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Tagesaktuelle Gedanken - Aufzeichnungen von 1943 bis 1945

Dieses Kriegs-Tagebuch gibt uns einen sehr nachdenklichen Eindruck von dem, das in den oberen Sphären der Politik und der Diplomatie gedacht wurde und bekannt war. In ganz vielen eupho- rischen Fernseh-Büchern, die bei uns vorliegen, wird das Fernsehen ab 1936 in den Mittelpunkt des Weltinteresses gestellt - und hier kommt es überhaupt nicht vor. Auch das Magnetophon kommt hier nicht vor. Alleine vom Radio wird öfter gesprochen. In den damaligen diplomatischen und höchsten politischen Kreisen hatten ganz andere Tagesthemen Vorrang. Und das kann man hier sehr authentisch nachlesen. Im übrigen ist es sehr ähnlich zu den wöchentlichen Berichten des Dr. Wagenführ in seinen Fernseh Informationen.

Diese Aufzeichnungen hier sind aber 1963 - also 20 Jahre danach - getextet worden und wir wissen nicht, ob einzelne Absätze nicht doch etwas aufgehübscht wurden. Auch wurde das Buch 1963 für die alte (Kriegs-) Generation geschrieben, die das alles noch erlebt hatte.

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Dienstag, den 7. September 1943 - Ein Leben im Luftkrieg

Unser Leben wird mehr und mehr durch die Luftkriegslage beherrscht. Die Haltung der Berliner Bevölkerung ist im allgemeinen großartig. Wir gewinnen Übung im Umgang mit Brandbomben und wie man Sandtüten und Wassereimer rechtzeitig in Aktion setzt.

Ein Dachstuhlbrand in unserem Haus wurde unangenehm, weil der Brandkörper an einer unzugänglichen Stelle in der Decke zwischen zwei Stockwerken steckengeblieben war. Lästig ist die Praxis der feindlichen Flieger, in offene Brandherde Bomben nachzuwerfen. Der letzte Angriff wütete am schwersten in Siemensstadt, längs des S-Bahn-Nordringes, in der Müllerstraße im Berliner Norden, am Hohenzollern- und am Fehrbelliner Platz.

Auf das Kurfürstendamm-Theater »Komödie« und das Dach von Strempels Haus fielen Teile eines abgeschossenen Bombers. Ein Metallteil des Flugzeuges durchschlug einen Möbelwagen in der Marchstraße, der mit Doernbergschem Hausrat gefüllt war.

Ein anderer Transport, den Tino Soldati in die Schweiz schicken wollte, verbrannte auf dem Lehrter Bahnhof. Das Haus von Bolko und Viktoria Richthofen in Schmargendorf wurde zum dritten Mal während dieses Krieges getroffen und brannte vollständig aus.

Die Frage, ob die Flieger wiederkommen, bewegt die Menschen jeden Abend. Gestern nacht wurde mit Bestimmtheit ein Angriff erwartet. Warum, wußte niemand zu sagen. Hans Flotow hatte zu einer kleinen Gesellschaft geladen. Missi Wassilschikoff, Lorimarie Schönburg, Aga Fürstenberg, Bernd Mumm und andere waren da. Es wurde über nichts anderes als über den Luftkrieg gesprochen. Das Ganze erinnerte an eine Katakombenzusammenkunft. An der Ostfront dringen die Russen mit großer Schnelligkeit vor. Wir müssen über den Dnjepr zurückgehen. Wo das Ganze zum Halt kommen wird, traut sich niemand zu bestimmen.

Einmal Ausschlafen und Erholen

Der Empfang der orthodoxen Bischöfe durch Stalin erregt hier Aufsehen, weil von den Kräften, die diesen Staat bewegen, keiner etwas von Religion oder Kirche wissen will.

