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H. von Studnitz schreibt über die Erfahrungen seines Lebens

Eine Ergänzung zum Thema : "Was ist Wahrheit ?" - 1974 hat Hans-Georg von Studnitz (geb. 1907) ein Buch über sein Leben geschrieben, aus dem ich hier wesentliche Absätze zitiere und referenziere. Es kommen eine Menge historischer Informationen vor, die heutzutage in 2018 wieder aktuell sind, zum Beispiel die ungelöste "Katalonien-Frage" aus 1936.

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Kolonien werden zu Hause verloren

Als ich 1959 zum erstenmal nach dem Kriege wieder indischen Boden betrat, fand ich dort Zustände vor, die mir die Weisheit des am 22. Februar 1947 in London verkündeten Beschlusses, die Herrschaft der britischen Krone über Indien niederzulegen, fragwürdig erscheinen ließ.

Vieles, das sich seitdem auf dem Halbkontinent zutrug, bestärkte mich in der Überzeugung, daß die Engländer Indien zu früh aufgaben. Die Verlängerung ihres Mandats hätte die blutigen Auseinandersetzungen zwischen den indischen Nachfolgestaaten, die Austreibung ganzer Bevölkerungen, die Kriege um Kaschmir und Bangladesch, die Diktatur in Pakistan und das sehr persönliche Regiment Nehrus und seiner Tochter Indira Gandhi in Delhi vermeiden oder doch mildern können.

Die Überleitung von Indien nach Afrika

Der Atomversuch im indischen Armenhaus hätte vermutlich nicht stattgefunden. Ein Beitrag zum Frieden war der überstürzte britische Exodus nicht. Schon gar nicht nützte er den Millionen von Menschen, die den indischen Alltag zu bestehen haben und mit den Briten eine Administration einbüßten, die durch Gleichwertiges zu ersetzen vorerst nicht gelungen ist.

Gilt dies für Indien, so trifft es in verstärktem Maße für Afrika zu. Der Abzug der Franzosen aus Marokko, Tunesien und Algerien, der Engländer aus Ägypten und der Italiener aus Libyen kostete Europa die Herrschaft über das Mittelmeer und den kürzesten Seeweg nach dem Mittleren und Fernen Osten.

Welche Folgen man sich damit wirtschaftlich und militärisch auflud, hat die Ölkrise im Herbst 1973 demonstriert. Eine Zivilisation, die sich auf einen Rohstoff gründet, der sich der militärischen Kontrolle entzieht, ist zum Untergang verurteilt.

Afrika - Betrachtung der Fehler der Kolonialmächte

Immerhin erfolgte die Räumung Nordafrikas durch die Kolonialmächte während eines längeren Zeitraumes, in Algerien zudem nicht kampflos, in Ägypten erst nach einem zähen politischen Ringen. Auch ging das Erbe in die Hände einer einheimischen Führungsschicht über, die für die Selbstregierung viele Voraussetzungen erfüllte.

In Schwarzafrika lagen die Verhältnisse anders. Nirgendwo in den Kolonien bestanden Anlässe, die die Kolonialmächte zu einer vorzeitigen Aufgabe ihrer Stellung gezwungen hätten.

Soweit sich Unruheherde aufbauten, wie der Mau-Mau-Aufstand in Kenia, trugen sie keinen überregionalen Charakter. Da es in Schwarzafrika - von Äthopien abgesehen - niemals Nationen gab, sondern nur Stämme mit teilweise unübersteigbaren Sprachbarrieren, hatten die Kolonialmächte auch keine Nationalstaaten in Besitz nehmen können, sondern nur Siedlungsräume, die sie ohne Rücksicht auf ethnographische Gegebenheiten nach wirtschaftlichen und strategischen Gesichtspunkten unter sich teilten.

Entsprechend existierten in Afrika keine »nationalen Befreiungsbewegungen«, wie sie in Indien etwa in der Kongreßpartei Gandhis oder der Moslem League Jinnahs Gestalt gewannen.

