Über die Kamera-Stative bei Film-, Video- und Fernsehen und den Zoll-Schrauben
von Gert Redlich im Juni 2021 - Hier bekommen Sie einen kleinen "Überblick für Laien" und keine Profis !!!, was es mit den Foto-, Video-, Film- und Fernseh- Stativen und vor allem mit den "verdammten" Zoll-Gewinde- Verschraubungen so auf sich hat. Im Laufe der letzten 15 Jahre hat sich sich manches "Utensil" bei uns im Museums-Lager eingefunden, daß es sich lohnt, die verschiedenen "Arten" oder Varianten mal etwas genauer zu klassifizieren.
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Vorwort: Für ein Stativ ist das gesamte Gewicht der Kamera auschlaggebend
Bei den "Kameras" (ganz früher nannte man solche Geräte die "Bildfänger") haben wir wirkliche Leichtgewichte im Hobby-Bereich (siehe oben) und historische Schwergewichte. Das geht von wenigen 100 Gramm (natürlich plus Akku oder Batterien) bis zu fast 120 Kilo Boliden mit riesigen Zoom-Optiken, und das waren meist die uralten amerikanischen scharz/weiß Fernsehkameras von RCA - wahre Giganten der frühen Fernsehtechnik.
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Weiterhin unterscheiden wir zwischen Foto-Kameras (ehemals nur feststehende Bilder) und Video/Film Kameras (für bewegte Bilder). Das hat einen Einfluß auf den Stativkopf. Video-Kameras aller Art müssen (zu 99%) nur in 2 Dimensionen (Neigen und Schwenken) bewegt werden können. Foto-Kameras können (oder sollen) sehr oft in allen 3 Dimensionen gedreht (und dann fixiert) werden, aber das interessiert uns hier nicht so sehr.
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Ein grobes Raster ergibt auch die angedachte/geplante Nutzung
Es beginnt mit den inzwischen recht kleinen und leichten Hobby-Videokameras, den Camcordern. SONY machte da den allerersten Anfang.
Die nächste Stufe sind die Semi-Profi Video-Kameras mit oder ohne angeflanschten Recordern. Ein Beispiel ist die erstaunliche Panasonic F10 Kamera (von BAUER als VCE 412 vertrieben), die mit einem NV180 VHS Recorder "verheiratet" war.
Wiederum die nächste Stufe sind die mobilen professionellen Video-Kameras, die sogenannten EB-Kameras. Hier gab es mehrere japanische und deutsche und holländische Modelle.
Die letzte Stufe sind dann die großen professionellen Studio-Kameras, durch die aufwendigen und deutlich sichtbaren riesigen Zoom-Optiken immer noch von erheblichem Gewicht. Bei diesen Vollprofi-Studiokameras gab es keine Gewindeschrauben mehr, es gab zumindest beiuns in Europa die sogenannte Keilplatte - der Quasi-Standard der Firma Vinten aus England.
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Beginnen wir mit dem kleinsten (Tisch-) Stativ fürs Video-Hobby
Unser Beispiel eines Video-Tischstaivs (nur Neigen und Schwenken ist gefordert) gab es damals als sinnvolles Zubehör zu den ersten Camcordern aller Hersteller. Die Kamera darf nicht allzu schwer sein und das Stativ hat eine begrenzte Bauhöhe. Es war so ziemlich das kleinste damals verfügbare Video-Stativ, daß unter dem SONY Logo vertrieben wurde, vermutlich ein OEM Produkt von Velbon.
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Ein ehemals teures langbeiniges Linhoff Bodenstativ mit "Kino-Neiger"
Dieses zerbrechlich aussehende recht alte Linhoff Stativ mit dem Schimansky MOD 142 Kino-Neiger oben drauf war für unsere uralte Panasonic F10 Kamera von 1986 gerade noch ausreichend. Mit einer schwereren SONY EB Kamera (also mehr als 2,5 Kilo) samt Bandrecorder war es dann mit der 1/4" Schraube grenzwertig, also eigentlich viel zu schwach und zu leicht !
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Auch wenn es so filigran aussieht mit den schlanken zweigliedrigen Schenkeln (U-Profilen) , es ist schon erstaunlich robust. Auch die Klemmverschlüsse, die die ausgefahrenen "Beine" fixieren, funktionieren nach fast 40 Jahren immer noch einwandfrei. Die Stabilität mit der Spinne in der Mitte ist bewundernswert und das bei einem extrem geringen Gewicht.
