"Das gab's nur einmal" - Der deutsche Film von 1912 bis 1945
Der Schriftsteller Curt Riess (1902-1993 †) hatte 1956 und 1958 zwei Bücher über den Deutschen Film geschrieben. Als Emigrant in den USA und dann Auslands-Korrspondent und später als Presseoffizier im besetzten Nachkriegs-Berlin kam er mit den intessantentesten Menschen zusammen, also nicht nur mit Filmleuten, auch mit Politikern. Die Biografien und Ereignisse hat er - seit 1952 in der Schweiz lebend - in mehreren Büchern - wie hier auch - in einer umschreibenden - nicht immer historisch korrekten - "Roman-Form" erzählt. Auch in diesen beiden Filmbüchern gibt es jede Menge Hintergrund- Informationen über das Entstehen der Filme, über die Regisseure und die kleinen und die großen Schauspieler, das jeweilige politische Umfeld und die politische Einflußnahme. Die einführende Seite finden Sie hier.
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DAS ENDE RENATE MÜLLERS
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Renate Müller - eine der beliebteste Künstlerin der UFA
Die neben Zarah Leander immer noch beliebteste Künstlerin der UFA, Renate Müller, eine noch junge Frau, von der man glauben dürfte, sie stehe erst am Beginn ihrer Riesenkarriere, stirbt ganz plötzlich in den frühen Morgenstunden des 7. Oktober 1937.
Sie stirbt an gebrochenem Herzen. Oder sollte man sagen, daß sie als Opfer von Joseph Goebbels stirbt?
Erinnern wir uns noch? Goebbels wollte Renate Müller mit Hitler verkuppeln, und Renate Müller lehnte das ab. Ja, sie lehnte es sogar ab, mit Hitler, dessen Unterhaltungen sie grenzenlos langweilten und dessen Ansichten sie erbitterten, zusammen eingeladen zu werden.
Und Goebbels erteilt der Gestapo die Weisung, Renate Müller nicht mehr aus den Augen zu lassen. Er will Material gegen Renate Müller. Er will vor allen Dingen wissen, was sie tut, wenn sie ins Ausland fährt.
Goebbels weiß natürlich, warum sie ins Ausland fährt.
Dort lebt ja der Mann, den sie liebt, der emigrieren mußte, und ohne den sie nicht leben kann und nicht leben will. Sie trifft ihn in London, sie trifft ihn in Paris und an der Riviera. Sie hat die Warnungen, die ihr Corell zuflüsterte, in den Wind geschlagen.
Nun sind also die "Gestapisten" hinter ihr her. Es gelingt ihnen, Renate und ihren Freund zu photographieren, während sie vor einem Pariser Cafe sitzen. Als Renate nach Deutschland zurückkehrt, wird sie zu Goebbels zitiert.
Der zeigt ihr die Bilder. Was sie dazu zu sagen habe? Renate zuckt die Achseln. Sie hat nichts dazu zu sagen.
„Rassenschande!" brüllt Goebbels, der wie ein Rasender um sie herumhinkt. „Ich werde dafür sorgen, daß Sie aus der Filmkammer ausgestoßen werden. Sie werden nie wieder filmen! Sie sind es nicht wert, eine deutsche Frau zu sein!" Renate Müller erhebt sich. „Kann ich jetzt gehen?"
Goebbels schäumt. Es scheint, als hätten seine Worte überhaupt keinen Eindruck auf Renate Müller gemacht. Es scheint nicht nur so.
Was kann er ihr denn anhaben? Wenn ihre Filmkarriere zu Ende ist, dann wird sie frei sein, dann wird sie zu ihrem Freund eilen können.
Vermutlich hat irgendjemand das verhindert.
Aber es kommt nicht so weit. Goebbels verbietet Renate Müller nicht. Vermutlich hat irgendjemand das verhindert. Leute, die es wissen sollten, tippen auf Hitler, der nach wie vor ein Faible für die schöne Renate hat.
Sicher ist, daß auch Klitzsch und Corell ein solches Verbot nicht ohne weiteres hinnehmen würden: Renate Müller ist schließlich ein Kassenmagnet.
Und das Publikum? Die Millionen, die von einem Renate-Müller-Film auf den anderen warten? Würden sie das ruhig hinnehmen? - Der große Schlag erfolgt also nicht.
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Aber es gibt unaufhörlich Goebbels kleine Nadelstiche.
Renate Müller kann nicht mehr ins Ausland reisen - wenn sie es tun will, kommt etwas dazwischen. Renate-Müller-Filme müssen in letzter Minute immer umgeschrieben werden.
