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"Das gab's nur einmal" - Der deutsche Film von 1912 bis 1945

Der Schriftsteller Curt Riess (1902-1993 †) hatte 1956 und 1958 zwei Bücher über den Deutschen Film geschrieben. Als Emigrant in den USA und dann Auslands-Korrspondent und später als Presseoffizier im besetzten Nachkriegs-Berlin kam er mit den intessantentesten Menschen zusammen, also nicht nur mit Filmleuten, auch mit Politikern. Die Biografien und Ereignisse hat er - seit 1952 in der Schweiz lebend - in mehreren Büchern - wie hier auch - in einer umschreibenden - nicht immer historisch korrekten - "Roman-Form" erzählt. Auch in diesen beiden Filmbüchern gibt es jede Menge Hintergrund- Informationen über das Entstehen der Filme, über die Regisseure und die kleinen und die großen Schauspieler, das jeweilige politische Umfeld und die politische Einflußnahme. Die einführende Seite finden Sie hier.

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ZWEI TÄNZERINNEN

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Die junge Schauspielerin Marika Rökk

Eine andere junge Schauspielerin, die um die Zeit zwar nicht auf der Bühne, wohl aber im Film prominent werden wird: Die Tänzerin Marika Rökk. Eine Ungarin (aber nur fast - der Vater war ein Ungarn-Deutscher, die Mutter in Ägypten geboren). Der Vater war anfangs reich.

Also, so sagte der Vater, läge kein Grund für Marika vor, einen Beruf zu erlernen. Aber sie wollte Tänzerin werden; sie war dazu entschlossen, noch bevor sie in die Schule ging. Und Bekannte sagten, sie habe Talent. Also durfte sie tanzen lernen.

Dies erwies sich als ein Glück. Denn als Marika dreizehn Jahre alt wurde, war der Vater nicht mehr reich. Er war sogar furchtbar arm (????). Er hatte den letzten Pengö verloren.
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Die Gage betrug sechzig Dollar pro Woche

Marika fand eine Stellung bei einer Tanzrevue, mit der sie umherreiste. Quer durch Europa, quer durch Amerika. Die Mutter kam mit. Die Gage betrug sechzig Dollar pro Woche - kein Vermögen, wenn man bedenkt, daß zwei Personen davon zu ernähren und zu bekleiden waren.

Schon in diesen ersten Berufsjahren hatte die blonde, graziöse und derblustige Marika jene Eigenschaft, die sie während ihres ganzen beruflichen Lebens nicht verlieren sollte. Sie war nie mit sich zufrieden. Sie wollte alles lernen, was sie noch nicht konnte. Sie war überzeugt davon, daß es immer noch etwas zu lernen gab.

Die anderen Tänzerinnen konnten aus dem Stand zwölf Pirouetten drehen. Sie brachte es auf achtzehn. Die anderen probten drei Stunden. Sie probte fünf.

Warum soll ich nicht auch singen?

Eines Tages sagte sie zur Mutter: „Warum soll ich nur tanzen? Warum soll ich nicht auch singen?" „Kannst du denn singen?" Der Dirigent der Revue meinte, nachdem er sie gehört hatte, sie habe eine gute Stimme. Die Mutter ließ ihr Stunden geben. Mutter und Tochter kamen nach Wien zurück.

Hubert Marischka engagierte sie für eine Revue, die er im Zirkus inszenieren wollte. Sie lernte ohne Sattel zu reiten, Volten zu schlagen. Sie lernte steppen. Sie versuchte sich am Trapez, in zwölf Meter Höhe. Das Publikum raste vor Begeisterung. Das Tor stand offen.

Die UFA holte sie nach Berlin.

Bei der UFA ist man entzückt von Marika Rökk. Sie ist bezaubernd. Sie ist so hübsch! Sie ist einfach zum Anbeißen. Und sie hat außerdem so viel Humor! Nach den Probeaufnahmen aber herrscht allgemeine Betretenheit.

Diese Marika Rökk ... unmöglich! Erstens ist sie viel zu dick. Wie kommt es nur, daß man das nicht vorher bemerkt hat? Im Leben wirkt sie doch gar nicht dick! Ein bißchen pummelig vielleicht, aber das ist gerade das Reizvolle! Marika hat sich die Aufnahmen mehrmals vorführen lassen.

Noch am gleichen Tage beginnt sie eine Abmagerungskur. Als man ihr mitteilt, sie habe keine Filmchance, weil sie zu viel wiege, erklärt sie: „Ich habe schon fünf Pfund runter!" Sie wird in den nächsten Wochen noch viele Pfunde abnehmen.

Ihr Deutsch ... Wissen Sie, Fräulein Rökk .......

Aber die Direktion: „Ihr Deutsch ... Wissen Sie, Fräulein Rökk, dieser Akzent ist sehr lustig, wenn man sich mit Ihnen unterhält. Aber im Film ... Im Film ist der ungarische Akzent unerträglich. Ja, wenn es sich um eine komische Alte handeln würde!"

Marika nickt: „Ich werde perfekt Deutsch lernen!" Sie wird zwar nie perfekt Deutsch lernen, aber sie verliert den peinlichen Akzent innerhalb von wenigen Monaten. Sie übt mit dem Regisseur Georg Jacoby, den sie später heiraten wird.

