1985 - Maßnahme (16) - Hochauflösendes Fernsehen
"Maßnahme Nr. 16" im Rahmen der Konzeption der Bundesregierung zur Förderung der Entwicklung der Mikroelektronik, der Informations- und Kommunikationstechniken.
Anmerkung: Sie erkennen unten im Text am Sprachgebrauch, hier geht es um eine (bürokratische) "Maßnahme". So sprachen die Beamten damals vor dem Krieg und auch nach dem Krieg bis weit nach 1985. Es hatte sich immer noch zu wenig verändert. Auch sind die öffentlichen Sender immer noch "Anstalten" des öffentlichen Rechts.
1985 - Vorwort zum Projekt 16 (später Eureka 95)
Die Bundesregierung hat in ihrer Konzeption zur Förderung der Entwicklung der Mikroelektronik, der Informations- und Kommunikationstechniken erklärt, daß sie die Bestrebungen unterstützen will, möglichst rasch die notwendigen Voraussetzungen für ein Hochauflösendes Fernsehen zu schaffen. Hierfür sind Fördermittel eingeplant. Diese Broschüre soll Aufschluß darüber geben, warum die Bundesregierung einen neuen Fernsehstandard anstrebt und welche wissenschaftlich-technischen Maßnahmen sie für notwendig hält, um dieses Ziel zu erreichen.
Ich weiß, daß eine Vielzahl ganz außerordentlicher technologischer und wirtschaftlicher Probleme gelöst werden müssen, um das hier gesetzte Ziel zu erreichen. Dies ist ein Vorhaben mit extrem hohen Risiken. Industrie und Wissenschaft werden sich gegen stärkste internationale Konkurrenz behaupten müssen. Auf der anderen Seite verfügen wir über das wissenschaftliche und technologische Potential für wesentliche Beiträge zu einem völlig neuen Fernsehsystem, das nach meiner Überzeugung ganz sicher weltweit eingeführt und auf große Akzeptanz stoßen wird.
Unser Anteil an diesem zukünftigen Markt wird sich an dem ausrichten, was wir heute an wissenschaftlich-technischer Leistung bereit sind zu investieren. Mit den hier beschriebenen Fördermaßnahmen will die Bundesregierung zum einen darauf aufmerksam machen, welche Bedeutung sie einem neuen Fernsehsystem auf der Basis einer Hochzeilennorm zumißt, zum anderen soll deutlich gemacht werden, daß sie bereit ist, sich an den mit dieser Entwicklung verbundenen hohen Risiken zu beteiligen.
Dr. Heinz Riesenhuber
Der Bundesminister für Forschung und Technologie - 1985
Inhalt
1. Einleitung
2. Stand der Technik
2.1 Fernsehsysteme erhöhter Bildqualität
2.2 Hochzeilensysteme
3. Schwerpunkte der Forschungs- und Entwicklungsarbeiten
3.1 Normungsfragen, Allgemeine Grundlagen
3.2 Studiotechnik
3.3 Übertragungs-bzw. Verteiltechnik
3.4 Heimempfänger, Bildwiedergabe
4. Durchführung
4.1 Förderungsbedingungen
4.2 Projektauswahl
4.3 Fördermittel
5. Hinweis
1. Einleitung
Wesentliche Elemente der heutigen Fernsehnorm stammen aus den vierziger und, im Hinblick auf die Erweiterung zum Farbfernsehen, aus den fünfziger Jahren. Verbesserte Bildröhrentechnologien, neue Signalverarbeitungstechniken auf der Basis digitaler Schaltkreise und neue Übertragungsverfahren, wie das jetzt eingeführte D2-MAC, werden den Rahmen der bestehenden Norm noch in diesem Jahrzehnt voll ausschöpfen.
Das Fernsehen wird dann also eine technische Qualität aufweisen, die unter den bestehenden Randbedingungen nicht weiter verbessert werden kann. Die mit dieser Entwicklung verbundenen Arbeiten können von der Industrie aus eigener Kraft ohne staatliche Förderung geleistet werden.
Parallel zum kontinuierlichen Innovationsprozeß beim jetzigen Fernsehsystem wurden in den letzten Jahren Forschungsarbeiten begonnen, die als Perspektive die Einführung des Großbildfernsehens auf der Basis einer Hochzeilennorm in den 90er Jahren haben. Ziel dieses neu zu entwickelnden Fernsehsystems muß es sein, eine Bewegtbildübertragung mit einer Bildqualität zu bewirken, die, bezogen auf das Sehvermögen des Menschen, keine wesentlichen Wünsche mehr offen läßt.
