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Tagesaktuelle Gedanken - Aufzeichnungen von 1943 bis 1945

Dieses Kriegs-Tagebuch gibt uns einen sehr nachdenklichen Eindruck von dem, das in den oberen Sphären der Politik und der Diplomatie gedacht wurde und bekannt war. In ganz vielen eupho- rischen Fernseh-Büchern, die bei uns vorliegen, wird das Fernsehen ab 1936 in den Mittelpunkt des Weltinteresses gestellt - und hier kommt es überhaupt nicht vor. Auch das Magnetophon kommt hier nicht vor. Alleine vom Radio wird öfter gesprochen. In den damaligen diplomatischen und höchsten politischen Kreisen hatten ganz andere Tagesthemen Vorrang. Und das kann man hier sehr authentisch nachlesen. Im übrigen ist es sehr ähnlich zu den wöchentlichen Berichten des Dr. Wagenführ in seinen Fernseh Informationen.

Diese Aufzeichnungen hier sind aber 1963 - also 20 Jahre danach - getextet worden und wir wissen nicht, ob einzelne Absätze nicht doch etwas aufgehübscht wurden. Auch wurde das Buch 1963 für die alte (Kriegs-) Generation geschrieben, die das alles noch erlebt hatte.

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Seite 251 - Samstag, den 28. Oktober 1944 - die italienischen Diplomaten in Berlin

Essen bei Carl Clemm mit dem italienischen Boschafter Anfuso und seiner reizenden Frau, einer geborenen Ungarin aus Budapest. Anfuso trägt die Zeitereignisse mit philosophischer Ruhe.

Er hat Abstand zu seiner eigenen Karriere gewonnen, die ihren Höhepunkt in dem Augenblick erreichte, an dem die politische Karriere des Faschismus am Ende war. Über die Zukunft Italiens macht sich Anfuso keine Illusionen. Er meint, die Engländer hätten dort starke strategische und touristische Interessen und würden das Land zweifelsohne dem Bolschewismus entreißen.

Politisch gibt er Italien verloren. Die Engländer seien in den vergangenen Jahrzehnten durch das laute und prahlerische Auftreten des Faschismus zu oft geärgert worden, um sich, wie Churchill es ausdrückte, noch einmal von Rom eine Pistole auf die Brust setzen zu lassen, die keine Kugel enthält.

Anfusos leben in der Wannseer Schicht-Villa, in der auch Alfieri residierte und deren unteren Stock sie als Büro eingerichtet haben. Die Botschafterin fährt wegen Benzinmangels jeden Tag mit der S-Bahn nach Berlin, um die hiesigen Italiener zu betreuen.

Die ungarischen Diplomaten in Berlin

Abendgesellschaft bei Nadia Nogarowa in Hermsdorf. Außer einigen Ungarn taucht ein jugendlicher Funktionär vom Ministerium Speer auf, der seinen Sport-Zweisitzer von einem holländischen Chauffeur lenken und sich gegen Mitternacht aus der Stadt 500 Zigaretten bringen läßt.

Er macht Auslassungen über die Kriegslage, die ich ihm in Anbetracht der Anwesenheit von Ausländern abschneide. Nach meinem Fortgang soll er den Ungarn klargemacht haben, daß der Krieg verloren sei.

Ein Vorfall, typisch für das jeder Disziplin entbehrende Auftreten so vieler hoher Vertreter des Regimes im Verkehr mit Ausländern. Vor Jahren sagte mir einmal Louis P. Lochner, der Berliner Chef der »Associated Press«... in keinem Land sei es leichter, Informationen zu erhalten, als im nationalsozialistischen Deutschland.

Während man anderswo ein Netz von Informatoren unterhalte und bezahlen müsse, um Neuigkeiten zu erfahren, könnten sich hierzulande Ausländer vor Partei-und Staatsfunktionären nicht retten, die ihnen ohne Gegenleistung Staatsgeheimnisse anvertrauen.

Montag, den 30. Oktober 1944

Der deutsche Gesandte in Budapest, Dr. Edmund Veesenmeyer, hat »für seine hervorragenden Leistungen im Dienste des Reiches« das Ritterkreuz des Kriegsverdienstkreuzes mit Schwertern verliehen bekommen. So zu lesen im »Völkischen Beobachter« vom 29. Oktober 1944!

