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März 2025 - Was ist so "aufregend" an diesen Artikeln ?

Im März 2025 eskalkierte der relativ friedliche langjährige Zusammenhalt "der Amerikaner" mit den westlichen Staaten Europas in Form der transatlantischen Staaten-Gruppe - der "NATO". Der greise Präsident Donald Trump (78 Jahre) kündigte alle vormaligen Zusagen und Versprechungen Kraft seines Amtes als gewählter Präsident der USA auf.

Und auf einmal war alles anders - für die meisten Europäer angeblich unerwartet. Weiterhin ließ er sich von seinem Gegner in Russland - also ganz bestimmt nicht von seinem "Freund" Wladimir Putin" (72 Jahre) - mit der versprochenen schnellen bzw. sofortigen Lösung des Ukraine Kriegs an der Nase herum führen und über den Tisch ziehen.

Verblüffend ist jetzt in diesen 1948er Artikeln, - es sind ja in 2025 immerhin 75 Jahre vergangen - einige der Autoren haben das taktische hinterlistige Prozedere des geschulten Geheimdienstlers Putin so viele Jahre vorher vorausgesagt.
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Ein weiterer Vergleich zeigt hier auf die schriftlich niedergelegten Erfahrungen des amerikanisch deutschen Presseoffiziers Curt Riess von 1957 - aber lesen Sie selbst : Berlin 1945 bis 1953

Wortlaut von 1953
: (Ein eigenartiger Vorschlag. "Einer" (Anmerkung : gemeint ist ein Politiker aus Bayern), der wirklich so tut, als könne man mit den Sowjets und den Kommunisten Verträge schließen, die auch eingehalten würden, als würden die auf der andern Seite aufhören, die Menschen zu terrorisieren, in ihre Armee zu pressen und in Zuchthäuser zu sperren, nur, weil die Menschen keine Fluchtmöglichkeiten mehr haben! ..........)

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"Der Monat"
1. JAHRGANG - NOVEMBER 1948 - NUMMER 2

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DER WEST-ÖSTLICHE GEGENSATZ (Drei Aspekte)

  Die Kapitel im Heft Autor Seite :
  -------------------------------------------------   im Heft
  Ist der Krieg mit Rußland unvermeidlich? Barbara Ward 3
  Drei Grundzüge westlichen Denkens Sidney Hook 8
  Vom Wesen des Kommunismus James Burnham 18
>>> ABENDESSEN IM HOTEL GAYLORD    
  Ein Roman-Kapitel aus „Wem die Stunde schlägt" Ernest Hemingway 30
>>> DER SEECKT-PLAN    
  Aus unveröffentlichten Dokumenten Julius Epstein 42
  Politik und Kriegsromantik Eugen Fischer-Baling 50
  Seeckt, Stalin und Europa M.J.L. .55
  Brief aus Südfrankreichs Stiere in Arles Neil MacCallum 59
>>> SOWJET-RUSSLAND OHNE PROPAGANDA (II)    
  Berichte eines Auslands-Korrespondenten Drew Middleton 61
  Brief aus Amerika: Eine Demokratie verteidigt sich Norbert Mühlen 71
>>> DAS KABINETT DES DR. CALIGARI    
  Aus „Von Caligari bis Hitler" Siegfried Kracauer 78
>>> REVOLUTION IM NOVEMBER    
  Aus Anlaß von zwei Jahrestagen Boris Shub 87
>>> LITERATUR    
  Keine wackere neue Welt mehr! Alfred Kazin 91
  Über Arnold Zweigs neuen Roman Herbert Pfeiffer 93
>>> FILM    
  Ein Versuch über das Thema „Hamlet" Laurence Olivier 96
  Shakespeare: Triumphator der Leinwand Claude Mauriac 98
  „0 Hamlet, welch ein Abfall!" Robert Herring 99
>>> DICHTUNG    
  Gibt es eine Neger-Lyrik? Edouard Roditi 102
  Eingangs-Chor T.S.Eliot 108

Wir über uns :

DER MONAT ist eine internationale Zeitschrift für Politik und geistiges Leben. Die in seinen Spalten wiedergegebenen Gedanken entsprechen weder in jedem Fall der Ansicht der Redaktion, noch sind die Beiträge einzelner Autoren Ausdruck irgendeiner offiziösen Haltung.