Als die Weltreiche zerbrachen

Was sich unter solchen Bezeichnungen und mit Hilfe afrikafremder Einflüsse Mitte der fünfziger Jahre zu regen begann, entstand nach dem Abzug der großen Kolonialmächte, richtete sich gegen Restpositionen des weißen Mannes in den portugiesischen Afrikaprovinzen, in Rhodesien und in der Republik Südafrika und wurde außerhalb der Gebiete organisiert, die befreien zu wollen man vorgab.

In keinem Teil Schwarzafrikas, auch in den portugiesischen Territorien nicht, war die Abdankung der Kolonialmächte das Ergebnis militärischer Aktionen der kolonisierten Völker. Sie wurde vielmehr durch Faktoren ausgelöst, die außerhalb Afrikas gesucht werden müssen.

An erster Stelle stand die Ermüdung der imperialen Zentralen, ein Vorgang, der aus der Liquidation aller Weltreiche von Rom bis Spanien hinlänglich bekannt ist. Zum anderen wichen die Kolonialmächte dem Druck des Antikolonialismus in den Vereinigten Staaten, in deren Abhängigkeit sie nach dem Zweiten Weltkrieg geraten waren.

Die Gefahr des Kommunismus in Afrika überschätzt

Endlich wurden sie das Opfer ihrer eigenen Gespensterfurcht, indem sie die Gefahr des Kommunismus in Afrika gründlich überschätzten. Das Zusammentreffen dieser Umstände, zu denen die im Schoße der Vereinten Nationen und der christlichen Kirchen entfesselten Kampagnen gegen das koloniale Zeitalter traten, führte nach 1945 in London, Paris und Brüssel zu einer Kapitulationspanik, die im Frühjahr 1974 auch Lissabon ergriff.

Sie schlug sich in einer überhasteten Absetzbewegung aus Afrika nieder und einer in der Geschichte beispiellosen Flucht aus der Verantwortung für die auf Selbstregierung in keiner Weise vorbereiteten afrikanischen Schutzbefohlenen.

Die Folgen dieses Rückzuges waren in Afrika weit schlimmer als in Indien, wo der Kampf um die britische Hinterlassenschaft auf zwei Nachfolgestaaten und die Angehörigen von zwei Glaubensbekenntnissen beschränkt blieb.

Jetzt in Afrika - ein permanenter Bürgerkrieg - eine Analyse

Seit dem Abzug der Kolonialmächte befinden sich weite Teile Schwarzafrikas in einem permanenten Bürgerkrieg, sofern man den Begriff des »Bürgers« auf Afrika übertragen will. Viele der Stammesfehden sind wieder aufgelebt, die vor der Niederlassung der Kolonialmächte Afrika verunsicherten.

Bezeichnenderweise fanden die blutigsten Auseinandersetzungen in Zaire und in Nigeria statt. Dort war seitens der Kolonialmächte noch am meisten getan worden, um eine einheimische Elite an die Problematik moderner Staatslenkung heranzuführen.

Soweit unter dem Einfluß der früheren Kolonialmächte oder amerikanischer Ideologen Ansätze zu einer Demokratie nach westlichem Vorbild unternommen wurden, sind sie bald der Despotie als der in Afrika bodenständigen Herrschaftsform gewichen.

Sie tritt im Gewand monarchischen Absolutismus (Äthiopien und Marokko), sozialistischer Diktaturen (Algerien, Ägypten), patriarchalischer Regime (Tunesien, Kenia, Malawi, Zambia, Tanzania), am häufigsten aber in Gestalt von Militärregierungen auf.

In ihnen feiert die alte Häuptlingsherrschaft Auferstehung. Das Parlament in vielen afrikanischen Staaten ist heute die Armee. Sie dient als Schmelztiegel, aus dem eines Tages vielleicht Gemeinwesen hervorgehen werden, auf die sich das Wort Nation anwenden läßt.

