Dipl. Phys. Walter Mayer, zuletzt in der ganzen Branche bekannt als Max Grundig's "Labor-Meier"
Oft wurde der Autor gr gedrängt, doch endlich mal den weithin bekannten "Labor Meier" in Fürth zu befragen, also zu interviewen, wie es damals wirklich war. Wie so oft, läuft die Zeit dann doch schneller, als es zu schaffen ist. Und als ich dann zeitlich so weit war, erlitt Herr Mayer ganz kurz vor meinem Besuch einen Schlaganfall und ein Besuch wurde unmöglich - sehr schade.
Hier also die Geschichte nach einer Vorlage seines Sohnes Dr. Alexander Mayer, der mit seinem Vater zusammen die Grundig Historie noch einmal aufgerollt hatte und uns diese Zeitzeugen- darstellung zugesandt hat.
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Die Jugend im Krieg und an der Flak
Walter Mayer wurde am 18. März 1926 in Falkenstein/Taunus als Sohn des Landwirtschaftsrates Wilhelm Mayer und dessen Ehefrau Luise Mayer geboren. Die ersten zwei Jahre verbrachte er bei der Großmutter und der Tante in Falkenstein, während seine Mutter mit dem chronisch kranken Vater an verschiedenen Orten zwecks Behandlung unterwegs war. Erst mit 2 Jahren wurde er von der Mutter abgeholt, um mit ihm dem Vater zur Kur hinterherzufahren. 1929 nahm der Vater nach langer Krankheit seine Arbeit in Limburg wieder auf, um 1932 krankheitsbedingt endgültig pensioniert zu werden, so dass die Familie wieder nach Falkenstein zurückzog. Der Vater verstarb 1935, so dass Walter Mayer als Halbwaise aufwuchs.
Er besuchte zunächst die Schule in Kronberg im Taunus, um dann auf das Goethe-Gymnasium in Frankfurt a.M. zu wechseln, das er 16jährig Ende 1942 zum Kriegsdienst verließ (Zeugnis-Beurteilung: „Oft unbeherrscht in seiner Haltung, aber fleißig und strebsam“). Das nächste Zeugnis aus dem Jahre 1943 war schon ein „Luftwaffenhelfer-Zeugnis“, denn von Februar 1943 bis Dezember 1943 war Walter Mayer mit der gesamten Klasse 7 des Goethe-Gymnasiums eben Luftwaffenhelfer und erhielt immerhin 2 Punkte für das Flakkampfabzeichen. (Grund: „Beteiligung am Abschuss eines viermotorigen Feindflugzeuges“).
Es gab übrigens noch viele viele jüngere Kriegskameraden, die es mit 16 Jahren von Berlin aus weit ausser Landes getrieben hatte und die sogar verbotene Fotos von damals gerettet hatten. Günter Bartosch zum Beispiel war dann 40 Jahre beim ZDF und hat einen gewaltigen Nachlass hinterlassen. Schaun Sie da auch mal rein.
Von der Ardennenoffensive bis zum Kriegsende
Von Dezember 1943 bis Mai 1944 nahm er an einem Sonderlehrgang im Reichsausbildungslager „Prinz Eugen“ auf dem Stegskopf im Westerwald teil. Der Hintergrund war, dass er sich mit anderen technisch Interessierten für einen Lehrgang zur Funkmessung (Radar) gemeldet hatte. Im Frühsommer 1944 erfuhr er von den Vernichtungslagern in Polen - er konnte und wollte es jedoch nicht glauben, sah auch keine Möglichkeit, sich dem Kriegsdienst zu entziehen.
Im Winter 1944 nahm er als Techniker im Funkmesswagen an der Ardennenoffensive teil, gegen Kriegsende war Walter Mayer bei Halle/Saale stationiert. Mitte April 1945 marschierte die Einheit ohne schwere Waffen den Amerikanern entgegen. Angesichts der endlosen Panzerkolonnen wagte niemand einen Schuss abzugeben, die Einheit ließ sich überrollen und löste sich danach auf.
Walter Mayer schlug sich zu Fuß die gut 400 Kilometer nach Falkenstein durch, Uniform und Karabiner wurden weggeworfen - das Zielfernrohr von Letzterem behielt er, um amerikanische Kontrollen zu erspähen, er besitzt es heute noch.