DER MONAT soll als Forum einer offenen Aussprache und Auseinandersetzung auf der Grundlage freier Meinungsäußerung dienen und beabsichtigt, einer möglichst großen Zahl verschiedener Stimmen aus Deutschland und allen Teilen der Welt Gehör zu verschaffen.

CHEFREDAKTEUR: Melvin J. Lasky. REDAKTION: Berlin-Dahlem, Saargemünder Str. 25 (Information Services Division, APO 742). (Anmerkung : "APO" steht für das amerikanische Post-Office - quasi ein Übersee-Briefkasten für US-Militärangehörige)

IST DER KRIEG MIT RUSSLAND UNVERMEIDLICH?

BARBARA WARD - Der West-östliche Gegensatz:
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Die Atombombe, ein neuer Weltkrieg ........ ?

Wir haben die Furcht aus unserer Nachkriegswelt noch nicht verbannt. Sie lauert im Hintergrund unseres Alltagslebens und trübt unsere Hoffnungen; sie bringt unseren Verstand zum Schweigen, sobald gewisse Möglichkeiten - die Atombombe, ein neuer Weltkrieg, ein russischer Angriff - zur Sprache kommen. Aber die Furcht ist ein schlechter Ratgeber und ein schlechter Weggenosse, und wenn das Abendland diese Epoche überdauern soll, ohne Schaden zu nehmen, müssen wir dieser Furcht Herr zu werden suchen.

Aber wie? Die Seelenheilkunde lehrt die Bedeutung klarer Erkenntnis und empfiehlt, der Furcht „ins Auge zu sehen". Da von den vielen Schrecken, denen unsere Nachkriegswelt ausgesetzt ist, die drängendsten offensichtlich die Furcht vor einer russischen Expansion als Ursache eines Atomkrieges und vor dem Kommunismus als Zerstörer der freien Gesellschaft zu sein scheinen, wollen wir dem Rat der Psychologen folgen und dieser doppelten Furcht klar ins Auge blicken. Sie hat nur so lange die Macht, uns zu lähmen, wie wir vermeinen, ihr hilflos gegenüberzustehen. Allein das Gefühl der Ohnmacht läßt die Menschen Nervenzusammenbrüche erleben, allein das Gefühl, vor einer Situation zu stehen, die sich ihrer Einflußnahme entzieht. Aber stehen wir dieser Furcht wirklich ohnmächtig gegenüber?

Wenn wir uns zunächst der Drohung einer russischen Aggression zuwenden, so müssen wir uns seit dem vergangenen Jahr allerdings die Frage stellen, ob wir es beim russischen Kommunismus nicht mit einem ebenso gewalttätigen und expansiven System zu tun haben wie beim nationalsozialistischen. Die Analogie wurde besonders deutlich, als die Kommunisten die Tschechoslowakei unter ihre Kontrolle brachten und der Vergleich mit den Ereignissen von 1938 und 1939 - der deutschen Unterwerfung der Tschechen (das Chamberlain-Hitler Abkommen von München 1938) - sich geradezu aufdrängte.
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Wollen die Russen wirklich Krieg ?

Bedeuten diese Vorgänge, daß die Russen Hitler auch auf dem unausweichlichen Weg zum Kriege folgen werden?

