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Achtung: Artikel und Texte aus NS/Hitler-Deutschland 1933-45

Nach der Gleichschaltung der reichsdeutschen Medien direkt nach der Machtübernahme in Februar/März 1933 sind alle Artikel und Texte mit besonderer Aufmerksamkeit zu betrachten. Der anfänglich noch gemäßigte politisch neutrale „Ton" in den technischen Publikationen veränderte sich fließend. Im März 1943 ging Stalingrad verloren und von da an las man zwischen den Zeilen mehr und mehr die Wahrheit über das Ende des 3. Reiches - aber verklausuliert.
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Zur Geschichte der Kinematographie (Stand Frühjahr 1939)

aus KINOTECHNIK 1939 - Heft 8 / Aug - Zeitschrift für die Technik im Film
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- herausgegeben von Rudolph Thun - Im Einverständnis mit dem Ausschuß für Geschichte der DKG - Es erscheinen noch Veröffentlichungen über die geschichtliche Entwicklung der Kinematographie, die mit den nachweisbaren Tatsachen nicht übereinstimmen und welche den wertvollen Anteil Deutschlands an der Entwicklung der Kinematographie falsch darstellen.
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I.Wiedergabe von Bewegungen durch Phasenbilder

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P. M. Roget, London, untersucht 1824 die Erscheinungen, die das Speichenrad eines rasch fahrenden Wagens zeigt, wenn es durch einen Zaun hindurch beobachtet wird.
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Auf Grund dieser Arbeiten führt Joseph Plateau, Brüssel, 1828/29 Untersuchungen an Zahn- und Speichenrädern durch und macht unabhängig von diesen Arbeiten erstmalig Versuche zur Bestimmung der Verschmelzungsfrequenz von Helligkeitswechseln.
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Michael Faraday, London, führt 1830/31 unabhängig von Plateau, aber ebenfalls auf Roget bezugnehmend, auch Beobachtungen an Zahn- und Speichenrädern durch und entwickelt die Faradaysche Scheibe, die einfachste Form des Lebensrades.
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Simon Stampfer, Wien, und Joseph Plateau, Brüssel, führen unabhängig voneinander die Versuche Faradays weiter und erfinden ebenfalls unabhängig voneinander um die gleiche Zeit (1832) die gleiche Ausführungsform des Lebensrades.
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W. G. Horner, England, beschreibt 1833 erstmalig als Wundertrommel diejenige Form, die sich als Kinderspielzeug bis heute erhalten hat und die allen späteren Erfindern von Fortschritten in der Kinematographie bekannt war.
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Charles Wheatstone, England, fertigt 1868 ein Lebensrad mit sprungweise bewegter Bildscheibe an, ohne damit weiter Erfolge zu erzielen. Linett, England, erfindet 1868 den Taschenkinematograph in Buchform.
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J. Clerk Maxwell, Schottland, stellt eine Wundertrommel mit optischem Ausgleich durch Konkavlinsen 1869 her.
Reynaud, Paris, baut 1877 eine Wundertrommel mit optischem Ausgleich durch bewegte Spiegel.
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2. Projektion von bewegten Phasenbildern

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Franz von Uchatius, Wien, baut 184-5 das erste Projektionslebensrad, verbessert es 1853 durch eine Art des Bildwechsels, die der bei Nebelbilderapparaten bekannten entsprach.
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Ludwig Döbler kauft den Apparat und führt als erster gewerbsmäßig lebende Lichtbilder damit vor.
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Um 1870 stellte der englische Ingenieur Beale unter der Bezeichnung Choreutoskop ein Projektionslebensrad, her, dessen Bildscheibe durch ein Einzahnrad in Verbindung mit einem zehnteiligen Kreuz sprungweise bewegt wurde.
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Reynaud, Paris, verbindet 1882 seine Wundertrommel mit optischem Ausgleich durch Spiegel mit einem Projektionsapparat und baut 1888 die Anordnung zur Verwendung von Bildbändern aus, die aus Stücken zusammengeklebt wurden und mit einer Art Perforation versehen waren. Er stellte insgesamt drei gezeichnete Lustspiele her, deren längstes auf einem 50 m langen Bande 700 gezeichnete Bilder enthielt und veranstaltete damit seit 1892 stark besuchte Vorführungen.
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3. Die Entwicklung zum heutigen Kinematographien über die Reihen Photographie