Auf dem UFA-Gelände in Babelsberg weiß man davon zu berichten, mit welcher Verbissenheit die junge Marika Rökk sich ihres Akzentes entledigt. Sie soll sich sogar einen Stein zwischen Zahn und Zunge geklemmt haben, um das rollende R der ungarischen Sprecheigenart zu beseitigen!

Vor so viel Entschlossenheit kapituliert die UFA.

Marika Rökk bekommt ihren ersten Film: „Leichte Kavallerie". In diesem Film singt, tanzt, reitet sie. Aber was das Publikum schließlich zu sehen bekommt, sind nur zehn Prozent von dem, was sie wirklich unternimmt, während der Film gedreht wird.

Sie ist von früh bis spät im Atelier. Sie probiert jede Szene schon eine Stunde, bevor der Regisseur die Proben mit ihr beginnt. Sie findet das Atelier mindestens so interessiert wie die Revuebühne. Sie ist immer gut aufgelegt, immer bereit, alles zu tun, was man von ihr verlangt - und zehnmal so viel.
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So viele gute Laune, so viel Bereitschaft steckt an.

Die ganze Belegschaft verliebt sich in Marika Rökk. Das ganze Filmpublikum verliebt sich in Marika Rökk. Sie ist sicher keine große Schauspielerin, aber sie hat Witz. Sie hat Charme.

Sie kann das, was sie macht - sie kann singen und tanzen und reiten und alle möglichen Tricks ausführen, die sonst im allgemeinen von Doubles gemacht werden. Sie ist etwas sehr Seltenes: ein richtiger Professional. Eine Frau, die ihren Beruf todernst nimmt, und für die alles andere erst in zweiter Linie kommt.

Das will nicht besagen, daß Marika Rökk nicht auch außerhalb des Filmateliers ihre Reize hat. Ihr Erfolg hat einen besonderen Grund. Das, was die Rökk macht, wird in Deutschland allmählich Mangelware.

Je weniger Revuefilme aus Amerika herüberkommen, um so mehr wird der Revuefilm das Monopol Marika Rökks. Drüben gibt es mindestens ein Dutzend junger Damen, die hübsch sind und singen und tanzen können. In Deutschland gibt es nur Marika Rökk.
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Die Tänzerin Leni Riefenstahl hat nun schon lange das Tanzen aufgegeben.

Übrigens das Filmen auch. Sie kommt ja nicht dazu. Die Themen, die sie interessieren, darf sie nicht verfilmen. Stattdessen soll sie für Hitler einen Reichsparteitag-Film drehen. Das will sie nicht. Er besteht darauf. Als sie nochmals an ihn appelliert, bekommt sie gar keine Antwort.
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Hitler hat um diese Zeit viel anderes zu tun .....

Weiterhin ist er dabei, ganz Deutschland zu unterjochen, alles vom Untersten zu oberst zu kehren, seinen intimsten Mitarbeiter, den Hauptmann Röhm, zu ermorden nebst anderen Männern, die ihn an die Macht gebracht haben.

Daneben beginnt die heimliche Aufrüstung. Man kann es ihm also wirklich nicht übelnehmen, wenn er im Augenblick keine Zeit für Leni Riefenstahl findet. Aber Leni ist nicht so leicht zu entmutigen.
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Sie fährt einfach zur Reichskanzlei

Sie fährt einfach zur Reichskanzlei und behauptet, sie sei zu einer Audienz bestellt. Bevor der Irrtum bemerkt und sie hinausexpediert werden kann, erscheint Hitler und begrüßt sie mit herzlichen Worten: „Sieht man Sie endlich auch wieder einmal?"

Hieraus glaubt Leni zu entnehmen, daß er nichts von ihren vielen Bemühungen, bei ihm vorgelassen zu werden, erfahren hat. Sie hält ihm einen Vortrag, warum sie den Parteitag-Film nicht machen will. Hitler lächelt. „Sie sind zu sensibel ... Die Schwierigkeiten, von denen Sie sprechen, bestehen nur in Ihrer Einbildung. Es handelt sich ja nur um sechs Tage, die Sie opfern sollen!"

Leni erwidert: „Ich bin nicht imstande, Künstlerisches zu schaffen, wenn mir jemand in meine Arbeit hineinredet. Wird nicht Dr. Goebbels Wünsche äußern, die ich nicht erfüllen kann?" Hitler wird abweisend. „Sie haben jede Freiheit, Fräulein Riefenstahl!"
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Leni Riefenstahl kommt mit einem Team von achtzig Mann

Da Leni Riefenstahl nicht wagt, gegen den strikten Befehl Hitlers zu handeln, erscheint sie zum Parteitag in Nürnberg mit einem Team von achtzig Mann. Dreißig davon sind Kameramänner.

Eigentlich hat Leni Riefenstahl nicht die geringste Lust, nach Nürnberg zu fahren, und das vor allen Dingen deshalb, weil sie sich ohne viel Phantasie vorstellen kann, wie das Propagandaministerium und seine Vertreter sich zu ihr stellen werden.

Außerdem ist ihr in der Zwischenzeit klar geworden, daß sie von parteipolitischen Dingen wirklich keine Ahnung hat. Die größte Schwierigkeit aber: Wie kann man einen Film aus lauter Vorbeimärschen und Reden zusammenstellen, der nicht tödlich langweilig ist?

