60 Jahre Berichterstattung über Film und Fernsehen
Norbert Bolewskis gesammelte Rückblicke von 1947 bis 2007
1991 - Der Traum vom HDTV war nicht genug, jetzt 3DTV.
HDTV, 3DTV - nein, wir reden nicht von heute - sondern von 1991. Das waren nämlich die Themen des Jahres, über die heiß diskutiert und natürlich in der FKT berichtet wurde. 3DTV-Workshops, die Entwicklung in Japan (Bild 191), autostereoskopische Verfahren, 3D-Symposium in Paris: Es sah so aus, als ob man zeitgleich mit HDTV auch 3DTV einführen wollte. Vielleicht wäre das auch so gekommen, doch zum Thema HDTV später einiges mehr.
Vielleicht sollte man besser kurz innehalten und überlegen, was es im Gegensatz zu heute nicht gab. Und das waren Flachdisplays für TV-Anwendungen und der elektronische Schnitt. Natürlich waren Ansätze vorhanden. So gab es bereits seit 1988 die Washingtoner Firma Editing Machines Corporation (EMC). Sie brachten den ersten volldigitalen Schnittcomputer, den EMC2 auf den Markt. Er basierte auf einem IBM-kompatiblen PC.
Wenig später folgte ein auf den Apple Macintosh IIX aufbauendes System von Avid. Der Filmemacher Peter Krieg berichtete über beide Systeme, die in Deutschland zu dem damaligen Zeitpunkt aber noch nicht groß bekannt waren. Richtig los ging es mit dem elektronischen Schnitt erst nach der Gründung von Avid Central Europe 1993 (Bild 192).
Neue Tonverfahren fürs Kino
Es gab auch schon Halbleiter-Displays, LC-Displays. Und der damals drittgrößte europäische Bildröhrenhersteller, die Firma Nokia, beschäftigte sich sehr eingehend mit solchen Entwicklungen für das allgemeine Fernsehen. Ein Problem war damals die noch sehr begrenzte Größe der aktiven Matrix für Fernsehanwendungen (damals nicht mehr als 6 bis 8 inch Diagonale), ein anderes, der damals noch sehr hohe Preis der Geräte, sodass man versuchte, eine passive Technik zu entwickeln, um die Kosten zu reduzieren.
Erste Versuche mit dem so genannten digitalen Lichtton begannen 1991 bzw. 1990. Es handelte sich um das von Kodak in Zusammenarbeit mit der Optical Radiation Corp. entwickelte CDS-Verfahren, das erstmals im September 1990 in Brüssel vorgestellt wurde (Bild 193). Erst nach der Veröffentlichung wurde bekannt, dass man sich auch in der damaligen DDR bei der Defa mit der Entwicklung von Digitalton beschäftigte. In den turbulenten Tagen und Jahren nach dem Fall der Mauer (1989) konnte man sich ja ausführlicher über die dort gemachten Arbeiten informieren.
Professor D. Poetsch entwickelt neuen Filmabtaster
Erwähnenswert ist mit Sicherheit im Jahre 1991 der vollkommen neu entwickelte Filmabtaster von BTS, den der Entwickler, der inzwischen zum Professor ernannte D. Poetsch, vorstellte. Im Vergleich zum Vorgänger FDL 60 verfügte er über einen CCD-Sensor mit 30 Prozent höherer Auflösung und viele andere bemerkenswerte Merkmale und wurde in der Branche schnell angenommen (Bild 194).
Im Jahre 1991 wurde in Form eines längeren Beitrags auch über die zwar bereits 1989 in Montreux vorgestellte aber nach wie vor einzige Kamera mit interner digitaler Signalverarbeitung berichtet, der A-20 von Panasonic. Besondere Beachtung fand dabei die Implementierung von Analog-Digital-Hochpräzisionswandlern mit einer Auflösung von 8 bit. Der praktische Vorteil digitaler Signalverarbeitung für den Anwender gegenüber konventionellen Videokameras lag vorzugsweise in der gestiegenen Signalqualität. Ferner konnten Funktionen implementiert werden, deren Einsatz in analogen Kameras bisher nicht möglich oder zu kostenintensiv waren, so beispielsweise eine variable Detailmittenfrequenz, eine gesättigte Farbabstimmkorrektur und eine Schaltung zur Reduzierung von Cross-Color-Störungen (Bild 195).