Das neue hochauflösende Fernsehsystem soll eine gesichtsfeldfüllende Bildwiedergabe mit mindestens der Qualität des 35 mm-Kinofilms ermöglichen. Dem Zuschauer soll das Bild wie eine reale Szene erscheinen. Technisch bedeutet dies eine Änderung des Bildformats auf ein Seitenverhältnis von ca. 5:3, eine etwa um den Faktor 3 größere Bilddiagonale als heute üblich und, da alle Details auf dieser großen Bildfläche scharf wiedergebbar sein müssen, eine etwa um den Faktor 8 größere Bildpunktzahl als beim heutigen Fernsehen*). Der Zuwachs an Bildgröße soll nicht einfach zu einer vergrößerten Darstellung der bislang übertragenen Bilder führen, sondern zur Darstellung weit größerer Szenenausschnitte, die das Realitätsempfinden verstärken ober überhaupt erst vermitteln. Das neue technische System wird also auch Rückwirkungen auf die Art der Bildgestaltung haben.
Das mit dieser Systeminnovation verbundene Marktpotential ist für die Industrie erst dann mit vertretbarem Risiko zugänglich, wenn es gelungen ist, für das Großbildfernsehen neue Standards zu definieren. Entsprechende Diskussionen haben gerade begonnen. Ihr Ziel muß es sein, Normen zu entwickeln, die die bestmöglichen Voraussetzungen für eine breite Einführung des Großbildfernsehens liefern. Dies ist bei den heute von Land zu Land sehr unterschiedlichen Fernsehstandards und den stark divergierenden strukturellen und industriellen Randbedingungen eine schwierige und aufwendige Aufgabe:
Es sind sehr umfangreiche Forschungs- und Entwicklungsarbeiten notwendig, um die Vielzahl der technischen und technologischen Optionen zu untersuchen, hieraus geeignete Systemvorschläge zu entwickeln und ihre technische Machbarkeit nachzuweisen. Eigenständige Beiträge können in der internationalen Standardisierungsdiskussion nur wirkungsvoll vertreten werden, wenn sie auf guten F&E-Leistungen aufbauen und zugleich industriepolitisch konsensfähig sind.
Das neue Fernsehsystem erfordert neue Standards in drei Teilbereichen:
- Bei der Produktionstechnik in den Fernseh- und Filmstudios,
- bei der Übertragungstechnik zwischen Studios und Teilnehmern; dies betrifft Fragen zur Nutzbarkeit konventioneller Verteilsysteme und der Planung neuer optischer Breitbandnetze und neuer Fernmeldesatelliten,
- bei der Endgerätetechnik. Hier müssen Mindestanforderungen an Großbild-Fernsehempfänger festgelegt werden, was unter den noch für lange Zeit fließenden technologischen und ökonomischen Randbedingungen im Display-Bereich sicherlich zu erheblichen Problemen führen wird, zumal hier auch die Interessen der Unterhaltungselektronik- Industrie an dem neuen, ihre Zukunft bestimmenden Massenmarkt am vitalsten berührt sind.
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Hier wird die Verbundaufgabe deutlich, vor der unsere Förderungseinrichtungen, die Industrie, Rundfunkanstalten und DBP in den nächsten Jahren stehen. Erst wenn auf der Basis ihrer Arbeiten internationale Normen verabredet sind, wird für die Industrie ein Rahmen geschaffen sein, innerhalb dessen sie die neuen Märkte eigenständig und ohne staatliche Förderung erschließen kann.
Die Bundesregierung will mit den hier vorgestellten Fördermaßnahmen ihren Beitrag dazu leisten, daß der unbedingt notwendige Rahmen rasch geschaffen wird. Vor allem soll durch verstärkte Forschung und Entwicklung ein eigenständiger Beitrag der Bundesrepublik für einen weltweiten HDTV-Standard gefördert werden.
Die Entwicklung eines solchen Standards kann nur in internationaler Kooperation erfolgen. Die Bundesregierung strebt daher auf diesem Gebiet eine verstärkte europäische Zusammenarbeit an. Dies ist auch aus industriepolitischen Erwägungen ein Gebot der Stunde. Denn die Situation der Unterhaltungsindustrie in Europa ist ernst.