Mit Glück durch die Wirren der Nachkriegszeit
Bei Kontrollen zeigte er mit Unschuldsmiene sein Postsparbuch als Ausweis vor, was den meisten GIs genügte. Einmal allerdings bekam er einige Dutzend MP-Kugeln mit auf das Postsparbuch-Fersengeld, er blieb jedoch unverletzt. In Falkenstein versteckte er sich zunächst und gab sich dann als jugendlicher Antimilitarist aus, was mit der Unterstützung eines findigen Onkels auch gelang, so dass er von Kriegsgefangenschaft verschont blieb.
Am 14. Mai 1945 erhielt er seine „Zeitweilige Registrierungskarte“ des „Military Government of Germany“. Bei einer Gefangennahme in Halle wäre er entsprechend damaliger Abkommen in russische, eventuell langjährige Kriegsgefangenschaft gekommen. So jedoch konnte er 1946 nach einem „Crashkurs“ ein (vollgültiges) „Notabitur“ machen.
Der mühsame Weg zur Fernsehtechnik bei Grundig
Im Wintersemester 1946/47 begann er zusammen mit seinem Komilitonen und lebenslangen Freund Wolfgang Hasselbach (später Chefentwickler bei der Braun AG) sein Physik-Studium an der Johann-Wolfgang-Goethe- Universität in Frankfurt am Main. Schon von Juli 1945 an arbeitete er in Königstein im Taunus in einem Elektro-Radio Geschäft und verdiente sich mit Reparaturen von Radios bis zum Studienabschluss im Januar 1951 sein Taschen- und Studiengeld.
Schon vor dem Studium absolvierte er die vorgeschriebenen Praktika in der Metallverarbeitung, unter anderem in einer Gießerei und bei den „Torpedo“ Fahrrad-Werken. Abgesehen davon musste in jeden Semesterferien im zerstörten Frankfurt Schutt geschaufelt werden, ansonsten gab es keine Zulassung zum Weiterstudium.
Nachdem er wegen akutem Liebeskummer bei der Zwischenprüfung 1948 beinahe durchfiel, absolvierte er im Dezember 1950 ein gutes Examen (Experimentalphysik: sehr gut) und bewarb sich daraufhin bei verschiedenen Rundfunkherstellern. Max Grundig antwortete als erster, im Bewerbungsschreiben war die Bemerkung „Besonderes Interesse: Fernsehtechnik“ dick unterstrichen, eventuell von Grundig selbst.
Das "Fernseh-Labor" bei Grundig 1951
Am 1. März 1951 wurde der Arbeitsvertrag unterschrieben: 352 Mark monatlich bei 48 Stunden Wochenarbeitszeit. Davon gingen monatlich 100 Mark für das Motorrad weg, mit dem Walter Mayer anfangs jedes Wochenende nach Falkenstein fuhr. In Fürth mietete er in der Dambacher Straße 37 ein kleines möbliertes Kellerzimmer.
Die ersten Aufgaben bei Grundig war die Entwicklung von Fernseh-Messeinrichtungen und der Aufbau des ersten Fernsehversuchssenders in Süddeutschland. Dazu musste zunächst ein Vorkriegs- Ikonoskop organisiert werden, im Allgäu wurde er fündig. Nun entwickelte Walter Mayer eine Superikonoskop- Fernsehkamera, einen Dia- Abtaster, einen Filmabtaster und einen Fernsehsender.
Letzterer war zur Entwicklung der Grundig- Fernseher notwendig, denn bisher musste man bei Grundig die ersten Prototypen einpacken, damit nach Hamburg fahren und dort im Hotelzimmer testen, denn nur in der Hansestadt gab es 1951 schon einen funktionierenden Fernsehversuchssender.
Deutschlands zweiter Fernsehsender in Fürth
Am 28. Juli 1951 konnte der Presse das Senden von Testbildern vorgeführt werden, am 27. September 1951 gab es anlässlich der „Leistungs- und Gewerbeschau" die „Fernseh-`Uraufführung´ in Fürth" (NN v. 28.09.1951).
Der Sender auf dem Turm des heutigen Rundfunkmuseums sendete zwei Wochen regelmäßig den Film „Grock" (1931, Regie Carl Boese) des damals bekannten Clowns Grock zum Ausstellungszelt auf dem Humbser - Sportplatz, auf dem entsprechende Fernseher als Empfänger standen und dem staunenden Publikum vorgeführt wurden.
