60 Jahre Berichterstattung über Film und Fernsehen
Norbert Bolewskis gesammelte Rückblicke von 1947 bis 2007
1957 - es gab 800.000 Fernsehempfänger
Schon vor dem Kriege stand das Fernsehen in Deutschland durch die Pioniertaten vieler Techniker und Wissenschaftler an der Spitze aller Fernsehländer. Im Kriege kam dann alles zum Erliegen, und erst lange nach 1948 durften deutsche Fernsehtechniker wieder zu arbeiten beginnen. Daher verwunderte es nicht, dass sich die Zahl der zur Zeit 1957 angemeldeten rund 800.000 Fernsehempfänger neben denen anderer Länder recht bescheiden ausnahm.
Das zeigen besonders die Studios der einzelnen Rundfunkanstalten mit ihren technischen Einrichtungen. Sie zogen aus der gegeben Situation die Konsequenz, das in aller Welt bewährte Gute zu übernehmen, ohne sich selbst auf eigene langwierige Experimente einzulassen.
Trotzdem gab es eine Menge an Dingen, die zu wünschen übrig ließen, und die durch Eigenentwicklungen abgelöst wurden. Leider verbietet es der Umfang der Darstellung die sehr schönen Berichte bei den Einrichtungen des Bayerischen Rundfunks, des Hessischen Rundfunks, der Studios des Nord- und Westdeutschen Rundfunk-Verbandes und des Südwestfunks zu berichten, die ausführlich in der Ausgabe 4 vorgestellt wurden.
Die Bayerischen Studios beispielsweise wurden nach folgenden Gesichtspunkten entwickelt: Getrennte Wege für Programm und Technik, kurzer Weg von der Bildregie zu den Studios, gute Sichtmöglichkeiten von den Regieräumen in sämtliche Aufnahmestudios, leichte Transportmöglichkeit von Kulissen durch die Studiotüren, Schaffung möglichst vieler Fluchtwege, insbesondere aus den Räumen, in denen mit Film gearbeitet wird, akustische Trennung von Bild- und Tonregie sowie die Schaffung einer Beleuchterkanzel mit ebenfalls guter Einsicht in die Studios. Gegenüber heutigen Fernsehstudios gab es damals doch etwas andere Anforderungen.
1957 - Die Vinten Pumpe kommt
Vermehrt wird der Film auch wieder bei den verschiedensten Spezialgebieten im Bereich der Wissenschaft eingesetzt. Dazu gehören etwa Zeitraffer- und Zeitdehnergeräte, Apparaturen zur Röntgenkinematographie (Bild 34), Lichtblitzanlagen, Spezialausrüstung für die Filmaufnahme unter Wasser und andere für den Menschen unzugängliche Milieus. Die Ausgabe 5 widmete sich insbesondere diesen Themen und zeigte wie sinnvoll der Einsatz insbesondere der Schmalfilmtechnik bei den verschiedensten Disziplinen der Wissenschaft sein kann.
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(Holz-) Stative gehören im Allgemeinen zu den Dingen, die bei einer Nach-Berichterstattung meist übersehen werden. Allerdings war das Jahr 1957 die Einführung des sogenannten "Pumpstativs" (der Vinten Pumpe 556), das seinen Siegeszug in dieser und ähnlicher Form bis zum heutigen Zeitpunkt in den Fernsehanstalten begann. Es war die Firma Vinten aus England, die dieses neuartige Kamera- Pedestal entwickelte (Bild 35). Bei diesem Gerät ist das Kameragewicht durch eine hydraulische (eher pneumatisch, denn der Pumpen-Druck wird mit Stickstoff erzeugt) Vorrichtung ausgewogen, sodass der Kameramann durch extrem leichtes Anheben oder Drücken eine mühelose und vollkommen stoßfreie Auf- und Abfahrt auch extrem schwerer Kameras ausführen kann. Durch einen Fußhebel lässt sich die Kamera in jeder beliebigen Höhe festsetzen. Die Endstellungen betrugen bei diesem ersten Gerät minimal 25 inch und maximal 57 inch.
Die Deutschen brauchen wieder Normen
Die Normungsarbeit im Fachnormausschuss Kinotechnik stellte ein wesentliches Qualitätsmerkmal für die deutsche kinotechnische Industrie dar. Die deutsche Normungsarbeit fand ja auch, wie berichtet, auf der letzten ISO-Tagung in Stockholm große Anerkennung. Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Arbeit ist aber die Diskussion der erarbeiteten Normenblatt-Entwürfe auf breitester Basis.
Da dies — so heißt es wörtlich — bei einer international verbreiteten Zeitschrift am ehesten gegeben ist, wird die Kino-Technik in enger Zusammenarbeit mit dem Deutschen Normenausschuss, die Veröffentlichung der einschlägigen Entwürfe in Zukunft vornehmen. Sie wurden dann im Rahmen eines gesonderten Teils der Zeitschrift in zeitgerechter Folge veröffentlicht.
Man erreichte damit, dass die Normblatt-Entwürfe auch in die Hände jener Fachleute gelangten, die nicht vom Deutschen Normenausschuss direkt angesprochen wurden. Damit wurde eine größtmögliche Streuung sichergestellt. Diese Veröffentlichungen wurden viele Jahrzehnte lang durchgeführt, auch jetzt weisen wir auf neue Veröffentlichungen der Normen hin, ohne dies allerdings direkt als Norm-Entwürfe abzudrucken. Die Normen der Kino-Technik sind überwiegend fertig standardisiert. Es kommen heutzutage nur noch sehr wenige neue hinzu, umgekehrt werden jedes Jahr eine Reihe von Normen zurückgezogen, weil sie eigentlich nicht mehr zeitgemäß sind und die beschriebenen Verfahren gar nicht mehr verwendet werden.
Bei den Filmabtastern, die in Europa eingesetzt wurden, konnte man direkte Abtastverfahren ohne Speicherung verwenden, weil die Bildwechselzahl 24 Bildern/s praktisch identisch mit der Bildwechselfrequenz von 25 Bildern/s beim Fernsehen war. Filmabtaster nach dem Lichtpunktsystem wurden in England und Deutschland zu hoher Vollkommenheit entwickelt und waren für Übertragungen von Normal- und Schmalfilmen in großer Zahl in Betrieb. Parallel dazu begannen jetzt auch in Europa Filmübertragungsanlagen mit Vidikonröhren verwendet.
Vidikons wurden bis dato wegen ihrer vergleichsweisen Einfachheit im Aufbau und in der Arbeitsweise vorzugsweise für industrielle Anlagen benutztt. Es wurden ausgesuchte Vidikons gewählt, die sich für einen Speicher-Filmabtaster eignen. Insbesondere die Fernseh GmbH hatte hier einige interessante Entwicklungen, die behandelt wurden.