Letztes Wochenende verbrachten wir in Gramzow, einem Jagdhaus Werner Blumenthals, das der portugiesischen Gesandtschaft vermietet worden und zum Ausschlafen und Erholen wie gemacht ist. Leider knöpfte uns seine Köchin für anderthalb Tage 600 Gramm Fleischmarken und 500 Gramm Buttermarken, soviel wie eine Monatsration, ab!
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Freitag, den 10. September 1943 - Italien gibt auf

In Italien ist das erwartete Ende eingetreten. Nur die Form der Kapitulation hat überrascht. Ich hörte die Nachricht am Mittwoch, dem 8. September um 23.15 Uhr über den Deutschlandsender. Um ein Uhr früh rief Schmidt an und bat mich, meine Gedanken für eine Sprachregelung zu sammeln.

Von oben war das Stichwort ausgegeben worden, daß der König und Badoglio Verräter seien. Bemerkenswert ist, daß der Waffenstillstand am 3. September unterzeichnet wurde, aber erst am 8. September in Kraft trat.

In der Zwischenzeit erfolgten nicht nur Kampfhandlungen, wie in Calabrien, sondern auch Luftangriffe auf Neapel und Frascati, dort wollte man unser Hauptquartier treffen. Man fragt sich, ob Badoglio davon gewußt hat. Die Kapitulation wird als »bedingungslose Übergabe« bezeichnet. Warum hat man dann drei Wochen hindurch verhandelt?

Badoglios Aufruf, der hier nicht veröffentlicht wird, enthält logische Argumente. Italiens einziger Reichtum ist seine Architektur, die bei einer Fortsetzung des Krieges zerstört worden wäre. Nennt man das italienische Vergehen Verrat, so sollte man berücksichtigen, daß die Italiener sich seit drei Jahren von uns betrogen fühlen.

Immer wieder führten sie darüber Klage, daß wir sie über die Lage im Osten falsch informierten, und daß wir uns weigerten, eine Kriegsentscheidung im Mittelmeer zu suchen.

Sie übersehen freilich, daß Italien aus freien Stücken in den Krieg trat, weil es unseres Sieges sicher war und weil es bei der Verteilung der Beute dabeisein wollte.

Jetzt haben wir noch einen Feind mehr . . . . .

Militärisch fügen wir unseren vielen Feinden nun die Italiener hinzu. Der Vertreter des OKW, der uns täglich über die militärische Lage unterrichtet, teilt mit, daß man in Oberitalien bereits 75-000 Gefangene gemacht, unsere Luftwaffe ein italienisches Schlachtschiff versenkt und andere Einheiten in ihre Häfen zurückgejagt habe.

Ein deutsch-italienisches Oran? In diesem Krieg ist nichts unmöglich! Politisch könnten wir uns aller Hypotheken entledigen, mit denen uns Italien belastete. Wir könnten Frieden mit Frankreich schließen, die kroatische Frage lösen und die Südslawen einschließlich der Serben zu versöhnen suchen. Über die »nationalfaschistische« Regierung, der Farinacci, Pavolini und Preciosi angehören, liegt Dunkel gebreitet.

Niemand weiß, wo diese Herren sich aufhalten, welche Befugnisse sie erhalten werden. Sie regieren im Namen von Mussolini, dessen Aufenthaltsort unbekannt ist.
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Die Stimmung der Italiener ist umgeschlagen

Wie der hartnäckige Widerstand der Garnisonen von Bozen, Meran, Trient und Bologna zeigt, ist die Stimmung in Oberitalien gegen uns umgeschlagen. Mailand, Genua und Turin wurden kampflos übergeben. Auch Rom mit allen Tiberbrücken ist in unserer Hand.

Die Mitglieder der hiesigen italienischen Botschaft haben Hausarrest. Man wird ihnen freistellen, sich für die fachistische Regierung zu erklären oder zurückzureisen. Die meisten dürften sich für die Abreise entscheiden. Lediglich Torso, Giretti und Cuturi, die mit deutschen Frauen verheiratet sind, haben angedeutet, daß sie bleiben wollen.

Eine allererste Erwähnung einen Kinos, des UFA Palastes

Dienstag Abend (14. Sept) dinierten wir mit dem portugiesischen Gesandten Graf Tovar und Fräulein von Paleske, der Tochter von Frau von Dirksen. Tovar lud uns anschließend in den Ufa-Palast ein, um den Film »Der unendliche Weg« zu sehen, der den Lebensweg von Friedrich List behandelt.

