Achtung: Artikel und Texte aus NS/Hitler-Deutschland 1933-45
Nach der Gleichschaltung der reichsdeutschen Medien direkt nach der Machtübernahme in Februar/März 1933 sind alle Artikel und Texte mit besonderer Aufmerksamkeit zu betrachten. Der anfänglich noch gemäßigte politisch neutrale „Ton" in den technischen Publikationen veränderte sich fließend. Im März 1943 ging Stalingrad verloren und von da an las man zwischen den Zeilen mehr und mehr die Wahrheit über das Ende des 3. Reiches - aber verklausuliert.
Hier geht es zur einführenden Seite.
.
Persönliches - ab Januar 1935
.
Direktor Johannes Heyne in den Ruhestand getreten
Nach mehr als 35jähriger Tätigkeit ist Direktor Johannes Heyne, Vorstandsmitglied der Zeiss Ikon A. G. Dresden, mit dem 31. Dezember 1934 in den Ruhestand getreten.
Seine arbeitsreiche Laufbahn umfaßt eine Spanne Zeit, in der die photographische und kinematographische Industrie einen außerordentlich großen Aufschwung genommen hat.
Mit dieser Entwicklung ist Direktor Heyne eng verbunden gewesen. Er ist im Jahre 1896 bei der damaligen Firma "Heinrich Ernemann" in Dresden als kaufmännischer Leiter eingetreten, und seitdem hat er seine Arbeit diesem Haus und seinen Nachfolgern gewidmet.
Bei der Umstellung der Firma in eine Aktiengesellschaft war er einer der Mitbegründer, und beim Zusammenschluß zur Zeiss Ikon A. G. trat er in den Vorstand dieser neuen Gesellschaft über.
Neben seiner Tätigkeit als Vorstandsmitglied ließ er sich besonders die Pflege des Kinogeschäfts angelegen sein. Viele in- und ausländische Theaterbesitzer, besonders aber die alten Pioniere kennen und schätzen ihn als Kaufmann und Persönlichkeit von lauterstem Charakter.
Neben seiner beruflichen Tätigkeit hat Direktor Heyne bei verschiedenen Fachorganisationen mitgearbeitet, von denen die Dresdner Handelskammer, der Reichsverband der Deutschen photographischen Industrie und der Verband Sächsischer Industrieller, deren Vorstand er bis vor kurzer Zeit angehörte, an erster Stelle standen.
Mit Direktor Heyne scheidet ein Mann aus der Photo- und Kinoindustrie, der in geschäftlicher und persönlicher Beziehung allenthalben großes Vertrauen und Ansehen genoß. Alle persönlichen und Geschäftsfreunde werden sein Ausscheiden aus der Industrie bedauern. Wir wünschen ihm noch lange Jahre gute Gesundheit im wohlverdienten Ruhestand.
.
Stanislaus Kucharski verstorben - 2. Februar 1935
Ein alter Pionier der Filmtechnik ging von uns: Stanislaus Kucharski. Am 2. Februar 1935 erlag er im 63. Lebensjahre einem Schlaganfall.
Den Filmschaffenden der Nachkriegszeit dürfte er weniger bekannt sein als jenen, die sich bereits vor dem Kriege mit der Kinematographie befaßten. Einer der ältesten unserer deutschen Männer des Films, Meister Guido Seeber, schildert das Wirken und Schaffen des Entschlafenen wie folgt:
Stanislaus Kucharski war ein Erfinder im wahrsten Sinne des Wortes, ein kleiner Edison, denn weit über 100 Patente sind ihm erteilt worden und viele betreffen Dinge, die uns täglich begegnen, so z. B. die Briefmarken-Verkaufsautomaten.
Bevor er 1905 zur Kinematographie überging, beschäftigte er sich auf photographischen, mechanischen und elektrischen Gebieten. Im genannten Jahre 1905 eröffnete er in der Rosenthaler Straße in Berlin einen Verkaufsladen für seine selbstgebauten Vorführungsapparate und übernahm auch selbst Kinotheater, um seine Apparate praktisch auszuprobieren. 1906 gründete er den ersten Filmtauschverein, eine Art Vorläufer des späteren Filmverleihes, und dann die Deutsche Film G.m.b.H., Unternehmungen, bei denen er alle durch Patentverkäufe und Lizenzen erzielten Einkünfte zusetzte.
- Anmerkung : Er steckte sein ganzes Geld in diese Versuche bzw. Firmen und am Ende war alles weg.
Eine Reihe wichtiger Patente, z. B. von Nockenapparaten und Synchron- Einrichtungen für Aufnahme und Wiedergabe von Filmen in Verbindung mit Sprechapparaten stammen von ihm, die s. Z. von der Firma Duskes in Berlin ausgewertet wurden.
