Zum Auffrischen und Erinnern . . . .
. . . sind diese Seiten hier gedacht, denn viele wissen nicht mehr oder noch nicht, wie es damals angefangen hat und wie das wirklich funktioniert mit dem Fernsehen, den Kameras, den Videorecordern, den Tonband- und den Magnetband- geräten aus alter Zeit. Viele Bilder können Sie durch Anklicken vergrößern.
1954 - Die Fernseh-Industrieanlagen (später angewandtes Fernsehen)
von Dipl.-Ing. Karl Siepmann
Seitdem das Fernsehen sich als selbständige Technik seinen Weg gebahnt hatte, kam auch bald der Wunsch auf, dieses jüngste Kind der technischen Wissenschaft als Zeit, Raum oder Geld sparendes Mittel in anderen Industriezweigen auszunutzen. Viele Anwendungsgebiete sind bisher bekanntgeworden und werden z. Z. auch schon mit Erfolg durchgeführt. Andere Anwendungen werden folgen, sobald die erforderlichen Voraus-setzungen dafür gegeben sind.
Für Unterrichfszwecke erscheinen die Vorteile einer Fernseh-Anlage am augenfälligsten. Keine Lehranstalt ist heute mehr ohne Film- und Projektionsapparat denkbar. Wieviel lebendiger wirkt aber z. B. bei einer Operationsvorführung eine direkte Übertragung, die noch vom Fluidum der Gegenwärtigkeit umgeben ist. Jede dieser Vorführungen hat ihre Eigenarten und Varianten, die der Unterrichtende aus dem Gedächtnis bei einer konservierten Übertragung nie berücksichtigen kann. Daß den beobachtenden Gruppen zahlenmäßig und räumlich keine Beschränkungen auferlegt sind und daß bei der heutigen Qualität der Empfänger auch keine Verdunkelungen usw. erforderlich sind, kann weiterhin als Vorteil gezählt werden. Bei der Mikroskopie herrschen ähnliche Verhältnisse. Der Einbau der FS-Kamera in die Operationsleuchte bringt darüber hinaus dem Operateur den Vorteil, daß er ungestört seine schwierige Arbeit verrichten kann und den Fernsehbeobachtern den Vorteil, daß sie praktisch vom Standpunkt des Operateurs die Vorführung beobachten können. Operations-, Mikroskop- und Röntgenbildfernübertragung geben dem weitblickenden Fachmann auch noch die Möglichkeit, einen auswärtigen Spezialisten an Hand des Bildes zu Rate zu ziehen.
Fernbeobachtung aus räumlichen Gründen bietet zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten. Das Wasserstandsglas einer Kesselanlage kann ohne merkbare Fehler in die Warte übertragen werden. Feuerung und Schornsteinöffnung eines Kraftwerkes werden in der Zentralwarte beobachtet. In großen Bankhäusern wird eine Scheckkontrolle vom Schalterraum zum Unterschriftenbüro möglich. An großen Baggeranlagen kann die Füllmenge und Lademenge von einer Stelle her kontrolliert werden. Zur Torüberwachung eines weiträumigen Fabrikgeländes können alle Ein- und Ausfahrten von einem zentralen Pförtner aus gesteuert werden. Zur Fernbeobachtung zählt auch die vor dem Kriege von der Post durchgeführte Fernseh-Sprech-Verbindung zwischen Berlin und Leipzig. Die Polizei kann mit Hilfe eines Fernsehapparates wichtige Verkehrsknotenpunkte oder andere wichtige Plätze fernbeobachten. Bahnhöfe, Flugplätze oder Fabrikanlagen lassen sich fernkon-trollieren. Vor kurzem wurde ein Dieb durch ein unauffällig angebrachtes Fernsehauge überführt. Unterwasserkameras halfen mit beim Heben von gesunkenen Schiffen, und aus Amerika kommt die Meldung, daß das Fernsehen bei der strategischen Kriegführung zur Fernbeobachtung eingesetzt werden kann. Diese und vielleicht noch viele unbekannte Anwendungen sind Beispiele für die Fernbeobachtung aus räumlichen Gründen.
Die Fernbeobachtung an gefährlichen Stellen ist auch ein dankbares Anwendungsgebiet des industriellen Fernsehens. Hierzu zählen im gewissen Sinne schon die erwähnte Unterwasserkamera und die Feuerraumbeobachtung. Wichtig ist aber der Einsatz bei Atomversuchen und ähnlichen Gelegenheiten.
