Das Fernsehen in Deutschland bis zum Jahre 1945
(20) Die Großbild-Projektionstechnik
Der erste Bildschreiber, der ein helles Projektions-Fernsehbild von mehreren Quadratmetern lieferte, wurde im Sommer 1933 von der Fernseh A.G. in Verbindung, mit dem Filmwerk der Zeiß-Ikon A.G. gebaut (Bild 120). Er arbeitete nach dem 1932 für Aufnahmezwecke entwickelten kontinuierlichen Zwischenfilm-Verfahren: Eine endlose Blankfilmschleife von 35mm Breite und etwa 60m Länge wurde in einem Emulsionierungs-Gerät mit lichtempfindlicher Bromsilber-Gelatineemulsion beschichtet. Nach einer Trockenzeit von 2 Minuten durchlief sie ein Bildfenster, in dem sie mit dem zu projizierenden (negativen) Fernseh-Bild belichtet wurde. Die Bildaufzeichnungseinrichtung enthielt eine Bogenlampe, eine Kerrzelle als Lichtrelais, eine Kreisloch-Scheibe von 60 oder 90 Löchern mit Grobblende und ein Objektiv, das die Scheibenöffnung auf den Film abbildete. Das Bild war 9 X 12 mm groß.
1933 - 65 Sekunden nach der Aufnahme kam das Bild
Nach der Belichtung durchlief der Film das Entwicklungs-, Fixier- und Wässerungsbad und konnte dann - 65 Sekunden nach der Aufnahme - von einem gewöhnlichen Malteserkreuz-Projektor als photographisches Positiv projiziert werden. Sobald die Filmschleife den Bildwerfer durchlaufen hatte, wurde die Bildschicht abgewaschen, und der Blankfilm gelangte über einen Trockenkanal erneut in die Emulsionierungs- Vorrichtung, worauf sich der Kreisprozeß wiederholte. Der zum Fernsehbild gehörige Ton mußte magnetisch gespeichert und künstlich um die zur Naßbearbeitung erforderliche Zeit verzögert werden [488].
1933 - Projektionsbildgröße von ungefähr 3m x 3,5m
Das Gerät lieferte je nach der verwendeten Scheibe 120- oder 180zeilige Bilder von ungefähr 3 x 3,5m, die allerdings bei der ersten Vorführung auf der Funkausstellung 1933 noch recht kontrastarm (Schwärzung etwa 0,5) waren und oft durch Wasserblasen oder Emulsionierungsfehler gestört wurden. Später gelang es, diese Mängel, die mit dem Arbeitsprinzip der Apparatur nichts zu tun hatten, weitgehend zu beseitigen [489].
1934 - Von der Filmschleife zurück zum Fertigfilm
Die Filmkosten beim kontinuierlichen Zwischenfilm-Prozeß betrugen nur etwa 20 bis 30 RM gegenüber 600 RM beim Fertigfilm-Verfahren [490]. Trotzdem ging die Fernseh A.G. bei einem 1934 im Auftrage der RRG gebauten Groß-Projektionsgerät für 180 Zeilen (Bild 121) wieder zur Bildspeicherung auf Fertigfilm über; denn einmal ließ sich das kontinuierliche Verfahren wegen der Beschaffung der Emulsion nur im Bereiche einer Filmfabrik durchführen, und außerdem reifte die Emulsion im Gerät während des Betriebes, so daß ihre Empfindlichkeit allmählich zunahm und die Belichtungsverhältnisse sich ständig änderten.
1934 - Kostensenkung durch 17,5 Millimeter Film-Breite
Zur Senkung der laufenden Betriebskosten benutzte man bei dem neuen Gerät statt des bis dahin verwendeten Normalfilms einseitig perforierten Splitfilm von 17,5 Millimeter Breite (Bildformat 8 x 11mm). Zur Bildaufzeichnung diente eine Braunsche Röhre für 12kV Anodenspannung mit Kalzium-Wolframatschirm. Mit einer 35 Ampere-Bogenlampe ließ sich ein Projektionsbild von 2,5 x 3m erzielen. Der zugehörige Ton wurde auf einem endlosen Stahlband magnetisch für rund 90 Sekunden gespeichert [488], [491], [492].
Die Anlage fand vorübergehend im Hause des Rundfunks Platz. Sie wurde Ende 1935 an die DRP abgegeben und 1936 in der Großbildstelle Turmstraße eingesetzt.
1936 - Erster elektronischer Großprojektionsbilder mit 180 Zeilen
1936 konnten auf der Großen Deutschen Funkausstellung - wenn auch mit verhältnismäßig bescheidener Qualität - die ersten elektronischen Großprojektionsbilder (Bild 122) von 1 x 1,20m bei 180 Zeilen (Fernseh A.G.) und 1,50 x 1,80m bei 375 Zeilen auf Kristall-Perlwand (Telefunken) gezeigt werden. Ein optisch zu projizierendes Fernsehbild vom Fluoreszenzschirm einer Braunschen Röhre mußte etwa 1.000 bis 3.000 mal heller sein als ein unmittelbar zu betrachtendes Schirmbild. Diese vielfach höhere Helligkeit ließ sich nur erreichen durch Einstrahlung von entsprechend mehr Elektronen und eine damit verbundene intensivere Anregung des Fluoreszenzmaterials.
Da sich ein Elektronenstrahl beliebig hoher Stromstärke wegen der inneren Abstoßung der Strahlelektronen nicht genügend fein konzentrieren ließ, mußte man die Geschwindigkeit der Elektronen erhöhen, d. h. die Anodenspannung vergrößern und einen Fluoreszenzschirm entwickeln, der diesem intensiven Elektronenbeschuß und der mit einer Momentanbelastung von einigen kW/cm2 verbundenen Erwärmung standhielt.