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Eadweard Muybridge, Kalifornien, macht 1872 bis 1885 eine große Anzahl photographischer Reihenaufnahmen aller möglichen menschlichen und tierischen Bewegungen. Er benutzte hierzu eine Batterie von Aufnahmekameras, die nacheinander in Tätigkeit gesetzt wurden. Die Aufnahmen wurden in dem elfbändigen Werk: Animal Locomotion, Philadelphia 1887, veröffentlicht. Er benutzte die Bilder auch für das Lebensrad und für das Projektionslebensrad.
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Ottomar Anschütz, Lissa, später Berlin, nimmt 1885 ähnlich dem Muybridgeschen Verfahren Reihenbilder mit einer von ihm entwickelten verbesserten Aufnahmeapparatur auf.
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1887 erfindet Anschütz den elektrischen Schnellseher, dessen Bau Siemens & Halske 1891 aufnimmt und der eine weite Verbreitung findet.
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1894 entwickelt Anschütz auch einen Projektionsapparat, den er am 25. November 1894 im Hörsaal des Postgebäudes, Berlin vorführte und mit dem vom 22. Februar 1895 ab regelmäßig in Berlin öffentliche Vorführungen gegen Eintrittsgeld stattfanden. Dies waren die ersten „lebenden Photographien", die in Lebensgröße in Europa gezeigt wurden. Er benutzte seinen Doppelprojektor (DRP 85791 vom 5. November 1894) durch welchen die Bildscheiben periodisch geschaltet wurden. Im September 1887 erschien in einer amerikanischen Fachzeitung eine ausführliche Beschreibung der Aufnahmekamera und des elektrischen Schnellsehers von Anschütz, allerdings entsprach die Beschreibung der Aufnahmekamera nicht der Wirklichkeit.
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Unmittelbar nach der Veröffentlichung dieses Aufsatzes wurde Dickson von Edison beauftragt, Versuche durchzuführen, die dieser Beschreibung entsprachen und die später zur Entwicklung des Kinetoskopes führten. Am 24. August 1891 reichte Edison ein amerikanisches Patent auf eine Aufnahmekamera und ein perforiertes Bildband als Bildträger ein, das später unter Nr. 589168 erteilt wurde. 1893 kam Edison mit dem Kinetoskop heraus, einem Betrachtungsapparat für Filmbänder, deren Abmessungen dem heutigen Normalfilmformat entsprechen, und er brachte von diesem Zeitpunkt ab laufend solche Bildbänder in den Handel. Edison brachte zu diesen Bildbändern einen Projektionsapparat erst 1896 heraus. Kurz nach dem Erscheinen der Edisonschen Filme, die mit ungefähr 50 Bildwechseln je Sekunde aufgenommen wurden, sind von verschiedenen Stellen (Leroy 1894, E. Armat 1894/95 u. a.) in Amerika Projektionsapparate gebaut und benutzt worden, die diese Filme mit 15 bis 18 Bildwechseln in der Sekunde vorführten.
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1895 brachten die Brüder Lumiere in Lyon einen Aufnahme- und Wiedergabeapparat heraus für einen Film mit den gleichen Abmessungen wie der Edinsonsche, nur mit 2•1 statt 2•4 Perforationslöchern je Bild, und einer Bildwechselzahl von 15 Bildern je Sekunde. Mit diesem Apparat, der in der ganzen Welt als „Cinematographe" bekannt wurde, wurden erstmalig am 22. März 1895 in der "Societe d'encouragement a Pindustrie nationale" lebende Photographien vorgeführt. Die erste Veröffentlichung einer Beschreibung dieses Apparates erfolgte durch A. Gay in der Revue generale des Sciences pures et appliquees am 30. Juli 1895. Der Öffentlichkeit gegen Eintrittsgeld zugängliche Vorführungen fanden am 28. Dezember 1895 ab im Grand Cafe, Paris, statt.