Für Spezialzwecke nutzt man die Eigenschaft aus, daß man das aus dem optischen Bild erzeugte elektrische Signalgemisch mit einfachen Mitteln verändern oder auswerten kann. So ist es sehr einfach, die Signale in ihrer Polarität umzukehren. Man kann damit Negativbilder, z. B. Photos und Filme im Positiv auf dem Empfänger beurteilen und könnte dabei gleichzeitig mit geeigneten Meßeinrichtungen Festlegungen über Schwärzung und Belichtungszeit machen. Bei der Mikroskopie kann man gleichzeitig mit dem normalen Bild auch das Negativbild betrachten, aus dem u. U. mehr zu ersehen ist. Da der im Beobachtungsgerät sichtbare Kontrast mit Verstärkern erzeugt wird, nutzt man den Umweg über das Fernsehen aus, um kontraststeigernd zu wirken. Außerdem ist es mit speziell entwickelten Verstärkern möglich, verschiedene gewünschte Helligkeitswerte zu bevorzugen und sogar einzelne Helligkeitsstufen getrennt von dem übrigen Bild zu betrachten. Die Kontraststeigerung kann mit Vorteil angewandt werden bei Röntgenaufnahmen oder bei Zeitaufnahmen der Astronomie. Die Möglichkeit, die photoempfindliche Schicht im unsichtbaren Teil des Spektrums zu sensibilisieren, erlaubt es uns z. B. das Fernsehen mit infrarot empfindlichen Aufnahmeröhren bei der Filmentwicklung einzusetzen. Die Fülle der bekannten Anwendungsmöglichkeiten auf diesem Gebiet ist hiermit aber bei weitem noch nicht ausgeschöpft und sicher werden noch viele neue hinzukommen, wenn im Laufe der Zeit das Fernsehen auch auf industriellem Gebiet zur Selbstverständlichkeit geworden ist.
Daß für alle diese Anwendungen nicht ein und dieselbe Apparatur gleich gut geeignet ist, liegt auf der Hand, da die verschiedenen für den Erfolg notwendigen Voraussetzungen nicht immer gleich gut gegeben sind. Die Aufgabe des Konstrukteurs für die Entwicklung einer Fernseh-Industrieanlage ist es nun, den für die verschiedenen Gebiete notwendigen Kompromiß zu finden, um die Anlage so universell verwendbar zu machen wie eben möglich. Es wird sich dabei auch wohl nicht vermeiden lassen, daß man für den jeweiligen Zweck Zusatzeinrichtungen schaffen muß, die nur für diesen Zweck Anwendung finden.
Für die Konstruktion einer Fernseh-Industrieanlage sind insbesondere die nachstehend genannten Faktoren von Bedeutung.
1954 - Fernsehanlage mit Rieselikonoskop
Das Rieselikonoskop zeichnet sich besonders durch bestmögliche Bildwiedergabe (Auflösung, Helligkeitsumfang, Trägheitslosigkeit) verbunden mit guter Empfindlichkeit aus. Die mit dieser Röhre versehene Anlage der FERNSEH GMBH besteht aus: Kamerakopf, Schrank, Empfänger und Bediengerät. Unter Verwendung dieser Teile können mehrere verschiedene Objekte gleichzeitig auf mehreren Gruppen von Empfängern oder nacheinander auf der gleichen Gruppe von Empfängern von einem Bediengerät eingeschaltet werden. Auf diesem Bediengerät laufen auch alle notwendigen Bedienungen für Kamera und Empfänger zusammen. Im einfachsten Fall kann also als kleinste Anlage ein Kamerakopf mit einem Empfänger zusammengeschaltet werden. Soll dann z. B. später noch auf dem gleichen Empfänger ein zweites Objekt wiedergegeben werden, so braucht die Anlage nur um den Kamerakopf und ein Zusatzgerät im Schrank erweitert werden. Alle bereits für die einfachste Anlage benötigten Geräte werden dann für die zweite Anlage mitbenutzt. Die Erweiterungsgeräte können ohne Schwierigkeiten angebracht werden bis zur größten Anlage, bestehend aus 3 Köpfen zur Objektbeobachtung und 3 Gruppen von je 3 Empfängern zusammengeschaltet über einen Schrank und bedient von einem zentralen Bediengerät, nach Wunsch aber auch von 3 einzelnen Bediengeräten. Im Schrank ist eine Kontrollmöglichkeit für 21 der wichtigsten Funktionen einer jeden Anlage enthalten.
