60 Jahre Berichterstattung über Film und Fernsehen
Norbert Bolewskis gesammelte Rückblicke von 1947 bis 2007
1987 - In Montreux gab es viel Neues
Für das Jahr 1987 als bemerkenswert festzuhalten ist sicherlich auch die zunehmende Einführung des digitalen Studiostandards 4:2:2 nach der Recommendation 601. In Montreux wurde zur Tagung das erste volldigitale "Studio Numerique" in Rennes vorgestellt und ausführlich beschrieben. Die Vorteile der rein digitalen Produktion wurden dargestellt (Bild 177).
Im Rahmen der Einführung der Digitaltechnik in die Fernsehstudios rankten sich auch viele Themen um die digitale Messtechnik bzw. um die Aufbereitung der digitalen Signale für TV-Messungen (Bild 178).
BTS brachte seine erste CCD-Reportagekamera auf den Markt, die LDK 90, die ausführlich in den Einzelheiten dargestellt wurde (Bild 179).
Letztendlich erfolgte die Inbetriebnahme der neuen Betriebszentrale des Bayerischen Rundfunks im Oktober 1987, die nach den modernsten Gesichtspunkten konzipiert wurde. Bild 180 zeigt einen Blick in die Regie des Nachrichten- und Produktionsstudios.
Der Kampf zwischen HQTV, EDTV und HDTV
Zwei große Themen beherrschten auf der fernsehtechnischen Seite das Jahr 1988. Das eine Thema kann man eigentlich nur mit "Rund um das Digitale Studio" bezeichnen, das andere Thema war HQTV (High-Quality-Television), EDTV (Enhanced Television) und HDTV (High Definition Television). Alle diese Verfahren mit ihren unterschiedlichen Begriffen hatten das Ziel eines neuen qualitativ verbesserten Fernsehbildes. Themen wie digitale Schnittstellengeräte für 4:2:2, Schnittstellen und Signalverarbeitung im Komponentenstudio, digitale Video-Normwandler und ähnliches standen im Vordergrund beim digitalen Studio.
Um weiter in Richtung HDTV forschen zu können, war es außerdem nötig, diese Signale auch aufzeichnen zu können. BTS (Broadcast Television Systems) entwickelte daraufhin das Experimentalmodell einer HDTV-MAZ, an der Probleme und Lösungswege aufgezeigt werden konnten (Bild 181). Das Modell, insbesondere die Thematik der Segmentierung und Bandbreitenreduzierung, wurde ausführlich beschrieben.
1988 - TV-Sat1 versagt und erster in jap. HDTV gedrehter Kinofilm
Interessant sind nicht immer nur die Haupt-Artikel sondern auch die vielen kleinen Meldungen, die ein Bild der damaligen Zeit vermitteln. So hatte 1988 in der Bundesrepublik Deutschland der Film "Julia und Julia" Premiere. Das Bemerkenswerte an diesem Film war, dass der italienische Regisseur einen Kinofilm auf HDTV-Video produzierte, und zwar nach dem von der japanischen Fernsehgesellschaft NHK und Sony entwickelten Produktionsstandard. Das Material wurde anschließend - wie bereits früher beschrieben - über Electron Beam Recording (EBR) auf Film übertragen.
Für den Satellitenrundfunk gab es 1988 einen herben Rückschlag. Die Bemühungen um das nach dem Start des TV-Sat1 nicht ausgefahrenen Sonnenpaddel brachten leider keinen Erfolg. Es bestand im Februar keine Hoffnung mehr, dass sich der Solargenerator noch entfalten ließ, und damit war der TV-Sat1 für eine Programmausstrahlung nicht mehr nutzbar. Frank Müller-Römer, der damalige technische Direktor des Bayerischen Rundfunks, berichtete ausführlich über die Gedanken zum weiteren Vorgehen.
Das digitale Fernsehsignal bot natürlich den in der Wissenschaft tätigen Mitarbeitern, insbesondere angehenden Doktoranden, ein breites Betätigungsfeld für die verschiedensten Themen, insbesondere Rauschreduktion und Filtertechnik. Es finden sich zahlreiche Berichte dieser Art in der FKT, die letztendlich auch zu heute noch gültigen akzeptablen Lösungen führten.