Allein in der Bundesrepublik ist die Zahl der Beschäftigten in dieser Branche in den letzten 5 Jahren von 108.000 auf etwa 60.000 zurückgegangen. Die Nachfrage nach Farbfernsehempfängern nähert sich der Sättigungsgrenze. Der Importdruck aus Japan nimmt zu, die Preise fallen und schmälern die Ertragsmöglichkeiten.
Bei neuen Produkten, wie zum Beispiel dem Videorekorder, sieht die Lage noch ungünstiger aus. Hier beherrscht Japan unangefochten den Weltmarkt. Japan verfügt über jährliche Produktionskapazitäten für fast 30 Millionen Rekorder, von denen der japanische Markt nur etwa 4 Mio aufzunehmen in der Lage ist. Hauptabnehmer sind die USA. Die EG hat mit Japan ein Abkommen getroffen, das die Exporte in die EG auf jährlich zur Zeit 2,2 Mio Stück begrenzt. Trotzdem stammen 80% der in der Bundesrepublik verkauften Geräte aus japanischer Produktion.
Die Lage auf dem Unterhaltungselektronik-Markt (Anmerkung: wir schreiben das Jahr 1985) ist umso bedenklicher, als diese Branche zur Zeit der größte Abnehmer elektronischer Bauelemente ist, und eine sinkende Nachfrage ungünstige Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Halbleiterhersteller hätte.
Diese schwierige Situation hat die europäischen Unterhaltungselektronik- Hersteller dazu veranlaßt, bei der EG-Kommission eine Erhöhung der Import-Zölle für einige neue Produkte zu beantragen, um der europäischen Industrie die Möglichkeit zu geben, erfolgreich gegen eine weltweite Monopolisierung des Unterhaltungselektronik-Marktes durch Japan anzukämpfen.
Insgesamt hat also die europäische Unterhaltungselektronik- Industrie in den letzten Jahren beträchtlich an Terrain verloren. Es ist zwar immer noch so, daß Innovationsanstöße für neue Produkte häufig aus Europa kommen, aber Marktmacht und Investitionsbereitschaft japanischer Firmen und das Zusammenwirken von Staat, Rundfunkanstalten und Industrie drängen die Europäer immer wieder in die Defensive.
Alle Hilfen tarifärer Art (Anmerkung: es sind Lohnzurückhaltungen gemeint) werden auf die Dauer wirkungslos bleiben, wenn es der europäischen Industrie nicht gelingt, sich auf ihre Stärken zu besinnen und in einem gemeinsamen Anlauf die Initiative bei der Entwicklung von Produktinnovationen für morgen und übermorgen zurückzugewinnen.
Die Entwicklung von eigenständigen Beiträgen für einen weltweiten HDTV*)-Standard ist wegen der langjährigen Vorarbeiten bei der japanischen staatlichen Rundfunkanstalt NHK sehr schwierig. Sie ist aber ein lohnendes und strategisch wichtiges Ziel, und dies nicht nur wegen der damit verbundenen Marktperspektiven:
Die für eine Einführung des Großbildfernsehens notwendigen Fortschritte bei der Großintegrationstechnik, der Höchstgeschwindigkeitselektronik und Signalverarbeitung, der Breitbandübermittlungstechnik und bei den Endgerätetechnologien sind im Bereich heute denkbarer ziviler nachrichtentechnischer Anwendungen ohne Beispiel. Das hochauflösende Fernsehen wird damit auch zu einem Schrittmacher dieses Technologiebereichs, und nur diejenigen Firmen werden langfristig eine Überlebenschance haben, die die neue technologische Entwicklung nicht einfach nachvollziehen, sondern von Anfang an aktiv mitgestalten.
2. Stand der Technik*)
*) Zu diesem und dem folgenden Abschnitt vgl. auch B. Wendland: „Entwicklungsalternativen für audiovisuelle Systeme erhöhter Bildqualität", Studie im Auftrag des BMFT (FKZ TK 0106) vom Dezember 1979, zu erhalten beim Bundesministerium für Forschung und Technologie.
Der große, weltweite Erfolg des Farbfernsehens
könnte den Eindruck erwecken, daß die Technik der Bildübertragung bei den derzeitigen Fernsehsystemen perfekt sei. Tatsächlich ist die Bildwiedergabequalität nicht ideal.
Es lassen sich eine Reihe von mehr oder weniger gravierenden Mängel anführen wie:
- mäßige Detailauflösung,
- 50 Hz-Großflächenflimmern, insbesondere bei großer Bildhelligkeit und großem Betrachtungswinkel,
- störendes Zeilenflimmern und Zeilenwandern,
- 25 Hz-Flackem an horizontalen Konturen,
- Übersprechen zwischen Luminanz und Chrominanz,
- Moire-Störungen bei vertikalen Bewegungen etc.