Kleider, die für sie gemacht worden sind, finden nicht die Zustimmung des Propagandaministeriums. Es vergeht kaum eine Woche, ohne daß Goebbels sich nicht etwas ausdenkt, was Renate Müller ärgern oder verärgern könnte.
Und dazu die dauernden Sorgen um den Freund. Wie geht es ihm? Wann wird sie ihn wiedersehen? Wie wird sie ihn wiederfinden? Sie kann nicht mehr schlafen.
Selbst die stärksten Schlafmittel versagen schon nach wenigen Stunden. Mehr tot als lebendig holt man sie früh um sechs aus dem Bett und fährt sie ins Filmatelier. Nur mit Aufbietung der letzten Energie gelingt es ihr, die Filmtage durchzustehen.
Renate Müller wird krank
Immer häufiger muß sie Sanatorien aufsuchen. Diejenigen, die sie von früher kennen, erschrecken, wenn sie sie sehen. Sie ist unendlich mager geworden. Man tuschelt alles mögliche. Das kann doch nicht mit rechten Dingen zugehen! Vermutlich hat Renate Müller eine Abmagerungskur gemacht und ist zuweit damit gegangen, wollen Neunmalkluge wissen.
Ach, sie hat keine Abmagerungskur gemacht! Im Gegenteil, sie tut auf Wunsch der Ärzte alles, um ein paar Pfund zuzunehmen. Aber sie nimmt nicht zu ...
Diejenigen, die ihr nahestehen, wissen, daß sie manchmal an Selbstmord denkt. Aber es kommt zu keinem Selbstmordversuch. Sie hofft wohl immer noch, einen Weg zu dem Geliebten zu finden.
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Goebbels bereitet immer größere SchwierigKeiten.
Goebbels verlangt, daß sie einen Propagandafilm dreht. Zwar steht in ihrem Kontrakt, daß sie keinen Film spielen muß, dessen Manuskript ihr nicht behagt, und sie ist außer sich über das Drehbuch, das man ihr vorlegt. Aber sie ist schon zu schwach, um gegen Goebbels zu kämpfen.
Sie dreht also den Film „Togger" - einen nationalsozialistischen Tendenzfilm, der, wie sie richtig prophezeit, ein glatter Mißerfolg wird. Sie lächelt. Sie gönnt Goebbels diese Blamage. Ihr nächster Film wird ein umso größerer Erfolg werden ......
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Hochbetagt stirbt Adele Sandrock.
Renate Müller, die mit ihr befreundet war, schreibt ihr einen wunderschönen Nachruf. Einmal hat die Sandrock zu ihr gesagt: „Schenk' mir ein Bild von Dir, Renate. Du bist eine der wenigen jungen Schauspielerinnen, deren Bild ich haben möchte."
„Das ist schrecklich nett von Ihnen, gnädige Frau", erwiderte Renate. „Aber wozu? Sie hängend ja doch nicht auf!" „Hast auch recht, mein Kind, lassen wir's!"
Ein paar Tage nach dem Tode der Sandrock verletzt Renate Müller ihre Kniescheibe. Sie muß in eine Klinik eingeliefert werden; ihr Bein wird in Gips gelegt. Es handelt sich um keine ernsthafte Sache. Der Arzt vermutet, daß sie in etwa vierzehn Tagen die Klinik wieder verlassen kann. Renate Müller ist für ihre Verhältnisse guten Mutes.
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Und dann plötzlich ist sie tot.
Die Ärzte stellen fest: Gehirnschlag. Die Öffentlichkeit kann es nicht fassen. Renate Müller tot!
Als am 12. Oktober 1937 die Einäscherung stattfindet, haben sich viele Tausende vor dem Krematorium eingefunden. Die weitaus meisten haben Renate Müller nicht gekannt. Sie haben durch sie nur ein paar Stunden der Freude gehabt, und sie sind nun gekommen, um ihr dafür zu danken.
Und alle, alle sind gekommen, die mit ihr gefilmt haben, aber auch die anderen Kollegen. Lilian Harvey bricht fast zusammen. Männer, die das Publikum aus ihren Filmen als unbewegliche Heroen kennt, heulen wie die Kinder.
Der Vater von Renate Müller hält die Leichenrede.