Wenn wir die Frage, ob das russische System ebenso zwangsläufig wie das der Nationalsozialisten zum Kriege führen muß, wirklich bejahen müssen, kann der Krieg nicht mehr lange hinausgeschoben werden. Es geht jedoch aus einem Vergleich der beiden Systeme klar hervor, daß sie nicht identisch sind. Wenn wir uns an die historischen Tatsachen halten, stellen wir fest, daß Hitler im Jahre 1933 an die Macht kam, in sechs Jahren von einer Angriffshandlung zur anderen schritt und diese Angriffshandlungen in der Gewaltsamkeit ihrer Methoden immer weiter steigerte, bis sie in dem militärischen Angriff auf Polen ihren Höhepunkt fanden.

Die Kommunisten dagegen kamen im Jahre 1917 an die Macht und bekehrten sich, nach dem kurzen Versuch eines Angriffskrieges gegen Polen 1920, alsbald zu einer minder aggressiven Politik, so daß sie sich weiterer Angriffe enthielten, bis Hitler 1939 ganz Europa in den Krieg stürzte. Während das nationalsozialistische Deutschland offenbar nicht ohne Krieg leben konnte, haben die Russen bewiesen, daß sie fast 20 Jahre im Frieden zu leben imstande waren.

Das ist der erste Unterschied zwischen den beiden Systemen; der zweite ergibt sich, wenn man ihre ideologische Ausrichtung untersucht. Hitlers Anschauungen waren unverhüllt militaristisch; er verherrlichte Krieg und Blutvergießen, während die Kommunisten, mögen sie auch den Glauben haben, daß sie zur Weltherrschaft bestimmt sind, den Angriffskrieg als Mittel zur Erreichung dieses Zieles keineswegs glorifizierten. In engem Zusammenhang mit diesem Wesensunterschied steht die offensichtliche Tatsache, daß Hitler ein geisteskranker Hysteriker war, während Stalin eher den Typ des verschlagenen Politikers verkörpert. Hitlers Diplomatie kannte weder Formalitäten noch Umwege. Wenn er eine Tür verschlossen fand, trat er sie einfach ein, während Stalin in solchem Fall umkehrt und wartet, bis irgend jemand oder irgend etwas sie ihm öffnet.
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Die Sowjetunion umfaßt ein Sechstel der Erdoberfläche

Der entscheidende Unterschied zwischen den beiden Systemen aber wird wohl durch die Tatsache bestimmt, daß Deutschland das Problem seines „Lebensraums" zu lösen hatte; wenn auch die Art, wie es an die Lösung dieses Problems heranging — durch Eroberung — verkehrt war, so bestand doch das Problem als solches — das Problem einer deutschen Wirtschaft, die auf einen kontinentalen Maßstab abgestellt war und auf allen Seiten durch Zollschranken eingedämmt wurde. Die deutsche Industrie war so leistungsfähig, daß sie ganz Europa als Markt brauchte.

Solange ihr ein ihrer Kapazität entsprechendes Absatzgebiet nicht zur Verfügung stand, lag immer die Versuchung nahe, diese Ausweitung mit kriegerischen Mitteln zu versuchen. Für Rußland gibt es ein solches Problem nicht, es braucht keine Expansion, denn die Sowjetunion umfaßt ein Sechstel der Erdoberfläche, viele Teile des Landes sind noch nicht erschlossen, und nicht vier, sondern zwanzig Fünf Jahrespläne werden notwendig sein, um eine wirklich ausreichende russische Industrie zu schaffen.

Die Russen brauchen keinen Krieg, um sich einen ihrer industriellen Kapazität entsprechenden Absatzmarkt zu schaffen, im Gegenteil, sie müßten logischerweise den Krieg als das einzige Hindernis einer wirtschaftlichen Entwicklung fürchten.
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Die Boschewiken treten heute (1948) beständig gegen Türen ....

Diese Erwägungen könnten uns leicht zu der Schlußfolgerung verleiten, daß Rußland überhaupt keine Gefahr darstellt, und die Frage nahelegen, wozu alle Pläne für eine militärische Garantie Europas und der ganze Aufwand des Marshall-Planes nötig sind. Da Amerika keine kriegerischen Verwicklungen will, brauchte es also keinen Krieg zu geben, wenn auch Rußland friedfertig ist.

