60 Jahre Berichterstattung über Film und Fernsehen
Norbert Bolewskis gesammelte Rückblicke von 1947 bis 2007
1961 - Das Fernsehen braucht 25 Bilder je Sekunde
Zu Anfang des Jahres 1961 diskutierte man stark die Vorführgeschwindigkeit 24 oder 25 Bilder je Sekunde. Die 24 Bilder/s sind historisch bedingt abgeleitet aus der Umstellung von Stummfilmprojektion mit 16 B/s auf Tonfilmprojektion. Man wählte das relativ einfache Übersetzungsverhältnis von 1:1,5. Zwar wiesen damals schon Fachleute daraufhin, dass es aus mehreren Gründen wünschenswert sei, die Filmgeschwindigkeit mit 25 B/s zu normen. Da die Bedeutung dieses Problems für die Zukunft aber Ende der 20er Jahre noch nicht erkannt wurde, ist die heutige Technik mit in dieser Hypothek aus der Vergangenheit belastet.
Das Fernsehen kann aus prinzipiellen Gründen seine Bildfrequenz nicht ändern. Es wurde deshalb ernsthaft überlegt, auch bei der Filmtechnik auf der 25 B/s umzusteigen. Letztendlich reichte es aber, die Toleranz in der Norm von damals 24±0,5 auf 24+1 B/s zu ändern, um mit beiden Bildfrequenzen normgerecht arbeiten zu können.
Film- und Fernsehtechnik verzahnten immer mehr miteinander. In einem höchst interessanten Beitrag wurde aufgezeigt, wie die film- und kinotechnischen Einrichtungen eines modernen Passagierschiffes, nämlich der "Leonardo da Vinci" (Bild 45), es gestatten, die Vorführungen des Bordkinos gleichzeitig auf Fernsehempfängern in die Gesellschaftsräume und in die einzelnen Kabinen des Schiffes zu übertragen. Das Schiff war ferner bestückt mit einem 16-mm-Filmabtaster und einem Kamerazug für Livesendungen an Bord des Schiffes.
Die magnetische Bildaufzeichnung ist sehr teuer
Zwar gab es bereits die magnetische Bildaufzeichnung, für die Archivierung der Aufnahmen stand dem allerdings der erhebliche Preis des Bandmaterials entgegen. Eine Stunde Bildaufzeichnung kostete damals rund 1700 DM. Zum anderen lagen noch keine ausreichend gesicherten Erfahrungen über die Qualität einer lange Zeit gelagerten magnetischen Bildaufzeichnung vor. Ganz im Gegensatz zu den jahrzehntelangen Erfahrungen beim photographischen Film.
Die Archivierung wurde deshalb überwiegend auf Filmmaterial vorgenommen und so berichtet ein Beitrag aus dem Gevaert-Werk in Braunschweig über einen speziell für die Fernsehaufzeichnung hergestellten Telerecording-Umkehrfilm, der mit besonderen sensitometrischen Bedingungen die Einhaltung der mechanischen Forderungen und einer befriedigenden Körnigkeit für die Aufnahme von Schwarzweißsendungen auf Film erbrachte.
Der Film gehörte mit zu den tragenden Säulen des Fernsehprogramms und wird trotz steigenden Anteils der magnetischen Bildaufzeichnung eine wichtige Rolle im Fernsehen spielen, und zwar der 16-mm-Film für die bewegliche Reportage, Reiseberichte usw., der 35-mm-Film für die vor Produktion von Fernsehprogrammen höchster technischer Qualität. Darüber hinaus ist der Film ein idealer Fernsehnormenwandler und kann ohne Qualitätsminderung mit beliebigen Fernsehsystemen übertragen werden, schrieb K.-E. Gondesen vom IRT in einem Grundsatzaufsatz, in dem er die Grenzen des Fernseh- Übertragungssystems hinsichtlich Objektumfang, Übertragungskennlinie, Auflösungsvermögen und Rauschabstand diskutierte.
Es zeigte sich, dass unter betrieblichen realisierbaren Verarbeitungsbedingungen bei richtiger Ausnutzung der gegebenen Möglichkeiten der Film im Fernsehen eine Bildqualität erreichen kann, die einer Direktübertragung gleichwertig ist. Allerdings erfordert der 16-mm-Film gegenüber 35-mm-Film eine sorgfältige Behandlung von der Belichtung bis zur Übertragung, weil er hinsichtlich Auflösungsvermögen und Rauschabstand keine Reserven hat.