Es handelt sich ja immer wieder um die gleichen Veranstaltungen. Sie müßte versuchen, durch verschiedene Kameraeinstellungen alles bewegt zu gestalten, müßte immer neue Blickpunkte finden ...
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Die Vorbereitungen sind enorm und unkonventionell

Sie läßt also an allen Ecken und Enden Fahrbahnen und Schienen anlegen. Sie stattet ihre Kameraleute mit Rollschuhen aus. Sie läßt an einem Fahnenmast eine Art Lift anbringen, der die Kamera dreißig Meter emporzieht.

Natürlich ist sie überall im Weg. Die großen Nazis sind nicht nach Nürnberg gekommen, um Leni Riefenstahl beim Filmen zuzusehen. Der Widerstand gegen sie wird also in diesem Jahr - wenn möglich - noch stärker als im Vorjahr.

Goebbels läßt Leni fast überall sabotieren

Überall werden die Kameraleute Lenis ausgesperrt; einmal wird sogar ein Tonwagen in den Graben geworfen. Die Fahrbahnen werden schneller, als sie aufgebaut werden konnten, wieder abmontiert. Leni selbst und ihre wichtigsten Kameraleute bekommen nicht einmal Zugang zu allen Veranstaltungen.

Vor dem Hotel Hitlers, das Leni Riefenstahl durch Scheinwerfer bestrahlen lassen will, um einen dort stattfindenden Zapfenstreich zu verfilmen, läßt Goebbels die Scheinwerfer auslöschen. Leni läßt die Scheinwerfer wieder aufblenden. Goebbels läßt sie endgültig fortschaffen.

Daraufhin läßt Leni Magnesiumfackeln herbeischaffen, die ja viel stimmungsvoller sind, aber einen derart verheerenden Rauch entwickeln, daß die ganzen Naziprominenten und die geladenen Diplomaten zu husten beginnen und die Flucht ergreifen. Aber Lenis Aufnahmen sind gelungen. Immer wieder stört sie die Feierlichkeiten.

Sie weiß ja nie, worum es geht. Sie weiß nicht, warum ein Kranz niedergelegt wird, warum Fahnen gesenkt, warum sie gehißt werden, und in Momenten, in denen ergriffenes Schweigen zu herrschen hat, zankt sie sich mit SS-Häuptlingen und Ordnern.

Was schief gehen kann, geht schief

Sie verspricht sich etwas davon, den eleganten Schlafwagenzug zu fotografieren, in dem die Diplomaten wohnen. Aber da sie im Hauptbahnhof nicht genügend Licht hat, läßt sie ihn kurzerhand in die Landschaft fahren, was die Diplomaten, die gerade ihr Mittagsschläfchen halten, aufs tiefste erschreckt.

Heß erscheint bei ihr und erklärt, er habe gehört, daß sie gewisse prominente Nazidamen aufgenommen habe, und andere noch wichtigere nicht.

Leni erklärt: „Die hübschen bringe ich, die anderen natürlich nicht!" Heß, der weiß, daß die zweite Kategorie wesentlich umfangreicher ist, protestiert gegen solche Willkür aufs schärfste. Leni entscheidet: „Ihre Freunde hätten eben hübschere Damen heiraten sollen!"

General von Reichenau kommt zu ihr und beschwert sich, daß nicht genügend Aufnahmen der Wehrmacht gemacht worden sind - immerhin sei es das erste Mal, daß die Wehrmacht an dem Parteitag teilnehme.

Leni erklärt ihm, am Tage des Aufmarsches der Wehrmacht sei schlechtes Wetter gewesen, und die Aufnahmen seien grau in grau ausgefallen.

Reichenau sieht sie fassungslos an: „Sie können doch nicht die Wehrmacht einfach aus dem Film herauslassen?" „Warum nicht? Schlechte Aufnahmen würden doch dem Film nur schaden!" Reichenau will die Aufnahmen sehen. Er findet sie gar nicht so schlecht. „Ich werde mich also an den ,Führer' wenden müssen!" erklärt er düster und marschiert ab.
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Zuletzt redet ihr Hitler selbst noch in den Kram.

Er schlägt vor, den Film wie folgt beginnen zu lassen, um niemandem wehe zu tun, den er in der nächsten Zeit braucht:

„Alle Prominenten, die auf dem Parteitag waren, werden ins Filmatelier kommen und werden sich hintereinander aufstellen. Ich selbst werde auch dabei sein. Dann wird die Kamera an allen vorbeifahren und über jeden, der ins Bild kommt, wird ein Satz gesagt werden, der seine Verdienste hervorhebt. So beginnen Sie den Film und dann kann niemand mehr sagen, er sei benachteiligt worden!"

Leni Riefenstahl fürchtet, in Ohnmacht zu fallen. Schließlich bringt sie hervor: „Ich will den Film mit einem Wolkenmeer beginnen, aus dem sich die Türme und die Giebel der Stadt Nürnberg herausschälen sollen . .." Sie beginnt zu weinen.

Dann machen Sie, was Sie wollen!

Hitler ist bestürzt. „Aber ich wollte Ihnen doch nur helfen!" Dann wird er ärgerlich. „Wenn Sie so eigensinnig sind und meine gutgemeinten Ratschläge nicht annehmen wollen, dann machen Sie, was Sie wollen!"