Er sagt:
„Du hast in der Kunst den Weg gefunden, den Deine unbändige Sehnsucht Dir wies. Du hast Dir diesen Weg nicht leicht gemacht. Scheinbar mühelos und sicherlich äußerlich glanzvoll war der Ablauf Deines Lebens. Doch er war begleitet von ewigem innerem Ringen um die letzten Fragen des Seins. Immer wieder hat Dir eines geholfen, eines, das Dir größtes Glück, schönste Freude war: Schenken zu können. Den Menschen, die müde waren, ein Lächeln. Denen, die verzagten, ein Stückchen Hoffnung auf die Erfüllung, die Du so oft auf der Leinwand Dir tapfer und glaubhaft erobert hast. Du hast gegeben, geschenkt, beglückt."
Und er fügt hinzu: „Aber Du hast selbst das Glück nicht gekannt. .." Als der Sarg sich langsam senkt, erheben Hunderte die Hand zum Deutschen Gruß. Wissen sie denn nicht, daß sie damit die Tote noch in dieser letzten Minute beleidigen? Oder ist es die Angst vor Goebbels, die sie zu diesem unwürdigen Theater treibt?
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Hat Goebbels jetzt endlich genug? Nein.
Eine bösartige Flüsterpropaganda setzt ein. Renate Müller soll an den Folgen des Morphiums gestorben sein .. sie soll seit Jahren schon von Rauschgiften gelebt haben .. sie soll zuletzt gar nicht mehr bei Verstand gewesen sein.. sie soll als Selbstmörderin geendet haben.
Ja, bald weiß es die ganze Filmindustrie: Renate Müller hat sich aus dem Zimmer einer Klinik - offenbar einer Entziehungsanstalt - gestürzt!
Man bedenke: Ein halbes Dutzend Ärzte, Assistenten und Schwestern wissen und werden es später auch vor Gericht bezeugen, daß Renate Müller in Gips gelegen hat; daß sie, selbst wenn sie gewollt hätte, das Bett gar nicht verlassen konnte, um sich aus dem Fenster zu stürzen. Die Todesursache ist einwandfrei festgestellt.
Trotzdem verbreitet sich das Gerücht von dem Selbstmord der Morphinistin Renate Müller mit Windeseile. Aber das Geschoß von Goebbels erweist sich als Bumerang. Denn weit davon entfernt, Abscheu für die Selbstmörderin zu empfinden, flüstern die Menschen einander zu:
„Sie war eben unglücklich .... Sie liebte, und Goebbels machte es ihr unmöglich, ihren Freund zu sehen ..... Deshalb wollte sie nicht weiterleben ..... Deshalb nahm sie Rauschgift! Deshalb stürzte sie sich aus dem Fenster!" Die Verleumdung hatte keineswegs den gewünschten Erfolg.
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ALBERS MACHT WEITER
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Hans Albers hat viele mittelmäßige Filme gemacht ....
- nach Drehbüchern, die nicht einmal mittelmäßig genannt zu werden verdienen - aber 1937, im Todesjahr von Renate Müller, bekommt er endlich wieder einmal eine gute Rolle. R. A. Stemmle schreibt das Manuskript und es heißt „Der Mann, der Sherlock Holmes war".
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Die Idee ist ebenso originell wie reizend.
Ein internationaler Expreßzug wird mitten auf der Strecke angehalten. Ein Mann steigt ein, benimmt sich, als sei er ein allmächtiger Detektiv, kontrolliert Pässe, verhört Reisende. Er sieht auch aus wie ein weltberühmter Detektiv, nämlich genau wie Sherlock Holmes oder besser, genau so, wie Sherlock Holmes vor fünfzig Jahren ausgesehen haben würde, wenn es ihn gegeben hätte. Denn es hat ihn ja gar nicht gegeben, er ist ja eine Romanfigur des englischen Sehnfistellers Conan Doyle.
Die Verwirrung der Reisenden wird durch die Tatsache gesteigert, daß Sherlock Holmes sich in Begleitung eines jungen Mannes befindet, der sich Dr. Watson nennt - genau wie die Romanfigur Sherlock Holmes immer mit Dr, Watson erschien.
Die Fahrt geht nach Brüssel, und bald ist Sherlock Holmes auf der Spur einer internationalen Fälscherbande, die Falschgeld in den Hinterräumen eines Leihhauses herstellt.
Er findet bei dieser Gelegenheit auch eine seit einiger Zeit gestohlene blaue Mauritiusmarke und kriegt zum Schluß sein Mädel. Und schließlich und endlich stellt sich heraus, wer er eigentlich ist. Er ist natürlich ebensowenig Sherlock Holmes, wie sein Begleiter Dr. Watson ist.