Die Entwicklung in Afrika läßt mich einfach nicht los

Die politische Problematik Afrikas, das Nebeneinander verschiedener Herrschaftssysteme, die Koexistenz hochmoderner Staaten und steinzeitlicher Organismen, die Auflösung archaischer Lebensformen, Afrika als Schauplatz sowohl europäischen Pioniergeistes wie einer erschlafften, westlichen Zivilisation hat mich immer stärker beschäftigt.

Inmitten der Untergänge, in die mein Leben gerückt und die darzustellen mir aufgetragen wurde, ließ mich das afrikanische Drama nicht mehr los.

Ich versuchte den Schlagworten nachzuspüren, die das afrikanische Geschehen einhüllen und für Fernseher und Zeitungsleser ständig undurchsichtiger machen.

Neben schwarzafrikanischen Ländern, die von den Kolonialmächten in die Unabhängigkeit komplimentiert wurden, habe ich vor allem die Gebiete bereist, in denen der weiße Mann seine Stellung noch behauptet und jenes Heimatrecht wahrnimmt, das ihm in Afrika nicht weniger zusteht als in den Amerikas und Australien, ein Recht, das ihm sowenig geschmälert werden darf wie den Schwarzen ihr Heimatrecht in den Vereinigten Staaten, Westindien oder Brasilien.

Die erstaunliche Weitsicht von Studnitz aus dem Jahr 1974

Sentimentale Bindungen an Afrika hatte ich keine, wenn ich davon absehe, daß mein Großonkel Emil Kräusel dort als Forscher dilettierte, mein Vater als junger Offizier in Südwest gegen Hereros und Hottentotten kämpfte und mein Bruder Ulrich in Tanganyika von einem Nashorn getötet wurde.

Das Erlebnis der afrikanischen Natur, die Unberührtheit ihrer Fauna, die weiten unbesiedelten Räume beeindruckten mich nachhaltig. Sie trugen dazu bei, meinen Blick für die Vielfalt eines Kontinents zu öffnen, der allen gehört, dem schwarzen und dem weißen Mann, dem Araber und dem Inder und morgen vielleicht auch den Chinesen.

Die Staaten und Landschaften, die ich in Afrika aufsuchen durfte, lassen sich sowenig miteinander vergleichen wie Skandinavien mit Sizilien oder Polen mit Portugal. Eine »Einheit« Afrikas gibt es nicht. Es wird sie sowenig geben wie es eine Einheit Europas, Asiens oder Amerikas gibt.

Schon gar nicht läßt sich dort eine Gemeinschaft der »afroasiatischen« Völker vorstellen. Ich bin in Afrika nur Afrikanern begegnet, die die Asiaten hassen, und nur Asiaten, die die Afrikaner fürchten.

Auch erlaubt die Existenz einer »Organisation für afrikanische Einheit«, in der arabische Nordafrikaner und tropische Schwarzafrikaner am Konferenztisch sitzen, oder ihre gemeinsame Mitgliedschaft bei den Vereinten Nationen keine Schlüsse hinsichtlich einer Zusammenarbeit, die über die Verdammung Südafrikas hinausgehen würde.

Vielmehr ist das Mißtrauen zwischen den Nachkommen der arabischen Sklavenjäger und den schwarzen Stämmen keineswegs abgebaut. Die Zeit des von den Arabern zuerst organisierten Handels mit Negersklaven liegt nicht lange genug zurück, um aus der Erinnerung der Afrikaner gelöscht zu sein.

Ein Gespräch mit Moise Tschombe und Jan Smith in Madrid

Unter den Begegnungen, die ich im Laufe der Jahre mit afrikanischen Führern hatte, sind mir die Gespräche mit Moise Tschombe und Jan Smith besonders wertvoll gewesen.

