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Dr. Ing. Peter Aichner schreibt im März 2008 zu Walter Bruch

Betreff: Neuer Kontakt mit Erinnerungen an Prof. Walter Bruch von Telefunken Hannover

Lieber Herr KHK,
Auch ich habe mich zu Ihrem Anruf gefreut.

Mit Interesse habe ich in einer der letzten Nummern (Anmerkung: es geht um die Zeitschrift "Funkgeschichte" der GFGF) den Beitrag zu Walter Bruch gelesen. Als sogenanter Informand (eine zweijährige Einstiegslaufbahn für Jungingenieure in den 50er und 60er Jahren bei Telefunken) war ich 1960 für mehrere Monate in der Fernsehentwicklung in Hannover und hatte somit Herrn Bruch als direkten Vorgesetzten etwa in der Zeit seines firmeninternen Tiefpunktes, den ich damit voll mitbekam.

Er tat mir leid, denn er hatte auch bei seinen direkten Mitarbeitern seine (verdeckten) Gegner
, die ihn schlecht machten, wo sie nur konnten; auch mir gegenüber, natürlich. Deren Hauptkritikpunkte waren sein mangelnder Diplomabschluß und die Tatsache, daß er seine Beiträge in der "Funkschau" stets mit Dipl. Ing. Walter Bruch unterzeichnete.

Anmerkung 1 : Das ist so nicht belegt. Es kann auch vom jeweiligen Funkschau Redakteur so geschrieben oder hinzugefügt worden sein, um der Marketingabteilung von Telefunken entgegen zu kommen. Auch die Funkschau war auf die Anzeigen von Telefunken finanziell angewiesen. Zeitzeugen bemängeln, daß er das gewußt habe und nichts dagegen getan habe.


Ebenso seine visionäre Arbeitweise, wie er Schaltkreise vom Gefühl her, meist ohne jede Berechnung beurteilen und/oder dimensionieren konnte.

Anmerkung 2 : Das deckt sich weitgehend mit Berichten und Erzählungen anderer Zeitzeugen, die aber nicht genannt werden wollten. Mehrere Zeitzeugen sprachen von allgegenwärtigem Neid und vor allem über das überkommene Hirarchie-Denken innerhalb des verkrusteten AEG-Telefunken Konzerns in fast allen Abteilungen.

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Ein persönliches Erlebnis dazu:

So zwei, dreimal in der Woche kam er auch bei mir vorbei, da ich ein Meßgerät zur Bestimmung des Effektivwertes des FS-Signals in der Fertigung entwickeln sollte. Er fragte z.B. auf meine Bemerkung, "die Flankensteilheit einiger Steuerimpulse seien noch nicht steil genung" lakonisch: "Welchen Anodenwiderstand haben Sie denn in der zugehörigen Röhre PL81" und ich antwortete 460 kOhm. "Nehmen Sie 630 kOhm und sie werden sehen, da geht es". Es war wirklich so. Er hatte die Schaltung vorher nur flüchtig gesehen.

Unter den besonders schlauen Entwicklern im Labor meinte man dazu etwas überheblich: "Er rechnet mit dem Lötkolben anstatt mit dem Bleistift, denn das kann er gar nicht .... ". Ich war in dieser Zeit auch mit dem Sachbearbeiter der Patentabteiliung befreundet, der dieses Sachgebiet bearbeitete, von dem ich wiederholt von der wirklichen Fähigkeit und Leistung von W.Bruch bestens informiert war. Dieser galt nämlich als Hauptlieferant von Patentanmeldungen der gesamten Firma und hatte zu jener Zeit insgesamt an die 300 Patentanmeldungen geliefert, von denen ein großer Teil zu Erteilungen führte.
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Anmerkung 3 : Das mit den Patentanmeldungen des Walter Bruch müsste revidiert werden, denn die Firma Telefunken meldete die Patente an, nicht Walter Bruch. Er wurde als Erfinder angegeben bzw. benannt. Auch da ging es um viel Geld, das Telefunken sparen mußte.


Auf dieser Ebene war man auch stets davon überzeugt, daß PAL zum Ziele führen werde. Er war mit dem inzwischen weltweit benutztem USA-System NTSC (in Europa besonders von Frankreich favorisiert und meines Wissens heute noch verwendet) nicht zufrieden.

Anmerkung 4 : Zu der Zeit stimmte das nur bedingt, denn in den meisten Teilen der Welt war die Entscheidung für oder gegen NTSC noch offen.


Viele Jahre danach erfuhr ich vom selben Kollegen aus der Patent-Abteilung, daß Tfk inzwischen weltweit von jedem PAL Benutzer DM 10.- je Gerät an Lizenzgebühren kassierte, und das für die ganze Laufzeit, etwa 20 Jahre lang.

