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Achtung: Artikel und Texte aus NS/Hitler-Deutschland 1933-45

Nach der Gleichschaltung der reichsdeutschen Medien direkt nach der Machtübernahme in Februar/März 1933 sind alle Artikel und Texte mit besonderer Aufmerksamkeit zu betrachten. Der anfänglich noch gemäßigte politisch neutrale „Ton" in den technischen Publikationen veränderte sich fließend. Im März 1943 ging Stalingrad verloren und von da an las man zwischen den Zeilen mehr und mehr die Wahrheit über das Ende des 3. Reiches - aber verklausuliert.
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Juni 1937 - Die Bedeutung der Normstimmung für Musikaufführungen, Tonaufnahme und Tonwiedergabe

aus Heft 7 / Juni - Berlin 1937 von Dr.-Ing. O. Frank

Einleitung - Die Funktion des Kammertons "a"

Im Jahre 1885 ist von der Wiener Internationalen Stimmtonkonferenz die Schwingungszahl für das eingestrichene a (Kammerton) auf 435 Hz festgelegt und den einzelnen Ländern empfohlen worden diese Schwingungszahl allgemein einzuführen.
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Der Grund zu dieser Maßnahme mit dem einheitlichen "a"

Der Grund zu dieser Maßnahme war die Tatsache, daß die Stimmung der Instrumente im Laufe der vergangenen Zeit ständig gestiegen (nein, zu unterschiedlich war) und im übrigen sowohl in den verschiedenen Ländern als auch innerhalb der einzelnen Länder nicht einheitlich war.

Gegenüber den Zeiten von Joh. Seb. Bach ist die Stimmung um 1 1/2 Töne gestiegen, so daß heute z. B. die h-moll-Messe nicht in h-moll, sondern in d-moll (von Bach aus gesehen) musiziert wird. Auf dieser Tatsache beruhen auch die Schwierigkeiten, die sich für die Sänger vielfach bei der Aufführung Bachscher Werke ergeben, z. B. die Rolle des Evangelisten in der Matthäus-Passion.

Es ist sogar notwendig, für bestimmte Bachsche Werke besondere Instrumente, namentlich Trompeten und Hörner, zu verwenden, weil die gewöhnlichen heutigen Instrumente, die sich aus der Stimmungsverschiebung ergebenden Tonhöhen nicht erreichen.

Nicht nur in den vergangenen Zeiten, sondern auch in neuerer Zeit hat die Stimmung eine ständig steigende Tendenz.

Wie ist dies zu erklären ? Die Gründe dafür sind z. B.:

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  • 1. Die Stimmung der einzelnen Musikinstrumente ändert sich mit der Temperatur und zwar in verschiedener Weise. Während bei Blasinstrumenten die Stimmung mit steigender Temperatur steigt, sinkt sie bei Streichinstrumenten und beim Klavier. Daher stimmen die Streicher beim Beginn von Musikaufführungen meist höher ein. In Orchestern wird im allgemeinen nach dem "Ton der Oboe" eingestimmt; es ist festgestellt worden, daß der Temperaturänderung einer Oboe von 11 auf 22 eine Änderung der Stimmung von 420 auf 440 entspricht. Stimmt nun das Orchester nach der noch nicht auf die Raumtemperatur erwärmten Oboe, so ergeben sich bald nach Beginn der Aufführung starke Stimmungsunterschiede.
  • 2. Ein weiterer Grund für das Höherstimmen der Streicher liegt z. B. in dem Unterschied zwischen der reinen und temperierten Stimmung. Stimmt ein Streicher zu dem begleitenden Klavier die a-Saite genau ein, und dann nach dem Gehör (d. h. in reiner Stimmung) die g-Saite, die d-Saite und die e-Saite, so liegen die Töne der g-Saite und der d-Saite unter den entsprechenden Tönen des Klaviers. Deshalb stimmen die meisten Geiger ihr a etwas höher ein, um diesen Unterschied bei der g-Saite und der d-Saite auszugleichen. Der Ton der e-Saite wird dann allerdings noch höher als der entsprechende Klavierton; dafür wird meist auch vermieden, die e-Seite beim Spiel leer anzustreichen.
  • 3. Der wichtigste Grund für das Steigen der Stimmung liegt aber wohl in dem Bestreben der Streicher, ihre Instrumente möglichst hell und glänzender klingen zu lassen. Sie verlangen dann von dem Begleitinstrument oder gar vom ganzen Orchester, daß in einer höheren Stimmung gespielt wird. Paganini z. B. stimmte grundsätzlich seine Geige 1/2 Ton höher als die jeweilig vorhandene Stimmung war. Dieser Gedanke, daß bei höherer Stimmung eine bessere Wirkung zu erzielen sei, hat sogar zu einem Wettlauf unter den Orchestern nach immer höherer Stimmung geführt.