In dem schwarzen und in dem weißen Afrikaner traf ich Staatsmänner von außerordentlichem Rang. Mit Tschombe verbrachte ich im November 1963 einen Nachmittag in seiner Madrider Wohnung, Jan Smith suchte ich 1973 in Salisbury auf.

Tschombe, Sproß einer Häuptlingsfamilie, hatte in Paris studiert, verfügte über eine universale Bildung und sprach ein Französisch, dessen Eleganz unter den Bonner Würdenträgern allenfalls Carlo Schmid erreicht.

Er war in jeder Hinsicht von Minderwertigkeitskomplexen frei und immun gegen marxistische Dogmen, die in den Gehirnen mancher Schwarzafrikaner fast so viel Verwirrung anrichten wie in deutschen Eierköpfen.

Seine politische Konzeption gründete sich auf eine profunde Kenntnis des in Afrika Machbaren und enthielt sich jeder Illusion über die Schwierigkeiten des Negers, mit den Problemen der modernen Welt fertig zu werden.

Tschombe vertrat die Ansicht, daß die Zukunft Schwarzafrikas nur in enger Verbindung mit dem »know how« des weißen Mannes organisiert werden könne. Er plädierte für eine Partnerschaft, die anstelle der bisherigen Abhängigkeit treten sollte, und er legte sich Rechenschaft darüber ab, daß eine politische Gleichberechtigung zwischen den Rassen
erst nach Überwindung des Bildungsgefälles voll zum Tragen kommen werde.

Tschombe, sehr klug und dennoch ermordet

Tschombes Tragik war seine Urbanität und Weitläufigkeit. Sie verführte ihn zu einem Optimismus, den die Verhältnisse im Kongo und in Katanga nach dem Abzug der Belgier nicht rechtfertigten. Inwieweit er sich an dem gewaltsamen Ende Lumumbas beteiligte, wird sich vermutlich nie klären lassen.

Entscheidend blieb, daß ihm die Verantwortung dafür angelastet wurde und er mit seiner Entführung nach Algerien dem langen Arm einer Rache zum Opfer fiel, die in Afrika niemals ruht. Daß die Exekution Tschombes im algerischen Kerker - auf welche Weise, ist nie bekanntgeworden - von einer arabischen Regierung toleriert wurde, ist bezeichnend. (Stand 1974).

Jan Smith, Begründer der rhodesischen Unabhängigkeit

In Jan Smith, dem Begründer der rhodesischen Unabhängigkeit und Regierungschef seines Landes, trat mir ein Mann entgegen, dem in der Todesphase des britischen Weltreiches eine ähnliche Rolle zufiel wie Antonius am Ausgang des römischen Imperiums. Mit dem Unterschied, daß in Salisbury keine Kleopatra mitmischte.

Jan Smith wird in die Geschichte als Gegenpart von Louis Mountbatten eingehen. Jener, dem Königshaus nahe verbunden, Seeheld, Inbegriff all der Eigenschaften, die einmal die britische Oberklasse auszeichneten, wurde zum Werkzeug einer der größten Kapitulationsakte der Weltgeschichte, als er im Auftrag der Labour-Regierung Indien preisgab.

Dieser, wie der Großadmiral britischer Offizier, Luftheld, Verkörperung all der Zähigkeit und Ausdauer jener britischen Mittelklasse, die das Empire gebaut hat, behauptete das letzte Stück England in Afrika.

Jener aus fürstlichem Geblüt, dieser Sohn eines rhodesischen Farmers. Der eine, der alles weggab, populär bis in sein hohes Alter, der andere, der einen Rest zu bewahren suchte, verfemt, gehaßt, verraten von Labour bis zu den Tories.

Unter den Führern der sich auflösenden britischen Welt beansprucht Jan Smith, der letzte große Exponent der zivilisatorischen Mission des weißen Mannes in Afrika, Verteidiger des Erbes von Cecil Rhodes, einsame Größe. An ihm bewahrheitete sich das Goethewort, nach dem niemand über Geschichte urteilen kann, der nicht an sich selbst Geschichte erlebt hat.

