Zum Auffrischen und Erinnern . . . .
. . . sind diese Seiten hier gedacht, denn viele wissen nicht mehr oder noch nicht, wie es damals angefangen hat und wie das wirklich funktioniert mit dem Fernsehen, den Kameras, den Videorecordern, den Tonband- und den Magnetband- geräten aus alter Zeit. Viele Bilder können Sie durch Anklicken vergrößern.
1954 - Fernseh-Aufnahmewagen (auch Ü-Wagen genannt)
von Dipl. Ing. Johannes Günther
Das Fernsehen wird sich nur dann durchsetzen und behaupten können, wenn es den großen Vorteil der Aktualität wahrt. Die Fernsehsender müssen daher in der Lage sein, bei aktuellen Ereignissen eine „Life"-Sendung unmittelbar vom Ort des Geschehens zum Empfänger zu übertragen. In Anbetracht dessen wurden bereits vor dem Kriege in Deutschland fahrbare Übertragungsanlagen gebaut, die sich vor allem beim Einsatz während der Olympischen Spiele bewährt haben. Diese Anlagen von 1934 bis 1937 arbeiteten meist nach dem Prinzip der Zwischenfilmübertragung, d. h. die aktuellen Ereignisse wurden auf einem endlosen Film aufgenommen, der im Übertragungswagen selbst entwickelt und fernsehmäßig abgetastet wurde. Auch der Einsatz von Übertragungswagen mit hochempfindlichen Fernsehkameras wurde erprobt.
Aufbauend auf den Erfahrungen, die mit dieser Art von „Aufnahmewagen" gemacht worden waren, wurden von der FERNSEH GMBH mehrere Fernseh- Aufnahmewagen in enger Zusammenarbeit mit den Rundfunkgesellschaften geplant und mit den Geräten der FERNSEH GMBH ausgerüstet.
Die Grundausrüstung eines Fernseh-Aufnahmewagens wird bestimmt durch den Aufgabenbereich, für den der Wagen eingesetzt werden soll. Wird eine Sendung geplant, bei der mehrfach am Tage in kurzen Zeitabständen ein aktuelles Geschehen übertragen werden soll, wie z. B. anläßlich einer Ausstellung oder eines Rad- bzw. Autorennens, so ist es zweckmäßig, ein komplettes fahrbares Studio einzusetzen, das außer etwa 3 Aufnahmekameras zur „Life"-Sendung auch die Geräte zur Übertragung von Filmen und Diapositiven besitzt. Einmal ist es im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit günstiger, bei längeren Zwischenpausen flying-spot-Anlagen (Filmabtaster, Diapositivabtaster) einzusetzen, zum anderen wird dadurch die Möglichkeit geschaffen, auch bei plötzlich auftretenden spannenden Ereignissen sofort auf die Aufnahmekameras umzuschalten.
Wird die Übertragung eines zeitlich in sich geschlossenen Außenprogramms geplant, so gelangt zweckmäßigerweise ein Fernseh- Aufnahmewagen zum Einsatz, der mit Hilfe einer eigenen Dezimeterverbindung oder einer Kabelstrecke das Hauptstudio erreichen kann und dessen Ausrüstung meist nur aus Aufnahmekameras besteht. Die kurzen Zwischenpausen im Programm werden dann mit einer der Kameras überbrückt.
Da ein Fernseh-Aufnahmewagen auf jeden Fall mit mehreren Aufnahmegeräten ausgerüstet ist, mußte die Möglichkeit geschaffen werden, einen Regisseur und die notwendigen Bild- und Tonmischer im Fernseh-Aufnahmewagen unterzubringen.
Das Problem der Innenausgestaltung der Übertragungswagen wurde nun den verschiedenen Wünschen der Sendegesellschaften entsprechend in der verschiedensten Weise gelöst. Im Ausland trifft man oft eine Ausführung an, bei der die betreffenden drei Personen oder zumindest der Regisseur und der Bildmischer die Kontrollbilder der einzelnen Kamerazüge mit als Vorschaubilder benutzen und erhöht hinter dem Kamerabedienungstechniker sitzen.
