Die Messung war hierbei so angeordnet, daß die Röhren, in das Schallfeld eines Lautsprechers gebracht, dieser mit einer gleitenden Frequenz von 0 bis 7000 Hertz erregt und die jeweilige Amplitude des Klingens nach entsprechender Verstärkung gemessen wurde.

Aus dem Diagramm, in dem auf der Abszisse die Frequenz und auf der Ordinate die Klingamplitude abgetragen ist, erkennt man den gewaltigen, durch die Neukonstruktion erzielten Fortschritt.

*1) Anm. Die drei Abbildungen sind der Arbeit „Die Rundfunkröhren des Jahres 1935/36" von W. Graffunde r und F. N e u 1 e n in Heft 5 (November 1935) der Zeitschrift „Die Telefunken-Röhre" entnommen.
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Gleich gut trotz Verkleinerung der Systeme

Trotz der erheblichen Verkleinerung der Systeme hat sich die Leistungsfähigkeit der Röhren, insbesondere deren Steilheit, nicht geändert. Als Beispiel hierfür sei wiederum die für den Verstärkertechniker besonders wichtige Röhre AC 2, die Nachfolgeröhre der allbekannten REN 904, angeführt, deren Steilheit 2,5 mA/V beträgt. Die beiden Diagramme Abb. 2 und 3 geben in Verbindung miteinander genaue Anhaltspunkte für deren Anpassung bzw. die geeignete Wahl des Anodenwiderstands (Ra).

Aus Abb. 3 ergibt sich wohl, daß der erzielbare Verstärkungsfaktor durch Vergrößerung von Ra über 100.000 Ohm praktisch nicht weiter erhöht werden kann, während jedoch die Arbeitskennlinien der Abb. 2 zeigen, daß durch eine Erhöhung von Ra über 100.000 Ohm eine bessere Annäherung an die Gerade und damit ein kleinerer Klirrfaktor erzielt werden kann.
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Neu : erhebliche Verkürzung der Anheizzeit

Selbstverständlich betrifft ein Teil der jüngsten Konstruktionsfortschritte der Röhre die Kathode. Es gelang, eine Schnellheizkathode zu schaffen, die eine erhebliche Verkürzung der Anheizzeit mit sich brachte. Hierbei ist unter Kathode die dünne Schicht zu verstehen, mit der das indirekt beheizte Metallröhrchen überzogen ist, in dessen Innerem sich der Heizfaden befindet, dessen Heizleistung nunmehr einheitlich - einerlei, ob die Heizspannung 4 oder 6,3 oder 13 oder 55 Volt beträgt -- mit 2,5 Watt bemessen wurde.

Den Tonfilmtechniker interessiert ferner die indirekt aus Batterien beheizte Röhre, die allenfalls für transportable Geräte in Betracht kommt und bei der eine möglichste Herabsetzung der Heizleistung erstrebenswert ist. Auf diesem Gebiete ist in allerjüngster Zeit ein gewaltiger Fortschritt zu verzeichnen, indem es gelang, die - von Telefunken und Valvo in gleicher Weise bezeichnete - E-Serie von mit 6,3 Volt Heizspannung indirekt beheizten Röhren durch einige Typen zu bereichern, deren Heizleistung nur noch 60% der früheren, nämlich 1,5 Watt beträgt.

Das Material der emittierenden Schicht ist unwichtig

Bei dieser Neuentwicklung spielte die Frage des Materials der emittierenden Schicht gar keine Rolle, da diese außerordentlich dünn ist und für die Frage der Wärmeabstrahlung nicht in Betracht kommt.

Auf diese Frage lief aber das Problem der Herabsetzung der Heizleistung heraus, da ein Weg gefunden werden mußte, die Strahlungsverluste der Kathode, das ist die von ihr an den Glaskolben abgestrahlte und von diesem an die Umgebung weiter abgegebene Wärme, herabzusetzen.

Hier kam vielmehr nur das indirekt beheizte Metallröhrchen in Betracht, das den Träger der emittierenden Schicht bildet. Die für dieses Röhrchen in Betracht kommende Zahl an Werkstoffen ist begreiflicherweise gering, weil nur von wenigen die Hauptbedingung erfüllt wird, den Emissionsvorgang nicht zu beeinflussen.