Neuartiges Codierverfahren für Videofilme
Wer glaubt, Audio-Video-Piraterie sei ein Thema von heute, der irrt. Wir berichteten bereits 1988 über ein neuartiges Codierverfahren, das man dagegen versuchte, zu entwickeln. Das Verfahren bestand darin, während des Kopiervorgangs durch eine Zusatzbelichtung im Bildfeld selbst Codierzeichen unterzubringen, Zeichen mit einer nur geringfügig abweichenden Farbe gegenüber dem Untergrund.
Das ist bei einem Bild innerhalb mehrerer Sekunden nicht möglich mit dem Auge zu erkennen. Mit dieser Methode kann jede einzelne Theaterkopie einen anderen Code bekommen, zum Beispiel eine laufende Nummer, und auch die Dauer von einem Codierzeichen bis zum nächsten unterscheidet sich und kann bis zu 10 Sekunden dauern. Über eine relativ simple Ausleseschaltung könnte man die Raubkopie erkennen, sie zuordnen, oder bei dem Versuch, sie auf Video zu überspielen, blockieren (Bild 182).
500 Millionen für europäisches HDTV unter Eureka-95
Beim Thema HDTV wurde von der Europäischen Gemeinschaft ein Programm vorgesehen, eine europäische Alternative unter dem Namen Eureka-59 Projekt zu entwickeln, um vor allem die hiesige Empfängerindustrie nicht ganz dem Zugriff japanischer Unternehmen auszuliefern. Es sollte ein System kreiert werden, das dem aktuellen Stand der Fernsehtechnik entsprach und nicht auf einer zwanzig Jahre alten Systemarchitektur basierte.
Auf der FKTG-Tagung berichtete BTS, dass sie im Rahmen dieses Projekts eine progressiv arbeitende HDTV-Kamera mit 1250 Zeilen entwickelt haben. Bereits damals wurde ganz klar nachgewiesen, dass sich die bekannten Nachteile des Zeilensprungverfahrens wie Zeilenflimmern, Kantenflackern, Zeilenwandern und bewegungsbedingte Artefakte mit progressiver Abtastung relativ leicht beseitigen lassen.
Und zum Jahresende erfolgte ein Vergleich der HQTV-Systeme, in dem das HQ-MACKonzept der Universität Dortmund und das HD-MAC-Konzept vorgestellt wurden.
In der Grundlagenforschung, aber auch in den Anwendungsbereichen, arbeiteten die Wissenschaftler schon seit einigen Jahren an der Möglichkeit, andere Displaytechniken als die der Bildröhre zu entwickeln. Der flache Bildschirm - der nun natürlich auch HDTV-fähig sein musste - konnte einige erste Prototypen vorweisen.
In einem Beitrag 1989 wurden die ersten Prototypen und die in der Literatur erwähnten Displays mit ihren damals erreichbaren technischen Daten vorgestellt, nämlich LCD- und Plasmadisplay, wie auch heute in Gebrauch, und die Elektrolumineszenzanzeige, von der man sich besonders hohe Leuchtdichte und einen großen Kontrast versprach. Bemerkenswert war damals, dass die Veröffentlichung ihrerseits auf Literaturangaben auf dem Stand der Technik ab 1980 basierte und man erkennen konnte, dass Japan mit 105 Veröffentlichungen vor USA mit 88, der DDR mit 16 und England mit 14 Veröffentlichungen lag. (West)Deutschland war überhaupt nicht vertreten.
Der Flop mit HD-MAC bahnt sich an.
Ansonsten war fast das komplette Jahr 1989 vorzugsweise der HDTV-Technik gewidmet, und zwar in einem derartigen Umfang, dass man als heutiger Berichterstatter meinen müsste, die Einführung dieses Verfahrens stände unmittelbar vor der Tür. Tatsächlich hatte die europäische Fernsehgeräteindustrie und hatten die Regierungen der Europäischen Gemeinschaft in den ersten Wochen 1989 erklärt, dass sie die Einführung einer neuen hochauflösenden Fernsehnorm mit der Bezeichnung HD-MAC für das Jahr 1992 vorsehen.