Die Geschichte von PAL-Plus beginnt
Im Herbst des Jahres 1991 ging es dann auf der Funkausstellung in Berlin los mit PALplus, dessen Bilder, wie der Berichterstatter damals referierte - besser aussahen als HDTV (MAC).
Das Jahr 1992 begann mit einem zwölfteiligen Tutorial über "Digitale Bildcodierung". Aus diesen 12 Teilen wurde dann ein FKTG-Sonderdruck zusammengestellt, der noch bis vor wenigen Jahren auf großes Interesse stieß und bei der FKTG abgefragt wurde. Dies lässt erkennen, wie wichtig das Thema Weiterbildung in Richtung Bildcodierung für die Ingenieure war. Ähnliches, wenn auch nicht im gleichen Umfang, galt für eine mehrteilige Berichterstattung über virtuelle Realität: "Science Fiction - Visionen an der Schwelle ihrer Realität".
Im Jahre 1992 wurde auch der MPEG-Entwurf zur Bild- und Toncodierung verabschiedet, der sich mit den diversen Anwendungen eines komprimierten Bildes und/oder Tons befasste.
Beim Thema HD (immer noch analog) war man so weit, über erste Erfahrungen und Anwendungen bei HD-MAC-Codern zu referieren. Es wurden Verfahren zur Bandbreitenreduktion, die Verarbeitung für das kompatible Bild und das Testkonzept für den Coder vorgestellt.
PAL-plus mit 16:9 war das neue Schlagwort
Das Bildformat 16:9 galt ja als das Schlüsselelement zur Vorbereitung von HDTV, sollte aber schon bald im normalen Fernsehumfeld verstärkt eingeführt werden. Der damalige Technische Direktor des ZDF, Dr. Albrecht Ziemer, beschäftigte sich mit den Erkenntnissen und Ergebnissen bei der Einführung des 16:9-Formats sowohl bei den Endgeräten als auch auf der Übertragungsseite. Ebenso ging er auf die Erfahrungen beim ZDF mit 16:9-Programmen ein, insbesondere auf die ja nötige Mischausstrahlung 4:3/16:9. Trotz mancher Proteste wegen des damals überwiegend ja noch schwarzen Streifens oben und unten am Bildschirm bei den 4:3- Geräten schrieb er, dass es bei der Einführung eines neuen Bildformats immer ein "Henne- Ei"-Problem geben wird, das nicht gelöst werden kann, bis genügend 16:9-Ausstrahlungen programmseitig angeboten werden. Umgekehrt muss das Format die treibende Kraft bei seiner eigenen Einführung und neuer entsprechender Röhren sein.
Ende 1991 wurde ein HDVS-Nachbearbeitungskomplex bei Sony Broadcast in England abgeschlossen. Es war das dritte Zentrum weltweit. Jene Zentren sollten den Neukunden, die in die HDVS-Produktion einstiegen, helfen, die Erstinvestition erschwinglich zu halten, indem nur Kamera, Videorecorder und Monitor zur Aufnahme angeschafft wurden. Die aufwendige Nachbearbeitung konnte dann im benötigten Umfang angemietet werden (Bild 196).
Wir berichteten über ein erstes Display für autostereoskopisches 3D-Fernsehen, das man bei der NHK in Japan entwickelt hatte. Es hatte vor der Bildschirmscheibe sogenannte Lenticular-Filter, und es wurden Flatpanel-Displays vorgesehen (Bild 197).
Neues grafische Video-Nachbearbeitungssystem unter Windows
Dass sich die Video-Schnittbearbeitung ändern wird, war schon bei der Einführung der digitalen Nonlinear-Systeme relativ klar. Den Anfang machte 1992 das "Video-Schnittsystem auf dem Schreibtisch" mit der sogenannten Fast-Karte für den PC, das allerdings für den semiprofessionellen Markt konzipiert wurde. Mitte 1992 wurde in der FKT schließlich "Eddi" vorgestellt, von dem wir schrieben, dass das System eine sehr ernst zu nehmende Alternative dazu darstellen dürfte.
Eddi war das erste komplette Video-Nachbearbeitungssystem, das vollständig innerhalb der graphischen Bedienoberfläche von Microsoft "Windows" (ab Version 3.0) arbeitete. Damit war für den Anwender die Möglichkeit gegeben, im sogenannten Taskswitch-Verfahren zu jeder beliebigen Zeit zwischen den einzelnen Komponenten dieses Systems umzuschalten: auf den Video-Editor, Mischer, Audiomischer und das Szenen-Management-System. Entwickelt wurde es von der britischen Firma Paltex International (Bild 198).