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1937 gab es schon den Begriff der "Sensationslust "

Nun sind die unter Punkt 1 und 2 erwähnten Schwierigkeiten durch vernünftige Übereinkunft lösbar. Der dritte Punkt deutet letzten Endes auf eine gewisse Sensationslust hin, die bekämpft werden muß.

Diese Erscheinungen haben dazu geführt, daß die Beschlüsse der Wiener Stimmtonkonferenz (435 Hz für den Kammerton) nicht eingehalten worden sind. Da dies zu einer Reihe von Unzuträglichkeiten geführt hat, die im nachstehenden noch näher beschrieben werden, hat sich bereits in den Jahren 1926 und 1927 der "Deutsche Normenausschuß" mit der Frage der Normstimmung befaßt.

Die damals geführten Verhandlungen haben gezeigt, daß in Deutschland alle beteiligten Kreise, nämlich sowohl die Musikausübenden als auch die Instrumentenhersteller, für das Festhalten an der Normstimmung von 435 Hz waren.

Auch eine Umfrage im "Auslande" ergab, daß man im allgemeinen dort der gleichen Meinung ist und die allgemeine Durchführung der in Wien gefaßten Beschlüsse befürwortet. Die Verhandlungen ergaben aber auch, daß es nicht damit getan ist, eine Normstimmung festzulegen, sondern daß darüber hinaus Anweisungen für die Durchführung dieser Normstimmung mit Rücksicht auf die verschiedenen Temperaturen und die Temperaturänderungen und das dadurch bedingte Verhalten der Instrumente bei Aufführungen gegeben werden müssen.
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Alle für die Beibehaltung der Normstimmung von 435 Hz

In der Zwischenzeit sind zahlreiche Untersuchungen in dieser Richtung angestellt worden; neuerdings konnten die Verhandlungen wieder aufgenommen werden. Auch heute ist es so, daß alle beteiligten Kreise in Deutschland sich für die Beibehaltung der Normstimmung von 435 Hz aussprechen, und daß man versuchen will, diese Normstimmung allgemein in Deutschland durchzusetzen.

Welche Bedeutung diese Frage hat, möge aus den folgenden Erwägungen ersehen werden:

  • 1. Die Verschiedenartigkeit und das Höhertreiben der Stimmung bringt Schwierigkeiten namentlich bei der Aufführung von Chorwerken, weil dem Umfange der menschlichen Stimme Grenzen gesetzt sind.

  • 2. Mit Rücksicht auf den Schulgesang und den begrenzten Umfang der Kinderstimmen ist eine Beibehaltung von 435 Hz erwünscht.

  • 3. Bei Instrumenten, die nicht leicht stark umgestimmt werden können, z. B. bei Holzblasinstrumenten, besteht der Zustand, daß Musiker, die in Gaststätten spielen, sich nach den meist zu hoch gestimmten Klavieren richten müssen, dagegen beim Mitwirken in Militärkapellen und Kapellen von Formationen sich an die dort vorgeschriebene oder angestrebte Normstimmung von 435 Hz halten sollen.

  • 4. Das Fehlen einer einheitlichen Stimmung führt dazu, daß Klaviere in Konzerthäusern, Theatern usw. häufig umgestimmt werden müssen, je nachdem, ob sie mit Orchester oder mit Orgel oder als Begleitinstrument für Solisten spielen. Es sind Fälle bekannt, "wo" bei denen Klaviere an einem Tag aus diesem Grunde dreimal umgestimmt werden mußten.

  • 5. Besonders schwierig und kostspielig ist die Umstimmung von Orgeln, weshalb denn auch die Orgelbauer, insbesondere Jos. Nik. Mollenhauer, Fulda, schon immer Vorkämpfer für eine einheitliche Stimmung gewesen sind.

  • 6. Die allgemeine Umstellung auf eine einheitliche Stimmung wird bei vielen Instrumenten nicht leicht sein und wegen des Umbaus und der Umstimmung vorhandener Instrumente eine ziemlich erhebliche Übergangszeit erfordern.

  • 7. Die Zusammenarbeit mit dem Auslande ist wegen der vielerlei Beziehungen, auch wegen der Lieferung von Musikinstrumenten nach dem Auslande, unbedingt anzustreben.

  • 8. Der Normstimmung von 435 Hz ist nach den Wiener Beschlüssen eine Temperatur von 15° zugrunde gelegt. Diese Bestimmung wird wohl geändert werden müssen, weil sie einmal nicht den bei Musikaufführungen vorhandenen Temperaturen (um 20° herum) entspricht, und weil andererseits als Normtemperatur, namentlich für Messungen aller Art, heute in den meisten Ländern 20°C festgelegt ist.

  • 9. Wie schon gesagt, ist es mit der Festlegung der Normstimmung und der Bezugstemperatur allein nicht getan, da mit Rücksicht auf das verschiedene Verhalten der Instrumente für die einzelnen Verwendungsfälle besondere Richtlinien notwendig sind.