Dumont und Arnold & Richter entwickeln die "Electronic-Cam"
Die Idee, Film- und Fernsehkameras für die Herstellung von Filmen so zu koppeln, dass die zu filmende Szene bildinhaltlich und ausschnittgleich auf einem Monitor sichtbar wird, war 1960/61 nicht neu. So hatte zum Beispiel 1955 die Firma Dumont in New York in Zusammenarbeit mit Arnold & Richter eine kombinierte Film- und Fernsehkamera entwickelt und dieser den Namen "Electronic-Cam" gegeben. Die Bavaria Atelier GmbH wurde im Herbst 1959 nach ihrer Neugründung vor die Aufgabe gestellt, neben ihrer Tätigkeit als Dienstleistungsbetrieb für die Spielfilm-Industrie in großem Umfang mit Filmproduktionen für das Fernsehen zu beginnen, da sich die Programmstruktur des Fernsehens mehr und mehr von der Livesendung zur Vorproduktion verlagerte.
Die große Schwierigkeit bei der magnetischen Bildaufzeichnung lag damals in der Schnitt-Technik des Magnetbandes sowie darin, dass an das technische Personal wie auch an die Wartung der technischen Einrichtung höchste Anforderungen gestellt werden müssen, um eine dem Verfahren entsprechende bestmögliche Qualität zu erreichen. Innerhalb der Fernsehprogramme steht der 35-mm-Film als Konservierungsmittel wegen seiner hohen Bildqualität an erster Stelle. Diese Bildqualität, die auf überraschend einfache Weise ohne Zwischenschaltung einer komplizierten Technik erreicht wird, führte zu den Überlegungen, das "Electronic- Cam"-Verfahren neu aufzugreifen.
Dabei war es wichtig, die technischen Voraussetzungen dem beschleunigten Aufnahmeverfahren der Fernseh-Regieführung anzupassen. Ausschlaggebend bei diesen Überlegungen war außerdem, dass der elektronische Teil nur ein Betrachtungs- und Steuerungsmittel ist und sich damit bei etwaigen Störungen nicht auf die Bildqualität auswirkt.
Da für Neukonstruktionen keine Zeit zur Verfügung stand, mussten vorhandene Mittel, das heißt bestehende Anlagen, durch entsprechenden Umbau für diesen Verwendungszweck angepasst werden. In Zusammenarbeit mit den Firmen Arnold & Richter, der Fernseh GmbH und Siemens & Halske entstand nach nur sehr kurzer Planungszeit innerhalb von sechs Monaten die erste Anlage dieser Art, die im Frühjahr 1960 in Geiselgasteig in Betrieb genommen werden konnte. Als Filmkamera erwies sich die 35mm "Arriflex"- Kamera mit 300-Meter-Blimp und Umlaufblende von der konstruktiven Seite her als geeignet. Der Strahlengang wird von der Umlaufblende zeitweise zur Belichtung des Films freigegeben und zeitweise so reflektiert, dass er ohne Lichtverlust für den Film einer Fernsehkamera zugeführt werden kann.
Da man auf einen optischen Sucher nicht verzichten wollte, musste eine Lichtteilung erfolgen. Die Schwierigkeit war dabei, dass man einerseits bestrebt war, der Fernsehkamera so viel Licht wie möglich zuzuführen, um für die Regieführung gute Fernsehbilder zu erzeugen, andererseits aber auf ein helles Sucherbild nicht verzichten konnte. Ein relativ günstiger Kompromiss lag hier – wie verschiedene Versuche ergaben – bei einer Lichtverteilung von 25:75 % für optischen Sucher und Fernsehkamera (Bilder 46 und 47).
In der FKT wurde die Technik anhand eines einjährigen Versuchsbetriebs dargestellt. Für ihre Bewährung spricht allein schon die Tatsache, dass die Bavaria Atelier GmbH im Mai 1961 eine zweite Anlage in Betrieb nahm. Sie entsprach in ihrer technischen Ausführung mit kleinen Änderungen der ersten Anlage. Die Apparatur war jedoch beweglich ausgeführt, so dass ihr Einsatz in allen Atelierhallen möglich war.