Neue Systemanwendungen und neue Dienste, vor allen Dingen im Zusammenhang mit neuen (Glasfaser-)Breitbandnetzen, lassen einige Mängel derzeitiger Fernsehsysteme, wie Flimmereffekte an horizontalen kontrastreichen Konturen und die mäßige Detailauflösung, besonders hervortreten. So sind Fernsehraster-Displays der bisherigen Norm als Daten-sichtgeräte oder zur Dokumentenwiedergabe für „Informations-Retrieval" nahezu ungeeignet.
Qualitätsverbesserungen am derzeitigen Fernsehen lassen sich noch in einem nicht unerheblichen Maß innerhalb der derzeit geltenden Norm erzielen. Der Übergang zum Großbild und die Forderung nach einem universell einsetzbaren zukunftssicheren Produktionssystem erfordern jedoch eine Hochzeilennorm. Bei diesem Schritt wird man sich wesentlich auf die bis dahin erreichten Fortschritte bei der Ausschöpfung der derzeitigen Fernsehnorm aufgrund des vermehrten Einsatzes neuer digitaler Signalverarbeitungstechniken abstützen können. Die Arbeiten zur Verbesserung des Fernsehens können also aufgeteilt werden in solche, die eine Qualitätssteigerung innerhalb der geltenden Norm anstreben, und in Arbeiten, die direkt und ausschließlich auf die Einführung einer Hochzeilennorm zielen.
2.1 Fernsehsysteme erhöhter Bildqualität
In den letzten Jahren setzte eine sich rasch verstärkende Aktivität auf dem Gebiet kompatibler Verbesserungen der Bildqualität bei den derzeitigen Fernsehsystemen ein. Neben Maßnahmen nur am Empfänger mit Hilfe digitaler Signalverarbeitung wurden auch Konzepte vorgeschlagen, die eine Signalverarbeitung am Sender und Empfänger vorsehen.
Im Rahmen dieser Arbeiten zeigte sich, daß auch die bisherige theoretische Basis für das klassische Abtastkonzept nicht ausreichte und erweitert werden mußte. Inzwischen konnten wichtige grundsätzliche Ergebnisse zur Bilddarstellung erzielt werden, die Aussagen über erreichbare Bildqualitäten bei vorgegebenen Abtaststrategien und Übertragungsver-fahren erlauben.
Das große internationale Interesse an der Weiterentwicklung der Fernsehsysteme wird auch deutlich an der Tatsache, daß für den Satelliten-funk (DBS) ein innerhalb der Union der Europäischen Rundfunkanstalten (UER) entwickelter Vorschlag für das Multiplexed Analogue Component-(MAC-)Verfahren in Form des D2-MAC Systems in Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Anwendung kommen wird. Mit diesem Verfahren soll eine Europanorm mit erhöhter Bildqualität realisiert werden.
2.2 Hochzeilensysteme
Bereits 1970 begann die japanische staatliche Rundfunkgesellschaft NHK mit Arbeiten zu einem sogenannten HDTV-System mit 1125 Zeilen, Zeilensprung 2:1 und 60 Hz-Halbbildfrequenz. Im übrigen werden die technischen Merkmale des heutigen Fernsehsystems weitgehend beibehalten.
Dieser Ansatz ist also eher konventionell. So wird von den Möglichkeiten der hochentwickelten Mikroelektronik und der digitalen Signalverarbeitung kaum Gebrauch gemacht, Überlegungen im Hinblick auf eine Kompatibilität zu bestehenden Rundfunk-Fernsehsystemen sind bislang nicht erkennbar.
Die frühen Arbeiten der Japaner und ihr Mut zu Neuentwicklungen führten allerdings im gerätetechnischen Bereich zu einer kompletten Systemfamilie. So bietet beispielsweise Sony 1125-Zeilen- Studioeinrichtungen an. Darüber hinaus sind japanische Bildaufnahmeröhren mit hochauflösenden Saticon-Targets, Kameraobjektive und Bildwiedergaberöhren für erhöhte Auflösung noch ohne Konkurrenz.
Das weltweite Interesse am Fernsehen mit erhöhter Bildqualität ist durch den Einsatz der japanischen Geräte für Studioproduktionen stark gefördert worden. Eine Demonstration von HDTV-Produktionen aus 6 Ländern zum Fernsehsymposium 1983 in Montreux hatte ein großes positives Echo, das mit den Vorführungen des diesjährigen Symposiums noch gesteigert wurde.