Zink-Sulfid oder Zink-Kadmium-Sulfid als Leuchtsubstanz
Als Leuchtsubstanz für die Schirme der Projektionsröhren wählte man meist Zink-Sulfid oder Zink-Kadmium-Sulfid, das die Elektronenstrahl-Energie mit etwa 2 bis 6 HK/W in Licht umwandelte. Da der Durchsichts-Leuchtschirm auf Glas-Unterlage für seine Eigenstrahlung als optisches Filter wirkte und das Potentialgleichgewicht nur durch Sekundäremission hergestellt werden konnte, ging man 1938 zu ebenen metallischen Aufsichtsschirmen über, die eine Steigerung der Helligkeit um den Faktor 2 gegenüber den Durchsichtsschirmen ermöglichten.
Die metallischen Leuchtschirmträger wurden dabei entweder im Inneren der Röhre angeordnet und von einem Kühlmittel (Wasser, Luft) durchströmt oder sie bildeten selbst einen Teil der Röhrenwandung und waren mit dieser vakuumdicht verschmolzen. Im letzten Fall reichte im allgemeinen eine Kühlung des Leuchtschirms durch Konvektion aus.
Die trapezförmigen Bilder mussten zum Rechteck entzerrt werden
Da bei diesen Projektionsröhren mit Aufsichtsschirmen die Kathodenstrahlachse schräg zum Leuchtschirm lag, mußte der bei der üblichen Strahlablenkung trapezförmig verzerrte Raster durch elektrische - gelegentlich auch durch optische - Mittel auf die Rechteckform entzerrt werden.
Die zum Betrieb der Projektionsröhren erforderliche Anodenspannung von 40 bis 80 kV gewann man durch Hochtransformieren der Netz-Wechselspannung und durch Gleichrichten mit Einweg-Ventilröhren, die häufig in Spannungs- Verdopplerschaltungen benutzt wurden. Schutzrelais schalteten bei Ausfall der Ablenkspannungen oder der negativen Vorspannung der Steuerelektrode einen hohen Strombegrenzungswiderstand in den Kathodenkreis der Projektionsröhre und trennten gleichzeitig das Anodenspannungsgerät vom Netz. Für die Zeilen- und Rasterablenkung wurden Verstärker- oder Transformatorkippgeräte benutzt, die wegen der hohen Elektronengeschwindigkeit im Strahl Ablenkströme bis zu 1 Ampere liefern mußten.
Großbild-Geräte in einem Gehäuse
Die mehrstufigen Fernseh-Breitbandverstärker der Großbild-Geräte gaben eine Modulationsspannung von bis zu 500V zur Aussteuerung der Projektionsröhren ab. Die Bildröhre wurde mit den zugehörigen Verstärkern, Kippgeräten und anderen Hilfseinrichtungen in ein gemeinsames Gehäuse eingebaut (Bild 123). Das Projektionsobjektiv mit einer Lichtstärke F:l,4 bis F:l,9 besaß bei Aufsichtsschirmen wegen des verhältnismäßig großen Abstandes zwischen Schirm und Glasfenster der Röhrenwand Brennweiten von 25 bis 45cm. Zur Erhöhung der effektiven Öffnung des Objektivs ordnete die Radio A.G. D. S. Loewe in unmittelbarer Nähe des Leuchtschirms eine Feldlinse an, deren eine plane Fläche zugleich als Schirmträger wirkte [493].
Im Jahre 1937 entwickelte die C. Lorenz A.G. das erste Fernseh-Großprojektionsgerät mit Schmidtschem Spiegelobjektiv für eine Bildgröße von 3,5 m2, das heute international eingeführt ist.
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Die nachstehende Tabelle gibt einen Überblick über die Entwicklung der Fernseh-Großbildanlagen mit Braunscher Röhre:
Jahr | Anoden- Spannung |
Strahlstrom- spitze |
Spitzen- leistung |
Schirm- Durchmesser |
Schirm- träger |
Bildgröße |
1936 | 20kV | 0,25mA | 5W | 100mm | Glas | 1,2 x 1,4m |
1937 | 40kV | 1,5mA | 60W | 130mm | Glas | 1,7 x 2,1m |
1938 | 80kV | 3,75mA | 300W | 250mm | Metall | 3 x 4m [494] |
1941/1942 - Doppelschicht-Leuchtschirme mit nachleuchtendem Phosphor
Während des Krieges setzte die Fernseh G.m.b.H. die Entwicklungsarbeiten auf dem Gebiete der Projektionsröhren fort: In den Jahren 1941 und 1942 ging sie zu Doppelschicht-Leuchtschirmen über, bei denen eine vom Strahl getroffene, kurz nachleuchtende Fluoreszenzschicht einen darüber liegenden, lang nachleuchtenden Phosphor anregte.
Im selben Jahre gelang es, die Lebensdauer der hochbelastbaren 80kV-Röhren bis auf 500 Stunden zu steigern. Die Schärfe und Helligkeit der Projektionsbilder konnte 1943/44 durch Aufdampfen einer dünnen Aluminiumschicht auf die kathodenseitige Fläche des Leuchtschirms erhöht werden.
Dieses „Lenard-Fenster" verhinderte störende Aufladungen des Leuchtschirms, verbesserte die Helligkeit des Bildes durch optische Reflexion und steigerte die Bildkontraste dadurch, daß es eine Aufhellung des Schirmes durch Streulicht aus dem Röhrenkolben unmöglich machte [236].
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