Tovar, klein von Gestalt mit einem klugen aristokratischen Kopf, hat seine Frau nach Portugal geschickt. Bilder der Gräfin erinnerten an Infantinnen von Velazquez. Die portugiesische Gesandtschaft residiert im ehemaligen von Breuhaus umgebauten Palais Deutsch (AEG) am Lützowufer.

Die Spiegel im Speisesaal, die Marmor-Fußböden, die mit grauer Seide bespannten Wände des Salons, die vergoldeten Möbel, vermitteln ein unwirkliches Bild. Es fällt immer schwerer, sich das Leben vorzustellen, für das dies alles bestimmt war.

Tovar erzählte, daß eine reiche Dame in Lissabon vor vielen Jahren zwei arme Knaben adoptierte, um ihnen das Studium zu ermöglichen. Einer von ihnen sei der heutige Ministerpräsident Salazar, der andere der jetzige Kardinal Primas.

Samstag, den 11. September 1943 - die Führerrede

Die Führerrede gestern abend hat den offiziellen Standpunkt zu den Ereignissen in Italien umrissen. Vielleicht war sie die schwerste Rede, die Hitler je gehalten hat, jedenfalls die kürzeste.

Für einen Staatsmann ist es immer schwierig, ein politisches Unglück zu erklären. Der deutschen Politik kann der Vorwurf nicht erspart bleiben, daß sie mit einer solchen Entwicklung hätte rechnen müssen.

Der italienische Volkscharakter hat sich so wenig geändert, wie der Charakter der italienischen Politik. Nach den Erfahrungen von 1915 hätten wir doppelt Anlaß gehabt, wachsam zu sein. Man hat hier in bezug auf Italien zu gern geglaubt, was man glauben wollte, daß Mussolini und der Faschismus das italienische Volk gewandelt hätten.

Weißbücher über die ehrlichen Dummköpfe - sowieso bekannt

Seit Hassels Weggang haben die Berichte unserer Quirinal-Botschaft (einer der 7 Hügel Roms) mit dazu beitragen, die hiesige Führung in ihrem Wunschdenken zu bestärken. Es nutzt wenig, jetzt Weißbücher herauszubringen, die uns als ehrliche Dummköpfe hinstellen. Das ist ohnehin bekannt. Wir sollten uns lieber von Berichterstattern befreien, die jahrein, jahraus auf alles hereinfallen, was ihnen draußen vorgemacht wird.

Das Hotel ADLON am Brandenburger Tor

Ich hörte die Führerrede im Hotel »Adlon«, in welchem ich mit Franzi Schmidt zu Abend aß. Bezeichnend für die Apathie des Publikums war, daß die Rede nicht wie früher in den Speisesaal übertragen wurde, und daß sich in dem kleinen Saal des Hotels, in dem der Lautsprecher aufgestellt war, noch nicht einmal ein Viertel der Abendgäste zum Abhören einfand. Fast alle Zuhörer waren Köche und Hotelpersonal.

Die Informationskette des AA bröckelt

Vielleicht wäre das politische Interesse größer, wenn mehr und bessere Informationsmöglichkeiten beständen. Dieser Tage erhielt ich ein Schreiben des ehemaligen Reichsinnenministers und jetzigen Reichsprotektors für Böhmen und Mähren, Dr. Frick, in dem er seine Bitte um Zustellung des von mir verfaßten »Deutscher Politischer Bericht« wiederholt.

Dr. Frick hatte schon einmal vor zwei Wochen durch seinen Adjutanten, Major Radtke, telephonisch deswegen anfragen lassen. Sein Wunsch wurde von Schmidt mit der Begründung abgelehnt, daß über die Verteilung politischen Informationsmaterials Weisungen des Führers beständen, die nur mit höherer Genehmigung überschritten werden dürften. Auch jetzt mußte Fricks Schreiben an Ribbentrop weitergeleitet werden, der es möglicherweise dem Führer zur Entscheidung vorlegen wird.

Selbst für Mitglieder des Reichskabinetts bestehen Informationssperren, die als grotesk bezeichnet werden müssen. Wie sollen die Reichsminister eigentlich zu einer politischen Meinungsbildung gelangen?

