Das Fernsehen in Deutschland bis zum Jahre 1945
(25) Stereoskopisches Fernsehen
Die Frage, ob die Fernsehtechnik statt nach farbigen mehr nach plastischen Bildern tendieren solle, wurde schon 1932 von F. Schröter diskutiert.
J. L. Baird zeigte bereits ruhende stereoskopische Bilder
Damals hatte J. L. Baird bereits ruhende stereoskopische Bilder durch eine mit doppelter Drehzahl rotierende Nipkow-Scheibe übertragen, die zwei je 180° des Umfangs einnehmende Lochspiralen mit verschiedenen Radien besaß. Die beiden Empfangsbilder wurden subjektiv mit einer gewöhnlichen Stereo-Optik betrachtet.
1932 - Schröter war anderer Meinung
Schröter vertrat 1932 den richtigen Standpunkt:
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- „Die Entwicklung wird voraussichtlich das farbige Fernsehen vor dem plastischen bevorzugen, weil nach den Erfahrungen des Buntfilms allein schon durch die Farbwirkungen der körperliche Eindruck des Gesehenen bedeutend verbessert wird.
- Die im Hinblick auf die Frequenzbandbeschränkung naheliegende Befürchtung, daß ein farbiges Fernbild infolge seines gröberen Rasters ärmer an Einzelheiten sein müsse als ein schwarz-weißes mit doppelter (bzw. dreifacher) Punktzahl, dürfte kaum zutreffen, denn die Differenzierung nach Farben liefert dem geübten Auge neue Erkennungsmöglichkeiten, die den verringerten Auflösungsgrad vermutlich überkompensieren werden" [517].
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1935 - Erste Überlegungen zum 3D Fernsehen
In Deutschland gehörte das plastische Fernsehen u. a. zu den Aufgaben der RPF. Die Arbeiten auf diesem Gebiet waren bereits 1935 beim RPZ aufgenommen worden. Sie beschränkten sich „auf grundsätzliche Überlegungen und wenige physiologische Messungen", über die H. Pressler 1949! zusammenfassend berichtet hat [518].
1939 griff M. v. Ardenne beschäftigt sich mit dem stereo-skopischen Fernsehen
1939 griff M. v. Ardenne das Problem des stereo-skopischen Fernsehens wieder auf. Er ging von dem Gedanken aus, daß „das räumliche Schwarz-Weiß-Fernsehbild eine größere Schärfe besitzt als ein mit gleichem Frequenzband übertragenes, aus drei Teilbildern zusammengesetzes farbiges Fernsehbild" und daß „die technische Durchführbarkeit einer stereoskopischen Wiedergabe seit Bestehen polarisierender Folien leichter durchführbar" sei als die farbige Wiedergabe.
Er untersuchte deshalb experimentell die Frage, „wie weit die durch die räumliche Wiedergabe vermittelten neuen Erkennungsmöglichkeiten in der Lage sind, die etwas verringerte Bildschärfe auszugleichen oder sogar überzukompensieren". Zu diesem Zweck stellte er jeweils einem normalen flachen Bilde ein stereoskopisches Bild des gleichen Gegenstandes mit der halben Bildelementenzahl gegenüber. Der Versuch wurde mit verschiedenen Zeilenzahlen der Fernsehtechnik und für verschiedene ruhende Bildmotive wiederholt, wobei man den Einfluß der Schärfenabnahme von zahlreichen Beobachtern subjektiv ermitteln ließ. Es ergab sich, daß - außer bei 90zeiligen Bildern - stets die räumliche Wiedergabe bevorzugt wurde [519].
Versuche mit Polarisationsfilter
Praktisch ließ sich der Gedanke des stereoskopischen Fernsehens mit den damaligen technischen Mitteln auf zwei Wegen verwirklichen: Man konnte die beiden Teilbilder abwechselnd - und zwar von Zeile zu Zeile oder von Bild zu Bild - über einen einzigen Frequenzkanal übertragen und durch Ortsumsteuerung des Strahls nebeneinander auf den Schirm einer Braunschen Röhre schreiben [520].
Sie wurden dann entweder durch einen einfachen Stereobetrachter den Augen des Betrachters zugeordnet, oder man projizierte die beiden Teilbilder durch zwei zueinander senkrecht orientierte Polarisationsfilter übereinander auf einen nicht depolarisierenden Silberschirm [521], und ordnete sie den Augen des Beschauers durch eine Polarisationsbrille zu. Da ein solches mit Ortsumsteuerung und Projektion arbeitendes Wiedergabegerät einen zu hohen optischen und elektrischen Aufwand erforderte, gingen Ardenne und Mitarbeiter 1939 zur elektrischen Umsteuerung der Polarisationsfilter über [522]:
Die Polarisationsebene des vom Schirm einer gewöhnlichen Braunschen Röhre ausgehenden, linear polarisierten Lichtstroms wurde durch eine großflächige Zinkblende-Kristallzelle zeilenweise von Blickkomponente zu Blickkomponente elektrisch umgesteuert und den Augen des Betrachters wiederum durch eine Stereobrille zugeordnet [523].
Anfang 1940 - Ein Vorschlag von Goebel
Anfang 1940 schlug der Verfasser vor, zur Gewinnung eines plastischen Bildeindrucks bei Fernsehaufnahmen statt mit räumlicher mit zeitlicher Parallaxe zu arbeiten, d. h. mit der Kamera vorwiegend quer zur Objektivachse zu fahren und den vom Film bekannten „Eisenbahneffekt" auszunutzen [524]; denn erfahrungsgemäß ist bei allen normalen stereokinematographischen Aufnahmen, die nicht eigens zur Demonstration des Raumeffekts gemacht wurden, die plastische Wirkung erstaunlich gering und leicht zu entbehren.