In dieser Beziehung hatte sich bisher das Nickel am besten bewährt, so daß es als Werkstoff für das Heizröhrchen ausschließliche Verwendung gefunden hatte. Die Versuche zeigten nun, daß bei dem heutigen Stand der Fabrikationstechnik Kupfer sich dem Nickel ebenbürtig verhält, während dessen Strahlungsverluste im in Betracht kommenden Ultrarotgebiet unvergleichlich geringer sind. Durch den Uebergang zum Kupfer als Werkstoff für das Heizröhrchen bei einigen E-Typen gelang sodann die geschilderte Herabsetzung der Heizleistung.
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Die direkt batteriegeheizten Röhren

Auch auf dem Gebiet der direkt batteriegeheizten Röhren mit 2 Volt Heizspannung sind verschiedene Neuerungen zu verzeichnen, die
sich insbesondere auf die Entwicklung verschiedener Empfängerröhren mit mehreren Gittern beziehen.

Aber auch das Gebiet der Niederfrequenzröhren ist im Produktionsjahr 1935/36 durch zwei interessante Typen bereichert worden, die "Treiberröhre" KC 3 und die zugehörige Endröhre KDD 1 mit zwei eingebauten symmetrischen Eingittersystemen.

Diese beiden Röhren ermöglichen den Bau von B-Verstärkern, die aus Batterien gespeist werden. Besonderes Interesse verdient die Endröhre KDD 1, weil hier ein neues, bei der Renode weiter unten noch zu besprechendes Bauprinzip erstmalig angewendet wird.

Durch Konstruktionsmaßnahmen wird nämlich das elektrische Feld im Röhreninnern so gestaltet, daß möglichst wenig Elektronen vom Gitter aufgenommen werden, wenn dieses positiv wird, der schädliche Gitterstrom also minimal ist.
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Umstellung auf Metallröhren bei RCA

Was nun Neuerscheinungen in anderen Ländern betrifft, so sei zunächst die seitens RCA erfolgte teilweise Umstellung auf Metallröhren hervorgehoben. Konstruktiv sind sie dadurch gekennzeichnet, daß der Quetschfuß fehlt und an seine Stelle Durchführungen durch die Bodenplatte der Eisenröhre treten, die durch Glas abgedichtet und isoliert werden, wobei die Abdichtung des als Eisenröhrchen ausgebildeten Pumpstutzens in der oberen Deckplatte und die Abdichtung dieser (mit aufgereihten Glasperlen versehenen) Zuführungen durch Punktschweißung bzw. Erhitzung erfolgt.

Dem Vorteil kleinerer Elektrodenkapazitäten stehen die offenbaren großen Fabrikationsschwierigkeiten entgegen, dem Vorteil der Kleinheit der Röhren selbst deren starke Erhitzung und Wärmeabstrahlung, durch die der Gerätestruktur wiederum zur Einhaltung großer Abstände von den anderen Schaltelementen genötigt ist, so daß die Gesamtgröße des Geräts sich durch Verwendung von Metallröhren keineswegs verkleinert.

Europa ist in der angenehmen Lage, ohne eigene Investitionen abwarten zu können, ob sich die Metallröhren in der Praxis bewähren werden. Irgendein Grund, sich mit ihnen schon heute näher zu beschäftigen, liegt keinesfalls vor.
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Das Prinzip einer Renode

Durchaus nicht neu ist das Prinzip einer als Renode bezeichneten Röhre, die angeblich demnächst in Dänemark herauskommen soll. Ihr Prinzip ist im Wesen das der Braunschen Röhre.

Die von der Glühkathode emittierten Elektronen passieren - im Gegensatz zur normalen Verstärkerröhre - nicht zuerst ein Gitter oder eine sonstige auf negativem Potential befindliche Steuerelektrode, sondern werden sofort von einer lochförmigen Hilfsanode angezogen, und diejenigen Elektroden, die diese Anodenöffnung passiert haben und zur Hauptanode strömen, werden durch Plattenanoden, an denen die Steuerwechselspannung liegt, gesteuert.