Wenn wir aber konstatieren, daß Rußland nicht zwangsläufig auf einen Krieg hinsteuern muß, haben wir nur einen Teil der Frage beantwortet, ob ein Krieg durch Rußland droht. Wenn das russische System auch nicht schlechthin mit dem nationalsozialistischen identisch ist, haben sie beide doch gemeinsam, Diktaturen zu sein.

Für die russische Staatsführung bestehen nicht die Hemmungen und automatischen Kontrollen der innerpolitischen Machtverhältnisse, die in den Demokratien vorhanden sind. Und eben dieses Gefühl unbeschränkter Machtfülle, die Möglichkeit, jedes beliebige Mittel ergreifen zu können, hat zweifellos die russischen Führer veranlaßt, der deutschen Politik des Opportunismus und der gewagten Abenteuer nachzueifern.

Auf das oben gebrauchte Bild übertragen heißt das: auch die Boschewiken treten heute, genau wie vor ihnen die Nationalsozialisten, beständig gegen Türen - in Polen, Finnland, Griechenland, im Iran -, um zu probieren, ob sie offen sind. Wenn ja, überschreiten sie die Schwellen, wie es die Nationalsozialisten vorher getan haben.
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Was geschah (im Februar 1945) in Jalta ?

In Jalta wurde ihnen ein Riesentor nach Osteuropa geöffnet, und sie machten entsprechenden Gebrauch davon. Und wenn man noch mehr Türen offen läßt, werden sie auch durch diese hindurchgehen. Der Unterschied zwischen Hitler und den Sowjets beginnt erst, wo eine Tür fest zugeschlagen wird. Hitler ging dann mit dem Kopf durch die Wand, er trat die Tür mit Gewalt ein. Die Russen bremsen.

Es handelt sich also darum, die Türen der Welt verschlossen und verriegelt zu halten. Wenn die Russen wissen, daß jede weitere Expansion Krieg mit den Westmächten bedeutet, werden sie wahrscheinlich nicht denselben Fehler wie die Nationalsozialisten begehen. Sie werden den Rückzug antreten — und es gibt Anzeichen dafür, daß das heute schon der Fall ist. Die grundlegende Voraussetzung ist aber, daß die westliche Welt ihre Entschlossenheit zum Ausdruck bringen kann und will, jeder weiteren Aggression Widerstand zu leisten.

Wenn wir uns diese Tatsachen vergegenwärtigen, können wir auch unserer Furcht vor Sowjetrußland ins Auge sehen. Sie besteht nicht zu Unrecht, denn in den letzten drei Jahren (wir sind noch in 1948 !!) haben die Russen sich immerhin einen halben Kontinent einverleibt, und doch sind den Ursachen dieser Besorgnis Grenzen gesetzt, wir stehen ihr nicht ohnmächtig gegenüber.

Wenn die Westmächte ein festes Defensivbündnis schließen und keinen Zweifel über ihre Haltung lassen, wenn sie, solange es not tut, zusammenhalten, braucht es keinen Krieg zu geben. Wen aber der Gedanke an diese bewaffnete Wachsamkeit bedrückt, der sollte sich daran erinnern, daß es in der neueren Geschichte Großbritanniens bereits ein erfolgreiches Beispiel für eine solche Politik gibt.
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  • Anmerkung : Und jetzt kommt das große ABER in 2025 : "..... wenn sie, solange es not tut, zusammenhalten, ......"

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Sollen die Russen Konstantinopel bekommen oder nicht?

Das ganze 19. Jahrhundert hindurch hatten die Engländer eine „Ostfrage", die sich auf die einfache Formel bringen ließ: Sollen die Russen Konstantinopel bekommen oder nicht? Rußland wollte die Herrschaft über die Stadt am Bosporus gewinnen, aber es wußte, daß die Engländer es auf einen Krieg ankommen lassen würden, um diese Entwicklung zu verhindern.

