60 Jahre Berichterstattung über Film und Fernsehen
Norbert Bolewskis gesammelte Rückblicke von 1947 bis 2007
1982 - RCA und das "Hawkeye"
Im Jahre 1982 berichtete die FKT über den 1981 in Montreux vorgestellten Kamerarecorder von RCA. Das Unternehmen stellte als erstes einen Kamerarecorder vor, das "Hawkeye"- Modell (Bild 157); andere Unternehmen folgten, wie Sony (ebenfalls in Montreux) und dann auch Bosch-Fernseh. Allen gemeinsam war, dass es sich um eine Kamera mit eingebautem beziehungsweise angeflanschtem Recorderteil handelte, also um eine in sich geschlossene Aufnahme- und Aufzeichnungseinheit.
Um die Gerätekombination klein und leicht zu halten und die Bedienung zu vereinfachen, griff man dabei auf Band-Kassetten zurück, die in großen Stückzahlen für den Consumer-Markt gefertigt werden: RCA auf die "VHS"-Kassette, Sony auf die "Betamax"-Kassette (beide 1/2 inch) und Bosch-Fernseh gar auf die 1/4-inch-CVC-Kassette von Funai. Gewisse Parameter des Recorderteils waren damit vorgegeben, andererseits aber ist die Qualität der Amateur-Aufzeichnungssysteme für Broadcast-Anwendungen nicht akzeptabel, sodass mit geänderten Parametern gearbeitet werden musste.
Zu den grundsätzlichen Neuheiten gehörte die Art der Signalaufzeichnung, die RCA als "Chroma Track Recording" bezeichnete. Es handelt sich um ein Schrägspur-Aufzeichnungsverfahren, bei dem je Halbbild zwei Spuren gleichzeitig geschrieben werden, also um eine zweikanalige Aufzeichnung. Direkt von der Kameramatrix abgeleitet wird das Luminanz- Signal, das FM-moduliert auf Spur 1 aufgezeichnet wird.
Die Chrominanz-Information wird als I- und Q-Farbkomponente ebenfalls direkt von der Kameramatrix abgeleitet, FM-moduliert und auf Spur 2 aufgezeichnet. Es handelt sich also weder um ein Highband- noch um ein Lowband-Verfahren, sondern beide Informationen wurden als Basisband getrennt aufgezeichnet.
Neu: Mikrocomputer in der Fernseh-Studiotechnik
Der Einsatz von Mikroprozessoren in der Fernseh-Studiotechnik war eine konsequente Entwicklung, die sich aus der Miniaturisierung der elektronischen Bauelemente ergab. Horst Harmuth von Bosch-Fernseh zeigte an verschiedenen Beispielen auf, wo Mikrocomputer damals in der Fernseh-Studiotechnik sinnvoll eingesetzt werden könnten. Dabei kam der Befehlsübertragung über serielle Datenleitungen besondere Bedeutung zu. Im Gegensatz zu dem sinkenden Hardwareaufwand einer Mikrocomputer-Steuerung war der Software-Aufwand nach wie vor erheblich.
Einige Ideen für Mikroprozessorsteuerungen waren: Justier- und Abgleichfunktionen in Kameras (Rasterdeckung, Störsignalkompensation, Weißwert- und Schwarzwerteinstellung, Gradationseinstellung), im Filmabtaster Laufwerksteuerung, Bilderzähler, Zeitcodegeber (Bild 158), Regelung Zahnrolle/Capstan, weiter ging es über Anwendungen beim Editing und in der Mischung.
Wir berichteten über Kinefilme mit magnetischer Rückschicht - allerdings kamen die nie auf den Markt. Es war Ken Mason, Vizepräsident und General Manager der Kinefilm Division von Kodak, der im Juni 1982 in Hollywood ein Verfahren bekannt gab, das eine Wende in der Filmbearbeitung, aber auch bei Produktion und Wiedergabe, einleiten sollte. Kernpunkt war die Entwicklung einer vollkommen farblosen und durchsichtigen Magnetschicht, die während der Filmherstellung auf die Rückseite des Rohfilms aufgebracht wird.