Dienstag, den 31. Oktober 1944 - Ich will nach Stockholm

Meine Absicht, heute früh als Kurier nach Stockholm zu fliegen, mißglückt. Mit Six und Lechenperg, die das gleiche Flugzeug benutzen wollten, verwarte ich vier Stunden auf dem in Morgennebel gehüllten Flugplatz Tempelhof, bis gegen Mittag der Flug abgesagt wird. Den größten Teil der Zeit verbringen wir in einem Mitropa-Speisewagen, der als Ersatz für das ausgebombte Flugplatzrestaurant am Rande des Flugfeldes abgestellt worden ist.

In der »Weltwoche« vom 20. Oktober schreibt Schumacher: »Die Lage des Dritten Reiches ist heute derjenigen des belagerten Karthagos zu vergleichen, das dem Frieden nicht geneigt und zum Krieg unfähig war.

Dienstag, den 7. November 1944 - ein neuer Anlauf

Nach dem mißglückten Start vor einer Woche läuft die Bahnreise nach Stockholm über Warnemünde, Gedser, Kopenhagen, Malmö ohne Zwischenfälle ab. Im Dienstreisecoupe auf dem Stettiner Bahnhof setzt sich ein Gestapomann zu mir, der sich durch den militärischen Schnitt seines Anzugs, die Art, wie er die Kontrolle seiner Papiere durch die Bahnpolizei über sich ergehen läßt und durch seine Ausdrucksweise verrät.

Auf dem Schiff zwischen Warnemünde und Gedser identifizierte ich ihn als Leibwächter unseres mit dem kommandierenden Admiral in Dänemark auf der gleichen Fähre reisenden Gesandten Best. An Bord herrscht wegen der U-Boot-Minen- und Luftgefahr erhebliche Nervosität. Schon im Hafen von Warnemünde müssen wir Schwimmwesten anlegen.

Auf dem Schiff nach Dänemark katastrophale Eindrücke

Die nach Dänemark zurückkehrenden Urlauber machen einen abgerissenen Eindruck, unter ihnen viele Verwundete, an Stöcken gehende Krüppel und Angehörige alter Jahrgänge. Wie sollen sie das Land gegen eine Invasion verteidigen!

Deutschfeindliche Stimmung in Kopenhagen

In der Stadt Kopenhagen, in der eine sehr deutschfeindliche Stimmung herrscht, wohne ich im »Palace«, einfacher als vor zwei Jahren, aber noch immer gut. Wir besuchen einige Bars, in denen man viele Betrunkene sieht. Im »Trocadero« zechen in einer Ecke acht SD-Leute in Zivil, in einer anderen ein Prinz von Dänemark. Dazwischen bewegen sich Dirnen und Lebemänner. Um elf Uhr ist Polizeistunde.

Funkelnagelneue Schiffe im Hafen von Malmö

Im Malmöer Hafen liegen viele nagelneue Handelsschiffe, darunter ein Tanker von 25.000 Tonnen, die norwegischen Eigentümern gehören. Die norwegische Exilregierung und der norwegische Reedereiverband prozessieren wegen der Auslieferung dieser Schiffe, die gebaut wurden, um im Augenblick des Friedensschlusses über Tonnage disponieren zu können.

Die Frachtguthaben norwegischer Reeder in England sollen auf 65 Millionen Pfund angelaufen sein. Daher die Geldfülle der norwegischen Regierung, die nach der polnischen als die reichste Exilregierung gilt.

Ankunft in Stockholm

In Stockholm bin ich im Hotel »Reisen« gebucht, ohne in der ersten Nacht ein Zimmer zu erhalten. Alle Betten sind mit Flüchtlingen aus Finnland, Norwegen und Dänemark belegt.

Der deutsche Gesandte Thomsen, wie immer sehr gepflegt, sehr realistisch, erledigt seine Aufgabe mit großem Geschick. Einen Abend dinieren wir zusammen und gehen anschließend in die Oper, in der wir Coppelia und Hulabou, ein miserables Ballett, sehen.

Als Maquisards gekleidete Tänzer und ein Reigen nackter Schwedinnen, die sich schokoladenfarben angestrichen haben und nach unmelodischen Rhythmen wie eine Herde Affen umeinanderhüpfen. Bemerkenswert eine Walküre mit prachtvollem Bauchnabel und Brüsten unter Diamantenkegeln.