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Die Vorführungen von Lumiere erregten das Interesse der Pariser Öffentlichkeit aufs stärkste und wurden Anlaß, daß auch von anderer Seite in Europa der Bau von Projektionsapparaten aufgenommen wurde. Der Lumieresche Apparat benutzte für Aufnahme und Wiedergabe den Greifer, der sich bis heute für die Aufnahme erhalten hat, der jedoch für die Wiedergabe eine zu starke Beanspruchung des Bildbandes bedeutet. R. W. Paul, London, der 1894 das Edisonsche Kinetoskop nachgebaut und im Frühling 1895 einen Aufnahmeapparat entwickelt hatte, mit dem er Normalfilme für das Kinetoskop herstellte, baute vom März 1896 ab ebenfalls Projektionsapparate, von denen er im Laufe des Jahres 1896 156 Stück in den Handel brachte.
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Oskar Meßter, Berlin, der sich seit Februar 1896 mit der Konstruktion von Kinoprojektoren beschäftigte, wurde durch einen mangelhaft nachgebauten Paulschen Projektor im April 1896 angeregt, eine eigene Bauart zu entwickeln. Im Mai 1896 wurde der erste Apparat dieser Art mit fünfteiligem Malteserkreuz fertiggestellt und am 3. Juni 1896 verkauft; im Laufe des Jahres 1896 wurden noch weitere 63 Apparate abgesetzt. Diese Apparate mit kleinem vierteiligem Malteserkreuz mit tangentialem Eingriff wurden von Messter laufend verbessert und wurden das Vorbild aller späteren Projektionsapparate. In Deutschland waren die von Messter ab September 1896 hergestellten Aufnahmekameras für Normalfilm die ersten ihrer Art. Im Herbst 1896 begann Messter mit solchen Kameras, die er ab Oktober 1896 freihändig verkaufte, die industrielle Herstellung von Filmen mit einer Bildwechselzahl von 18 je Sekunde. Messter blieb als einziger von den bisher genannten Technikern der Filmherstellung 40 Jahre lang treu. Er war laufend auf allen Gebieten der Filmtechnik tätig und hat eine große Anzahl von Verbesserungen entwickelt und in die Praxis eingeführt.
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Zum Beispiel benutzte Meßter bereits 1897 das von ihm erfundene optische Kopierverfahren - DRP. 121591 -, welches die Grundlage aller optischen Kopierverfahren bildet. Der 1912 entwickelte Panzerkinematograph mit vollständig gekapseltem Filmlaufwerk, auswechselbarem Malteserkreuz, feststehender optischer Achse und selbsttätiger Schmierung wurde das Vorbild des heutigen vollständig gekapselten Vorführungsapparates. Ab 1900 führte Messter die von dem Berliner Mechaniker Max Gliewe erfundene Bildverstellung bei feststehender optischer Achse ein und benutzte ab 1902 bei allen Vorführungsapparaten die von dem Berliner Mechaniker Pätzold erfundene Dreiflügelblende. Damit wurden beide Erfindungen in die kinematographische Praxis eingeführt. Erst durch die Pätzoldsche Erfindung wurde das starke Flimmern beim Vorführen mit 16 bis 18 Bildwechseln/Sek. beseitigt und damit Filmvorführungen von längerer Dauer ohne unerträgliche Ermüdung der Zuschauer ermöglicht.
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Folgende Personen waren hauptsächlich beteiligt :