In Deutschland hat sich die Auffassung durchgesetzt, daß man nach Möglichkeit für die Regie eine kleine, von der übrigen Technik abgeschlossene Abteilung im Aufnahmewagen einrichten soll. Bereits der im Oktober 1951 auf der Industrieausstellung in Berlin zum ersten Male vom NWDR eingesetzte Übertragungswagen hatte ein Bildmischpult mit eigenen Vorschaubildern.
Der NWDR richtete dann zwei kleinere Wagen ein, von denen der eine mit zwei Rieselikonoskopkameras und der andere mit zwei Superorthikonkameras der FERNSEH GMBH ausgerüstet ist. Bei diesen Wagen wurden dem ausländischen Vorbild entsprechend die Bilder der Kamerakontrollempfänger als Vorschaubilder für den Regisseur benutzt. Einer dieser Wagen war sogar zur Übertragung der Fußballweltmeisterschaft in Basel eingesetzt.
Hierbei wurde auch eine Kamera verwendet, deren Optik eine veränderliche Brennweite hat (zoom-lens), was die vielen Fußballanhänger an den Fernsehgeräten sicher sehr begrüßt haben, da sie so dem Spielverlauf viel besser folgen konnten als bei früheren Übertragungen.
Den im Herbst 1952 an den Hessischen Rundfunk gelieferten Wagen kann man hinsichtlich der Einrichtung des Regieraumes als Zwischenlösung betrachten. Hier führte die Bedingung, dem Regisseur die Kontrollbilder unter dem richtigen Bildwinkel sehen zu lassen und die Tatsache, daß die vor dem Kameraverstärker sitzenden Techniker die Kontrollbilder für den Regisseur und Bildmischer teilweise verdecken, wieder zu einem kombinierten Ton- und Bildmischpult mit eigenen Kontrollbildern. Wegen des geringen zur Verfügung stehenden Raumes sind die Kontrollempfänger noch mit Bildröhren von 20 cm Schirmdurchmesser ausgerüstet und direkt in die Konstruktion des Pultes mit eingearbeitet. Das Pult selbst steht noch unmittelbar im Raum der Technik, es ist aber eine Überblendung und Mischung der Bilder von einem Parallelpult aus durch Fernsteuerung möglich.
Für die Vorschau und Endkontrolle werden dann Empfänger mit einer 14"-Viereckröhre benutzt, so daß auch die Forderung für den Regisseur erfüllt ist, daß er nicht nur den gleichen Bildwinkel, sondern auch durch die größere Entfernung den gleichen Bildeindruck wie der Fernseher zu Hause an seinem Tischempfänger hat.
Die dafür verwendeten Empfänger sind bewährte Spezialausführungen der FERNSEH GMBH, denen entweder das Signalgemisch oder Bildsignal und Synchronimpulse getrennt zugeführt werden können. Die Fernbedienung des Bildmischpultes erschließt nun die Möglichkeit, die Regie- und Mischpulte aus dem Wagen herausnehmbar auszuführen. Sie können dann den Wünschen des Regisseurs entsprechend an der Stelle aufgebaut werden, an der er den besten Einblick in die aufzunehmende Szene hat.
Diese moderne Ausführung, bei der überdies die Regie ihren völlig abgetrennten Raum im Aufnahmewagen besitzt, zeigt der von der FERNSEH GMBH eingerichtete, im Jahre 1953 zur Düsseldorfer Ausstellung erstmalig vom NWDR eingesetzte Übertragungswagen „Studio West".
Auch der Einsatzbereich der Kameras wurde auf eine Entfernung bis zu 150m im Umkreis des Wagens vergrößert. Der NWDR und der „Sender Freies Berlin" werden je einen weiteren Wagen in einer ähnlichen Ausführung erhalten, nachdem sich das Prinzip der Raumeinteilung im Wagen „Studio West" in jeder Beziehung bewährte. Es ist natürlich, daß dadurch gegenüber dem eingangs erwähnten Prinzip, die Kamerakontroll-bilder mit für die Regievorschau heranzuziehen, die Ausmaße des Übertragungswagens zugenommen haben. Dies macht sich jedoch beim Einsatz in Großstädten und auf dem flachen Lande nicht nachteilig bemerkbar.