Ungewohnt viele Aktphotographien in Schweden

In keiner Stadt der Welt sieht man so viel Akt-Reproduktionen wie in Stockholm. Politische Propaganda akzeptieren die Schweden am ehesten, wenn sie in Form von Nuditäten geboten wird.

So zeigt die letzte Nummer der von der deutschen Gesandtschaft herausgegebenen Zeitung »Tysker Röster« unter dem Titel »Nationalsozialistische Arbeiterinnen werden in der Sauna betreut« vier Seiten Aktphotographien.

Für eine Ausstellung von Kinderphotos wirbt ein Aktbild, das einen weiblichen Körper in einer unbeschreiblichen Stellung darstellt. Die Zerrüttung des Sexuallebens durch den Genuß von Methylalkohol, die Impotenz vieler Männer und der Frauenüberschuß begünstigt die Entwicklung optischer Reizmittel.

Trotzdem werden in den Nachtstunden nach Hause gehende Frauen von Horden Halbwüchsiger belästigt. Gegen solche Auswüchse ist eine einzigartige Einrichtung geschaffen worden. Man ruft das Boyscout-Hauptquartier an und mietet sich einen zwölf- bis vierzehnjährigen Jungen als Begleitung. Bis ein Uhr nachts hält diese Zentrale geöffnet.

Auch in Schweden eine unfreundliche Stimmung gegen Deutschland

Die Stimmung gegen Deutschland ist sehr unfreundlich. Im Außenministerium werden zwei Schlüsselstellungen von Leuten bekleidet, die frisch aus Berlin kommen. Post leitet die Politische Abteilung, Essen ist Sekretär des Außenministers. Beide sprechen über die Einkerkerung so vieler ihrer Freunde in Deutschland mit Erbitterung.

Edelstams, die anderthalb Jahre Oslo mit deutscher Besetzung hinter sich haben, gehören zu den wenigen, die sich nicht beirren lassen. Dagmar Cronstedt beklagt sich, daß sie seit ihrer Tätigkeit beim Berliner Rundfunk von ihren Bekannten boykottiert wird.

Unter den Stockholm-Deutschen gibt es schon 176 Kriegsdienstverweigerer. In der Gesandtschaft sind Intrigen und Denunzierungen an der Tagesordnung. Wer nach Berlin gerufen wird, fürchtet, dort festgehalten zu werden. Viele werden aus Angst vor dem, was sie in Berlin erwarten könnte, zu Emigranten.

Amtliche und nichtamtliche Vertreter des Deutschtums im Ausland legen heute der Heimat gegenüber die gleiche Einstellung an den Tag wie Angehörige des Sowjetregimes in den ersten Jahren nach der russischen Revolution.

Sie springen ab und erbitten im Ausland politisches Asyl. Man wird dieser Erscheinung nicht Herr werden, solange man ihre psychologischen Ursachen nicht beseitigt. Die Landesgruppenleiter im Ausland werden von den deutschen Kolonien gefürchtet oder gehaßt. Weniger, weil sie Vertreter des Dritten Reiches sind, als wegen ihrer persönlichen Eigenschaften.

Seite 256 - Donnerstag, den 9. November 1944 - noch in Schweden

Roosevelt ist mit überraschend großer Mehrheit wiedergewählt worden. Am Stammtisch im APC (dem auswärtigen Presse-Club)verfolgten wir die Wahl bis fünf Uhr früh.

Deutsche Versuche, auf die amerikanischen Wahlen Einfluß zu nehmen, unterblieben bis auf eine Ausnahme. Heintze wurde mit dem Auftrag nach Stockholm entsandt, in der schwedischen Presse eine Meldung unterzubringen, derzufolge die Russen gemeinsame Sache mit Japan gegen die USA machen wollten. Durch dieses Manöver hoffte man in Berlin, die amerikanischen Wahlen im letzten Augenblick beeinflussen zu können!

Kein Gefühl für Diplomatie in Berlin

Thomsen, Grassman, Hepp und Dankwort von der Gesandtschaft waren entsetzt. Trotzdem wurde die Meldung in »Göteborgs Post« plaziert. Sie fand um so weniger ein Echo, als Stalin am Vorabend der Wahl eine Rede gegen Japan hielt.

Ein anderer Vorschlag ging dahin, für den Fall einer Wahl Deweys, Roosevelts Gegenkandidaten, ein Friedensangebot in Aussicht zu stellen.