Seinen firmeninternen Tiefpunkt erreichte (erlebte) Walter Bruch damals, als er von einem Fernseh-Kongress in USA zurückkehrend sein bestens bestücktes Labor auf ein kleines Lokal (Zimmerchen) reduziert wiederfand. Das hatten u. a. seine "gehobenen" Mitarbeiter endlich erreicht. Die Position des Fernseh- Entwicklungsleiters konnte man ihm offensichtlich nicht nehmen.

Gesellschaftspolitisch bemängele ich dabei das Verhalten der TH Hannover, die das direkt oder indirekt irgendwie mitbekommen haben mußte, und die ihm nicht früher zumindest den "Dipl.-Ing. eh." erteilt hatte.

Anmerkung 5 : Einen Titel wie "Dipl.-Ing. e.h." gab es damals wie heute nicht.


Walter Bruch hatte schon vor dem Krieg in Berlin sein Studium (??) begonnen und bei Tfk an der Fernseh-Technik führend gearbeitet. Er war 1936 bei der Olympiade in Berlin der erste Fernseh-Kameramann der Welt (Anmerkung : Das ist nirgendwo schlüssig belegt !!) und hatte in der Kriegsfolge sein "Studium" geschmissen, wie das so mancher andere 1945 auch tat oder tun musste.

Soweit in Kurzfassung meine Teilergänzungen zum Leben und zur Arbeit des Walter Bruch bei Telefunken.
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Und hier noch etwas zur Firma Telefunken

Aus meinen Forschungen zur Geschichte dieser Firma mußte ich feststellen, dass bis auf den Chef der Patentabteilung Dr. Johannessohn die meisten Spitzenkräfte (Anmerkung: gemeint sind die Spitzenkräfte aus der Vorkriegszeit) in der Nachkriegsfirma nicht mehr "erscheinen".

In der Hierachie der Nachkriegs Personalpyramide waren die neuen Chefs zu meiner Telefunkenzeit aus der dritten bis vierten Etage (Anmerkung : bzw. Hirarchie-Ebene) der ehemaligen Pyramide anzutreffen. Der neue Chef Dr. Heyne war im Krieg Fertigungsleiter in der Rüstungsindustrie und hatte im Rahmen des Wiederaufbaues in der Nachkriegszeit im wesentlichen für hohe Umsätze "viel" - und für Forschung nur noch "wenig" übrig.
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Anmerkung 6 : Das deckt sich weitgehend mit der Bewertung und Beurteilung des Niedergangs der AEG in dem AEG Buch, das dem Redakteur zur Information und Rezension zur Verfügung stand.


Sein Chef war in der Kriegszeit Albert Speer, der dort die gleiche Philosophie verfolgt hatte. Der "Torneb" (Anmerkung: Tornister-Empfänger "Berta" der Wehmacht) war 1945 in seiner Technik etwa 25 Jahre alt! Und das in einer Firma, die seinerzeit 1903 nur zu Forschungsaufgaben in der Funktechnik für die darin tätigen Firmen auf Anregung von Kaiser Wilhelm gegründet worden war, als Gegenpart zu Marconi, der diesen Markt in Monopolstellung dominierte.

Diese Monopolstellung hatte damals soweit geführt, daß die preussische Flotte gar nicht mehr nach Berlin funken konnte. "Majestät, der Funkweg nach Berlin ist von Marconis Leuten voll besetzt", soll der Funker zu Kaiser Wilhelm anläßlich eines Manövers in der Nord- oder Ostsee gemeldet haben, als dieser nach Berlin ein Telegramm absetzen wollte.
 
Die deutsche Radioindustrie war in der Nachkriegszeit bis in die 60er Jahre im wesentlichen von Praktikern beherrscht, die von der neuen "Radiowelle" in dieser Zeit mit japanischen Taschengeräten offenbar widerstanslos überwältigt wurde. Heute ist dieser Industriezweig seit bald 20 Jahren in Europa völlig verschwunden.
 
Lieber Herr KHK, vielleicht ist dies alles der Grund dafür, warum sich die meisten GFGF-Berichte mit der "Steinzeit" der Radotechnik befassen. - Für heute genug des ... erns, da ich auch - wie Sie feststellen können, dabei etwas in Rage geraten kann,
 
Mit besten Grüßen, Ihr Peter Aichner
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  • Anmerkung aus März 2011 : Dr. Ing. Peter Aichner war lange Jahre Mitglied in der GFGF und ist in 2010 verstorben.

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