Hintergründe zur verklärten Wahrheit bei Telefunken
28. Dezember 2010 - von Gert Redlich
Meist durch Zufall kommt ein Stückchen Wahrheit nach dem anderen ans Tageslicht.
Nachdem ich im Sommer des Jahres 2010 mehr oder weniger durch Zufall den ehemaligen langjährigen Chef der Finanzen bei der Firma Braun AG Kronberg kennengelernt hatte, rief mich (vermutlich über diesen Kontakt) nach Weihnachten 2010 ein älterer Herr an (der Stimme nach deutlich über 80) und erzählte mir von seiner Zeit bei AEG-Telefunken.
Er bat mich um absolutes Stillschweigen bezüglich seines Namens (den ich sowieso nicht verstanden hatte) und seiner Funktion. Er habe zusammen mit seinem Sohn die (meine) Darlegungen über Walter Bruch gelesen und könne dazu Einiges sagen.
Inzwischen hatte ich mich in die beiden dicken Bücher über "Die AEG" (von Peter Strunk) und über "Telefunken nach 100 Jahren" (Erdmann Thiele) eingelesen und mir ein wenig Einblick in die damalige Zeit (auch um die Jahre 1960 bis 1970) verschafft.
Während das Erdmann Thiele - Telefunken Buch nur den ganzen populistischen Schmalz des Telefunken-Marketings wiederholt, ist das AEG Buch eine glaubwürdige transparente reale (also schonungslose) "Abrechnung" mit den dicken Problemen eines absolut ungesunden maroden Großkonzerns. (Buchbesprechungen samt Zitaten folgen im Bereich AEG/Telefunken auf der Seite des Tonbandmuseums)
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Der Anrufer erzählte leise :
Ein maroder verknorzter Konzern - so das späte Urteil.
Telefunken war seit 1941 eine 100% Tochter der AEG und in viele kleine Einheiten zersplittert. Eine davon war der Bereich Braunschweig/Hannover. Auch in diesem Bereich gab es die alten verkrusteten und verknorzten Konzern-, Finanz- und Personal- Strukturen, die sogar durch den Krieg hindurch über den Zusammenbruch 1945 hinaus bis weit in den Aufschwung der 50er und 60er Jahre herüber "gerettet" worden waren, so gnadenlos fest waren die "zementiert".
So war es den zuständigen Personalchefs und den Finanzchefs durchaus bewußt (und bekannt), daß der Herr Walter Bruch trotz all seiner geschätzten Fähigkeiten und seines Engagements kein Diplomingenieur (und überhaupt - kein Akademiker) war. Und es war damals ein großes firmeninternes Politikum, einen durchaus fähigen Nichtakademiker als Gruppenleiter oder Laborleiter über die akademischen Kollegen und Doktoren zu hieven. Intern war es vor allem das finanzielle Problem der hirarchischen Abstufungen der Gehälter, das immer wieder aufgetreten sein soll.
So wurde Herr Bruch als leitender Laboringenieur eingestellt. Damit bekam er (anfänglich) den (internen) Zusatz "Betriebsingenieur". Weiterhin war es (damals) ein Unding für das weltweite Image von Telefunken, in hochkarätige internationale Konferenzen "nur" einen Herrn X.Y zu deligieren. Und so bekam er (offensichtlich nur für diesen Zweck) den weltweit anerkannten Titel Dipl. Ing., der sogar bei den Japanern sehr geachtet war.
Mit Tricks die Finanzmenschen überlisten
Dazu wußten in den 60er Jahren die oberen Etagen bei Telefunken, daß die Liquidität des Konzerns "stark strapaziert" war und überall gespart werden mußte. Auf der anderen Seite brauchte man (wieder) konkurrenzfähige Produkte (man dachte vor allem an die lukrativen Fernsehgeräte) und vor allem brauchte man Leute (Mitarbeiter), die diese Produkte mit Akribie voran trieben.
Telefunken hatte ja bereits zwei vergebliche Anläufe gemacht, sich die PAL Technik (also die modifizierte NTSC-Eigenschaft) patentieren zu lassen. Das habe bereits sehr viel Geld gekostet. Und da man jedes Mal so kurz vor dem Ziel stand, wurde irgendwann versucht, das Ziel um jeden Preis zu erreichen. Eigentlich war jedes (preiswerte) Mittel recht, um voran zu kommen.
Noch 1962/63 sollte das ganze Farbfernseh-Projekt mehrfach gekippt werden, weil es nicht voran ging. So wurden Kostenstellen "gedehnt", "getauscht" und "verlagert", sodaß man irgendwie die Finanzen (legal aber unsichtbar) zusammen bekam und dennoch keine schlafenden Hunde (die internen Finanzkontrolleure aus der AEG Zentrale in Frankfurt) geweckt hatte.
Am Ende war es eine große Marketing- und "Publicity Show" (würde man heute sagen), weil der Name Telefunken wieder weltweit (positiv) in aller Munde war. Das war auch das damalige Hauptargument, immer wieder weiter zu machen.
Da spielte das Jonglieren mit Titeln und Namen eine untergeordnete Rolle. So bekam Herr Bruch auch den Doktor (ehrenhalber) und den Professor und "alle Beteiligten" waren zufrieden. Die Parallelen zum Herrn Grundig aus Bayern seien durchaus gegeben.
Aufgezeichnet und anonymisiert am 27.12.2010