Vielen dürfte noch das lebende Porträt „Biofix" in Erinnerung sein. In der Passage Unter den Linden in Berlin konnte man sich filmen lassen und auf das lebende Porträt warten, das nach Art der Abblätter-Bücher geliefert wurde. Hierzu hatte er ein sehr interessantes photographisches Verfahren entwickelt, das über die Aufnahme auf Schmalfilm Vergrößerungen auf Papier lieferte. Der „Minigraph“, ein Vorläufer der Leica, stammt ebenfalls von ihm; es war der erste Apparat, der 35mm Kinefilm zu Einzelbildaufnahmen benutzte.
Durch Ziehen an einem Knopf wurde der Film um genau eine Bildhöhe weiter transportiert und gleichzeitig der Verschluß gespannt, so daß Doppelbelichtungen ausgeschlossen waren. Mit diesem Apparat, der etwa 1 1/2m Kinefilm faßte, konnte man kopieren und auch projizieren, da man damals noch nicht an das Vergrößern, wie es heute geübt wird, dachte. Der Preis der Kamera mit einem sehr lichtstarken Objektiv betrug 85 Mark, während sich die Herstellungskosten nur auf 20 Mark belaufen haben sollen. Aber die Zeit war damals noch nicht reif für diese Art der Amateurphotographie.
Eine besonders fruchtbare Tätigkeit entfaltete er bei der Petra A.-G. in Berlin; am 25. Juni 1920 erhielt er von dieser ein sicher sehr seltenes Diplom, nachdem seine 450. Erfindung für die Petra A.-G. patentiert war. Die Petra A.-G. brachte die Petra-Schränke für Reklamefilmvorführungen in den Handel, und zwar für Benutzung bei Tageslicht. Desgleichen Projektionswände besonderer Art, ebenfalls für Tageslichtprojektion.
Aber seine Tätigkeit erstreckte sich auch auf verschiedene andere Gebiete, unter denen die von ihm geschaffene Ausführung der Briefmarken-Verkaufsautomaten besonders erwähnenswert ist.
Er war ein seltener Mensch, jederzeit liebenswürdig und immer bemüht, vorhandene Dinge zu verbessern und besonders die Erfahrungen der Praxis zu verwerten. Auf der Kipho (Kino- und Photo-Ausstellung) 1925 habe ich verschiedene Neuheiten von ihm gezeigt; besonders fielen ein Apparat mit optischem Ausgleich und eine Kamera für Filmaufnahmen auf, die bereits das Filmband zur bequemen Bildeinstellung von außen durch eine Mattscheibe ersetzen ließ, ohne die Kamera öffnen zu müssen.
Alle, die ihn gekannt haben, werden ihn nicht vergessen; mit ihm ist ein Wegbereiter und Förderer der filmtechnischen Industrie von seiner Aktivität abberufen worden.
.
Dr. Paul Rudolph verstorben - 8. März 1935
Am 8. März 1935 ist Dr. Paul Rudolph nach längerem Leiden verschieden. Damit ist ein Mann von uns gegangen, dessen Verdienste auf dem Gebiete der photographischen Optik so bedeutende sind, daß sein Name weit über die Grenzen unseres Vaterlandes hinaus bekannt geworden ist und besondere Wertschätzung genießt.
Dr. Paul Rudolph wurde am 14. November 1858 in Kahla in Thüringen geboren und studierte nach Absolvierung der Schule in München, Leipzig und Jena. Im Jahre 1884 promovierte er zum Dr. phil. und erwarb die Lehrfakultas für die oberen Klassen der Mathematik und Physik.
Aber schon zwei Jahre später, im Jahre 1886, zog Prof. E. Abbe Herrn Dr. Rudolph als wissenschaftlichen Mitarbeiter bei der Firma Carl Zeiss in Jena in seinen Kreis. Zunächst beschäftigte sich Dr. Rudolph mit mikroskopischen Arbeiten, bis er vier Jahre später, 1890, bei Zeiss die Abteilung für Photographie begründete und leitete.
Außer dem „Protar" und Satz-Anastigmaten 1:6,8, die 1890 entstanden, schuf er 1895 das „Doppel- und Satz-Protar“ 1:6,3, 1897 das „Planar" und den „Anamorphoten", 1900 das „Unar“ und 1902 endlich das in der ganzen Welt bekannt gewordene „Tessar“.
Nach 25jähriger "Beamteneigenschaft" mußte Dr. Rudolph Ende 1910 infolge völliger Ueberarbeitung seine Pensionierung durchsetzen. Bis 1918 lebte er in ländlicher Zurückgezogenheit, in der es ihm gelang, seine volle Schaffenskraft wieder zu erlangen.
