Das Fernsehen in Deutschland bis zum Jahre 1945
(24) Farbiges Fernsehen
Das Problem des Fernsehens in natürlichen Farben wurde - wenn man von den früheren Vorschlägen von Otto v. Bronk 27), R. Thun und anderen absieht, zum ersten Male 1935 bei der Deutschen Reichspost (DRP) erörtert. Seine Bearbeitung mußte jedoch so lange zurückgestellt werden, bis ein brauchbares elektronisches Projektionsverfahren vorlag [511].
.
27) Das Verfahren wurde 1928 vom Bell-Laboratorium (H. Ives und Mitarbeiter) erfolgreich weiterentwickelt: Ein wandernder Lichtstrahl tastete das Objekt ab, wobei das reflektierte Licht auf 14 für Rot, 8 für Gelbgrün und 2 für Blau empfindliche Zellen fiel. Auf der Wiedergabeseite wurden 3 über getrennte Kanäle gesteuerte Glimmröhren verwendet, davon 1 mit Neon gefüllte für die rote, je 1 mit Argon gefüllte mit gelbgrünem und blauem Filter versehene für die beiden anderen Komponenten. Halbdurchlässige Spiegel mischten die 3 Lichtströme. Als Bildfeldzerleger dienten gewöhnliche Spirallochscheiben. -
Um dieselbe Zeit führte auch J. L. Baird in England mit 3 um 120° versetzten, rot, gelb und blau gefilterten Spiralen einer Nipkow-Scheibe mit je 30 Löchern Farbfernseh-Versuche durch. Auf der Wiedergabeseite wurden als gesteuerte Lichtquellen eine Neonröhre, eine Heliumröhre und eine Quecksilberdampf-Lampe benutzt, deren Licht sich - optisch zur Deckung gebracht - zu Weiß ergänzen sollte [513].
1936 - Mehrere Farben zu Weiß mischen
Als 1936 diese Voraussetzung gegeben war, griffen H. Pressler und Mitarbeiter bei der RPF die Arbeiten erneut auf, nicht mit dem Ziel, ein mehr oder minder endgültiges Farbfernseh-Verfahren zu schaffen, „für das ein Bedürfnis ohnehin noch fraglicher sein mußte als für den Farbfilm", sondern um die „elektrischen, optischen und physiologischen Teilfragen und Effekte" zu untersuchen, die für ein künftiges Farbfernsehen wichtig waren, und um abzuschätzen, welches der vielen denkbaren Farbfernseh-Verfahren sich in absehbarer Zeit technisch und wirtschaftlich würde verwirklichen lassen [512].
Lösungen von der Filmtechnik übernehmen
„Aus der Farbfilmtechnik konnten einige grundsätzliche Lösungen übernommen werden." Dennoch blieben eine Vielzahl spezifisch fernsehtechnischer Fragen, die sich aus der Problemstellung ergaben: Da ein farbiges Bildelement grundsätzlich durch drei Parameter hinreichend gekennzeichnet wird, mußten beim Farbfernsehen drei Signale je Bildpunkt entsprechend den drei Grundfarbenanteilen übertragen werden. Man prüfte jedoch bei der RPF auch Verfahren, die andere Parameter für die Fernsehübertragung verwendeten, z. B. den Farbton, die Sättigung und die Helligkeit. Diese an sich interessanten Systeme erwiesen sich jedoch aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen für ein praktisches Farbfernsehen als ungeeignet.
Erste Überlegungen zur Einengung des Frequenzband = Kompression
Ein brauchbares Farbfernsehsystem beansprucht das dreifache Frequenzband eines Schwarz-Weiß-Systems gleicher Auflösung. Die Untersuchungen der RPF erstreckten sich deshalb vor allem darauf, experimentell zu prüfen, wie weit sich dieses Frequenzband einengen ließ, weil gelegentlich vermutet worden war, das farbige Bild könne wegen der Ausdrucksfähigkeit der Farbe auf Strukturfeinheiten verzichten [514]. Die Arbeiten ergaben, daß nach subjektivem Urteil farbige Bilder dieselbe Auflösung erforderten wie Schwarz-Weiß-Bilder, so daß man für den Unterhaltungs-Fernsehrundfunk ein farbiges Bild von 3 x 441 Zeilen als ausreichend ansehen durfte. Das daraus resultierende Frequenzband mußte durch drei getrennte Kanäle oder durch einen Kanal für dreifache Bandbreite übertragen werden.
Farbe mit rotierenden roten, grünen und blauen Filtern
Da das Mehrkanalverfahren hohe Anforderungen an die zeitliche Konstanz der Übertragungswege stellte, benutzte die RPF bei allen Farbfernseh-Versuchen das Einkanal-System, wobei zur zeitlichen Ordnung der aufeinander folgenden Farbsignale die Bilder als schwarz-weiße Farbauszüge auf Film gespeichert wurden. Für einen langsam veränderlichen Bildinhalt genügte die Herstellung des Farbauszugsfilms mit drei vor dem Objektiv einer gewöhnlichen Filmkamera rotierenden roten, grünen und blauen Filtern.