Rhodesien - die afrikanische Schweiz

Aus Rhodesien hatten die Engländer eine afrikanische Schweiz geformt, eine Gesellschaft mit getrennter Entwicklung der Rassen, aber ohne die Lächerlichkeiten der sogenannten kleinen Apartheid in Südafrika, eine agrarische Musterwirtschaft, ein industrielles Entwicklungsland mit vielversprechenden Ansätzen, ein touristisches Paradies, das alles zusammengehalten durch eine Verwaltung, wie sie in dieser Potenz nur von britischen »Civil-Service«-Experten auf die Beine gestellt werden konnte.

Ob Rhodesien überleben wird, nachdem sich die britische Regierung mit den Vereinten Nationen, dem Weltkirchenrat, Terroristen aus Sambia und Mozambique und dem internationalen Kommunismus zusammengetan hat, um die Rhodesier dafür zu bestrafen, daß sie Engländer bleiben wollen, wage ich nicht zu entscheiden.

Es begann mit der Liquidierung des Salazar-Regimes in Portugal

Die Liquidierung des Salazar-Regimes in Portugal hat eine Entwicklung in Angola und Mozambique eingeleitet, deren Folgen für Rhodesien nicht absehbar sind.

In beiden portugiesischen Afrikaprovinzen habe ich viele Wochen zugebracht. Die Struktur dieser Kolonien unterschied sich von den afrikanisdien Besitzungen anderer Mächte durch die viel engere Verbindung zwischen Europäern und Eingeborenen.

Zwar hat sich die Hoffnung der Portugiesen, das brasilianische Experiment auf afrikanischem Boden wiederholen zu können, nicht verwirklichen lassen, nachdem die Auswandererströme aus dem Mutterland nach Angola und Mozambique dünner flössen als nach Südamerika und zuwenig Mulatten vorhanden sind, die einer gemischten Zivilisation als Rückhalt hätten dienen können.

Auch entdeckte die Regierung in Lissabon den wirtschaftlichen Wert der afrikanischen Besitzungen relativ spät und begann mit ihrer modernen Entwicklung erst nach dem vom Kongo nach Angola getragenen Aufstand von 1961.

Afrika und Afrika ist nicht das Gleiche

Angola und Mozambique sind nicht wie Kenya, Tanzania, Uganda, Nigeria und der Kongo von Gentlemen-Farmern und großen Kapitalgesellschaften kolonisiert worden, sondern vom kleinen weißen Mann. Das Großkapital erschien erst in den letzten Jahrzehnten.

Die Klagen, die über die Profite geführt werden, die es aus Portugiesisch-Afrika zieht, verschweigen, daß es die kleinen portugiesischen Siedler und Händler, die freien Berufe, der seßhaft gewordene weiße Mittelstand sind, die die Zeche in Mozambique und Angola bezahlen werden.

Wenn Afrika heute den Busch verläßt, um Gisela Bonn zu zitieren, so war es Portugal, das als einzige europäische Kolonialmacht diesen Busch vier Jahrhunderte mit den Afrikanern teilte.

Das portugiesische Verständnis für die Afrikaner

Aus diesem engen Beieinander hat sich zwar keine gemeinsame Kultur entwickeln können, aber doch eine besondere Beziehung, die auf portugiesischer Seite zu einem Verständnis für die Afrikaner führte, das von keiner anderen Kolonialmacht erreicht wurde.

Bis in die Gegenwart hat Afrika andererseits die Fähigkeiten des lusitanischen Volkes einer Härteprobe unterworfen, die Bewunderung abnötigt.

Die Betrachtung über die afrikanische Apartheid

In den portugiesischen Afrikaterritorien gab es keine Apartheid, sondern Alphabeten und Analphabeten, zwischen denen administrativ unterschieden wurde.