Durch den die Kathode umschließenden, negativ vorgespannten Wehnelt-Zylinder werden die Elektronen gebündelt. Viele Jahre zurückliegende deutsche Arbeiten haben ähnliche Wege beschritten. Immerhin verdient dieser Weg darum einiges Interesse, weil mit seiner Hilfe vollkommen gerade Röhrenkennlinien erzielt werden können, die kein Anlaufgebiet, also keinen unteren Durchhang aufweisen.

Die auf dem Gebiet der Braunschen Röhre geleisteten elektronenoptischen Arbeiten ermöglichen es jedenfalls, mit unvergleichlich fortgeschritteneren Methoden an das Problem heranzutreten, als dies bei der Renode geschah. Man hat jedenfalls den Eindruck, daß schon beim heutigen Bau normaler Verstärkerröhren gewisse Ergebnisse dieser Arbeiten die Konstruktionsformen beeinflußt haben, so daß diese Gedankengänge doch bereits wenigstens indirekt realisiert erscheinen.

Die Wunderröhre von Prof. Wladimir Zworykin

Schließlich ist noch des interessantesten der neu aufgezeigten Konstruktionswege zu gedenken. Der amerikanische Physiker Prof. Wladimir Zworykin führte nach amerikanischen Berichten vor kurzem in New York Röhren seines Laboratoriums vor, deren Verstärkungsziffer eine so ungeheure war, daß Lichttonfilm mittels einer einzigen Röhre auf Saallautsprechern wiedergegeben werden konnte.

Diese Verstärkungsziffern, die etwa in der Größenordnung von 10 hoch 8 ! liegen, erreicht Zworykin durch die Auswertung des Effektes der Sekundäremission, der sonst vom Röhrenbauer mit allen erdenklichen Mitteln bekämpft wird.

Prallen nämlich Elektronen auf eine Metallfläche auf, so machen sie aus dieser Elektronen frei, was selbstverständlich dann zu Störungen führt, wenn sich in der Nähe der gebildeten Wolke von Sekundärelektronen eine auf positiverem Potential liegende Elektrode befindet, von der sie angezogen werden.

Zur Verhinderung derartiger Störungen wurde bekanntlich z. B. das negativ geladene Brems- oder Fanggitter zwischen Anode und Schirmgitter und die Innengraphitierung des Röhrenkolbens eingeführt.

Zworykin konstruierte nun eine Röhre, bei der die aus der Primärkathode austretenden Elektronen auf eine Sekundärkathode fallen, die aus einer besonders stark emittierenden Schicht (Caesium auf oxydiertem Silberträger) besteht und aus der mehr Sekundärelektronen herausgeschlagen werden, als Primärelektronen auf sie fielen.

Die Zahl der ursprünglich ausgetretenen Elektronen wird also multipliziert. Zworykin begnügt sich aber nicht mit dieser einmaligen Multiplikation, sondern läßt die aus der zweiten Kathode ausgetretenen Elektronen auf eine dritte Kathode fallen usw., bis schließlich von der letzten Kathode der übliche Weg der Elektronen durch das Steuergitter hindurch zur Anode erfolgt.

Durch Zusammenwirken elektrostatischer und elektromagnetischer Felder wird erreicht, daß jede Elektronengruppe nur den ihr zugewiesenen Weg zurücklegt, so daß die schließlich zur Anode strömenden Elektronen ausschließlich der letzten Kathode entstammen.

Die Entwicklung dieser „Elektronen-Vervielfachungs-Röhre" erfolgte für den Sonderzweck der Fernsehsendung, bei der äußerst kleine Steuerspannungen zur Verfügung stehen, weshalb es hier besonders schwierig ist, ein erträgliches Verhältnis zwischen Nutz- und Geräuschspannung zu erzielen.

Es ist jedoch anzunehmen, daß das neue Prinzip der Elektronenvervielfachung sich durchaus nicht auf diesen einzigen Verwendungszweck beschränken, sondern daß man es insbesondere auch für das Gebiet der Niederfrequenzverstärkung heranziehen wird.
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Ein Artikel aus Kinotechnik Heft 8 - April 1936
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