Auf einem Lunch mit Tovar stritten wir über die Frage, wie weit man Dummheiten in der Politik tolerieren dürfte. Schmidt war gegen, Tovar für Toleranz - wenn es sich um den Pressechef des Auswärtigen Amtes handelt!

Der eisige Schwede wollte nicht diskutieren

Ein politisches Frühstück mit dem schwedischen Gesandten Richert mißlang völlig. Der eisige Schwede wehrte jedes Gespräch über Politik ab.

Ein englischer Bericht über das KZ Maidanek

Die »London Illustrated News« vom 14. Oktober 1944 veröffentliche eine Photo-Reportage über ein deutsches »Vernichtungslager« in Maidanek, Schmidt ist diese Tatsache so neu wie allen im Amt. Niemand kann Auskunft geben, wer die Verantwortung für diese Einrichtung trägt oder auf wessen Initiative sie zurückgeht.

Amerikanische und englische Propaganda

Laut »United Press«-Meldung vom 2. November 1944 hat Eisenhower amerikanischen Soldaten bei einer Strafe von 25 Dollar untersagt, sich mit Deutschen zu unterhalten. Ein Glas Bier mit Deutschen kostet 65 Dollar Buße.

Andererseits bedroht das »Schwarze Korps« jeden Deutschen, der einem Amerikaner ein Glas Wasser reicht, mit der Todesstrafe! Wie will man eigentlich in den besetzten Zonen miteinander auskommen?

Englische Zeitungen bringen Bilder von vier Hitlerjungen, »Baby snipers«, die bei der Einnahme von Aachen auf amerikanische Soldaten schössen. Sie sind acht, neun und vierzehn Jahr alt und sollen als »Nazi-Bestien« vor ein Kriegsgericht kommen. Im Dienste der französischen Partisanenbewegung wären diese Kinder zu Nationalhelden avanciert!

Seite 257 - Freitag, den 10. November 1944 - zurück in Berlin

Der 9. November geht ohne Luftangriff und ohne Führerrede vorüber! Wir hatten ein paar Gäste, darunter den dänischen Journalisten Steman. Als gegen Mitternacht jemand Hunger verspürt, ohne daß wir etwas anbieten können, holt Steman aus seinem Hotel Lebensmittel und Getränke, die er aus Dänemark in großen Mengen erhält.

Die besetzten Länder leben viel besser als das »Herrenvolk«, obschon fast alle Konsumgüter draußen von hier kommen. Trotzdem heißt es, daß wir die kleinen Völker ausplündern.

Dienstag, den 14. November 1944 - Volkssturmparade mit Problemen

Bei einer Volkssturmparade auf dem Wilhelmsplatz gab Goebbels die Zahl der aufgestellten Volksgrenadierdivisionen mit hundert an. Seine Rede wurde durch den Drahtfunk übertragen und von den meisten Einwohnern der Vier-Millionen-Stadt Berlin einschließlich der Ausländer und der Angehörigen des Diplomatischen Korps gehört.

Eine Stunde später erklärte das DNB (das Deutsche Nachrichtenbüro), die vom Minister genannte Zahl der neuen Divisionen dürfe nicht veröffentlicht werden, und die hiesigen anwesenden Journalisten wurden einzeln gebeten, die Zahl nicht zu nennen.

Der Rückzieher wurde durch eine Beschwerde des OKW veranlaßt. Für Goebbels, den Erfinder der »Pst«-Kampagne, ist dieser Vorfall typisch. Ein Arbeiter, der ausschwätzt, daß seine Tischlerei Holzkisten für V-1-Geschosse herstellt, riskiert seinen Kopf. Ein Reichsminister, der zugleich Reichsverteidigungskommissar und Bevollmächtigter für den totalen Krieg ist, kann ungestraft ein militärisches Geheimnis ausplaudern.

Mittwoch, den 15, November 1944 - Botschafter Probleme

Wochenende mit Strempels bei Vidal in Wilkendorf. Der Botschafter gab sich weniger düster als sonst und bemühte sich, ein liebenswürdiger Gastgeber zu sein. Er wohnt im Schloß der Frau von Dippe, einer Engländerin, die sechs Jahre in Indien verheiratet war, ihren Mann in Peshawar beerdigte und in Monte Carlo Herrn von Dippe, einen Diplomaten und Landwirt, heiratete, der sich zur Zeit in englischer Kriegsgefangenschaft befindet.