Ein Kasten richtiger Pralinen zum Abschied

Die hiesige italienische Botschaft hat Berlin in Richtung München verlassen. Wann sie die Reise von München fortsetzen wird, ist ungewiß, Ridomi verabschiedete sich von Schmidt mit einem Kasten Pralines! Welch ein Abgang in diesem Augenblick!

Seite 134 - Montag, den 13. September 1943
- Mussolinis Befreiung als Eilmeldung

Die Sensation des gestrigen Tages war die Befreiung Mussolinis, die gegen elf Uhr als Sondermeldung über den Deutschlandsender bekanntgegeben wurde.

Haben wir dem Duce damit einen Gefallen erwiesen? Der Führer des Faschismus ist zwar der Auslieferung an die Alliierten einstweilen entronnen. Seine Befreiung enthebt sie der Verlegenheit, ihm den Prozeß zu machen.

Aber wie ist es um Mussolinis politische Zukunft bestellt? Im Leben eines Politikers gibt es Situationen, wo ehrenvolle Gefangenschaft einer fragwürdigen Freiheit vorzuziehen ist. Erst auf dem Wege zum Hauptquartier Hitlers dürfte Mussolini von der Rückgabe Dalmatiens an Kroatien erfahren haben und von den Kämpfen, die zwischen den Deutschen und Italienern in Norditalien stattfanden. Eine für Griechenland ausgegebene neue Sprachregelung konnte gerade noch zurückgezogen werden.

Die Wahrheit für den Duce

Im Hauptquartier (vermutlich in der Wolfsschanze in Ostpreußen) wird dem Duce eröffnet werden, daß sich bereits 400.000 italienische Gefangene in unserer Hand und auf dem Wege in deutsche Arbeitslager befinden. Welche Rolle soll der unglückliche Staatsmann angesichts dieser Situation spielen?

Er kann nicht erwarten, daß wir ihm zuliebe, der vielleicht noch nicht einmal fünf Prozent des italienischen Volkes hinter sich hat, auch nur eine dieser Maßnahmen rückgängig machen. Mussolini hat uns weder politisch noch militärisch etwas zu bieten.

Um einen englischen Vergleich zu benutzen: Italien wird nicht nur bei den Alliierten »am Ende der Schlange« anfangen müssen, sondern auch bei uns.

Ein Besuch in Buderose bei Guben (heute Budoradz)

Sonntag wohnte ich in Buderose bei Guben (direkt auf der Ostseite der Neiße - heute in Polen gelegen) der Einweihung eines Gedenksteines für Bogislav und Hans-Melchior Studnitz bei. Die mit militärischen Ehren begangene Feier war schlicht und eindrucksvoll. Das Schloß, in dem mein Vater und Bogislav geboren wurden, ging nach dem Tode eines Onkels in den Besitz der Stadt Guben über, die es der Vereinigung der Frontdichter zur Verfügung stellte. Seitdem verkommen Haus und Park. Die Luftwaffe, die in der Nachbarschaft einen Fliegerhorst errichtete, vollendete die Zerstörung des reizenden aus dem achtzehnten Jahrhundert stammenden Gebäudes.

Die Deutschen Beamten unter sich

Im Abendzug von Guben ergatterte ich einen Platz in einem Dienstabteil erster Klasse, in dem sich vier ältere Herren in so angeregter Unterhaltung befanden, daß sie mein Hinzukommen als Störung empfanden. Es handelte sich um höhere Funktionäre der Reichsbahn, die mich jedoch nicht zu fragen wagten, ob ich berechtigt sei, in einem Dienstabteil zu reisen.

Als auf der nächsten Station eine Dame zustieg und bescheiden bat, auf einem noch frei gebliebenen Sitz Platz nehmen zu dürfen, riefen die vier im Chor: »Hier ist Dienstabteil.« Die Dame bemerkte schüchtern, sie befinde sich im Besitze einer ordnungsmäßigen Fahrkarte erster Klasse, und es sei doch ungerecht, wenn die Reichsbahn mehr Karten erster Klasse verkaufe, als sie Plätze zur Verfügung habe. Daraufhin gab ihr der Würdigste den Bescheid: »Meine liebe Frau, wir sind im Kriege.«

Mittwoch, den 15. September 1943

Der in Freiheit gesetzte Duce macht uns bereits Schwierigkeiten. In Balkananfragen, aber auch in der Frankreich-Politik treten wir mit Rücksicht auf die neue »Partnerschaft« mit Mussolini wieder kürzer.

