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60 Jahre Berichterstattung über Film und Fernsehen
Norbert Bolewskis gesammelte Rückblicke von 1947 bis 2007

20 Jahre FTG (Fernsehtechnische Gesellschaft)

Im Oktober 1972 fand die 20. Jahrestagung der FTG (der Fernsehtechnische Gesellschaft) in Braunschweig statt, die zugleich auch die letzte war. Denn in der Vergangenheit geführte Gespräche zwischen Deutschen Kinotechnischen Gesellschaft für Film und Fernsehen (DKG) und der Fernseh-Technischen Gesellschaft (FTG) hatten es wegen der zunehmenden Verflechtung der von beiden Gesellschaften vertretenen technischen Disziplinen sinnvoll scheinen lassen, die beiderseitigen Interessen in einer gemeinsamen Gesellschaft zusammenzufassen, um dadurch die technisch- wissenschaftlichen Interessen zu koordinieren und die Effizienz der Arbeit zu erhöhen. Am 9. Oktober 1972 wurde in einer gemeinsamen Sitzung zahlreicher Mitglieder beider Gesellschaften die Vereinigung zur Fernseh- und Kinotechnischen Gesellschaft (FKTG) beginnend am 1. Januar 1973 beschlossen.

1973 - die Olympiade ist verdaut, neue Ideen kommen auf.

Ägyptisch-israelischer Krieg in Nahost, die Watergate-Affäre entwickelt sich zur Krise um Präsident Nixon und die internationale Ölkrise führt zum ersten autofreien Sonntag (25. November) in der Geschichte der Bundesrepublik, dem im Jahr darauf weitere folgten. Und an Kultfilmen: Vor allem "Das große Fressen" unter anderem mit Marcello Mastroianni schockiert das Publikum nicht nur wegen der derben Sex-Szenen. Es sind besonders die "Fress-Szenen" mit den überdeutlich hörbaren Verdauungsgeräuschen und Blähungen, die dazu führten, dass in einigen Kinos Zuschauer in Ohnmacht fielen oder sich übergeben mussten.

 

Unvergleichlich gesitteter ging es da bei der ersten Regionalveranstaltung der FKTG am 17. Januar 1973 im festlichen Rahmen im Musikstudio 1 der Studio Hamburg Ateliergesellschaft vor. Prof. Walter Bruch hielt den Festvortrag anlässlich der Vereinigung der beiden Gesellschaften, der am 30. April 1920 gegründeten DKG, der Deutschen Kinotechnischen Gesellschaft, mit der am 5. Dezember 1952 gegründeten FTG, der Fernseh-Technischen Gesellschaft, zur FKTG.

 

Technisch gesehen begann das Zeitalter der Nachrichtenreduktionsverfahren, das sich atemberaubend bis zu heutigen Tag nicht nur in der Theorie sondern auch praktisch sichtbar entwickelte. Den Auftakt in der FKT begann Prof. Schönfelder mit seinem zweiteiligen Beitrag über die "Nachrichtenreduktion in der Fernsehtechnik". Unter Beachtung neuerer psycho-physiologischer Erkenntnisse und Berücksichtigung moderner technologischer Methoden wurden die Möglichkeiten der Irrelevanzreduktion untersucht. Bei digitaler Übertragungstechnik kann man effektive Redundanzreduktionsverfahren anwenden, die sich damals aber in der Praxis in den meisten Fällen nur als einfache Dekorrelation der statistischen Bindungen zwischen geometrisch oder zeitlich benachbarten Bildelementen realisieren ließen. Die Differenz-Pulscodemodulation (DPCM) erlaubt eine weitgehend exakte Dekorrelation und wird daher bevorzugt angewendet. Es wurde ein adaptiver DPCM-Coder als optimale Lösung vorgestellt.

Philips stellt die "LDK5" vor

Von Philips wurde eine vollkommen neue Studiokonzeption entwickelt, nämlich auf der Basis einer digital gesteuerten Farbfernsehkamera. Das Besondere war, dass die neue Farbfernsehkamera vom Typ "LDK5" (Bild 112) vom bislang nötigen Steuergerät unabhängig war und die gesamte zur Erzeugung eines zeit- und phasenfehlerfreien PAL-Signals erforderliche Elektronik enthielt. Es wurden nur die zur betriebsmäßigen Einstellung dieses Signals notwendigen Einstellungen mittels codierter digitaler Regelsignale vom Steuergerät aus vorgenommen. Voraussetzung für dieses System war die weitestgehende Anwendung der damals neuesten Erkenntnisse und Entwicklungen auf den Gebieten der Halbleiter- und Digitaltechnik.