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Ein Neuzugang in 2021 - ein Cullmann Titan 100
Das Cullmann Titan 100 war das kleinste einer (damals) neuen Serie von Hobby-Stativen an der Grenze zu den Semiprofessionellen. Die geschlossenen Alu-Profile (ein nicht ganz rundes Rohrprofil) der drei Beine sind auch nur zweigliedrig auszuziehen. Die Feststell-bzw. Klemm-Mechanik ist aber ganz oben im Stativ eingebaut. Das Cullmann Titan 100 hat keine Spinne in der Mitte und istt dennoch deutlich schwerer als das uralte Linhof Stativ.
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Richtig robust war das größere uralte Cullmann Titan 400
Auch aus dem Jahr 1986 war das deutlich schwerere Cullmann CT 400 Stativ. Die Handhabbarkeit war wegen der nur zweiteiligen "Beine" und der diversen Rasten, also wie weit die drei Beine gespreizt werden sollten und konnten, nicht ganz so einfach. Jedoch mit dem ebenfalls robusten (Voll-ALU-) BILORA Kino-Neiger machte das einen fast professionellen Eindruck - auch vom Gewicht. Diese Kombination war sogar für die semiprofessionellen EB-Kameras mit 3/8" Gewinden mit bis zu 8 Kilo geeignet. Für die Befestigung der Kameras auf dem Kopf war eine wechselseitige 1/4" - 3/8" Umkehr-Schraubtechnik eingebaut, Man konnte ganz schnell beide Gewindegrößen befestigen.
Erstmalig wirklich funktionierend war die kurbelbare Mittelsäule, die rauf wie runter sehr leicht gekurbelt werden konnte. Bei anderen Fabrikaten war das "Raufkurbeln" erheblich schwerer bis zu richtig mühsam.
Hier möchte ich gleich anfügen, daß das Tragen von Stativ und Kamera (und Recorder) von jetzt an gewöhnungsbedürftig war und daher ein sogenannter "Dolly-Wagen" unter die drei Beine drunter mußte und damit war das relativ hohe Gewicht von Vorteil, weil die Kamera jetzt deutlich stabiler und vor allem ruckelfrei stand.
Damals waren sowohl dieses Cullmann Stativ mit dem BILORA Neigekopf wie auch der Dollywagen eine "Anschaffung fürs Leben", so teuer waren diese Teile.
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Im Semiprofi-Bereich gib es eine Vielzahl robuster Modelle - zum Beispiel dieses :
Dieses uralte "VELBON WX-851" ist ebenfalls (noch) komplett aus Aluminium zusammengestellt und trägt auch 5 Kilo Kameras. Die Mitttelsäule ist mit einer Kurbel fast 50cm heraus bzw. hoch zu drehen und kann bombenfest fixiert werden. Die Montageplatform für die Kamera haben wir von 1/4" auf 3/8" erweitert.
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Die Profis beginnen bei Manfrotto und ähnlichen Herstellern
Aus Italien sind in unserer Branche nur wenige Produkte von überragender Qualität bekannt. Und diese Qualität lieferte der Hersteller Manfrotto, ein vermutlich kleiner Laden ähnlich wie weitaus früher der Münchner Max Killi mit den schweren Holzstativen.
Die Rundfunk- und Fernseh-Firma SABA aus Villingen hatte sich von Manfrotto Stative für ihr Video-Equipment als OEM bauen lassen, zum Beispiel unser "SABA ST100". Warum sie nicht mit Sachtler gesprochen hatten. ist nicht überliefert.
Durch die Mittelspinne ist das Manfrotto Stativ einfacher zu handhaben als das Cullmann 400, bei dem die Positionierung der drei Beine oft mühsam ist. Auch bei Manfrotto ist alles aus Aluminium und sehr robust, auch die Kurbel für die Mittelsäule, wirklich etwas für Profis.
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Die uralten professionellen Holzstative von Max Killi
Max Killi hatte über einen kleinen Fremdauftrag eine Marktlücke nach dem 2. Weltkrieg erkannt und recht schnell gefüllt. Die 35mm Filmkameras waren groß und schwer und die ersten Fernsehkameras ab 1951 waren ebenso groß und schwer.