Die Entwicklung der Kinotechnik in ihren Anfängen kann also hauptsächlich folgenden Personen zugeschrieben werden, wobei jede folgende bewußt an die Arbeiten ihrer Vorgänger anknüpfte:

  1. Muybridge, Amerika, - photographische Reihenaufnahmen.
  2. Anschütz, Deutschland, - Schnellseher als Unterhaltungsmittel.
  3. Edison, Amerika, - Normalfilmformat, lange Bildbänder.
  4. Lumiere, Frankreich, - Projektion langer Filme zur Unterhaltung.
  5. Paul, England, - Gewerbliche Herstellung von Kinoprojektoren.
  6. Messter, Deutschland, - Grundform des heutigen Kinoprojektors.
  7. Pätzold, Deutschland, - Flimmerfreie Projektion durch Dreiflügelblende.


Neben dieser Entwicklungsreihe laufen in allen beteiligten Ländern Arbeiten anderer Forscher und Erfinder, die teilweise ohne Einfluß auf die weitere Entwicklung blieben, deren Ergebnisse teilweise später ebenfalls Verwendung fanden.

In Deutschland führte Max Skladanowsky, Berlin, zusammen mit seinem Bruder Emil am 1. November 1895 im Berliner Wintergarten lebende Photographien vor. Er benutzte einen Doppelprojektor mit zwei endlos geklebten Filmschleifen, jede Bewegungsperiode enthielt bis zu 48 Einzelbildern bei 8 Bildwechseln je Sekunde.

Aufnahmeapparat und Wiedergabeapparat waren von Max Skladanowsky entwickelt und selbst gebaut. Die Entwicklung der Kinematographie wurde durch ihn nicht beeinflußt. Heftige Pressefehden um Skladanowsky entstanden nach 1925. Die Ursache hierzu ist im wesentlichen darin zu suchen, daß Skladanowsky widerspruchsvolle Angaben über seine Arbeiten machte, besonders spätere Apparate und Filme fälschlich als seine Anfangsapparate und seine ersten Filme ausgab und Vorträge über seine Arbeiten hielt, die von nicht sachverständigen Zuhörern leicht mißverstanden werden konnten. Eine sachliche Beurteilung seiner Arbeiten wurde durch dieses Verhalten immer wieder unmöglich gemacht.

In Frankreich begann 1882 Jules Marey, angeregt durch die Arbeiten von Muybridge, ebenfalls mit Reihenaufnahmen. Er entwickelte eine große Anzahl von Aufnahmeverfahren und Aufnahmeapparaten und benutzte bereits 1887 ein sprungweise bewegtes Negativband.

Edison lernte 1889 auf seiner Pariser Reise Mareys Arbeiten kennen. Mareys Mitarbeiter Demeny entwickelte 1893 ein Schlägerwerk, das 1896 von der Firma Gaumont in Paris industriell verwertet wurde.

In Amerika wurde von Casler, der 1894 das später weit verbreitete Mutoskop mit Bilderwalze herausgab, im Jahre 1896 ein Vorführungsapparat mit Nockenschaltung in den Handel gebracht.

Benutztes Schrifttum.

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  • 1. Liesegang, F. Paul: Zahlen und Quellen zur Geschichte der Projektionskunst und Kinematographie. 1926 Deutsches Druck- und Verlagshaus G. m. b. H. (Hackebeil), Berlin - 125 Seiten. Tabellarische Geschichtszahlen mit Quellenangabe.
  • 2. Messter, Oskar: Mein Weg mit dem Film. 1936. Max Hesse Verlag - 150 Seiten - 158 Abb. Geschichtliche Schilderung der Arbeiten Messters und damit der Geschichte der deutschen Filmindustrie.
  • 3. Thun, Rudolph: Entwicklung der Kinotechnik. Deutsches Museum, Abhandlungen und Berichte. 1936. VDIVerlag, Berlin. 28 Seiten -11 Abbildungen. Kurzer Abriß der Geschichte der Kinotechnik.

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