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60 Jahre Berichterstattung über Film und Fernsehen
Norbert Bolewskis gesammelte Rückblicke von 1947 bis 2007

1975 - Vietnam ging Zuende

Weltgeschichtlich gesehen war das Jahr 1975 vor allem bedeutend, weil der Vietnamkrieg endete. Man geht heute davon aus, dass mindestens 56.000 Gefallene (auf amerikanischer bzw. alliierter Seite) zu betrauern sind. Kulturell etablierte sich der neue Deutsche Film mit den Namen Fassbinder, Wim Wenders und Volker Schlöndorff. Dass die USA im gleichen Jahr die Übernahme des metrischen Systems vorbereiteten und einführten, wissen wohl die meisten Amerikaner bis heute noch nicht. Für einige mag es vielleicht auch wichtig sein, dass Muhammad Ali Weltmeister im Schwergewicht blieb. Für die FKT begann das neue Jahr mit der Übernahme durch einen neuen Verlag, den Hüthig und Pflaum Verlag, München/ Heidelberg, und zwei Jahre später wurde sie vom Hüthig-Verlag übernommen.

 

Man hörte über Fortschritte auf dem Gebiet der röhrenlosen Fernsehkameras in den USA. Wesentlicher Bestandteil war ein ladungsgekoppelter CCD-Bildwandler. Diese Charged Coupled Devices sind neuartige Silizium- Schaltungen. Sie wurden in der Ausgabe 4 sowohl von ihrem Funktionsprinzip als auch von ihrem Einsatz anstelle von Fernsehbildröhren ausführlich behandelt. Es zeigt sich bereits bei den ersten Entwicklungen, dass sie eine Reihe von Vorteilen gegenüber den Fernsehbildröhren in den Kameras hatten, so zum Beispiel geringeres Rauschen, kein Nachziehen und keinerlei Mikrophonie. Größe und Gewicht sowie die niedrigere Leistungsaufnahme waren weitere Vorzüge.

"Ihr Einsatz" - so schrieb der damalige Autor - "wird sich wegen der sehr hohen Kosten mehr auf experimentelle Anwendungen beschränken. Früher oder später werden sie jedoch Eingang in Fernsehkameras finden. Die heute (damals) schon denkbare Anwendung ist beispielsweise die Bestückung einer Reportagekamera mit einer Röhre für den Luminanzkanal und zwei CCDs für die Farbkanäle". Tatsache war, dass diese CCDs viel schneller als erwartet die bisherigen Röhrenkameras ablösten und innerhalb kürzester Zeit zum Stand der Technik wurden. Die anfänglichen Schwierigkeiten wie hoher Dunkelstrom und vor allem die anfangs noch sehr starke Überstrahlung konnte man relativ schnell in den Griff bekommen.

Deutsches TED und das US "Selecta-Vision"-Bildplattensystem

Es war die Zeit, in der man den Einruck hatte, dass ständig neue Aufzeichnungssysteme auf den Markt kommen. Etwa gleichzeitig mit dem Start des TED-Bildplattensystems in der Bundesrepublik Deutschland stellte RCA in New York das "Selecta-Vision"-Bildplattensystem vor. Im Mai 1975 wurde es in der FKT vorgestellt. Es handelte sich um ein für den Heimgebrauch konzipiertes Video-Speicher und Wiedergabesystem für bespielte Bildplatten. Es war ein kapazitives Abastsystem mit einer mechanischen Zwangsführung des Abtaststiftes über die aufgezeichneten Signalspuren (gerillte Platte) und machte damit teure Servosysteme für die Steuerung des Abtastsystems überflüssig. Einer der Nachteile dieses Systems war aber, dass wegen der niedrigen Drehzahl (450 U/min) bei jeder Umdrehung der Platte vier Vollbilder aufgezeichnet wurden, so dass es für die Standbildwiedergabe und für Zeitlupeneffekte weniger geeignet schien.

Jede Platte hatte eine Stunde Spielzeit - 30 Minuten je Plattenseite. Die Videoplatte selbst hatte die damals übliche Form der 30-cm-Langspielplatte und wurde aus den üblichen Kunststoff-Pressmassen hergestellt. Die eigentliche Information wurde in den spiralförmigen etwa 272 Rillen pro Millimeter in Form von auf dem Rillenboden eingedrückten Querrillen mit variabler Breite und variablen Abstand aufgezeichnet. Der Abtaststift bestand im Wesentlichen aus einem der Rillenform angepassten Saphir mit einer senkrecht zur Rille aufgebrachten Metallelektrode (Bild 122).

 

Einige Jahre zuvor war die Einfügung von Prüfzeilen und deren Parameter in das Fernsehbild standardisiert worden. Allerdings waren die Vorstellungen der verschiedenen Institutionen im In- und Ausland über die automatische Qualitätskontrolle von Fernseh-Übertragunseinrichtungen durch diese Prüfzeilen sehr unterschiedlich. Sehr große Anerkennung fand damals der von Rohde & Schwarz entwickelte Prüfzeilen-Messwertgeber "UPF", der die verschiedensten technischen Möglichkeiten zur Realisierung eines Prüfzeilen-Mess und Überwachungssystems gestattete. An vier einfachen Beispielen wurde der Einsatz dieses Geräts zur automatischen Qualitätsüberwachung während des laufenden Fernsehprogramms vorgestellt.