Diese magnetische Schicht war vollkommen unabhängig von der photographischen Emulsion und sollte zu keinerlei Beeinträchtigungen während der Aufnahme, bei der Verarbeitung und bei der Wiedergabe führen - und das war, wie sich dann später herausstellte, wohl nicht ganz so. Mit dieser durchsichtigen Magnetschicht sollte über eine große Anzahl von Spuren innerhalb eines Filmbilds eine Informationsmenge aufgezeichnet werden können, die größer als der SMPTE-Code war. Jedes einzelne Filmbild wäre also gekennzeichnet gewesen - nicht schlecht, wenn es denn so einfach zu realisieren gewesen wäre.
Ein Farbbild mit nur einem Halbleitersensor ?
Ulrich Reimers beschäftigte sich in seiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter der TU Braunschweig insbesondere mit Farbfilter- Strukturen für Fernsehkameras mit einem Halbleiter-Bildsensor. Damals war allerdings die Kameraröhrenentwicklung noch in vollem Gange und zog ständige Verbesserungen nach sich. Bei Reimers war das Endziel der Entwicklung eine Kamera, in der ein komplettes Farbbild mit nur einem Halbleitersensor erzeugt wird. Er beschrieb die Strukturen streifenförmiger und mosaikförmiger Farbfilter, mit denen die Farbauszüge Rot, Grün und Blau auf die diskreten Bildpunkte eines solchen Bauelements verteilt werden können.
Theoretische Analysen sowie die Simulation von Halbleiter- Kameras mit den beschriebenen Farbfiltern führen zur Auswahl einer Filterstruktur, mit der bei geeigneter Signalverarbeitung im Kameraverstärker eine erst einmal für den Amateur akzeptable Bildqualität erzielt werden konnte.
Der WDR beschrieb seine im Filmbereich eigen entwickelte rechnergestützte Lichtbestimmung und Steuerung von Farbkopiermaschinen. Dabei wurde nach dem Bildzählverfahren gearbeitet; die Farblicht-Steuerwerte einschließlich der dazugehörigen Bildzahl wurden auf Floppy-Disk abgespeichert und steuerten dann die Lichtregelelemente der Kopiermaschine (Bild 159).
Das NDR-Experiment - ein "Straßenfeger"
Ein richtiger "Straßenfeger" war das NDR-Experiment "Wenn die Fernsehbilder plastisch werden". Im Februar 1982 strahlte der Norddeutsche Rundfunk zwei stereoskopische Sendungen aus, die bei den Zuschauern lebhafte Resonanz fanden. Dabei wurde auf die Grundlagen des seit über 100 Jahren bekannten Anaglyphen-Verfahrens zurückgegriffen.
Die beiden von zwei (zusammenmontierten) Fernsehkameras aufgenommenen Bilder wurden Rot und Grün eingefärbt. Zur Sichtbarmachung der stereoskopischen Wirkung war für den Zuschauer eine Rot-Grün-Brille notwendig. Sie musste in genügender Zahl und rechtzeitig zum Sendetermin erhältlich sein.
Das Problem von Herstellung und Vertrieb wurde von der Firma Zeiss gelöst. Sie erklärte sich Mitte 1981 bereit, 2 Millionen Brillen zu finanzieren und über die deutschen Optiker zu vertreiben. Niemand hatte damals angenommen, dass sich dieses Risiko für Zeiss auch wirtschaftlich so gut auszahlte. Über 10 Millionen Brillen wurden produziert und verkauft. Es gab einen Run auf die Brillen. Und kurz vor Beginn der ersten Ausstrahlung gab es in vielen Städten keine mehr - ausverkauft!
Die Stereo-Kamera bestand aus zwei Video- Farbkameras, eine wurde waagerecht, die andere senkrecht dazu angeordnet (Bild 160). Über halbdurchlässige Spiegel blicken beide Kameras dann im Augenabstand auf die Szene. Eine Nebeneinanderstellung zweier Kameras war aufgrund der damaligen Größe selbst kleiner Videokameras nicht oder nur mit zu großen Augenabstand möglich.
Nach den Sendungen sah sich der NDR genötigt mit aller Deutlichkeit darauf hinzuweisen, dass mit seinem dreidimensionalen Experiment kein neues System eingeführt werden sollte, zumal die Raumbildwiedergabe nicht auf Kosten der Farbe gehen darf. Ähnliche Versuche - dann mit Polfiltern und in Farbe wurde einige Jahre später vom IRT auf der IFA durchgeführt.