Das tut Leni Riefenstahl auch. Sechs Monate schneidet sie an dem Film herum. Dann fährt sie nach Davos, um sich zu erholen. Inzwischen kommt der Film in Berlin heraus.

Am Radio hört sie Goebbels, der in einer schwungvollen Rede den „Triumph des Willens" als „Film der Nation" auszeichnet.

Sie kann zwar sein Gesicht nicht sehen, aber sie kann sich besser vorstellen, wie ihm zumute ist, als diejenigen, die vor ihm sitzen.
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SCHAUSPIELER MIT REGIE-BEGABUNG

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Gustaf Gründgens trennte sich von Max Reinhardt

Schon bevor Hitler an die Macht kam, trennte sich Gustaf Gründgens von Reinhardt und ging als Schauspieler und Regisseur ans Staatstheater, wo noch Ernst Legal das Zepter führte. Er sollte den Geßler, den Gabriel Schilling von Gerhart Hauptmann und den Mephisto spielen.

Aber nur die Faust-Aufführung kam zustande, und sein Mephisto wurde ein Sensationserfolg, stellte den Faust von Werner Krauß geradezu in den Schatten.

In der nächsten Saison soll Gründgens den Hamlet spielen. Dann kommen, wenige Wochen nach der Premiere des „Faust II", die Nationalsozialisten an die Macht. Der neue, von Göring bestellte Intendant Franz Ulbrich weiß nichts von Gründgens, weiß nichts mit Gründgens anzufangen.

Gründgens mochte die Nazis nicht - und die wußten das

Überdies ist nur allzu bekannt, daß Gründgens wenig Sympathien für die Nationalsozialisten hat, daß fast alle seine Freunde bereits emigriert sind, und er wartet eigentlich jetzt von einem Tag zum anderen, daß man ihn entlassen wird. Da wendet sich Göring persönlich an Gründgens.

Göring hat als preußischer Ministerpräsident - sehr zum Leidwesen von Goebbels - die Staatsoper unter sich. Und da er sieht, wie unmöglich Franz Ulbrich ist, bittet er Gründgens kurzerhand, sein Intendant zu werden. Gründgens lehnt ab.

Aber Göring läßt nicht locker.

Und als er Gründgens schließlich völlige Unabhängigkeit in künstlerischer Hinsicht zusagt, ja, als Gründgens sogar die Erlaubnis erhält, Künstler zu engagieren, die nach den Rassegesetzen nicht mehr spielen dürfen, unterschreibt er. Im Februar 1934 wird er Intendant. Im Oktober 1936 sogar Staatsrat.

Woche für Woche, Monat für Monat ein Kampf um Tod und Leben.

Ein Theater wie das Staatstheater zu führen, ist schon in normalen Zeiten nicht leicht. Das Göringsche Staatstheater zwischen 1934 und 1945 zu führen, erweist sich als fast unmöglich, wenn man, wie Gründgens, gewisse künstlerische, politische und nicht zuletzt menschliche Prinzipien hat.

Es ist Woche für Woche, Monat für Monat ein Kampf um Tod und Leben. Mehr als ein dutzendmal wird Gründgens Göring seinen Rücktritt anbieten. Nur so kann er es erzwingen, daß er nicht ein einziges Stück spielen muß, das er nicht spielen will, und daß er keinen der Künstler zu entlassen braucht, die Goebbels und den anderen Großen des Dritten Reichs nicht genehm sind.

Da bleibt zum Filmen und Filmregieführen wenig Zeit. Und doch bringt es Gründgens fertig, einige unerhört schöne Filme zu spielen und zu inszenieren.

„Pygmalion" mit Jenny Jugo als Veilchenverkäuferin

Da ist „So endete eine Liebe" mit Paula Wessely. Da ist „Pygmalion" mit Jenny Jugo als Veilchenverkäuferin, natürlich unter der Regie von Erich Engel. Pygmalion ist jenes berühmte Stück von G. B. Shaw über den Professor Higgins, der das Mädchen Eliza Dolittle in der Gosse findet und aus ihr eine wohlerzogene Lady macht, nur um einer Wette willen - und sich dabei natürlich in sie verliebt.

Die Eliza ist - natürlich - Jenny Jugo. Sie ist unbeschreiblich ordinär und komisch. Ihr Dialekt ist eine Sache für sich. Wenn sie Gassenhauer grölt, liegt man am Boden. Da ist eine Szene, in der Eliza bereits als eine elegante Dame auf dem Rennen erscheint.

Plötzlich sieht sie von der Tribüne, daß man ihrem kleinen Bruder eine Eiswaffel weggenommen hat. Mit einem Sprung ist sie neben dem Eiswagen und schlägt mit ihrem piekfeinen Regenschirm auf die Schuldigen ein, merkt dann, daß sie sich nicht benommen hat wie eine Lady, kehrt in arg derangiertem Zustand auf die Tribüne zurück und gibt in sehr „kultivierter" Sprache folgende Erklärung ab: „Plötzlich befand ich mich in einem Handgemenge ..."