Es handelt sich nur um zwei junge Privatdetektive aus London, die seit längerer Zeit keine Arbeit hatten, und da beschlossen sie, einen Coup zu landen. Sie kauften sich - von ihrem letzten Geld - die nötigen Kostüme, in denen sie als Sherlock Holmes respektive Dr. Watson auftreten konnten.
Ihre Kalkulation: jetzt würden sie wenigstens beweisen können, daß sie geschickte Detektive sind. Und die Verkleidung würde genügend Aufsehen machen, um ihnen eine gewisse Publizität und dadurch neue Fälle für die Zukunft zu sichern.
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Dieser Film hat alles: Spannung und Humor.
Der Autor R. A. Stemmle hat es verstanden, einen wirklichen Reißer zu schreiben, aber keinen, der, wie die anderen Albers-Reißer, sich selbst ernst nimmt. Hier liegen Spannung und Selbstironie ganz nahe beieinander.
Albers spielt das großartig. Noch in den erregendsten Szenen, noch, wenn er gegen eine ganze Bande von Verbrechern kämpfen muß, die bereit sind, Hackepeter aus ihm zu machen, hat er ein Augenzwinkern fürs Publikum: das alles ist nur Ulk, regen Sie sich ruhig ein wenig auf, aber regen Sie sich nicht allzusehr auf!
Neben ihm, bezwingend in seiner trockenen Heiterkeit, als Watson, Heinz Rühmann, der alte Partner aus „Bomben auf Monte Carlo". Der Film wird ein Bombenerfolg.
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Es gibt keine guten Filme ohne gute Drehbücher.
Wieder einmal ist die alte Wahrheit unter Beweis gestellt: Es gibt keine guten Filme ohne gute Drehbücher.
In „fahrendes Volk" mit der großen französischen Tragödin Franchise Rosay als Partnerin, unter der Regie ihres Mannes, Jacques Feyder, braucht Albers - zum ersten Mal in seiner Filmkarriere - nicht mehr jung, schön und sieghaft zu sein.
- Anmerkung : In der Zeit um das Jahr 2020 wurden verschiedene "Bezeichnungen" ideologisch verteufelt. zum Beispiel das Wort "Zigeuner". Zigeuner stammt ab von "(herum) ziehender Gauner" und genau das assoziierte dieser Film mit "Fahrendem Volk".
Albers ist fünfundvierzig Jahre alt, aber er kann aussehen wie achtundzwanzig. Hier spielt er einen Fünfzigjährigen Vater.
Den ehemaligen Mann der Dompteuse Flora, der aus dem Gefängnis wieder in den Zirkus zurückkommt, unerkannt von seinem bereits erwachsenen Sohn, dem die Mutter gesagt hat, sein Vater sei deportiert worden.
Albers kann sich aber von den alten Zuchthauskameraden nicht frei machen, die einen Raubüberfall auf den Zirkus planen. Um die Sache noch zu komplizieren, ist auch sein Sohn auf Abwege geraten, hat sich von dem jungen Mädchen getrennt, das ihn liebt und von ihm ein Kind erwartet, und lebt in Paris mit einer schlechten Frau namens Pepita.
Den Jungen kann Albers wenigstens noch retten, bevor ihn - nach einer aufregenden Jagd über die Dächer von Paris - die Polizei niederschießt.
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Es ist der erste Film, in dem Albers einen Vater spielt!
Er hat Erfolg, denn der Film ist herrlich gemacht, und die beiden Hauptdarsteller gehören zu den besten Schauspielern, die es in Europa gibt.
Aber die Tobis, die den Film hergestellt hat, bekommt Waschkörbe voll Protestbriefe. Die lauten: „Wir wollen Albers nicht als Vater sehen!" Oder: „Wir wollen nicht, daß Albers am Schluß des Filmes stirbt!" Oder: „Wir wollen, daß Albers am Ende das Mädchen kriegt!"
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Das ist die - im 3. Reich - vielzitierte "Volkes-Stimme"
Volkes Stimme! Und: die Stimme der Frauen. Die können sich Albers nur als Sieger vorstellen - im Film wie im Privatleben: als Sieger über die Frauen. Unmöglich, die Zahl der Briefe, die Frauen ihm schreiben, auch nur annähernd zu schätzen. Es handelt sich, wohlbemerkt, um Liebesbriefe.