Freitag, den 24. September 1943 - Besuch in Jankowo im Wartheland

Ich war einige Tage in Adolfinenhof (Jankowo) bei den Geyrs. Seit dem Frühjahr hat die Diskriminierung des polnischen Elements im Warthegau noch zugenommen. Überall sieht man Schilder, wie »Nur für Deutsche« oder »Polen zugelassen«.

Selbst die Schulen für Polen bleiben geschlossen, so daß viele polnische Kinder seit vier Jahren ohne Unterricht sind, ein merkwürdiger Beitrag zur »Kolonisation des Ostens«.

In Posen, Hohensalza und anderen Orten des Warthegaus ist alle paar Nächte Fliegeralarm. Meist handelt es sich um englische oder russische Flugzeuge, die Fallschirmagenten, Waffen und Flugblätter absetzen.

Die Rückreise nach Berlin war überaus schwierig.

In Thorn standen viele Kinder auf dem Bahnhof, die in unseren Zug drängten, dessen einziger Schlafwagen verrammelt war. Als es mir endlich gelang, den Schaffner zu finden, war kein Bett frei. Gegen zwanzig Mark Trinkgeld durfte ich schließlich einsteigen mit der Aussicht, ab Bromberg ein Bett zu bekommen. Aber ein Gast, mit dem der Schaffner nicht mehr gerechnet hatte, erschien, und die Aussicht, zu schlafen, schwand dahin.

Fast alle Betten waren mit BDM-Mädchen und alten Frauen besetzt, die wegen der Zusatzlebensmittelkarten nach Hamburg reisten. Ich verbrachte die Nacht im Gang auf einem Klappstuhl neben einem kranken Arbeitsdienstmann, der von seiner Mutter bejammert wurde. Um mich gegen die starke Kälte zu schützen, steckte ich meine Füße in einen Postsack.

Mitten in der Nacht erschien eine Militärstreife, die wissen wollte, ob ich berechtigt sei, einen Schlafwagen zu benutzen. Als ich meinen Dienstpaß vorwies, schlug sich der Streifenführer auf den Bauch, kicherte und sagte: »Sehr interessant, sehr interessant, ich gebe es auf, in diesem Zug Ordnung zu schaffen.« Er war von einem Gestapomann begleitet, der die ganze Nacht mit dem Schlafwagenschaffner Kaffee trank.

Der Krieg und seine Auswüchse - die Rückreise

Auf den Bahnhöfen in Bromberg und Schneidemühl (beide Städte heute in Polen) spielten sich unbeschreibliche Szenen ab. Hunderte von Reisenden kamen nicht mit. Ein Mann mit einer Kastratenstimme versuchte, seine gelähmte Mutter in den Schlafwagen zu schieben, nachdem er ihren Rollstuhl in den Gepäckwagen katapultiert hatte. Der Streifenhauptmann wies ihn mit dem Bemerken zurück, »Hundertfünfundsiebziger« seien von der Beförderung ausgeschlossen! Eine Frau beanspruchte Beförderung, weil sie total bombengeschädigt sei. Hohnlachend sagte der Hauptmann, das sei er schon seit über drei Jahren.

So ging es die ganze Nacht. Ab und an öffneten sich die Abteile des Schlafwagens, um Leute im Pyjama herauszulassen, die, über mich hinwegsteigend, aufs Klo gelangen wollten. Als wir uns Berlin näherten - der Schaffner hatte alle zwei Stunden zu früh geweckt - blieb der Zug auf der Strecke liegen, wie es hieß, wegen eines Luftangriffs. Statt sechs Uhr früh liefen wir schließlich gegen acht Uhr auf dem Schlesischen Bahnhof ein.

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