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60 Jahre Berichterstattung über Film und Fernsehen
Norbert Bolewskis gesammelte Rückblicke von 1947 bis 2007

Expo 67 in Montreal - 30 Pavillons mit mehr als einer Leinwand

Die Expo 67 in Montreal war ein Eldorado der Projektionsvarianten. In über 30 Pavillons begnügte man sich dabei nicht mit der konventionellen Projektionstechnik und einer einzigen Bildwand, sondern versuchte die Aufmerksamkeit der Besucher durch Mehrfach- und Simultanprojektion oder durch Rundum-Bilder zu erregen. Es wurden teilweise vollkommen neue Verfahren und Arbeitsweisen entwickelt.

So gab es eine Projektion mit 10 synchronisierten-35-mm-Kinomaschinen in einem kreisförmigen, drehbaren Zuschauerraum, es gab Projektionen auf sechs Bildwände, die unter und nebeneinander angeordnet waren. Gezeigt wurde die Kuppelprojektion mittels vier synchronisierter Projektoren über Umlenkspiegel, und ein Bildschirm mit Glaswaben wurde vorgestellt. Interessant muss auch die Projektion im medizinischen Theater, im Meditheatre, gewesen sein. Es handelte sich um eine Kombination von realer Darstellung und Filmprojektion. Die Mitte des sechseckigen Zuschauerraums von etwa 20 m Durchmesser wurde als Operationssaal mit allen erforderlichen Geräten ausgerüstet.

Hier traten Schauspieler und Schauspielerinnen als Ärzte und Patienten auf und bereiteten eine Herz- oder Kopfoperation vor, wobei der Patient auf dem Operationstisch lag und eine (Schein-)Narkose erhielt. Die Schauspieler-Ärzte erläuterten über Mikrophone ihre Maßnahmen. Dazu lief ein Film, der anfangs genau die gleichen Maßnahmen zeigte, die das Ärzteteam im Operationssaal durchführte. Die eigentliche Operation wird natürlich nicht in natura gemacht. Sie zeigt vielmehr einen Farbfilm und zwar so realistisch, dass manche Zuschauer der Operation nicht lange folgen konnten, wie der damalige Berichterstatter vermelden musste (Bild 74).

Noch war das Super-Orthikon "in".

Über Einiges lässt sich schmunzeln: Damals wurde noch sehr häufig das Super-Orthikon als Kamerabildröhre benutzt und dort zeigte sich bei Schwarz-Weiß-Wiedergabe, die ja bei den meisten Zuschauern noch üblich war, dass die Bart-Partien in den Gesichtern von Männern besonders kontrastreich dargestellt wurden und sich damit der Eindruck des "Unrasiertseins" ergab. Die hohe Rotempfindlichkeit der Röhre war daran Schuld, die bei zunehmender Durchblutung des Gesichts zur Kontraststeigerung der Bartstoppeln führte. Die Verwendung eines leicht blaugrünen Filters beseitigte diesen Effekt (Bild 75).

 

In den USA wurden seit kurzem Trickfilme mit einer Technik hergestellt, die sich grundlegend von den bisher üblichen filmtechnischen Arbeitsprozessen unterschied. Diese neue Trickfilmtechnik arbeitete mit photographisch- optischen Einrichtungen, die von einem schnell arbeitenden Computer gesteuert wurden. Durch die Entwicklung einer neuartigen Programmiersprache für den Computer wurde es möglich, komplizierte dreidimensionale Darstellungen und Bewegungsabläufe aus Wissenschaft und Kunst im Trickfilm zu zeigen. Dabei wurde mit Hilfe eines Computers auf den Schirm einer Kathodenstrahlröhre geschrieben, und das Schirmbild wurde von einer 16-mm-Filmkamera aufgenommen. Das Ganze hatte mit Computerfilmen heutiger Prägung auch nicht das Geringste zu tun, aber man konnte bereits einfache perspektivische Körper nachbilden, die sich dann im Raum drehten und sehr effektvoll mathematische Definitionen erkennen ließen (Bild 76).

1968 - Die Einführung des Farbfernsehens stand im Vordergrund

Das berühmt-berüchtigte 68er mit seinen Studentenunruhen und Vietnam-Demos, letztlich im Attentat auf Dutschke gipfelnd, brachte politisch in Deutschland - und nicht nur hier - eine starke Polarisierung der Jugend. Die UdSSR fiel in die Tschechoslowakei ein und unterdrückte die dort begonnenen Demokratiebestrebungen, Robert Kennedy und Martin Luther King wurden ermordet. Nixon wurde amerikanischer Präsident.