Frauen oder Mädchen, die ihn nie persönlich gekannt haben und nie kennen werden, "bieten" sich ihm an. Manche legen ein Photo bei, damit er sich besser orientieren kann. Die meisten sind vorsichtiger. Sie trauen der Kamera nicht. Sie trauen nur ihrem persönlichen Charme, der ihn bezwingen wird, wenn er ihnen erst gegenübersteht.
Sie warten vor dem Filmatelier, vor den Kinos an Premierentagen, sie stehen in Wind und Wetter vor seinem Haus - er muß schließlich sogar die Hausglocke abmontieren lassen, weil sie beständig klingelt.
Es sind natürlich meistens junge Mädchen, sehr junge Mädchen, die sich dergestalt aufführen. Es wäre nur zu verständlich, wenn ein Mann, der bei Frauen so viel Erfolg hat wie Albers, überschnappen würde.
Daß er eitel ist - wer kann es ihm verdenken?
Es gibt darüber unzählige Anekdoten, manche mögen wahr sein, die meisten sind sicher erfunden.
Da ist die Geschichte jener Schauspielerin, die einmal wissen wollte, warum Albers so lange nach Drehschluß in seiner Garderobe blieb. Kurz entschlossen guckte sie durchs Schlüsselloch. Und sah Albers in den Spiegel starren und unentwegt vor sich hin murmeln: „Es gibt nur eenen, und det is der Albers! Es gibt nur eenen, und det is der Albers! Es gibt nur eenen ..." Das ist schon grandiose Selbstironie!
Die besitzt er auch in reichlichem Maße, wenn seine Glatze im Spiele ist. Bei Filmpremieren muß er das Toupet tragen, das er im Film selbst trägt, um den Illusionen des Publikums Rechnung zu tragen.
Er tut es ungern, und wenn er einmal als Privatmann ins Theater geht, setzt er sich in die hintere Ecke einer Loge, um das Toupet nicht tragen zu müssen.
Nach einer Filmpremiere geht er einmal in eine Bar. Die entzückende Barfrau äußert: „Es ist also gar nicht wahr, was die Leute sagen, daß Sie eine Glatze haben, Herr Albers!"
Albers sagt nicht ja und nicht nein. Im Laufe des Abends kommen dann einige Bekannte; in der Hitze des Gefechtes greift einer an das Toupet von Albers, und siehe da! es kommt ins Rutschen. „O!" rief die Bardame und faßt sich ans Herz.
Albers lächelt sie nur an, streift das Toupet ab, steckt es wie ein Spitzentuch in die Tasche. „Bequemer ist es jedenfalls so!"
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Er ist ungeheuer verwöhnt, aber er wird nie blasiert.
Er bleibt immer im Grunde genommen der unverbildete junge Mensch, der sich über jeden Erfolg freut. Einmal wird er mitten in der Nacht geweckt und muß auf den Filmball.
Grund: die Frau eines jugoslawischen Ministers möchte unbedingt mit ihm tanzen. Er ist dazu bereit. Ein solcher Wunsch schmeichelt sogar ihm. Manchmal ist er allerdings starrköpfig.
Einmal, er ist gerade in München, bewohnt dort wie immer das Fürstenappartement im Regina Hotel, meldet sich der König von Bulgarien an. Der König muß natürlich das Fürstenappartement haben. Aber wie kriegt man Albers heraus?
Die Direktion des Hotels versucht es - vergebens. Darauf erscheint ein Abgesandter von Goebbels. Albers bietet ihm etwas zu trinken an, aber der Herr ist steif. Er sei im Dienst. Albers ärgert sich über den Mann, ärgert sich nun erst recht über sein Ansinnen, das Fürstenappartement zu verlassen. „Was sagen Sie, Herr?" ruft er. „Der König von Bulgarien? Ich bin auch ein König!"
Der Abgesandte aus dem Propagandaministerium entfernt sich. Albers ist bester Laune. Zu Freunden äußert er: „Zu dumm! Wieso habe ich König gesagt? Ich bin doch schließlich der liebe Gott!" Aber die Nazis haben keinen Humor.
Albers wird vor Hinkel zitiert, der bekanntlich die Kulturbelange zu verwalten hat. Es kommt zu einer unangenehmen Unterhaltung. Denn dieser Hinkel, der sich besonders dadurch auszeichnet, daß er hilflose jüdische Schauspieler drangsaliert, hat vergessen, daß Albers nicht hilflos ist.
Wenn man ihn anschreit, schreit er zurück. Und Hinkel ist im Grunde genommen ein Feigling. Er zeigt nur dort Mut, wo er keinen braucht. Er ist schließlich froh, als das Gespräch beendet ist ...
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