 

Durch Einbau eines Datenspeichers in die Kamera konnten in zweierlei Hinsicht bedeutende Vorteile erzielt werden: Der Regeldatenfluss zur Kamera ließ sich auf nur die bei Einsteller- Veränderungen am Kontrollpunkt entstehenden Daten- Änderungen reduzieren, weil unveränderte Daten fortlaufend als konstant bleibende Werte aus dem Speicher ausgelesen und an die entsprechenden Regelkreise mit einer Übertragungsgeschwindigkeit von nur 2400 Baud (geeignet für Fernsprechleitungen) übertragen wurden. Bei einer Sampling-Periode von 45 ms war die Folgegeschwindigkeit der Regelkreise 22 Schritte je Sekunde, so dass selbst bei schnellen Einsteller- Änderungen der Eindruck der Gleichzeitigkeit erhalten blieb.

 

Von den verschiedenen Möglichkeiten der Hintergrundgestaltung mit optischen und elektronischen Mitteln im Fernsehstudio hat sich im Wesentlichen die elektronische Stanzmethode, bekannt als Inlay- und Overlay-Technik, durchgesetzt. Dieses elektronische Stanzverfahren war schon in den Schwarzweiß- Studios bekannt, wurde dort jedoch sehr selten eingesetzt. Erst das Farbfernsehen brachte diese Technik wieder zur neuen Blüte, und zwar in Form des Chroma-Key-Verfahrens. Ein erster Bericht über das Verfahren und die Anwendungen - leider damals aus Kostengründen als Schwarzweißdruck - wurde im Sommer des Jahres 1972 vorgestellt (Bild 113).

 

Mit der Bezeichnung "PB 41-16" (Bild 114) stellte W. Albrecht ein neues Projektionsgerät für 16-mm-Film vor. Es wird für den optischen Ausgleich ein neu entwickeltes Polygonprisma mit 24 Flächen benutzt. In Verbindung mit der elektronischen Antriebssteuerung "Syntronic" kann der Bildfilm mit Geschwindigkeiten zwischen 0 und 150 B/s vorwärts und rückwärts mit gleichbleibender Bildqualität projiziert werden. Dieses Gerät hat sich vor allem in Synchronstudios sehr bewährt und wurde zu einem "Renner".

1974 - Das Fernsehen übernimmt die Funktion der Wochenschau

Helmut Schmidt wird Bundeskanzler, das war wohl zumindest innerdeutsch das interessanteste dieses Jahres. Die Wochenschau - eine für das Kino produzierte, wöchentlich neu erstellte Zusammenstellung von Filmberichten über politische, gesellschaftliche und kulturelle Ereignisse - verlor durch die Nachrichtensendungen des Fernsehens immer mehr an Bedeutung und wurde nach und nach eingestellt. Auch den meist kulturellen Vorfilm begann man aus Kostengründen abzuschaffen, und die jüngeren Kinogänger heute kennen so etwas, abgesehen von Trailern für die Filmwerbung vor dem Spielfilm, gar nicht mehr. Der deutsche Film begann sich zu regen, "Effie Briest" und "Angst essen Seele auf" von R.W. Fassbinder erhielten auch hohe internationale Anerkennung.

 

In den Fernsehstudios, insbesondere aber für Außenübertragungen, wünschte man sich Zoomobjektive mit einem großen Brennweitenbereich. Es gab schon erste sehr interessante Ansätze mit hochwertigen Objektiven der englischen Firma Cook, aber es war doch eine Sensation als die Firma Schneider das TV-Variogon 2,1...6,3/20...600 mm mit 30-fachem Brennweitenbereich entwickelte und in der FKT 1974 vorstellte (Bild 115).

 

Das Besondere war dabei die sogenannte Innenfokussierung, das heißt, durch Verschieben mehrerer Innen-Linsenglieder wurde eine Brennweitenänderung erreicht, ohne dass das Objektiv in seiner Baulänge geändert wurde. Dies verlangte neben der hohen Ingenieurleistung im Bereich der Optik mindestens gleichwertige mechanische Leistungen, um die unterschiedlichen, teils gegenläufigen Verstellwege im Objektiv zu realisieren.

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