Neben der Jugo Gründgens als Professor Higgins, der Sprachgelehrte mit dem neuen Alphabet, das große Genie, das sich immer wie ein unerzogenes Kind benimmt, mit ungeheurem Interesse die Verwandlung der Eliza Dolittle verfolgt und nicht merkt, daß da nicht nur wissenschaftliches Interesse mitspielt, von einer zarten, kaum angedeuteten, aber nichtsdestoweniger umwerfenden Komik.
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Kommen wir zu Marianne Hoppe

Ein Jahr vorher schon, 1934, spielt er in dem Film „Schwarzer Jäger Johanna" mit einer jungen Schauspielerin, die erst durch diesen Film nach vorn kommt. Die Handlung spielt im Jahre 1809. Es geht um ein junges Mädchen, eben jene Johanna, die durch Zufall in die Kreise preußischer Patrioten gerät und, von der gerechten Sache mitgerissen, Soldat wird, um gegen Napoleon zu kämpfen.

Ein patriotischer Film, ein bißchen zu absichtlich patriotisch, um ehrlich zu wirken. Die Wirkung wird auch dadurch beeinträchtigt, daß Gustaf Gründgens eine Nebenrolle oder zumindest nicht die Hauptrolle, nämlich die des politischen Drahtziehers, Agenten und Intriganten spielt.

Und zwar spielt er sie so, daß die Figur geradezu bedeutend wird, dämonisch, teuflisch und so die Figuren der Patrioten geistig überragt. Dadurch gerät stellenweise der ganze Sinn des Films in Gefahr.

Und nochmal Marianne Hoppe und Gustaf Gründgens

Im Mittelpunkt Marianne Hoppe, ein Mädchen von herber Schönheit und knabenhafter Schlankheit. Kurz nach dem „Schwarzen Jäger Johanna" entsteht „Das Mädchen Johanna", ein Film um die Jungfrau von Orleans, in dem Gustaf Gründgens den König von Frankreich spielt, nicht den farblosen König, den uns Schiller beschert hat, nicht den halb idiotischen, halb gerissenen von Shaw, sondern einen diplomatischen König, der weiß, daß Politik die Kunst des Erreichbaren ist, der immer die richtige Situation abwartet, sich zu Johanna bekennt, als sie siegt, und sie fallen läßt, als er merkt, daß sie an Popularität verliert.

Ja, er wünscht ihren Tod auf dem Scheiterhaufen, da er sich darüber klar ist, daß sie als Tote noch eine viel größere Wirkung ausüben wird - eine grandiose Leistung!
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Aber was ist es überhaupt für ein Film!

Neben Gustaf Gründgens haben wir Heinrich George, Rene Deltgen, Erich Ponto, Willy Birgel, Theodor Loos, Aribert Wäscher, Franz Nicklisch, ja, in einer winzigen
Rolle, einen kleinen, nicht unbegabten Schauspieler namens Veit Harlan ...

Die weibliche Hauptrolle wird von Angela Salloker gespielt, einer jungen Frau mit einem attraktiven, eigenwilligen Gesicht, einer ersten Schauspielerin, die um diese Zeit Star des Deutschen Theaters ist, das jetzt nicht mehr von Max Reinhardt, sondern von Heinz Hilpert geleitet wird.

Sie hat einen durchschlagenden Erfolg - aber sie wird keine Filmkarriere machen, zum Unterschied von Marianne Hoppe, der anderen „Johanna", die Gründgens ans Staatstheater holt.

Gründgens und Hoppe schreiben Filmgeschichte

Er wird in den nächsten Jahren zahlreiche Filme mit der Hoppe spielen oder inszenieren, die kaum aus der Filmgeschichte hinwegzudenken sind, wie etwa „Eine Frau ohne Bedeutung", „Capriolen" und vor allem „Effi Briest" nach dem Roman von Theodor Fontane.

Schon vor dem „Mädchen Johanna", im Jahre 1934, hat Gründgens seinen ersten großen Erfolg als Filmregisseur gehabt. Es handelt sich um den Film „Die Finanzen des Großherzogs", der rund zehn Jahre vorher schon einmal von F. W. Murnau verfilmt wurde.

Das Buch stammt von Frank Heller, ist ein Kriminalroman

Es handelt sich um das Schicksal des Großherzogs eines Landes, das ganz winzig klein ist, mit dem verglichen Monaco geradezu ein Erdteil genannt zu werden verdient. Um dies anzudeuten, verfällt Gründgens auf einen charmanten Regieeinfall.

Der Film beginnt wie folgt: Wir sehen die Unendlichkeit des Weltenraums. Wir sehen, wie klein die Erde innerhalb dieses Weltenraums ist. Wir sehen die ungeheure Erde und wie klein zum Beispiel Europa auf dem Globus ist.

Wir sehen die Unendlichkeit Europa und das winzige Fürstentums des Großherzogs innerhalb Europas. Bevor der Film also angefangen hat, hören wir die gewissermaßen unhörbare Stimme des Regisseurs, der schmunzelnd äußert: „So wichtig ist das alles nicht!"
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ZEHN PFENNIGE FÜR GARDEROBE

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Wolfgang Liebeneiner aus dem Riesengebirge

Um diese Zeit ist auch ein anderer Schauspieler nach vorn gekommen, etwas jünger als Gründgens, der aber wie dieser das Theater dem Film vorzieht. Eigentlich wollte er nicht einmal Schauspieler werden.

