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60 Jahre Berichterstattung über Film und Fernsehen
Norbert Bolewskis gesammelte Rückblicke von 1947 bis 2007

1972 - Bewährungsprobe für deutsche Technik

Richard Nixon wird mit großer Mehrheit zum zweiten Mal zum Präsidenten der USA gewählt. Der Film "Cabaret" mit Liza Minelli erhielt acht Oscars. Und in Deutschland boomt der Film: allerdings anders als vielleicht erwartet, denn mit Schulmädchen-, Hausfrauen- und Schwesternreports findet die Sex- und Pornowelle im Film eine pseudowissenschaftliche Basis und damit viele Zuschauer. Edward Land entwickelte die erste elektronische Sofortbildkamera für Farbaufnahmen, die SX 70. Der durchschnittliche Arbeitslohn eines Deutschen lag bei 1165 DM.

 

Die - später leider durch die Ermordung israelischer Sportler überschattete - Olympiade im Herbst des Jahres 1972 in München lag in der Luft, im wahrsten Sinne des Wortes. Denn bereits im Januar wurde in der FKT das neue röhrenlose Fernsehreportagegerät "FM TV/13000" für die Fernsehbildübertragung von den Olympischen Spielen vorgestellt. Es arbeitete im 13-GHz-Band und konnte wahlweise ein Schwarzweiß- oder ein Farb-TV-Programm mit ein oder zwei Tonprogrammen übertragen. Auch bei Hintereinanderschaltung mehrerer Funkfelder erreichte dieses System ausgezeichnete Übertragungsqualität. Dabei waren die Modulations- und Demodulationseinrichtungen dieses Systems so breitbandig, dass es nicht allein für die Fernsehreportage, sondern auch zur Übertragung von Breitbandsignalen bis zu 15 MHz Bandbreite geeignet war (Bild 104).

 

Das sogenannte Kabelfernsehen war in den USA bereits in der Einführungsphase, bei uns wurden erste Gedanken dahingehend laut. Der damalige Technische Direktor des NRD, Dr. H. Rindfleisch, verglich die bisher in den USA gemachten Erfahrungen mit den zukünftigen Plänen in Deutschland und schrieb damals: "Frequenzen für die Ausstrahlung von Fernsehprogrammen werden immer Mangelware sein; Kabelsysteme dagegen erlauben prinzipiell die Verbreitung einer unbegrenzten Anzahl von Programmen". Für denjenigen, der damals zusätzliche Programme in Stadtgebieten ausstrahlen wollte, stellte sich jedoch die Frage anders. "In unseren Städten - so der Autor weiter - können die meisten Einwohner heute überall drei Fernsehprogramme drahtlos gut empfangen.

Es ist die Frage, ob sehr viele Fernsehteilnehmer ein Interesse haben werden, gegen eine monatliche Zusatzgebühr für den Anschluss an ein Kabelsystem weitere Programme zu empfangen. Man könnte andererseits daran denken, dass die Zusatzgebühr entfällt (! - man höre und staune) und der Veranstalter die Kosten nicht nur für das Programm, sondern auch für das Verteilersystem trägt.

Die neue Studio-Farb-MAZ BCR40 wird etwickelt

Die Fernseh GmbH und Philips entwickelten gemeinsam für den Studiobetrieb ein Schrägspur-Farbaufzeichnungsgerät, das den Forderungen der Fernsehrundfunkanstalten entsprach. Aufgezeichnet wurde nach dem Schrägspurverfahren mit Omega-Bandführung und einem gemeinsamen Videokopf für Aufnahme und Wiedergabe; Highband-Aufzeichnung war möglich. Zusätzlich standen zwei voneinander unabhängige Tonspuren mit Studioqualität (auch für Stereo-Aufzeichnung geeignet) zur Verfügung.

Hauptziel der neuen Entwicklung war, ein preisgünstiges Studioaufzeichnungsgerät zu erstellen, das leicht und einfach zu bedienen ist. Verglichen mit den bislang allgemein verwendeten Vierkopfaufzeichnungsgeräten ist diese Zielsetzung erreicht worden. Der Bandbedarf ist nur ungefähr ein Drittel und damit weniger kostenaufwendig. Die Konstruktion ist durch Verwendung nur eines einzigen Videokopfes verhältnismäßig einfach. Am 8. Februar 1972 wurde das neue Studio- Farbaufzeichnungsgerät BCR40 im IRT München etwa 80 Vertretern deutscher Rundfunkanstalten und am 24. Februar in Hilversum den übrigen Mitgliedern der Europäischen Rundfunkunion (EBU) vorgeführt. Wörtlich heißt es: "Die Vertreter (der Fernsehanstalten) waren vom Betriebsverhalten und von der Bildqualität der neuen Anlage beeindruckt" (Bild 105).

 

In Verbindung mit dem stets bestehenden Wunsch nach Erhöhung der Informationsdichte auf einem Magnetband und der Entwicklung verbesserter Magnetköpfe und Geräte wurden der Ruf nach einer Erhöhung des Signal-Rausch-Abstands laut und die Forderung nach einem besseren Frequenzgang oder - allgemeiner - nach einem energiereichen Band. Das führte bei Agfa zur Entwicklung eines Bandes mit Chromdioxid als Ferromagnetikum. Die Koerzitivkraft des Chromdioxids ist der des undotierten Eisenoxids um einen erheblichen Prozentsatz überlegen. Auch die Sättigungsmagnetisierung ist erheblich größer. Der höhere Wert demonstriert gleichzeitig, dass Chromdioxid in Magnetbändern weitergehend ausgerichtet werden kann als Eisenoxid. Der Einsatz von Chromdioxid-Band ist besonders dort erfolgversprechend, wo kurze Wellenlängen aufgezeichnet und wiedergegeben werden müssen. Diese Eigenschaft machte Chromdioxid-Bänder besonders attraktiv für Audio-Cassetten und Videobänder - insgesamt also war es ein sehr wichtiger Schritt vorwärts in Richtung höherer Speicherdichte (Bild 106).