Die Apartheid ist auch keine Erfindung der Buren, sondern der Engländer, die sie in allen Teilen ihres Weltreiches, uralte Kulturländer wie Ägypten und Indien nicht ausgenommen, praktizierten.

Heute bemühen sich die Engländer um ein Alibi vor der Geschichte, indem sie eine farbige Einwanderung auf die Britischen Inseln zulassen und als Wortführer gegen die Apartheid auftreten.

Im Bittgang um Absolution verhalten sich die Engländer nicht anders als die Deutschen, die wähnen, ihre Morde an den Juden durch Geschenke an afrikanische Terroristen sühnen zu können.

Oder wie die Schweden, die am schlimmsten das Deutschland der Reformation brandschatzten, um sich heute über amerikanischen Napalmeinsatz in Vietnam zu entrüsten.

Die Holländer, die das Kapland besiedelten, duldeten wie in Indonesien den Beischlaf mit den Eingeborenen. Ihre burischen Nachkommen proklamierten Apartheid erst, als sie vor den Engländern nach Norden treckten und dort auf die südwärts wandernden Bantus stießen.

Erst dann gewann der Apartheidgedanke, dessen bis ins 17. Jahrhundert zurückreichende Wurzeln von den reformierten niederländischen Kirchen gepflegt wurden, den Rang einer Staatsphilosophie, die mit der Geschichte Südafrikas so verknüpft ist wie die Ausrottung der Indianer mit der Geschichte der Vereinigten Staaten.

Im Kommunismus hat Afrika keinen Platz

Der Kampf gegen Südafrika würde vermutlich auch dann stattfinden, wenn es dort eine multilaterale Gesellschaftsentwicklung geben würde. Der Kommunismus, der auf dem dunklen Kontinent seine verlorene Zukunft sucht, kann ein Afrika nicht gebrauchen, in dem Staatsgründungen überleben, die für den Kapitalismus, für eine freie Wirtschaft, für einen freien Wettbewerb, für Begabtenauslese, für freie Gemeinwesen zeugen.

Der Kommunismus hat keinen Platz für ein weißes oder ein gemischtrassiges Afrika, das, wie die von Pretoria und Salisbury regierten Republiken, Hunderttausende von schwarzen Gastarbeitern anzieht, weil sie dort Löhne verdienen, wie sie ihnen nur das kapitalistische System bieten kann.

Ein Afrika, das den Schwarzen einen Lebensstandard ermöglicht, der weit über dem vieler Sowjetrussen und Rotchinesen liegt.

Wenn es keine Proletarier mehr gibt, was dann ?

Während der Spätkapitalismus seine stärksten Triebe in den überbevölkerten hochindustrialisierten Staaten Westeuropas, Nordamerikas und Ostasiens ansetzt, sucht der Spätsozialismus sein Betätigungsfeld mehr und mehr in den unterentwickelten Ländern.

Hier, da der Bildungsstand der Massen dürftig ist, der Arbeiter von den Chancen des Aufstiegs in den kapitalistischen Ländern keine Vorstellung hat, bietet sich dem Spätmarxismus die Gelegenheit, die ihm der steigende Wohlstand in Gebieten entzogen hat, die kein Proletariat mehr kennen.

Der Neomarxismus ist eine Geisteskrankheit

Hier bedarf es keiner Mühen, die sich gerade erst regende Intelligenz zu verdummen, sie empfänglich zu machen für die Geisteskrankheit des Neomarxismus.

Hier trifft diese Lehre noch auf Menschen, die nicht überzeugt werden müssen, weil sie gegen Zweifel nicht anfällig sind. Hier kann der KP-Funktionär ohne Übergang die Nachfolge des Medizinmannes und Missionars antreten.

All dem steht die Republik Südafrika im Wege. Afrika muß von Südafrika »befreit« werden, weil es nur dann ganz ruiniert und für den Kommunismus reif gemacht werden kann.