Wolfgang Liebeneiner, 1906 in Liebau im Riesengebirge geboren, auf die Kadettenanstalt Wahlstatt geschickt, weil die Stadt Liebau keine höhere Schule besaß, später auf der Kadettenanstalt in Berlin-Lichterfelde und im Zehlendorfer Realgymnasium erzogen, geht neunzehnjährig nach München, um Geschichte und Philosophie und Theaterwisisenschaft zu studieren.

Zwanzigjährig kommt er, ein hübscher, dunkelhaariger, schmaler Jüngling in Kontakt mit anderen Studenten, die gelegentlich im Lichthof der Münchner Universität Klassiker-Aufführungen veranstalten.

Er macht mit, inszeniert auch gelegentlich das eine oder das andere Stück und wird auf eine recht seltsame Weise entdeckt. Eines Abends erscheint der Dramaturg Heinrich Fischer von den Münchner Kammerspielen, um sich einen Studenten namens Rosenthal anzusehen, der den Dorfrichter Adam im „Zerbrochenen Krug" spielt.
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Der Zufall will es, daß es an diesem Abend regnet .....

..... und die meisten Zuschauer und Studenten daher natürlich im Mantel erscheinen. Da es zehn Pfennig kostet, die Mäntel an der Garderobe abzugeben, behalten sie sie an. Die Polizei aber wünscht aus Sicherheitsgründen - warum, wird ewig unklar bleiben -, daß die Mäntel abgegeben werden.

Also muß jemand vor den Vorhang treten und dies verkünden. Liebeneiner tritt vor den Vorhang und bittet, die Mäntel abzugeben. Er sagt nur zehn Worte.

Aber seltsamerweise hören ihm die Studenten sofort zu, und, was noch unglaublicher ist, sie geben ihre Mäntel auch ab. Fischer ist erstaunt. Wer ist dieser junge hübsche Kerl, der die Zuschauer so schnell in Bann schlägt? Jawohl, eine solche Behauptung ist nicht übertrieben, obwohl er es wagte, den Studenten zuzumuten, zehn Pfennige auszugeben.

Und es ist leichter, die Leute zuhören zu machen, wenn man „Sein oder Nichtsein ..." schmettert, besonders, wenn die Leute gekommen sind, um einer Theatervorstellung beizuwohnen, als wenn man sie bittet, ihre Mäntel doch an der Garderobe zu deponieren.

Fischer begreift: Der junge Mann gehört zu den seltenen Menschen, die wissen, wie man aus zerstreuten, unaufmerksamen Menschen echte Zuhörer macht. Er erkundigt sich.
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Wie heißt der junge Mann? Liebeneiner?

Er fragt sich nach dem kleinen Raum durch, in dem die Studenten sich umziehen. Er stellt sich Liebeneiner vor.

„Wenn Sie morgen vormittag nichts Besseres zu tun haben, würde ich mich freuen, Sie in meinem Büro zu sehen." Liebeneiner geht am nächsten Tag in die Kammerspiele. Dort muß er dem Regisseur Hans Schweikart vorsprechen, dann dem Direktor Falckenberg.

Er wird für Wedekinds Schüler-Tragödie „Frühlings Erwachen" engagiert, und da Falckenberg einen Regieassistenten braucht, bleibt er während der nächsten drei Jahre als Regieassistent an den Kammerspielen.

Er spielt auch gelegentlich - unter anderem eine Rolle in dem Soldatenstück „Die andere Seite", das Falckenberg inszeniert.
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Max Reinhardt auf Liebeneiner aufmerksam

Alfred Polgar, der bekannte Wiener Kritiker und Essayist, sieht ihn, schreibt über ihn, und dadurch wird Max Reinhardt auf Liebeneiner aufmerksam. Er läßt sich von ihm vorsprechen und gibt ihm einen Vertrag ans Deutsche Theater nach Berlin.

In Berlin filmt er auch zum ersten Male - und zwar spielt er im Film „Die andere Seite" die gleiche Rolle, die er in München bei Falckenberg gespielt (hatte. Dies geschieht im Sommer 1930.

Im Sommer 1931 inszenierte Max Ophuels in München einen Film nach der Oper „Die verkaufte Braut". In diesem Film soll die Schauspielerin Sybille Schloß mitwirken, die gleichzeitig an den Kammerspielen in dem Schauspiel „Gestern und Heute" von Christa Winsloe spielt. Dieses Schauspiel wird später als Film „Mädchen in Uniform" einen Welterfolg haben.

Liebeneiner inszeniert das Stück.

Am Tage der Generalprobe erklärt ihm Fräulein Schloß, sie müsse ins Filmatelier, da Herr Ophuels sie an diesem Tag benötige. Liebeneiner sagt: „Das kommt gar nicht in Frage!" Er ruft Ophuels in Geiselgasteig an, läßt sich nicht durch eine Sekretärin abspeisen, und als der Regisseur schließlich ans Telefon kommt, hält er ihm einen erbitterten Vortrag darüber, welchen schweren Existenzkampf das Theater in den letzten Jahren durchzustehen habe.

„Wir vom Theater machen natürlich Kunst zum Unterschied vom Film!" Der langen Rede kurzer Sinn: „Ich kann auf Fräulein Schloß nicht verzichten. Nach der Generalprobe mag sie filmen, so viel sie will! Heute wird sie nicht zum Drehen nach Geiselgasteig kommen!"