Davor warnte der damalige Direktor des Bayrischen Rundfunks, Frank Müller-Römer, weil damit Festlegungen getroffen wurden, die bestenfalls zu einer westeuropäischen Norm für hoch auflösendes Fernsehen führen kann. Denn die osteuropäischen Staaten ließen erkennen, dass sie diesen Weg nicht mitgehen werden. Amerika und Japan lehnten HD-MAC aus einer Reihe von Gründen ohnehin ab. Letztendlich wurde die (im Nachhinein falsche) Entscheidung der Regierungen und der Industrie für HD-MAC ohne die Rundfunkanstalten und die EBU getroffen. Es ist selbst heute noch interessant, seine Begründungen im Einzelnen zu lesen.
Die vielen Millionen Fernsehempfänger am Markt verlangen - so hieß es - eine weiter entwickelte PAL-Norm, kompatibel zur heutigen. Außerdem sei bei entsprechenden Überlegungen mit zu berücksichtigen, dass auch weiterhin nur die terrestrisch genutzten Kanäle mit einer Bandbreite von 7 MHz zur Verfügung stünden. Die Überlegung zur Verbesserung des PAL-Systems ging deshalb dahin gehend, neue elektronische Filterverfahren auf der Studio- und Empfängerseite und ein Breitbild- PAL-System nach digitaler Signalbearbeitung anzubieten. Entnimmt man jede 4. Zeile der 575 aktiven Zeilen eines 625-Zeilen-PALBildes und schiebt rein signaltechnisch gesehen die 431 Zeilen entsprechend zusammen, so wird die Bildhöhe auf etwa 3/4 des ursprünglichen Werts verringert.
Die sich damit in horizontaler Richtung ergebenden Verzerrungen werden durch Wiedergabe des breiteren Bildes auf dem schmalen herkömmlichen PAL-Empfänger exakt wieder aufgehoben. Das Bild wird dabei wie ein Spielfilm im breiten 16:9-Format mit dunklen Streifen am oberen und unteren Rand wiedergegeben. In diesen Streifen können dann die restlichen Bildinformationen (Differenz zwischen 431 und 575 Zeilen) übertragen werden, die dann in zukünftigen Farbfernsehgeräten mit einem Bildformat von 16:9 als sogenannte PALplus-Sendungen das Fernsehbild evolutionär weiter entwickeln. Tatsächlich wurde dann eine so genannte PALplus-Strategiegruppe gebildet, die das System zur Marktreife entwickelte, und es sollte 1991 zur Funkausstellung der Öffentlichkeit demonstriert werden.
Der Rest ist bekannt: Es war ein ungeliebtes Verfahren, letztendlich, weil die Fernsehzuschauer die Qualitätsverbesserung bzw. signaltechnisch gesehen den Erhalt der vollen Informationsmenge nicht begriffen.
Statt dessen wurden die schwarzen Balken oben und unten moniert, und es führte zu der perversen Situation, dass billigste fernöstliche Fernsehgeräte, die nur die 451 Zeilen ohne das "Plus" wiedergaben, auf den Markt kamen und damit im Grunde genommen ein schlechteres Bild oder besser eine geringere Informationsmenge als beim bislang gesendeten 4:3-Verfahren den Zuschauern geboten wurde. Damals zeigte sich die zum Teil auch heute immer noch falsch gemachte (Nicht-)Strategie, dass einer sinnreichen technischen Entwicklung ohne ausreichende Aufklärung der Bevölkerung kein Erfolg beschieden ist.
1988 - der (neue) "Astra 1A"- Ersatzsatellit kommt lebend im Weltall an
Noch Ende 1988 wurde der "Astra 1A"- Ersatzsatellit in das Weltall geschossen. Und diesmal klappte es auch. Die 26 m2 großen Solarpaddel wurden ausgefaltet. Und am 1. Februar 1989 wurden die ersten regelmäßigen Sendungen ausgestrahlt (Bild 183).
Was HDTV anbelangt, so meinten praktisch alle analoges HDTV, die Abkürzung MAC bedeutete ja auch analoge Komponenten. Doch schon damals gab es Wissenschaftler, die an ein digitales HDTV-System dachten und dies auch in der FKT zum Ausdruck brachten. Es handelte sich um ein im Heinrich-Hertz-Institut entwickeltes HDTV-Übertragungssystem mit einer Abtastrate von 54 MHz. Zur Übertragung des mit 864 Mbit/s PCM-codierten Datenstroms wurde eine Einmoden-Glasfaser verwendet.