Dieser Interessengegensatz führte in den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts zu einem kurzen Krieg auf der Krim. Von diesem Zeitpunkt an war der russischen Führung klar, daß die Engländer eine Eroberung Konstantinopels niemals zulassen würden, und das genügte, um sie zurückzuhalten. Zwar machte die Gefahr, daß die Russen sich der Stadt bemächtigen könnten, es für England weiterhin notwendig, wachsam und gerüstet zu sein, doch es kam nicht zum offenen Konflikt, weil die Russen keinen Krieg riskieren wollten.
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Wenn die Westalliierten den Russen eindeutig zu verstehen geben .....

Die Westmächte stehen heute einer „Ostfrage" von weit größerem Ausmaß gegenüber, aber sie braucht genau sowenig zum Kriege zu führen, vorausgesetzt, daß die Westalliierten den Russen eindeutig zu verstehen geben, daß jede weitere Expansion eine bewaffnete Auseinandersetzung zur Folge haben wird.

Eine solche entschlossene Haltung bedingt eine gewisse Wiederaufrüstung der Vereinigten Staaten sowie einen unzweideutigen militärischen Defensivpakt der westeuropäischen Staaten untereinander, verstärkt durch eine amerikanische Garantie.

  • Anmerkung : Im März 2025 hat der greise Präsident Trump (78) diese Garantien gedankenlos naiv in Frage gestellt. Denn die Russen schaun schon nach Alaska, das ihnen ja auch mal gehörte. Sie könnten es ja zurückkaufen wollen, auch gegen Trumps Willen - wie zum Beispiel Trump und Grönland in 2025.


Aber alles das sind begrenzte praktische Forderungen, die im Bereich der Verwirklichung liegen und zu der Hoffnung berechtigen, daß der Friede erhalten bleibt. Mit anderen Worten: unserer Furcht vor Rußland können wir mit einer starken Politik und standhaften Nerven mit Sicherheit Herr werden.

Viele halten jedoch die russische Drohung nicht in erster Linie für eine militärische Gefahr. Sie werden stärker durch die Ausbreitung des Kommunismus beunruhigt als durch die Möglichkeit einer russischen Aggression.
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Über die Verführungskraft des Kommunismus ....

Wenn wir die kommunistische Gefahr einer ebenso entschlossenen und sachlichen Prüfung unterziehen wie die russische Expansion, so ist zunächst festzuhalten, daß der Kommunismus bei freien Wahlen noch niemals irgendwo eine absolute Mehrheit erzielt hat.

Außerdem stellen wir fest, daß er sich in Europa bisher nur der Gebiete bemächtigt hat, die von der Roten Armee besetzt und der „russischen Einflußsphäre" in Jalta zugesprochen worden waren. Man soll also die Verführungskraft des Kommunismus auf Grund seiner bisherigen Leistungen nicht überschätzen. Diese Tatsache kann nicht überraschen, denn das Wesen des Kommunismus ist heute kein Geheimnis mehr.

Wir sind über sein Wirken in Rußland (eta 1940 bis 1948) genau unterrichtet und wissen, daß der Durchschnittsbürger dort von der Gnade und Ungnade der Geheimpolizei lebt, daß Millionen in Zwangsarbeitslagern Frondienste leisten müssen, daß Gedanken und künstlerische Tätigkeit unfrei sind und die Religion unterdrückt wird.

In einer solchen Gesellschaftsordnung werden die Menschen nicht zu leben wünschen, solange sie noch eine andere Alternative haben und solange sie noch nicht an ihrer eigenen bisherigen Lebensform irre geworden sind.
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Kommunismus - eine letzte Geste der Verzweiflung

Doch mit dieser zweiten Einschränkung berühren wir den eigentlichen Kern des Problems. In der westlichen Welt sind die Menschen hin und wieder an ihrer eigenen Gesellschaftsform irre geworden. Als die große Wirtschaftskrise Europa am Anfang der dreißiger Jahre heimsuchte, wandten sich Millionen dem Kommunismus zu, nicht weil sie ein positiver Glaube an diese Lehre beseelte, sondern weil ihr Elend, ihre Armut und Arbeitslosigkeit sie zwang, nach irgendeinem praktischen Ausweg zu suchen.