BBC stellt ein experimentelles digitales Aufzeichnungsgerät vor

Ende 1974 wurde erstmals von der Forschungsabteilung der BBC ein experimentelles digitales Aufzeichnungsgerät vorgestellt, das 1975 in der FKT näher behandelt wurde. Es wurde auf ein 1" breitem Magnetband aufgenommen. Das vorgestellte Gerät war ein Labormuster und war nicht als Prototyp für den Betriebseinsatz vorgesehen. An ihm sollten weitere Untersuchungen bei der Anwendung digitaler Aufzeichnung geprüft werden. Als Ziel schien eine lineare Packungsdichte vor 20 kbit/inch und Spur vernünftig. Verfügbar war ein Gerät mit der parallelen Datenaufzeichnung von 42 Spuren auf 1 inch breites Magnetband, das man deshalb dafür wählte.

Zwei Spuren wurde als Reserve vorgesehen, so dass die gesamte Bitrate auf 40 Spuren verteilt wurde. Die Datenrate für jede Spur war dann 2,66 Mbit/s. Bei der normalen Bildgeschwindigkeit von 120 inch/s war die Packungsdichte dann 22,2 kbit/inch. Mit dieser Dichte konnte das Gerät 8 Minuten Farbfernsehsendungen mit 625 Zeilen aufnehmen (Bild 123).

 

Für das aktuelle Fernsehen, also News, bildeten die Aufnahmen auf Film, insbesondere auf 16-mm-Film, die Basis. Riesige Mengen dieses Materials wurden tagtäglich eingesetzt, und zwar vorzugsweise als Farbumkehrfilm. Dieser Film benötigte eine relativ lange Verarbeitungszeit und musste sehr präzise belichtet werden. Es war deshalb für alle Kameraleute eine große Erleichterung, als Kodak 1975 mit dem sogenannten VNF-7240 auf den Markt kam, wobei VNF für Video Newsfilm steht. Gleichzeitig wurde ein neuer, verkürzter Prozess der Umkehrentwicklung, der Prozess VNF-1, eingeführt, der um rund 20 Prozent kürzer war als der bisherige Umkehrprozess und bei 14 Minuten lag. Das Filmmaterial entsprach hinsichtlich Farbwiedergabe und Bildqualität dem bisher benutzten Ektachrome- Film 7240 und ließ sich um ein, zwei oder drei Blenden bis zu einem Belichtungsindex 1000 ASA forciert entwickeln.

 

Bereits seit mehreren Jahren beschäftigten sich Fachleute in aller Welt mit dem Problem, in den ungenutzten Zeilen des Fernsehsignals zusätzliche Informationen zu übertragen. Das schien aussichtsreich, weil die Austastintervalle im Fernsehsignal, die keine Bildinformation enthalten, beachtlich groß sind. Die Frage allerdings war, in welcher Weise man diese freie Kanalkapazität nutzen konnte. Und da gab es in den Jahren davor zahlreiche Vorschläge zum Thema "zusätzliche Informationsübertragung beim Fernsehen". Das Mitsenden von Messsignalen über sogenannte Prüfzeilensignale war nur eine mögliche Nutzung, die allerdings in den Jahren davor schon standardisiert wurde. Ebenso wie die Mitsendung von Prüfzeilen hatte aber auch die Tonübertragung in den Austastlücken des Fernsehsignals bereits Eingang in die Betriebspraxis gefunden.

 

Es gab aber nun auch die Idee, zusätzliche Bild- oder Faksimile- Informationen in diesen Zeilen zu übertragen, was sich zumindest auf Sendeseite mit relativ geringem Aufwand realisieren ließ. Wesentlich günstigere Aspekte ergeben sich, wenn man zusätzliche Informationen aber in digitaler Form überträgt. Und schließlich könnte man in den Signalen auch Informationen für den Zuschauer unterbringen, so zum Beispiel die Programmkennung, die Uhrzeit, eine Themenkennung oder gar Untertitel für einen begrenzten Zuschauerkreis. Alle diese Dinge, die also später beim Videosystem zum Beispiel realisiert wurden, waren hier also schon angedacht.

Erste computergesteuerte Tricktische

Was die Trickfilmtechnik anbelangt, so hatte sie sich in den letzten Jahren erheblich weiterentwickelt. War es noch bislang üblich, bei jedem Phasentrick Einzelbild für Einzelbild manuell zu belichten, so wurden jetzt erstmals computergesteuerte Tricktische vorgestellt, die einen vollautomatischen Programmablauf ermöglichten. Bild 124 zeigt den Tricktisch "212" von Neilson-Hordell. Steuerbar ist die gesamte Anlage über ein sogenanntes Digital-Computer-System, das aus einem Minicomputer, einem Schrittschaltmotor und einem Datengeber besteht. Objektiv-, Kamera- und Tischbewegung ließen sich über den Datengeber bzw. über das Steuerpult in den Minicomputer eingeben. Der im Online- Betrieb arbeitende Computer berechnete die nötigen Daten und steuerte entsprechend den eingegebenen Werten den Trickablauf kontinuierlich automatisch.

 

Auch in Deutschland begannen umfangreiche Arbeiten zur digitalen Codierung von Fernsehbildern. Denn die Übertragung eines Farbfernsehsignals mit Straight-PCM erforderte eine sehr hohe Bitrate. Es wurde insbesondere im Institut für Rundfunktechnik für die Reduktion der Bitrate eine Reihe von digitalen Codiermethoden untersucht. Es zeigte sich, dass Codiermethoden gewählt werden sollten, abhängig vom Codierzweck. In den meisten Fällen waren unbedingt Kammfilter erforderlich. Weitere Arbeiten in den kommenden Jahren schlossen sich an.

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