Bei raschen Bewegungen im Bilde mußten die Auszugsbilder wegen der sonst unvermeidlichen Farbsäume als drei Einzelbilder gleicher Bewegungsphase mit einem Strahlenteilungs-System hergestellt werden. Für eine unmittelbare Farbfernseh-Übertragung mit Strahlenteiler-Einrichtung hätte die Empfindlichkeit der damaligen Fernsehkameras noch nicht annähernd ausgereicht.
Die an sich denkbare Verwendung dreier getrennter Kameras für je eine Grundfarbe würde infolge der durch die räumliche Parallaxe verursachten Inkongruenz der drei Teilraster zu Farbsäumen geführt haben, während die Benutzung einer Fernseh-Kamera mit umlaufenden Farbfiltern wegen der damit verbundenen zeitlichen Parallaxe gegenüber der Filmabtastung keine neuen Erkenntnisse mehr gebracht hätte.
1936 - H. Hatzinger möchte eine Farbmischung im Zeilensprung vornehmen
1936 beschrieb H. Hatzinger (T & N) wahrscheinlich als erster ein Verfahren, mit Hilfe der Spiegelschraube eine Farbmischung im Zeilensprung vorzunehmen: Die ungeradzahligen Zeilen des ersten Rasters wurden über ein umlaufendes Rotfilter beleuchtet, die geradzahligen über ein Blaufilter, die ungeradzahligen des folgenden Rasters über ein Grünfilter usw.
1938 - RPF zeigt zum ersten Male ein zweifarbiges Fernsehbild mit 180 Zeilen
Auf der Großen Deutschen Funkausstellung 1938 zeigte die RPF zum ersten Male ein zweifarbiges Fernsehbild mit 180 Zeilen bei 25 Bildwechseln/s nach einem Farbauszug-Film. Dabei ergab sich, daß die Unvollkommenheiten des Zweifarbenverfahrens geringer waren, als dies theoretisch zu erwarten gewesen wäre. Erfahrung, Farbstimmung und Umfeldbeleuchtung ließen das Auge im Zweifarbenbild Farben sehen, die physikalisch gar nicht darin enthalten waren.
Bei ungesättigten Farben zeigten sich allerdings alle Unvollkommenheiten des Zweifarbenverfahrens. Als Bildschreiber wurde während der Ausstellung ein vom Filmabtaster im Kurzschluß gespeistes Projektionsgerät mit Braunscher Röhre verwendet, vor dessen Bildschirm eine von einem Synchronmotor mit Phasenschieber angetriebene Farbfilterscheibe synchron mit der Rasterfrequenz umlief.
1938 - Ein elektrisch umsteuerbares Farbfilter
Als Ersatz für diese umlaufenden Filter schuf G. Otterb ein bei der RPF 1938 ein elektrisch umsteuerbares Farbfilter zur Veränderung von Polarisationsfarben durch Spannungsänderungen an einer Kerrzelle und führte es auf der Funkausstellung 1938 experimentell vor. Für Farbfernsehzwecke erwies sich dieses Farblichtrelais jedoch als ungeeignet, weil es nur für achsenparallele optische Bündel brauchbar war und weil dabei sehr hohe Zellenspannungen mit Rasterfrequenz hätten umgetastet werden müssen [515]. Der gleiche Nachteil haftete einem ähnlich wirkenden Kristall-Lichtrelais an [516].
Die Versuche der RPF, Leuchtphosphore für Fluoreszenzschirme mit stark verschiedenen Anregungsspannungen herzustellen und die Farbsteuerung mit veränderlichen Anodenspannungen des Braunschen Rohres vorzunehmen, brachten keinen Erfolg. Aussichtsreicher waren Arbeiten, bei denen drei getrennte Empfangsbilder raster-, zeilen- oder punktweise in den Grundfarben erzeugt und optisch als Mischfarben übereinander abgebildet wurden.
Mit dieser Methode wurde bei der RPF „eine sehr gute Farbentreue" erzielt [512]. Leider stellte sie hohe Anforderungen an die Kongruenz der drei Teilraster.
Für die zeilenweise Erzeugung farbiger Fernsehbilder entwickelte die RPF Rasterschirme mit bis zu zehn Leuchtphosphor-Trägern/mm, auf denen die 3 einfarbigen Bilder zeilenweise ineinander geschachtelt entstanden.
„Schließlich wurden vorbereitende, vorwiegend theoretische Untersuchungen über das erstrebenswerte Verfahren angestellt, das Empfangsbild ,bildpunktweise' zu erzeugen." Derartige Kornrasterschirme konnten jedoch nicht mehr ausgeführt werden [512].
Auch die Untersuchungen über die Verminderung des Farbenflimmerns durch farbige Aufhellungen des Bildschirms während der Rasterwechselzeiten wurden nicht mehr abgeschlossen, weil die Arbeiten am Farbfernsehen bei der RPF im Jahre 1940 eingestellt werden mußten.