Für Einsätze im bergigen Gelände wurde dagegen eine andere Lösung als vorteilhaft erkannt und vom Südwestfunk und der FERNSEH GMBH gemeinsam ausgearbeitet. Eine größere Beweglichkeit wurde durch Aufteilung der Anlage in zwei kleinere Wagen erreicht, von denen der eine die reine Fernsehtechnik und der zweite die Fernsehregie und Tontechnik enthält. Es ist dabei möglich, den Regiewagen bis zu 30m vom Technikwagen entfernt aufzustellen. Diese Wagen (siehe Bild 7) wurden erstmalig am 1.8.1954 bei der Fernsehübertragung vom Nürburgringrennen eingesetzt und haben sich ebenso bewährt und zur Aktualität des Fernsehens beigetragen, wie die anderen von der FERNSEH GMBH gelieferten Fernseh-Aufnahmewagen.
Im Folgenden soll nun noch kurz über die speziellen fernsehtechnischen Einrichtungen einiger Aufnahmewagen berichtet werden, woraus auch die Wandlung in der Konstruktion der Geräte ersichtlich ist.
Der erste, im Oktober 1951 vom NWDR in Betrieb genommene, unter dem Namen „Blauer Heinrich" bekanntgewordene Übertragungswagen war mit den gleichen Geräten ausgerüstet, wie sie z. Z. auch im Hamburger Studio üblich waren. In einem 1m hohen Schrank waren die Hauptverstärker, die Impulsvorbereitung und das Netzgerät eines Kamerazuges untergebracht sowie in einem 50cm hohen Schrank darüber die Kontrolleinheiten.
Der Wagen war als fahrendes Studio gedacht und enthielt außer den drei Kamerazügen noch einen Zwillingsfilmabtaster zur pausenlosen Übertragung von 35mm-Filmen. Ein Taktgeber, ein Impulsverteiler in je einem 1m hohen Schrank, 1 Modulationsgerät mit Kontrolleinheit, 1 kleiner UKW-Sender in der gleichen Schrankform sowie 1 Bildmischpult mit 2 Vorschau- und 1 Ausgangskontrollbild vervollständigten die Ausrüstung.
Eine gute Zugänglichkeit zur Röhren- und zur Schaltseite der Geräte war aus Raumgründen nur für etwa 70 % der Geräte erreichbar. Die Raumausnutzung wurde nun bei den beiden nächsten Wagen des NWDR dadurch wesentlich verbessert, daß an Stelle der Schränke Einschubgestelle zur Anwendung kamen. In dem Einschubgestell, das eine völlige Neukonstruktion darstellte, wurde das gleiche Aufbauprinzip der Einzelchassis wie in den Studioschränken beibehalten, nur daß nicht mehr die Breitseite der Chassis dem Bedienenden zugewendet ist, sondern die hohe Kante. Man erreichte so eine Frontbreite von etwa 270mm und eine Tiefe des Gerätes, wie sie der früheren Schrankbreite entspricht.
Wegen der geringen Frontbreite mußte man auf das große Kontrollbild verzichten und eine Bildröhre von 20 cm Durchmesser verwenden. Die Zugänglichkeit zur Röhren- und Schaltseite der Geräte ist erreicht, indem man das 270mm breite Gestell nach vorn herauszieht. Der Raumgewinn durch die Einschubgestelle zeigte sich in seiner vollen Größe bei der Einrichtung des Übertragungswagens für den Hessischen Rundfunk. Dort konnten auf der Breite des Wagens (2,30m) nebeneinander 7 Einschubgestelle mit den folgenden Geräten untergebracht werden: 3 Kamerazüge (Rieselikonoskop), 2 Taktgeber, 1 Modulationsgerät sowie außerdem 1 Impulsverteiler und 1 drahtloser Empfänger.
Die Abführung der in den Geräten entstehenden Wärme konnte dabei auch günstig gelöst werden. Durch Staubfilter im Boden des Wagens unter den Geräten wird die Frischluft mit Hilfe zweier an der Decke des Wagens über den Gestellen angeordneter Ventilatoren an dem Chassis vorbeigesaugt. Die warme Luft hat also keinen Zugang zu dem Bedienungsraum. Auch diese Konstruktion stellt nur eine Zwischenlösung dar.