Südafrikaner lassen sich nicht gern von den Motiven überzeugen, die hinter der weltweiten Kampagne gegen ihr Land lauern. Sie haben keine Vorstellung von der unheiligen Allianz, die sich gegen Südafrika zusammengefunden hat.

Von einem Bündnis, in dem das antiburische Ressentiment der Engländer, das schlechte Gewissen der Amerikaner in der Negerfrage, das sozialistische Mitläufertum christlicher Kirchen, der Einfluß der dritten Welt auf die Vereinten Nationen Hand in Hand arbeiten mit dem auf die afrikanischen Bodenschätze erpichten Yankee-Kapitalismus und dem nach politischer Macht in Afrika greifenden kommunistischen Imperialismus.

Wenn entgegengesetzte Philosophien aufeinender treffen

Es gibt südafrikanische Politiker, die allen Ernstes glauben, alles werde gut werden, wenn sie der Vermischung der Rassen freien Lauf ließen und damit der Grundforderung gegen die Apartheid entsprächen.

Und es gibt in Südafrika Liberale, die überzeugt sind, Pretoria brauche nur dem Begehren nach »mehr Demokratie« für alle Rassen nachgeben, um Feindschaft gegen Südafrika in Freundschaft zu wandeln.

Sie erkennen noch nicht, daß die Demokratie westlicher Prägung fast schon so der Vergangenheit angehört wie die Monarchie, daß die Welt an der Schwelle eines neuen Cäsarismus steht, der aus den Helotensystemen der kommunistischen Staaten aufsteigt.

Als Instrument gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Neuordnung sind die Chancen des Kommunismus in Schwarzafrika gering.

Als Mittel der Disziplinierung unterentwickelter Völker, ihrer Eingliederung in einen kollektiven Arbeitsprozeß bieten sich dem Kommunismus jedoch Möglichkeiten, von denen der Kolonialismus Leopolds II, Königs der Belgier, nicht einmal zu träumen wagte.

Ein Blick in die Zukunft - gesehen aus Sicht von 1974

Vieles deutet darauf hin, daß dem Abzug der Kolonialmächte aus Afrika eine Entwicklung folgen wird, wie sie der Zusammenbruch des spanischen Weltreiches in Lateinamerika einleitete.

Die Demokratie hat die Herrschaft der Oligarchie und des Militärs dort immer nur für kurze Perioden unterbrochen. Die Diktaturen der schwarzen Generäle, die das Erbe der europäischen Gouverneure in Afrika angetreten haben, dürften sich für eine ähnliche Zeitdauer einrichten.

Die selbständig gewordenen afrikanischen Staaten experimentieren nicht mit der Freiheit, sondern mit der Anpassung im Lande gewachsener autoritärer Herrschaftsformen an die moderne Welt.

Der vermutlich letzte Seitensprung in meinem Leben

Unter den Seitensprüngen meines Lebens war der nach Afrika nicht der weiteste, aber der vermutlich letzte. In einem Alter, in dem es viele am heimischen Herd hält, schenkten mir die Länder und Menschen Afrikas noch einmal ein großes Abenteuer.

Am Kap mit seinen Weinbergen und Eichenwäldern, den geweißten Giebelhäusern der frühen holländischen Siedler, in der Kalahari, bei den Karakulfarmern von Südwest, an den heißen Stränden von Durban und Dakar, den Katarakten der Viktoriafälle, im Tal des Sambesi und im Flußbett des Limpopo, in den Gärten von Salisbury und Laurenco Mar-quess, auf den Kaffeepflanzungen von Angola, in Arusha und Nairobi, am Fuße des Kilimandscharo, in der Serengetisteppe und im Ngorongoro-Krater, in den Nationalparks von Manyara, Gorongosa und Wankie, vor der Erzmine in Kassinga und den Goldfeldern um Johannisburg, im Flug über die Drachenberge und die Savannen von Kenia begegnete ich dem schwarzen und dem weißen Afrika und lernte die Menschen begreifen, die dort und nur dort leben wollen.

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