 

In Deutschland standen vorzugsweise die technischen Entwicklungen im Zusammenhang mit der Einführung des Farbfernsehens im Vordergrund der Kommunikationstechnik, die aber damals noch kein Mensch so nannte. Ausführlich berichtete der damalige Leiter der Abteilung Fernsehtechnik des WDR, Dr. Franz Josef in der Smitten, über Probleme der Farbfernseh- Live-Produktion und der Bildaufnahme mit elektronischen Farbkameras. Insbesondere handelte es sich um Probleme der Szenenbeleuchtung und der damit verbundenen Farbwiedergabe in Abhängigkeit von verschiedenen Lichtarten.

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Anfang 1968 wurde die erstmals im Herbst 1967 vorgestellte neue Farbfernseh- Studiokamera "EL 8528 EL 8529" mit Plumbikon von Philips beschrieben. Bei dieser Neukonstruktion sind Bediengerät, Kameraelektronik und Stromversorgungseinheiten als Einschübe in Kassettentechnik in einem gemeinsamen Kamerakontrollgestell untergebracht. Für die zentrale Bedienung mehrerer Farbfernsehkameras ist es aber auch möglich, Bediengerät und Stromversorgung von der Kamera entfernt aufzustellen. In den Verstärkertrakt wurde eine lineare Matrix eingefügt, die die negativen Anteile der Farbübertragungskurven elektronisch nachbildet. (Bild 77).

 

Man entwickelte in den Rundfunkanstalten auch selbst. So stellte zum Beispiel der SDR für die Filmaufnahmetechnik mit mehreren Kameras mit einer einzigen Tonbandaufzeichnung eine Steuerung vor, die die Drehzahl des jeweiligen Motors mit der Genauigkeit eines Quarzes konstant hält. Somit konnte eine Vielzahl von Kameras tonsynchron und damit natürlich auch untereinander synchron ohne Probleme eingesetzt werden - die Entwicklung der quarzgenauen Regelung, die hier ihren Anfang nahm. Kernstück dieser Steuerung war ein Vor-Rückwärts-Impulszähler mit Impulssperre bei Koinzidenz. Schaltungstechnisch interessant war die Art der Fremd-Triggerung, bei der die Möglichkeiten der digitalen Impulsverarbeitung voll ausgenutzt werden (Bild 78).

Siemens Duocord und die Magnetfilmgeräte

Zur Vereinfachung und Beschleunigung der Filmbearbeitung, insbesondere für die Eigenproduktionen der Fernsehstudios, wurde von Siemens ein neues Gerätesystem mit der Bezeichnung Duocord entwickelt. Es enthielt Magnetfilmgeräte für ein oder zwei Formate, Vidikon-Bildfilmabtaster, Gerätekombinationen mit zwei und mehr Geräten sowie Kompaktanlagen. Daraus ergaben sich vielfältige Kombinationen für Atelier und Studio (Bild 79).

 

Der Rückgang der Spielfilmproduktion und des Filmtheaterbesuchs wurde all die Jahre menetekelt. Und so schrieb der berühmte Leo Mayer (seinerzeit Vorsitzender des Fachnormenausschusses Film) in der Ausgabe zur photokina: "Zweifellos war und ist - historisch gesehen - das Fernsehen neben verschiedenen anderen Faktoren das auslösende Moment für den Rückgang des Theaterfilms. ...

 

Betrachten wir aber einmal die Verhältnisse in Westdeutschland: Bei uns sind zur Zeit etwa 14,5 Millionen Fernsehempfangsgeräte postalisch angemeldet, und die beiden großen deutschen Anstalten ARD und ZDF stellen ein Programm von etwa 5200 Sendestunden zur Verfügung. Wenn man davon die Live- und MAZ-Anteile abzieht, bleiben für jene Darbietungen, die über den Filmweg gehen, sich also für die Aufzeichnung der kinematographischen Technik bedienen, noch etwa 3500 Sendestunden. Auch wenn man keinen unmittelbaren Vergleich mit dem technischen Aufwand zur Herstellung eines Spielfilms machen kann, kann man grob gerechnet doch mit einem Gesamtvolumen von etwa 2000 abendfüllenden Filmen sprechen. Fernsehfilme werden mit fast den gleichen Mitteln hergestellt wie sonstige Filme und dies in einer Multiplikation und Potenzierung, wie es sich der Unterhaltungsfilm niemals, auch nicht in seinen besten Zeiten, hätte leisten können." Klare Worte, die zumindest damals stimmten.

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