Ophuels ist über die Schärfe des Tones einigermaßen erschüttert. Er vermutet, daß er es mit einem bekannten, vermutlich bereits ergrauten, vielleicht leicht senilen Regisseur zu tun hat. Einige Tage später geht er in eine Vorstellung der Kammerspiele.
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Liebeneiner spielt in dieser Vorstellung mit. Ophuels stutzt.

Liebeneiner? Hieß nicht auch der Regisseur oder Oberregisseur so, der ihn unlängst am Telefon abkanzelte?
Vermutlich handelt es sich um den Vater des jungen Schauspielers.

Er erkundigt sich bei Heinrich Fischer. Der sagt: „Nein, das ist ein und derselbe!" - „Donnerwetter!" erklärt Ophuels. „Ein junger Schauspieler, der so wenig Respekt vor dem Film hat! Will er denn nicht auch gelegentlich mal zum Film?"
„Er hat schon einmal gefilmt! Aber Sie können ihn ja selbst fragen ..."

Ein Jahr später ist es so weit. Max Ophuels dreht den Film „Liebelei" mit Magda Schneider, Luise Ullrich, Olga Tschechowa, Paul Hörbiger und Gustaf Gründgens.

Es handelt sich in Arthur Schnitzlers berühmtem Drama um einen jungen Mann, der ein Verhältnis mit einer verheirateten Frau hat, aus der er sich schon lange nichts mehr macht. Da entdeckt ihr Mann den Ehebruch.

Er fordert den jungen Mann zum Duell. Der liebt ein kleines, süßes Mädel und wird wieder geliebt. Eigentlich könnte das Leben herrlich sein, wenn er sich nicht für die ungeliebte Frau schlagen müßte. Er fällt im Duell und macht dadurch die, der er wirklich gehörte, unglücklich.

Die männliche Hauptrolle ist noch nicht besetzt. Ophuels sucht einen sehr jungen Darsteller für die Rolle des Leutnants Fritz Lobheimer. Er will ein neues Gesicht. Aus diesem Grunde lehnt er Willy Fritsch, Willi Forst, Oskar Karlweis ab. Dann denkt er an Liebeneiner. Der wäre wohl gerade der Richtige.

Liebeneiner spielt um diese Zeit bei Reinhardt im Deutschen Theater.

Kann ein Schauspieler es weiter bringen? Nein! Hat es einen Sinn zu filmen, wenn man es einmal so weit gebracht hat? Nein! Aber Ophuels ist nicht irgendein Filmregisseur. Ophuels ist eine Persönlichkeit. Er gibt nicht so schnell nach.

Und dann: es handelt sich schließlich um „Liebelei", ein schon fast klassisches Drama. Und die Rolle des jungen Mannes, der einen sinnlosen Tod stirbt, der im Duell für die ungeliebte Frau fällt, während er sich nach einer anderen sehnt - in einer solchen Rolle könnte man schon etwas zeigen.

Liebeneiner zeigt etwas - indem er überhaupt nichts zeigt. Er ist ganz einfach, ja, er ist ganz gewichtslos. Sein junger Wiener Offizier ist kein Hamlet, der sich den Kopf über große Probleme zerbricht. Er ist einer, der sich treiben läßt - und in den Abgrund getrieben wird.

Gerade dadurch, daß Liebeneiner so überaus gleichgültig, ja willenlos wirkt, bekommt die Tragödie Schnitzlers eine neue Tiefe. Während der Dreharbeiten zu „Liebelei" hört Erich Engel von Liebeneiner. Für Erich Engel, den Regisseur, der seinen Schauspielern alles „wegnimmt", ist Liebeneiner ein idealer Schauspieler - weil er eben kein Schauspieler ist.

Engel spricht mit Pommer über ihn. Und Pommer engagiert Liebeneiner für die männliche Hauptrolle in dem projektierten Film „Ljubas Zobel" nach dem Roman von Alexander Lernet-Holenia. Ferner hat die UFA das Recht, im nächsten Jahr Liebeneiner für drei weitere Rollen zu holen - man nennt so etwas eine Option.

Inzwischen ist bereits das Jahr 1933 angebrochen.

Liebeneiner fährt gerade zur letzten Synchronisation des Liebelei-Films nach Johannisthai hinaus. Er rast mit dem Auto gegen einen Baum. Zwei Monate Krankenhaus, ein weiterer Monat im Bett zu Hause. Dann eine Kur in Bad Elster. Das erste, was Liebeneiner erfährt: Der Film „Ljubas Zobel" nach dem Buch von Alexander Lernet-Holenia wird nicht gemacht.

Warum? Niemand weiß es so recht. Aber alle sind davon überzeugt, daß der Stoff dem Ernst der Zeit nicht entspricht. Außerdem ist der Produzent aus der UFA ausgeschieden.

Liebeneiner erkundigt sich. „Wo ist Pommer?" möchte er wissen. Immer wieder fragt er: „Wo ist Pommer?" Erstaunte Blicke. Weiß Liebeneiner denn nicht? „Herr Pommer ist ins Ausland gefahren. Er sitzt in Paris."

Ernst Hugo Corell macht von dem Optionsrecht der UFA Gebrauch.