In der Folgezeit sendete Grundig regelmäßige Versuchsprogramme, die von allen Herstellern in der Region zu Testzwecken genutzt wurden. Ein zweiter Sender kam zudem in einen Fernseh-Ausstellungswagen, der 1953 zu Rundreisen in der Bundesrepublik startete.
Und von jetzt an hieß er nur noch der „Fernaugen-Mayer“.
Bis zur Düsseldorfer Funkausstellung 1953 entwickelte Walter Mayer eine für damalige Verhältnisse sensationell kleine, handliche, nur 3 Kilo schwere Vidikon- Fernsehkamera unter der Bezeichnung „Grundig-Fernauge“, die er dann dort auch persönlich präsentierte (u.a. auch vorgestellt in der Fachzeitschrift Funk-Technik Nr. 24/1953).
„Fernauge“ war ein eingetragenes Warenzeichen von Grundig - jahrelang hatte er nun den Spitznamen „Fernaugen-Mayer“.
Ein Traum geht in Erfüllung: ein Besuch in Amerika
Max Grundig schickte Walter Mayer mit dem Kollegen Peter Ewerbeck im Juli 1954 in die Vereinigten Staaten, um die dortige rasante Entwicklung des Fernsehens zu begutachten, vor allem, da dort in diesem Jahr (1954) das NTSC-Farbfernsehen eingeführt wurde. Seinerzeit gab es in der BRD nicht einmal einen Fernseher auf 1000 Einwohner, in den USA dagegen schon ein TV-Gerät auf 14 Einwohner.
Die Fürther belegten im Pennsylvania State College ein Color Television Seminar (12 Tage Studenten- wohnheim kosteten 39 Dollar). Die Zeitung “Centre Daily Times State College, PA” vom 2. Juli 1954 berichtete: “Peter Ewerbeck and Walter Mayer representing the Television Laboratories of the Grundig Radio Werke, Europe´s largest manufacturer of radios and television receivers”.
Nach dem Kurs besuchten die „2 Germans at University´s Seminar Study“ verschiedene Farbfernsehhersteller, u.a. die Sylvania-Werke, deren Massenproduktion an Bildröhren den beiden Grundig Technikern den Atem verschlug („Wir bekamen den Mund nicht mehr zu“). - Es sollte noch 13 Jahre dauern, bis das Farbfernsehen auch in Deutschland Einzug hielt.
Der Aufstieg des Erfinders
Vier Jahre nach dem Eintritt bei Grundig, also am 1. März 1955, übernahm Walter Mayer die Entwicklungs- gruppe für industrielle Anwendung als Laborleiter.
Im Folgenden entwickelte er die erste serienreife Vidicon-Kamera für industrielle Anwendungen.
Es gab auch etwas Privates
Im Jahre 1955 heirateten Walter Mayer und Fini Horn, die unter anderem als Fotomodell bei Photo-Porst arbeitete. Erst verheiratet hatte das Paar Anrecht auf eine Wohnung der Grundig Wohnbau GmbH in der Benditstraße 17, wohin sie nun zogen. Im März 1960 kam der Sohn Alexander Mayer zur Welt.
Bis zu seiner Ernennung zum Prokurist Ende 1962 hatte Walter Mayer 36 Erfindungen zum Patent angemeldet, wobei alle Erfindungen Eingang in Grundig-Produkte erlangten – bis zu seinem Ausscheiden aus der Entwicklung sollten es 52 Patente werden – allesamt praxisrelevant und verwirklicht.
Der erste Videorecorder kam 1965
Mit der Zusammenfassung der industriellen Elektronik im Geschäftsbereich „Professionelle Elektronik“ (Standort: Werk 10, Würzburger Straße) im Jahre 1964 wurden unter der Leitung von Walter Mayer drei Entwicklungslabors für die Produktbereiche Mess- und Digitaltechnik sowie für das industrielle Fernsehen koordiniert. In diesem Zeitraum erfolgte gleichsam erstmals eine Videorecorder-Entwicklung für das industrielle Fernsehen.
Der Konjunkturhimmel wird dunkel
Seit 1970 erschienen vermehrt Wolken am Konjunkturhimmel und zunehmend nicht nur billige, sondern mehr und mehr im Design, teilweise auch in den Funktionen und der Qualität verbesserte Geräte aus Japan auf dem Markt. Zudem zeigte der bisher sichere Instinkt von Max Grundig zunehmend Schwächen, sachliche und vor allem personelle Fehlentscheidungen häuften sich.