Der Kamerakopf enthält als Fernsehaufnahmeröhre ein Rieselikonoskop eigener Fertigung. Der auf das Beobachtungsobjekt fest ausgerichtete Kamerakopf setzt mit Hilfe eines Objektives im Zusammenwirken mit dem Rieselikonoskop das einfallende optische Bild in fernsehmäßige Bildsignalspannungen um, die nach Durchlaufen des Kameravorverstärkers über das Kabel zum Kameraschrank gelangen. Der Kameraschrank enthält als Herzstück der Industrieanlage den Taktgeber für die Gleichlaufsteuerung der Strahlablenkgeräte in Kamerakopf und Bildempfänger. Außer dem Taktgeber befinden sich im Kameraschrank je nach Typ der Industrieanlage ein bis 3 Verstärker, die das vom Kamerakopf kommende Bildsignal ver-stärken und auf das Verbindungskabel zum Bildempfänger geben.
Im Bildempfänger Ev 35/100/3 (Tischgerät) oder Ev 35/100/4 (Schalttafelgerät) wird das eintretende Bildsignal auf eine solche Spannung verstärkt, daß eine gute Helligkeitssteuerung der Bildempfängerröhre gewährleistet ist.
Das Fernbediengerät ist über flexibles Kabel mit dem Empfänger verbunden. Es ermöglicht eine betriebs-mäßige Einwirkung auf Empfänger und Kamerakopf, um den günstigsten Bildeindruck des zu beobachtenden Objekts auf dem Bildschirm des Empfängers zu erzielen. Im Bediengerät ist auch der Betriebsschalter für alle angebauten Anlagen vorhanden, mit dem man jede Anlage von Bereitschaft auf Betrieb umschalten kann. 3 farbige Lämpchen zeigen den jeweiligen Einschaltzustand von Kamerakopf und Empfänger an.
1954 - Fernsehanlage mit Vidicon
Das Vidikon unterscheidet sich von dem Rieselikonoskop und dem Superorthikon grundsätzlich dadurch, daß es mit einem inneren Photoeffekt arbeitet, d. h. das auf seine photoempfindliche Halbleiterschicht projizierte Licht bewirkt eine Leitfähigkeitsänderung.
Die Vorzüge des Vidikons liegen in seinen kleinen Abmessungen und in den einfachen Betriebsbedingungen sowie seiner langen Lebensdauer. Es bewältigt einen großen Helligkeitsumfang und liefert Bilder guter Gradation und Schärfe. Der ihm anhaftende Trägheitseffekt läßt seinen Einsatz allerdings nur dort zu, wo mit geringeren Bewegungsgeschwindigkeiten im Objekt gerechnet werden kann; denn andernfalls würde die Erkennbarkeit durch Fahnenziehen wesentlich beeinträchtigt. Die Stärke des Fahnenziehens ist einerseits von dem verwendeten Vidikontyp und andererseits von der Beleuchtungsstärke der aufzunehmenden Objekte abhängig. Als untere Beleuchtungsgrenze kann etwa 100 Lux bei Blende 1:2 gelten.
Der Kamerakopf enthält neben dem Vidikon mit Spulensatz einen zweistufigen Vorverstärker. Als Optik dienen 16mm-Schmalfilmobjektive mit Brennweiten von 16 bis 150mm. Das Kontrollgerät, welches Zwischenzeilentaktgeber, Verstärker, Ablenkgeräte (die für Vidikon und Bildröhre gemeinsam sind), Mischstufen, HF-Generator und Ausgangsstufen enthält, besteht aus einem stabilen Koffer, der so konstruiert ist, daß alle Aufbauteile und Schaltelemente gut zugänglich sind.
Die vom Vidikon gelieferten Bildsignale werden über den Vorverstärker und das Kamerakabel dem Verstärker des Kontrollgerätes zugeführt und dort mit Austastlücken versehen. Das ausgetastete Bildsignal wird dann weiter über einen Endverstärker dem Bildrohr als Modulation zugeführt. Die von unserem Mitarbeiter G. Harkensee entwickelte Anlage liefert videofrequente und trägerfrequente Bildsignale, so daß sowohl videofrequente Spezialempfänger als auch handelsübliche Fernsehempfänger (Band 1 oder 3) über Kabel betrieben werden können. Innerhalb einer Minute (bei Bereitschaftsschaltung in wenigen Sekunden) ist die Anlage betriebsbereit.