  • 10. Der Frage der Meßgeräte und Stimmgeräte muß besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Vielfach weichen die heute verwendeten Stimmgabeln stark von der (aufgestempelten) Schwingungszahl ab; selbst geeichte Instrumente bedürfen in gewissen Zeiträumen der Nacheichung, weil sie sich durch äußere Einflüsse (z. B Beschädigung) verändern können. Es ist der Vorschlag gemacht worden, in geeigneter Weise den Normstimmton von 435 Hz von Zentralstellen aus zu geben, z. B. durch die Pausenzeichen von Rundfunksendern.

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Wiedergabe von Musik durch Schallplatten und Tonfilme

Besondere Beachtung verdient auch die Wiedergabe von Musik durch Schallplatten, Schallfilme und Tonfilme. Hier ist zu beachten, daß man sich international bereits über das Tempo geeinigt hat (z. B. 78 Umdrehungen je Minute bei Schallplatten, 24 Bilder je Sekunde bei Tonfilm 35mm).

  • Anmerkung : Die weiteren heute bekannten Platten-Geschwindigkeiten von 33 1/3 und 45 U/min kamen erst nach 1948.


Während diese Frage also einheitlich geregelt ist, hat man im allgemeinen der Frage der Stimmung keine Beachtung geschenkt. Bei der Tonaufnahme wird die Musik so aufgenommen, wie sie von den Musikaufführenden dargeboten wird. Wünschenswert wäre es aber auch hier, wenn man sich an die Normstimmung von 435 Hz halten würde, und zwar aus verschiedenen Gründen:

  • 1. Aus rein praktischen Gründen (Zusammenwirken von Tonfilm mit Musikinstrumenten, z. B. Orgeln in Lichtspieltheatern, Zusammensetzen von Filmmusiken aus verschiedenen Bestandteilen) ist es wünschenswert, daß alles auf eine einheitliche Stimmung bezogen ist.

  • 2. Aus rein künstlerischen Gründen ist es erwünscht, in die naturgetreue Wiedergabe, die man heute mit allen Mitteln anstrebt (Tempo, Klangfarbe, Lautstärke, Lautstärkeunterschiede), auch die Stimmung einzubeziehen, die ja vom Komponisten aus gesehen auch ein Bestandteil des Kunstwerks ist; für die Stimmung ist allerdings nicht der technische Teil der Tonaufnahme zuständig, sie ist Sache der Musikausführenden. Erst wenn auch die Stimmung einheitlich ist, können Schallplatte, Schallfilm und Tonfilm als wahre Dokumente einmaliger künstlerischer Ereignisse, nicht nur im Sinne der Musikausführenden, sondern auch im Sinne der Musikschaffenden angesehen werden.

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Der psychologische Einfluß der Stimmung

Es ist anzunehmen, daß auch die Frage der Stimmung einen psychologischen Einfluß auf die Musikhörenden hat. Ob allerdings die im vorstehenden geschilderte Meinung der Streich-Musiker, die Wirkung sei um so größer, je höher die Stimmung sei, richtig ist, muß dahingestellt bleiben.

Wäre sie richtig, so könnte es z. B. erlaubt sein, jedes Musikstück in der Stimmung vorzutragen, die die größte Wirkung auszuüben verspricht. Das ist aber kaum denkbar und wäre jedenfalls eine starke Willkürlichkeit gegenüber dem Komponisten.

Bisher sind wohl wenig Versuche systematisch in dieser Richtung angestellt worden. Über Versuche im Philips-Forschungslaboratorium hinsichtlich der Abspielgeschwindigkeit von Schallplatten und ihre Wirkung berichtet J. de Boer *1). Man hat eine Platte von Beethovens fünfter Symphonie etwa 30 Personen mit verschiedenen Umlaufzahlen vorgespielt und die Zuhörer dann befragt, welche Geschwindigkeit ihnen richtig, zu groß oder zu klein erschien.

*1) J.de Boer: Philips Techn. Rundschau 2 (1937), Heft 2 Seite 64
 
Dabei hat sich ergeben, daß die wenigsten Zuhörer die auf den Platten angegebene Umlaufzahl von 78 Umdrehungen für richtig hielten; die Mehrzahl der Meinungen lag bei 76 Umdrehungen. Ein Hörer mit absolutem Gehör bestätigte, daß bei dieser Umdrehungszahl die Tonhöhe (c-moll), bezogen
auf Normstimmung (435 Hz), richtig war, wie sich später auch aus genauen Messungen ergeben hat.

Offenbar sind also die Zuhörer bewußt oder unbewußt auf die Normstimmung eingestellt gewesen, während das Orchester bei der Aufnahme der Platte (mit 78 Umdrehungen) höher eingestimmt war.
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