Bei einem Jahresüberblick ergaben sich folgende Betriebswerte: Es wurden 30 Filme mit einer Spielzeitlänge von insgesamt 30 Stunden produziert. Der größte Film war 2,5 Stunden lang mit einer Produktionszeit von 14,5 Tagen. Die Herstellungszeit für einen 90-Minuten-Film betrug im Durchschnitt 10 bis 12 Tage. Der Materialverbrauch schwankte dabei zwischen 1:3 und 1:4 zwischen Nutzmeter- und Gesamtverbrauch. Die Tagesproduktionen lagen zwischen 8 und 20 Minuten, und die durchgedrehten Take-Längen gingen bis zu 20 Minuten. Insgesamt wurden mit der Anlage 2000 Betriebsstunden erreicht. Die Ausfallzeit infolge technischer Störungen lag dabei unter zwei Stunden. Diese Zahlen zeigten einmal die große Betriebssicherheit, mit der die Anlage arbeitet, und zum anderen das zeitsparende Moment und damit die Wirtschaftlichkeit.
Europäische "Features" bei den AMPEX MAZen
Ampex berichtete, dass die zunächst hergestellten Geräte 4,2 MHz Bandbreite, entsprechend der amerikanischen Fernsehnorm hatten und wegen der in Europa größeren Bandbreite eine Anzahl von Änderungen durchgeführt wurde, um die Geräte auch für Aufzeichnungen nach der CCIR-Norm einsetzen zu können. So wurde beispielsweise die Bandbreite auf 5 MHz erweitert. Ferner führte man Verbesserungen ein, um das Abgleichen zu erleichtern. Die neue Ausführung enthielt deshalb einen Kristall-Oszillator, um Trägerfrequenz und Frequenzhub exakt einstellen zu können. Man arbeitet nach dem Schwebungsprinzip mit Nullabgleich.
Des Weiteren erlauben zwei voneinander völlig unabhängige Kanäle mit getrennter Feineinstellung des Videopegels die Einstellung des Trägers und des Frequenzhubs. Diese voreingestellten Kanäle lassen sich über druckknopfbetätigte Relais vom Demodulator aus umschalten, ohne dass Aufnahme und Wiedergabe dadurch gegenseitig beeinflusst werden. Eine dritte Verbesserung war schließlich noch das einsteckbare Preemphasis- und Deemphasis-Filter, das dadurch einfach auswechselbar ist und sich leicht der Charakteristik der verschiedenen Normen (zum Beispiel SMPTE, CCIR) anpassen lässt.
Frühe Farbkameras und das Stellavox Sm5
Für Farbfernsehkameras ist ein Zoom-Objektiv besonders wichtig. Die bisherigen Systeme hatten aber eine relativ kurze Schnittweite, so dass man das Farbteilungssystem nicht zwischen Objektiv und Aufnahmeröhre anordnen konnte. Seit 1960/61 stehen nun jedoch Spezialsysteme mit besonders langer Schnittweite zur Verfügung, so dass sich das Farbteilungssystem zwischen Objektiv und Bildröhre unterbringen lässt. Welche Forderungen man an solche Systeme stellt und wie sie verwirklicht werden, wurde in einer großen zweiteiligen Beitragsserie dargestellt.
Auf der Deutschen Industriemesse in Hannover wurde eine interessante Neukonstruktion auf dem Gebiet der professionellen Miniatur-Magnettongeräte gezeigt, über die in einem Beitrag ausführlich berichtet wurde. Das Gerät ist für reine Tonaufnahmen aller Art gedacht; soll es zusammen mit einer Kamera eingesetzt werden, so werden Zwischenglieder in Form von Verbindungseinrichtungen notwendig. Es handelte sich um die Weiterentwicklung der Miniatur-Magnettongeräte der Schweizer Firma Stellavox.
Das Modell "Sm5" (Bild 48) unterschied sich aber in grundlegenden Punkten von seinen Vorgängern. Das Gerät war netzunabhängig; die Stromversorgung wurde von vier "dryfit"-Akkumulatoren übernommen, die mit einer Kapazität von 1 Ah eine ununterbrochene Betriebszeit von etwa 5 Stunden ermöglichen. Die Betriebsspannung beträgt 8 Volt; mit Hilfe eines Ladegleichrichters können diese Akkumulatoren, ohne sie aus dem Gerät zu nehmen, in etwa sieben Stunden am Netz aufgeladen werden. Eine 12-Volt-Autobatterieeinrichtung befindet sich in der Entwicklung und wurde beschrieben.