Er hatte die Mußestunden nicht unnütz verbracht, sondern überraschte die Welt im Jahre 1918 mit dem ersten anastigmatischen Sphäro-Achromaten, dem er den Namen „Plasmat“ gab. Carl Zeiss in Jena stellte die ersten Probeexemplare dieses Objektives her; die Fabrikation der Plasmate im Lizenzwege übernahm dann aber bekanntlich die Optisch-Mechanische Industrie-Anstalt Hugo Meyer & Co., Görlitz, die diese auch heute noch herstellt. Weiter übernahm diese auf Grund einer Vereinbarung auch die Ausführung der in den folgenden Jahren von Dr. Rudolph geschaffenen Neukonstruktionen.
Im Jahre 1922 siedelte Dr. Rudolph, durch die Inflation um sein Vermögen gebracht, nach Groß-Biesnitz bei Görlitz über, um dem Werk nahe zu sein, welches die Fabrikationslizenz auf Plasmate inzwischen erworben hatte. In das Jahr 1922 fällt die Einführung seines bekannten Kino-Plasmaten 1:2, den er 1926 auf die Lichtstärke 1:1,5 steigern konnte. Dr. Rudolph schuf damit als erster ein verwendungsfähiges ultralichtstarkes Kino-und Photoobjektiv.
1927 kam der „Makro-Plasmat" 1:2,7 heraus, der, frei von sphärischen Zonen, ein vollkommener Sphäro-Achromat ist und als Kleinbildobjektiv hervorragende Bedeutung gewonnen hat.
Noch in den letzten Jahren seines Lebens war Dr. Rudolph mit der Konstruktion eines „Rapid-Plasmaten" 1:1 beschäftigt, mußte seine Arbeit aber infolge schwerer Erkrankung leider frühzeitig abbrechen.
Seine letzte Großtat auf dem Gebiete der Berechnung photographischer Optik, der „Plasmat“, hat sich in seinen verschiedenen Konstruktionen bzw. Abarten (Kino-Plasmat, Doppel-Plasmat, Satz-Plasmat usw.) inzwischen nicht nur in Deutschland, sondern in der ganzen Welt durchgesetzt.
Wenn Dr. Paul Rudolph, den wir mit Stolz zu unseren Mitarbeitern zählen durften, jetzt im ehrenvollen Alter von fast 77 Jahren heimgegangen ist, so wird die gesamte photographische Welt seiner mit uneingeschränkter Hochachtung und Dankbarkeit gedenken, als eines der ganz großen Pioniere in der Geschichte der Photographie, den man mit Recht als den Vater der modernen photographischen Optik bezeichnen darf.
- *) Rudolph, Dr. P.: Die Raumwiedergabe im photographischen Bilde. - „Kinotechnik" 1926, Heft 7, S. 179.
- Rudolph, Dr. P.: Scharfzeichner - Unscharfzeichner, Flächenzeichner - Raumzeichner. - „Kinotechnik" 1928, Heft 6, S. 151.
- Rudolph, Dr. P.: Der Raumzeichner und die zonenfreie sphärische Korrektion. - „Kinotechnik" 1929, Heft 13, S. 339.
.
Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Carl Forch 65 Jahre alt
Am 12 Dez. 1935 vollendete Herr Prof. Dr. Forch sein 65. Lebensjahr. Als ständiger Mitarbeiter unserer Zeitschrift während der 17 Jahre ihres Bestehens und als eines der gründenden Mitglieder der Deutschen Kinotechnischen Gesellschaft, deren amtliches Organ unsere Zeitschrift von Anfang an gewesen ist, ist der Jubilar unserem Leserikreise als ein unermüdlicher Förderer der kinotechnischen Wissenschaft bekannt geworden.
Vor Jahren ehrte ihn die Deutsche Kinotechnische Gesellschaft durch Verleihung der Messter-Medaille, vor wenigen Wochen, als er den Vorsitz in der Gesellschaft niederlegte, gab sie dem Gefühl ihrer Dankbarkeit für seine Verdienste Ausdruck, indem sie ihn zum Ehrenmitglied ernannte.
Wir gratulieren Herrn Prof. Dr. Forch zum 65. Geburtstage auf das herzlichste und geben dem Wunsche Ausdruck, daß ihm noch lange Jahre in der geistigen und körperlichen Frische vergönnt sein mögen, deren er sich heute erfreut; zugleich verbinden wir damit die Hoffnung, daß er, der uns auf dem Gebiete der Lehre und Forschung unentbehrlich ist, auch weiterhin ein treuer Mitarbeiter unserer „Kinotechnik“ bleiben möchte. - Die Schriftleitung.
- Anmerkung : Aus den uns vorliegenden anderen Publikationen kommt nicht hervor, ob er aus gesundheitlichen Gründen oder wegen der kürzlich beschlossenen parteipolitischen Neuausrichtung DKG zurückgetreten war.
.