Also zuerst musste das Stativ extrem robst sein und von sogenannten Hilfswilligen bei Film und Fernsehen (mit allermeist niedrigem IQ) getragen, bedient und aufgebaut werden können. Die Max Killi Schwenk- und Neigeköpfe waren ebenfalls extrem robust und schwer und hatten ein gigantisches Kugellager, auf dem sich die schweren Kameras spielend leicht drehen ließen.
Das war schon einmalig - zur damalign Zeit. Und dann kam der Engländer Bill Vinten in Montreux auf die Profi-Messe und zeigte seine erste "Pumpe" mit dem Vinten-Kopf. Das "Fernseh-Volk" war hin und hergerissen, daß es noch mehrere Ticks besser und komfortabler ging als bei max Killi.
Die Max Killi Stative erfreuen sich bei heutigen nostalgischen Filmdrehs größter Beliebtheit. Das Holzgerippe ist nun mal sehr fotogen. Die Bedienung ist schon lange nicht mehr zeitgemäß, eher "cool" oder "voll krass".
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Vinten aus England war Weltmarktführer bei ALU-Stativen
Bill Vinten hatte im Gegensatz zu dem Münchner Killi von Anfang an den Weltmarkt im Auge gehabt. Und er hatte leidenschaftlich neue Techniken und Hilfsmittel "ersonnen" und "konstruiert".
Zwei Varianten seiner Stative sind bei uns im Musem, das Alu-Rohr Stativ und drei Varianten der Vinten Pumpen (wir haben 4 solcher Pumpen). Alle diese Stative hatten von Anfang an einen Fahr-Untersatz, das eine einen Dolly Wagen, die verschiedenen anderen Pumpen hatten immer ihre 6 Räder unter den drei Beinen.
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Oben auf den Vinten-Stativen wohnten natürlich die Vinten Köpfe. Mehr über die Technik der Köpfe steht hier. Wichtig ist nur, ab einener gewissen Größe der Kameras und einem "gewissen" Gewicht klappte das mit den 3/8" und 1/2" Schrauben nicht mehr. Das Schrauben beim kamerawechsel (wrumauch immer kameras gewechselt werdenmußten) war viel zu zeitintensiv und kompliziert und zu wackelig. Eine andere Technik musste her, die Keilplatte.
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In den Studios dominierten die Vinten-Pumpen den Weltmarkt
Als die erste Vinten-Pumpe in Montreux gezeigt wurde, natürlich schon mit dem ersten Vinten Neigekopf, waren die Kamerleute weltweit "völlig aus dem Häuschen". Die Besucher und "Tester" konnten eine 85 Kilo Fernsehkamera buchstäblich mit dem kleinen Finger einen Meter rauf und 1,5m wieder runter "fahren".
Und dabei konnte man die riesige schwere Kamera auch noch völlig ruckfrei drehen und neigen. Und selbst der kleinwüchsige 60 Kilo Kameramann hatte keine Chance, die Kamera vornüber ins Gelände zu kippen, wie bei anderen konventionellen Konstruktionen.
Der Massenschwerpunkt der Kamera wurde beim Neigen in beide Richtungen dynamisch verschoben. Auch eine schwere Kamera war damit "neigestabil", für damalige Zeiten völlig irre, diese ausgefuchste Bill-Vinten Konstruktion.
Es passierte nahezu das Gleiche wie später 1956 bei der ersten Vorführung des völlig neuen und jetzt funktionierenden Ampex Videorecorders, die Bestellungen wurden (symbolisch) auf Bierdeckel geschrieben / gekritzelt, zu hunderten. Das war der weltweite Durchbruch für ein Monopol, die "Vinten-Pumpe".
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Jetzt kommen wir endlich zu den (Zoll-) Schrauben
Bei den Foto-Kameras und bei den Video-Kameras sowie bei den Mikrofonen dominiert das Zoll-Gewinde. Wie sich das bei uns in Deutschland (einschließlich Ostdeutschland), die wir doch einen großen Teil der Entwicklung beigesteuert hatten, passieren konnte, ist nicht so richtig dokumentiert.
Zumindest zwei Firmen hatten sich "redlich" bemüht, beim metrischen Gewinde für ihre gesamten Produkte zu bleiben. Das war Max Killi München und die Robert Bosch Fernseh GmbH in Darmstadt.
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