Rationalisierung im Filmkopierwerk

Unter der Leitung von Chr. Geyer wurde von den Geyer-Werken ein neu entwickeltes Flüssigkeitskopierverfahren entwickelt. Es arbeitet nach dem schon bekannten Prinzip des als Küvette mit planparallelen Glasflächen ausgeführten Kopierfensters, vermeidet aber die dabei durch aufsteigende Luftblasen auftretenden Kopierfehler durch einen zusätzlichen Flüssigkeitsbehälter, der kommunizierend mit dem Flüssigkeitskopierfilter verbunden ist. Das ermöglichte auch das Kopieren sogenannter Klammerteile. Bild 107 zeigt das Funktionsprinzip.

 

Die Rationalisierung im Filmkopierwerk war ein stets wichtiges Thema. Insbesondere durch die Einführung des Video Color Analyzers VCA von Kodak in die Farblichtbestimmung gehörten bald Stehbilder und 2-Bild- Bänder der Vergangenheit an. Die Elektronik dieses Geräts wandelt ein Negativ in ein Positiv um und projiziert es auf den Bildschirm. Der Lichtbestimmer (Bild 108) beurteilt Dichte und Farbe und korrigiert das Bild durch Verstellen der kalibrierten Einstellknöpfe für Rot, Grün, Blau und Dichte. Dabei kann er das Referenzbild neben dem Bildschirm zum Vergleich heranziehen.

Die Einstellknöpfe für Rot, Grün und Blau haben Rastpunkte und zeigen darüber hinaus die eingestellten Werte an. Diese Werte entsprechen in ihrer Abstufung genau den Kopierlichtabstufungen der Bell & Howell-Kopiermaschine; sie sind also unverändert zum Anfertigen der Kopierlichtbänder verwendbar. Dieses Gerät zeichnete sich außer durch die universellen Einsatzmöglichkeiten vor allem durch die einfache Handhabung und die Schnelligkeit des Arbeitens aus und ermöglicht es, höhere Qualität als mit der konventionellen Farblichtbestimmung zu erreichen.

Telefunken/ Teldec/Decca zeigen Farbe

Bereits Mitte 1970 hatte die von Telefunken/ Teldec/Decca entwickelte Bildplatte in Berlin Weltpremiere. Die damals demonstrierte Bildplatte, noch in Schwarzweiß, fand wegen der Einfachheit der Abtastung und der niedrigen Vervielfältigungskosten weltweites Interesse. Ein Jahr später sah man auf der Internationalen Funkausstellung in Berlin zum ersten Male in der Öffentlichkeit das System Bildplatte mit Farbwiedergabe.

Und am 31. Oktober 1972 wurde die nächste Entwicklungsstufe und der Markenname vorgestellt. Wesentlichster Fortschritt des jetzt TED (Television Disc) genannten Systems war die Erhöhung der Rillendichte auf 280 je mm, die eine Verdoppelung der Abspielzeit auf bis zu zehn Minuten für die 21-cm-Bildplattenseite zuließ. Es handelte sich um eine Druckabtastung, deren Bandbreitenobergrenze 7 MHz, also für Fernsehbilder vollkommen ausreichend, erreicht. Einzelplattenspieler sollten dann ab Herbst 1973 aus serienmäßiger Fertigung dem Handel zur Verfügung stehen; sie sollten etwa 1000 DM kosten (Bild 109).

Für die Bildplatte wurden damals Preise zwischen etwa 10 und 30 DM (je nach Inhalt) genannt. Nun, der technische Fortschritt im Bereich der Speichertechnik war letztlich dafür entscheidend, dass aus dem "großen Geschäft" nicht so viel wurde, wie erhofft. Es bleibt aus heutiger Sicht aber die großartige Ingenieurleistung, der auch heute noch Anerkennung zu zollen ist.

 

Allerdings meldete sich 1972 ein zweiter Bildplattenbewerber an: Philips entwickelte die VLP-Bildplatte, die man eigentlich als den Vorgänger der CD oder DVD betrachten kann. Denn bei dem neuen Bildplattensystem werden die Farbfernsehinformationen auf der Plattenoberfläche in Form mikroskopisch kleiner Vertiefungen (Pits) geschrieben und nach dem Reflexionsprinzip optisch wieder ausgelesen (Bild 110). Zur Abtastung dient ein Laserlichtstrahl. Ein elektrooptisches Folgesystem führt das Abtastsystem exakt auf der spiralförmigen Spur und hält auch den Abstand zwischen Objektiv und Oberfläche der Platte konstant. Die 30-cm-Video-Langspielplatte (VLP) hat etwa 30 Minuten Abspielzeit.

 

Die VLP hatte die gleichen Abmessungen wie die 30-cm-Langspiel-Schallplatte (LP). Sie bestand auch aus einem ganz ähnlichen Material und wurde bei der Großserienfertigung ähnlich wie die Schallplatte durch Pressen vervielfältigt. Die Videosignale einschließlich der Synchronisierimpulse und des Tons werden spiralförmig aufgezeichnet, und zwar je Umdrehung der Platte ein Vollbild. Die Bildplatte rotiert also mit 25 U/s. Die gepresste Platte erhielt in einem weiteren Arbeitsgang eine dünne Schicht aus einem gut reflektierenden Material, beispielsweise Aluminium. Als Lichtquelle für die optische Abtastung benutzte man einen kleinen Helium-Neon-Laser mit 1 mW Ausgangsleistung (Bild 111).

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