Max Grundig hörte seit 1971 immer weniger auf die Ratschläge des Entwicklungsleiters Walter Mayer und wandte sich mehr leutseligen, aber technisch weniger versierten Ratgebern zu. Dies nahm sich Walter Mayer so zu Herzen, dass er zunehmend mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hatte.
VCR - mehr als nur ein Hobby
Von 1970 bis 1975 entwickelte er dessen ungeachtet den ersten Grundig-Heimvideorecorder. Regelmäßig am Freitagabend wurde der Prototyp in das Mayersche Häuschen nach Zirndorf mitgenommen, in dem am Sonntagnachmittag nach und nach die ganze Labormannschaft erschien und im Dachgeschoss an dem Gerät weiterfeilte.
Das große Engagement war insofern tragisch, als man damals bekanntlich in ganz Europa auf bessere, aber falsche Pferde setzte – das technisch unterlegene Videosystem VHS der asiatischen Konkurrenz machte das Rennen, weil es massenweise und vor allem billig auf den Markt geworfen wurde.
Obwohl bereits Direktor, sein Markenzeichen blieb "Labor-Meier"
Grundig übertrug Walter Mayer im Oktober 1975 die Entwicklungsleitung für industrielle Fernsehtechnik und für magnetische Videoaufzeichnung, im Dezember 1976 folgt die Ernennung zum Abteilungsdirektor, Anfang 1979 jene zum Produktmanager – letztere Aufgabe hatte er zwar nicht gesucht, aber dann dennoch mit kämpferischer Konsequenz ausgefüllt, womit er sich nicht nur Freunde machte.
Man lobte den unbequemen Mann in die Patentabteilung weg, im Januar 1982 wurde Walter Mayer zum Leiter der Lizenz-/Patenabteilung ernannt, er kehrte damit in die zentrale Verwaltung zurück, die er 1964 verlassen hatte.
Auch diese Aufgabe hatte er nicht gesucht, dann aber mit zunehmender Begeisterung ausgeübt, hat er doch selbst – wie schon erwähnt – 52 Patente angemeldet, die er nun mit verwalten durfte.
Späte Ehre kam 1977
Im Mai 1977 zeichnete das Institut für Erfindungs- wesen Walter Mayer im Ehrensaal des Deutschen Museums München für (Zitat aus der Laudatio) „... seine vielfältigen und erfolgreichen Erfindungen auf dem Gebiete der Fernsehaufnahmetechnik und Bildübertragung“ mit der Diesel-Medaille in Silber aus.
Am 1. März 1991 schied Walter Mayer nach genau 40jähriger Tätigkeit bei Grundig aus – kurz darauf folgte der fast völlige Absturz von Grundig (2 Mrd. DM Verlust von 1992 bis 1996) – das zeitliche Zusammentreffen ist dabei wirklich reiner Zufall.
An's Aufhören konnte auch er nicht denken
Nach seiner Pensionierung widmete er sich von 1991 bis 1995 als Vorsitzender des Bundes Naturschutz, Kreisgruppe Fürth-Land, der von ihm so geliebten Natur. Von 1995 bis 2007 engagierte er sich mit Rat und vor allem mit Tat im Rundfunkmuseum der Stadt Fürth, wozu der Leiter des Museums, Gerd Walther, genauer als ich Auskunft geben kann. An der Stelle seines Arbeitsplatzes von 1951 befindet sich heute eine nachempfundene Fernsehwerkstatt.
Anfang November 2007 erlitt Walter Mayer einen schweren Schlaganfall. Das war und ist insofern tragisch, als anlässlich des 100jährigen Geburtstages des Firmengründers Max Grundig ein Bildband in der Reihe „Arbeitswelten“ erstellt werden sollte, wozu sein Rat mehr als hilfreich gewesen wäre. In diesem Buch mit dem Titel „Grundig und das Wirtschaftswunder“ ist Walter Mayer nicht nur auf dem Titelfoto, sondern auch im Inneren auf zahlreichen Aufnahmen zu sehen, ohne dass darauf immer hingewiesen wird.
Einen Grund hierfür nannte die Zeitschrift „Grundig Report“ Nr. 2 / 1991: Der Physiker Walter Mayer ist „...einer der Pioniere der Fernseh- und Rundfunkentwicklung.“
nach der Vorlage von seinem Sohn, Dr. Alexander Mayer, Fürth April 2008