Er teilt Liebeneiner mit, daß er in dem Film „Die schönen Tage von Aranjuez" spielen wird. Liebeneiner liest das Drehbuch und ist nicht gerade begeistert. Aber er hat ja einen Vertrag - also keine Wahl.

Infolgedessen fährt er schon kurz nach seiner Rückkehr aus Bad Elster zu den Außenaufnahmen nach Paris und Spanien, kehrt dann für kurze Zeit nach Berlin zurück, wo er einige Tage im Atelier zu tun hat, und muß dann sogleich wieder abreisen; dieses Mal zu Außenaufnahmen für den Film „Rivalen der Luft", die in der Rhön und auf der Kurischen Nehrung stattfinden.

Es handelt sich um eine Geschichte von Segelfliegern. Um diese Zeit ist Liebeneiner schon recht ärgerlich - über sich selbst und über die UFA. Warum muß er in solch albernen Filmen spielen wie den „Schönen Tagen von Aranjuez" oder der Segelfliegergeschichte?

Da bekommt er ein Schreiben der UFA ........

Er weiß bereits einiges vom Film. Er ist der festen Überzeugung, daß Film mit Kunst nichts zu tun hat, es sei denn in Ausnahmefällen. Und das bedeutet, daß er für die Zukunft mit dem Film nichts mehr zu tun haben möchte. Also will er seine Beziehungen zur UFA so schnell wie möglich lösen.

Da bekommt er ein Schreiben der UFA. Der Schauspieler Wolf Albach-Retty, der Mann Magda Schneiders, ist plötzlich krank geworden. Liebeneiner soll für ihn einspringen. Liebeneiner liest das Drehbuch. Seine Haare sträuben sich. Nein, er will die Rolle nicht spielen! Er denkt gar nicht daran.

Dann kommt ihm eine Idee: Wenn er der UFA einen Gefallen tut, wird er einen Gefallen von der UFA verlangen können, nämlich ihn freizugeben.

Als der Produktionschef Ernst Hugo Corell davon erfährt, schüttelt er den Kopf. „Wie merkwürdig die Künstler sind! Dabei könnte dieser Liebeneiner doch eine große Karriere bei uns machen!"

Schließlich stimmt Corell zu. Liebeneiner soll seinen Willen haben. „Man kann ja niemanden zu seinem Glück zwingen! Aber er soll mir wenigsten sagen, warum er bei der UFA nicht mehr filmen will!"
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An einem drehfreien Vormittag erscheint Liebeneiner im Büro Corells.

Es kommt zu einer Aussprache, die eine gewisse Ähnlichkeit mit jener Unterhaltung hat, die Liebeneiner zwei Jahre vorher mit Ophuels am Telefon führte.

Corell beginnt: „Ich höre, daß Ihnen die UFA-Filme nicht gefallen!" „Das stimmt!" erklärt Liebeneiner. „Ich gebe zu, daß nicht alle UFA-Filme so sind, wie sie sein sollten. Aber schließlich müssen wir ja an das Geschäft denken."

Liebeneiner nickt: „Ich verstehe, daß die UFA Geld verdienen muß. Aber mich interessiert Kunst mehr!" Corell lächelt nachsichtig. „Soweit ich orientiert bin, hat die UFA auch einige künstlerisch wertvolle Filme gemacht!" Er erinnert an den „Blauen Engel" und an Filme mit Conrad Veidt, mit Emil Jannings und Werner Krauß.

Aber Liebeneiner will sich nicht überzeugen lassen. „Das mögen Ausnahmen sein! Die Regel sieht anders aus!" Er äußert etwas von den „wertlosen Unterhaltungsprodukten" der UFA.
„Und da möchten Sie nicht mit dabei sein?" Liebeneiner schüttelt den Kopf. „Nein, das möchte ich nicht!"

Er fährt fort: „Außerdem habe ich das Gefühl, daß die Situation sich ein wenig verändert hat, seitdem Herr Pommer abgereist ist." Plötzlich beginnt er zu lächeln.
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Kennen Sie Rabinovitsch und seine Meinung über die UFA?

„Was finden Sie so komisch?" „Kennen Sie Rabinovitsch?" „Natürlich kenne ich Rabinovitsch!" bestätigt Corell. Den Produzenten der Kiepura-Filme, den Mann, der Willi Forst als Regisseur entdeckt hat, kennt natürlich jeder in der deutschen Filmindustrie.

„Wissen Sie, was der von den UFA-Filmen sagt?"
„Was sagt er denn?"
„Er sagt: ,Schauspieler gut, Produktion gut, Architektur gut, Regie sehr gut, Film sehr, sehr schlecht !'"

Corell ärgert sich. Dies ist einer der seltenen Fälle, in denen der Mann, der immer über der Situation steht, den Humor verliert. Er klingelt nach seiner Sekretärin
und diktiert ihr ein Memorandum für sämtliche Produzenten: „Herr Wolf gang Liebeneiner wird bei uns nicht mehr beschäftigt! Januar 1934, gezeichnet Corell."

Nicht ganz zehn Jahre später wird Liebeneiner dieses Memorandum vorfinden, nämlich an dem Tage, an dem er in Corells Arbeitszimmer einzieht - als der letzte Produktionschef der Universal-Film-AG. vor dem Zusammenbruch im Jahre 1945.

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