Die Bandgeschwindigkeit wurde mit 19,05 cm/s beibehalten und erscheint als günstiger Kompromiss zwischen Aufnahmedauer und erzielbaren technischen Daten. Außerdem bietet diese Bandgeschwindigkeit die Möglichkeit, das auf dem Gerät aufgenommene Band ohne Zwischenverarbeitung direkt auf einem Studio-Magnettongerät wiedergeben zu können. Durch die Außenabmessungen des Geräts ist die maximale Spulengröße mit 85 mm Durchmesser festgelegt. Bei Verwendung von "Scotch-Band 200" oder eines anderen Langspielbandes ergab sich eine maximale Aufnahmedauer von etwa 14 min, was für die meisten Aufnahmetakes genügen dürfte.
Das Gerät war volltransistorisiert (14 Transistoren, 3 Dioden, 1 Zenerdiode) und in gedruckter Schaltung ausgeführt. Beschrieben wurde die damals noch in der Entwicklung befindliche Synchronisereinrichtung auf Pilottonbasis in Verbindung mit einer 16-mm-Bolex-Filmkamera.
Das Optacord 500, eine deutsche 2" MAZ
Mit einer Überraschung wartete Loewe Opta zur Rundfunk-, Fernseh- und Phono-Ausstellung in Berlin auf. Die Firma zeigte erstmalig ihr neues Gerät "Optacord 500" (Bild 49) für die magnetische Bildaufzeichnung, das in der Einfachheit seiner Bedienung etwa einem Studio-Tonbandgerät gleicht. Bei einer Vorschubgeschwindigkeit von nur 19 cm/s erreicht es mit seinem 50,8 mm (2 inch) breiten Magnetband eine ununterbrochene Aufnahmedauer bis zu 1,75 Stunden. Der mit 3000 U/min in einer Trommel rotierende Ferrit-Magnetkopf für die Bildaufzeichnung schreibt während einer Umdrehung jeweils ein Halbbild in einer schräg verlaufenden Spur. Der Ton wird in Bandlaufrichtung aufgezeichnet, und zwar in den Lücken zwischen den Bildspuren. Dadurch ist es möglich, auf der gesamten Bandbreite neben der Tonspur noch eine größere Anzahl weiterer Informationen unabhängig voneinander bildsynchron aufzuzeichnen.
Die Elektronik, die unter dem Laufwerk angeordnet ist, konnte relativ einfach gehalten werden. Sie enthält einschließlich des Tonteils nur 35 Röhren, was der Betriebssicherheit und dem Preis der Anlage zugute kommt. Besonders bemerkenswert war die freitragende Lagerung der Bildtrommel, die das Bandeinlegen wesentlich erleichtert, sowie die Bildwiedergabe bei unbewegtem Magnetband, die die Schnitt-Technik erheblich vereinfachte. In einem kleinen aber überaus interessanten Beitrag wurden neue Verfahren und vier neue Geräte für die magnetische Bildaufzeichnung vorgestellt, die heute mit dem Vermerk Längs- und Schrägspur-Bildaufzeichnungeräte zu kennzeichnen wären, allerdings damals nur erst im Prototypenstadium oder als Ingenieurmodell beschrieben wurden. Aber hier wurden die ersten Weichen hin zur später kommenden Schrägspuraufzeichnung gestellt, zum Beispiel von Toshiba.
Eine Reihe von Beiträgen beschäftigte sich mit den Möglichkeiten der Schnittbearbeitung von 2" Video-Magnetbändern. Die damals übliche Praxis bei den Rundfunkanstalten sah vor, dass die Produktion von Fernsehspielen grundsätzlich in vorher festgelegte Teilstücke zwischen fünf und 20 Minuten Länge aufgegliedert wurde, die jeweils in der abschließenden Schwarzblende geschnitten werden können. Die Schnitte liegen dann an unkritischen Stellen und brauchen nur die Forderung des ungestörten Ablaufs der Steuer- und Synchronisieraufzeichnungen erfüllen. Das war natürlich eine starke Einschränkung und es wurden verschiedene Methoden – insbesondere eine zweistreifige Schnittbearbeitung mit Ton auf einem extra Magnetband diskutiert. Durchgesetzt hat sich das nie – nur für wenige Produktionen – und wurde später durch die Einführung der Schrägspuraufzeichnungsanlagen obsolet.