Der Kommunismus schleicht sich als eine negative Kraft in die Völker ein, sobald die soziale Struktur des Westens gegenüber der Aufgabe versagt, ihre großen Ideale und ihre großen Möglichkeiten zu verwirklichen.

In stabilen Zeiten, wenn der Durchschnittsbürger Arbeit hat, für die Zukunft sorgen, seine Kinder aufziehen und sich selbst als geachtetes Mitglied der Gesellschaft fühlen kann, wird er niemals zum Kommunisten werden. Der Kommunismus bedeutet für ihn immer nur eine letzte Geste der Verzweiflung.

Volle Aufmerksamkeit auf unsere Gesellschaftsordnung

Wir sollten also unsere Furcht vor dem Kommunismus in eine gesunde, heilsame Furcht vor jedem Versagen und jedem Zusammenbruch unserer eigenen demokratischen Gesellschaftsordnung verwandeln und dabei unsere Aufmerksamkeit vor allem drei
besonders naheliegenden Möglichkeiten eines solchen Versagens zuwenden.

Die erste ist das Versagen im Kampf mit den gigantischen Feinden Armut und Krankheit. Die Vereinigten Staaten sind bei der Lösung des Problems der Produktion weiter als jede andere Nation fortgeschritten.

Aus den Fabriken und von den Farmen strömen Güter in reicher Fülle auf den Markt, und im Marshall-Plan ist der großzügige Entschluß gefaßt worden, diesen Wohlstand aus freien Stücken mit anderen Völkern zu teilen. Aber es besteht weiter Bedarf an einer noch gesteigerten Produktion, nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern in der ganzen Welt.

Millionen, unter denen die negative Kraft des Kommunismus ständig Boden gewinnen kann, leben noch in äußerster Armut. Wenn die westliche Welt die Zauberformel des „Tischlein deck dich" gefunden hat, muß sie den weitesten Gebrauch davon machen.
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Die Gefahren des Kommunismus

Die aufblühende Wirtschaft allein bedeutet jedoch erst den halben Weg zum Ziel einer gegen die Gefahren des Kommunismus immunen Gesellschaft. Man muß diesen Weg zu Ende gehen, wenn man das Resultat erreichen will. In der westlichen Welt ist zwar großer Reichtum entstanden, aber auf eine sehr sprunghafte und ungleichmäßige Weise.

Große Krisen haben das Wirtschaftssystem erschüttert, auf Konjunkturen sind Depressionen gefolgt und haben, wie im Jahre 1929, bittere Armut hervorgerufen. Niemand kann für sich und seine Kinder eine Zukunft aufbauen, wenn die Arbeit von heute schon morgen durch Arbeitslosigkeit abgelöst werden kann. Deshalb ist Stabilität ebenso notwendig wie Prosperität, und die westliche Welt muß, wenn sie nicht untergehen will, auch diese zweite Voraussetzung schaffen.
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Der Mensch auf der Straße "muß" - "muß" er wirklich

Drittens endlich muß der Mann auf der Straße, der die Güter produziert und die materiellen Grundlagen für eine freie Gesellschaftsordnung schafft, besser begreifen lernen, warum diese Arbeitsleistung von ihm verlangt wird.

Während die Menschen des Westens mit ihren staatsbürgerlichen Rechten und Pflichten einigermaßen vertraut sind, befinden sie sich über ihre Stellung innerhalb des Wirtschaftslebens meistens im unklaren. Welche Stellung haben Arbeiter, Angestellte, Werkmeister und Direktoren in den Betrieben, in denen sie arbeiten?