Die Forderung nach tragbaren Einheiten für Reportagezwecke führte zur Auflösung der Einschubgestelle in einzelne Koffer. Durch gleichzeitige Verbesserung und Vereinfachung der Schaltung konnte der Raumbedarf im Durchschnitt um ein Drittel gesenkt werden. Ein Kamerazug z. B. wurde auf 2 Koffer aufgeteilt, und zwar den Verstärkerkoffer, der noch das Netzgerät für den Verstärker und den Kamerakopf enthält, und den Kontrollkoffer mit Bildröhre, Oszillograph und zugehörigem Netzgerät. Durch die Aufteilung des früheren Gesamtnetzgerätes auf die einzelnen Koffer sind eine schnellere Austauschbarkeit der Geräte untereinander und eine schnellere Endprüfung möglich. Jeder Koffer ist ein in sich geschlossenes Gerät.
Die Raumverringerung beim Taktgeber ist besonders ins Auge fallend; dort konnte durch Verwendung von Kleinröhren und Verzicht auf den Kontrolloszillographen sowie durch Schaltungsverbesserung der Raumbedarf auf 1/6 zusammengedrängt werden. Ein Koffer enthält heute zwei komplette Taktgeber einschließlich Umschalter.
In dem bereits erwähnten Übertragungswagen des NWDR „Studio West" wurde erstmalig eine komplette Kofferausrüstung verwendet. Es waren im ganzen 15 Koffer unterzubringen, die folgende Geräte enthalten: 3 Superorthikon - Verstärker, 3 Kontrollkoffer dazu, 1 Überblendverstärker mit Kommutator, 1 Signalmischer, 1 Modulationsgerät, 1 Ausgangskontrolle, 1 Doppeltaktgeber, 1 Impulsverteiler, 1 BAS-Verteiler, 1 Gittertest-geber sowie 1 Empfänger.
Durch übereinanderstellen von je 3 Koffern ergaben sich 5 Säulen, die jeweils über Gummipuffer auf einem kleinen Wagen befestigt sind, so daß man, wie früher beim Einschubgestell, jede Säule aus der Front der 15 Koffer herausziehen kann, wenn einer der Koffer seitlich aufgeklappt werden soll. An sich haben die Säulen untereinander eine Entfernung von 15cm, sodaß es möglich ist, die Koffer seitlich aufzuklappen und Potentiometer zu bedienen, die zur Korrektureinstellung benötigt werden und aus diesem Grunde auch entlang der oberen Chassiskante eingebaut sind.
Die Raumersparnis durch Einsatz der Koffergeräte im Übertragungswagen „Studio West" erlaubte, daß außer dem mit mehr Komfort eingerichtetem Bild- und Tonregie-Raum und außer der betriebssicheren Ausrüstung (2 Taktgeber, BAS-Verteiler, Gittergeber) sogar noch ein Film-Abtaster in Studio-Ausführung im Wagen aufgestellt werden konnte. Dieser Film-Abtaster wurde z. B. sehr geschickt bei der Übertragung der Abschiedsvorstellung des Zirkus Grock eingesetzt, indem man unmittelbar vor der Life-Sendung einen am Vortage aufgenommenen Film, der die Einrichtungen des Zirkus zeigte und einen Einblick in das Werktagsleben des 75jährigen Clowns gab, übertrug und ohne Umschaltpause mit weicher Überblendung auf die Kamerabilder übergegangen werden konnte.
Die Entwicklung der Aufnahmewagen ist aber keineswegs abgeschlossen, sondern jede Neuerung und Weiterentwicklung der Fernsehgeräte kommt natürlich auch den Aufnahmewagen zugute. Schon heute ist zu erkennen, daß die „fahrbaren Studios" nicht nur eine wertvolle Ergänzung der stationären Studios darstellen, sondern daß es zum wesentlichen Teil ihnen zu verdanken ist, wenn das Fernsehen wirklich aktuell wird.