Vidals Hauptinteresse galt der Frage, ob er Botschafter bleiben wird. Das lange Fernbleiben Dieckhoffs von Madrid und die Gerüchte, daß er dorthin nicht zurückkehren wird, beunruhigen ihn. Er fürchtet, daß auch Spanien sich mit einem Geschäftsträger in Berlin begnügen könnte. Inzwischen heißt es, daß Bibra als Geschäftsträger in Madrid durch Halem abgelöst werden soll.

Das Auswärtige Amt hat eine Untersuchung angeordnet, wie die Nachricht herausgelangte. Über das Franco-Interview ließ der Botschafter durchblicken, daß er es für wenig glücklich halte. Jordana habe ihm kurz vor seinem Ableben (3. August 1944) versichert, daß er eher demissionieren als einen Bruch der diplomatischen Beziehungen mit Deutschland zulassen würde. Aber Jordana lebt nicht mehr, und Franco sucht Anschluß bei der Seite, von der er den Sieg erwartet.

Im APC Auslandspresseklub den kroatischen Gesandten Kosak zu Gast

Dienstag hatten wir im APC Auslandspresseklub den kroatischen Gesandten Kosak zu Gast. Nach dem Fleischgang wandte sich das Gespräch politischen Themen zu. Kosak beschwerte sich, beim Bezug des Nachrichtenmaterials der Presseabteilung vom Klein Verteiler ausgeschlossen zu sein.

Schmidt erwiderte ihm, daß die Missionschefs früher den Klein Verteiler erhalten hätten. Einer von ihnen habe dann anläßlich eines Empfanges beim RAM sein Erstaunen darüber zum Ausdruck gebracht, daß das Auswärtige Amt fremden Diplomaten so delikates Material zur Verfügung stelle. Daraufhin sei die Belieferung der Missionschefs mit dem Kleinverteiler eingestellt worden.

Kosak brach in ein »nicht möglich« aus, dessen Sinn zunächst niemand verstand. Dann erläuterte er: »Ist es wirklich wahr, Herr Gesandter, daß ein Missionschef vom RAM empfangen wurde?« Beim Abschied nahm Kosak Schmidt zur Seite und raunte ihm zu: »Herr Gesandter, wenn Sie etwas tun können, sorgen Sie dafür, daß unsere kroatische Souveränität oben weniger und unten mehr respektiert wird.«

Die Engländer versenken die Tirpitz

Der Untergang der »Tirpitz« (12. November 1944) beraubt uns des letzten Schlachtschiffes. Die »Tirpitz« band britische Schlachtschiffe, die im Geleitzugverkehr nach Rußland eingesetzt waren und jetzt anderenorts - zum Beispiel gegen Japan - verwendet werden können.

Freitag, den 24. November 1944 - Reise nach Wien

Für eine am 17. November angetretene Reise nach Wien benötigte ich zwanzig, für den Rückweg am 23. November sechsundzwanzig Stunden. Alle Wiener Bahnhöfe, bis auf den Westbahnhof, sind außer Betrieb. Die Züge kommen in Florisdorf oder Stadlau an und fahren von dort ab, weil die Donaubrücken teilweise zerstört sind.

Die Verbindung zwischen diesen Vororten und der Stadt wird durch Autobusse aufrechterhalten, die so überfüllt sind, daß man keinen Platz bekommt. Auf der Hinreise begegne ich im Zug Gabriele Kesselstatt und Camillo Haubert, die einen Wagen vom ungarischen Konsulat organisieren, ohne den wir nie in die Stadt gekommen wären.

Statt neun Uhr langte ich gegen 18 Uhr im »Imperial« an. In Angern hatten wir wegen Luftalarm einen mehrstündigen Aufenthalt. Während 500 Bomber über uns hinwegflogen, krochen wir in eine Erdmulde auf einem Kartoffelacker. Die äußeren Wiener Bezirke, der III. und IV., das Diplomatenviertel, die Argentiniergasse, der Rennweg, die Prinz-Eugen-Straße, der Schwarzenberg-Park und das Belvedere haben schwer gelitten. Große Autos mit exilierten Politikern kutschieren durch die Straßen. In den Läden gibt es außer schwarzen Krawatten nichts zu kaufen.

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