Sollen sie am Gewinn beteiligt werden oder nicht, sollen sie an der Planung der Produktion mitwirken? Sind sie Menschen oder nur Werkzeuge? Diese Fragen, die man nur am Einzelfall jeder Fabrik und jedes Industriezweiges lösen kann, sind die grundlegenden Probleme einer industriellen Demokratie.

Die Menschen leben und arbeiten nicht für Brot allein. Sie wollen ihren Platz innerhalb des Ganzen und den Sinn ihrer Arbeit begreifen. Sie wollen, mit einem Wort, in wirtschaftlicher ebenso wie in politischer Hinsicht als verantwortliche Staatsbürger behandelt werden.
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Die russische Gefahr im Licht dieser Erkenntnisse

Betrachten wir nun unsere Furcht vor der russischen Gefahr im Licht dieser Erkenntnisse, so bemerken wir, wie sich der Schwerpunkt unserer Besorgnisse von dem, was die Russen tun, unmerklich zu dem verschiebt, was wir selbst tun können. Wir können unsere Besorgnisse meistern, statt länger ihre Gefangenen zu sein.

Ist die Ursache der Furcht einmal erkannt und stehen die Mittel zu ihrer Überwindung zur Verfügung, so verliert sie ihren lähmenden Charakter. Doch dürfen wir nicht vergessen, daß wir im Besitz dieser Erkenntnis und dieser Mittel auch bereit sein müssen zu handeln.

Wir "müssen" zu wollen und zu glauben imstande sein, denn der Kommunismus hält trotz seiner Glanzlosigkeit in einer kleinen Minderheit einen fanatischen Glauben aufrecht, und Glauben kann nur durch Glauben überwunden werden.

Wie steht es aber mit unserem Glauben?

Die Zivilisation des Abendlandes wurde auf gewaltige Glaubensakte gegründet - auf den Glauben, daß die Menschen als Kinder Gottes frei und gleichberechtigt geboren seien und das einzelne Menschenleben unendlichen Wert besitze.

Alle unsere Bemühungen, unsere Gesellschaftsordnung zu reformieren, zu erweitern und zu bereichern, sind völlig sinnlos, wenn sie dem Menschen nicht diesen unendlichen Wert zugestehen und ihn einfach zu einem Zahnrädchen im Triebwerk der Maschine, zu einer Nummer in einem Polizeistaat machen.

Die Marxisten haben den Wert des Menschen außer acht gelassen. Man kann "Das Kapital" oder irgendeine andere marxistische Schrift von vorn bis hinten durchblättern, ohne auf ein Kapitel zu stoßen, das doch das wichtigste von allem sein sollte: den Menschen selbst.

Es gibt, soviel ich weiß, keine Untersuchung, die diesem Thema gewidmet ist. Es handelt sich immer nur um das Kollektiv, den Laden, die Fabrik. Wir sollten deshalb vielleicht nicht überrascht sein, wenn wir von Konzentrationslagern und Zwangsarbeit riesigen Maßstabes lesen, denn warum sollte man den Menschen, wenn man den Glauben an ihn, an das uns vertraute Bild des Menschen verloren hat, nicht wie ein Tier, wie eine Ameise oder auch wie ein Rädchen in einer sozialen Maschinerie behandeln?

Aber werden wir unsere Lebensformen beibehalten können, wenn der ihnen zugrunde liegende Glauben schwach geworden ist? Der Kommunismus ist eine Mahnung an uns, unseren geschwächten Glauben neu zu beleben, keine Anstrengungen zu seiner Aktivierung zu scheuen und zur Begründung einer freien menschenwürdigen Gesellschaft ebenso entschlossen zu sein wie die Kommunisten zur Organisation eines kollektiven Bienenstocks.

So wird das Abendland durch den Kommunismus angespornt, den Glauben an Gott und den Glauben an den Menschen wiederherzustellen. Doch die Mahnung richtet sich auch an den einzelnen in seinem täglichen Leben; quer durch den Alltag verläuft die Kampffront, an die jeder von uns seine letzten Reserven werfen kann.
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