Es ist auch nicht zu übersehen, daß der erhebliche Vorsprung Japans bei HDTV-Komponenten und -Geräten zu einem erheblichen Einfluß bei der Formulierung eines internationalen Produktionsstandards führt. Zwar wird dieser Einfluß durch das mittlerweile weltweit wachsende Interesse am hochauflösenden Fernsehen zunehmend neutralisiert, gleichzeitig wächst aber auch der Druck aus dem Bereich der Produktionsstudios auf eine rasche Verabschiedung dieses Standards. Wie sich auch immer die Gewichte verschieben werden, die Tatsache, daß sehr bald ein weltweiter HDTV-Produktionsstandard existieren wird, ist wesentlich auf die japanischen Vorarbeiten zurückzuführen.
3. Schwerpunkte der Forschungs- und Entwicklungsarbeiten
Mit einem neuen hochauflösenden Fernsehen soll ein Medium eingeführt werden, das bei der Bewegtbildübertragung und -darstellung für den menschlichen Gesichtssinn keine wesentlichen Wünsche mehr offen läßt.
Dieses Ziel erfordert Forschungs- und Entwicklungsarbeiten, die in den Bereichen
— Normungsfragen, Allgemeine Grundlagen
— Studiotechnik
— Übertragungs- bzw. Verteiltechnik
— und Heimempfänger, Bildwiedergabe
einsetzen müssen. Zusätzlich ist die Durchführung übergreifender Projekte zum Aufbau von Modellsystemen für Test- und Demonstrationszwecke vorgesehen. Bei diesen Arbeiten wird eine F&E-Politik Unterstützung leisten.
3.1 Normungsfragen, Allgemeine Grundlagen
Im Gegensatz zur klassischen Fernsehtechnik, in der eine einzige Norm sowohl Studio- als auch Empfängerseite festlegte, muß zukünftig unterschieden werden zwischen Produktionsstandard, Ubertragungsstandard und Reproduktionsstandard.
Auf einen einzigen weltweit anerkannten Produktionsstandard richtet sich das Interesse der Film- und Fernsehprogramm-Hersteller. Auf der Übertragungsseite wird es je nach Übertragungsmedium mehrere Standards geben, die über Wandler an den Produktionsstandard angepaßt werden müssen. Inwieweit Reproduktionsstandards festzulegen sind, wird von der noch nicht absehbaren Entwicklung im Bereich „Displaytechnik" abhängen.
Zur Produktionsnorm:
Das wesentliche Problem für eine einzige weltweite Norm liegt in der Wahl der Halbbildfrequenz. Während die europäischen Länder bisher 50 Hz verwenden, werden in Ländern wie den USA und Japan Halbbildfrequenzen von 60 Hz eingesetzt, hierbei ist das sogenannte Großflächenflimmern wesentlich geringer. Es ist daher nicht zu erwarten, daß Länder, wie die USA und Japan, die gleichzeitig auch die größten Märkte stellen, einen neuen Standard mit 50 Hz Halbbildfrequenz akzeptieren werden. Bei der Definition der Produktionsnorm ist darüber hinaus die weltweite Bildfrequenz 24 Hz des Kinofilms zu berücksichtigen. Wegen der essentiellen Bedeutung eines möglichst weltweiten Pro-grammarktes auch für deutsche Studioproduktionen in höchster Qualität erscheint derzeit aus Sicht der Rundfunkanstalten eine HDTV-Studionorm mit 60 Hz Halbbildfrequenz zwingend.
Bei der Festlegung geeigneter Übertragungsstandards kann aus heutiger Sicht vergleichsweise sehr viel mehr auf nationale Randbedingungen, wie etwa den Ausbaustand bei Verteilsatelliten und/oder Breitbandnetzen, Bezug genommen werden. In diesem Zusammenhang müssen der derzeit beginnenden Planung einer Glasfaserinfrastruktur für die Bundesrepublik möglichst frühzeitig zuverlässige Daten über die aus einer Übermittlung digitaler HDTV-Signale resultierenden Anforderungen an diese Infrastruk-tur zur Verfügung gestellt werden.
Die derzeitige Normungs-Diskussion zeigt im übrigen ein Defizit an Daten, die zuverlässigen Aufschluß über den Zusammenhang zwischen subjektiv empfundener Bildqualität und den Systemparametern eines HDTV-Systems oder steroskopischen Fernsehsystems geben können.
Erst in den letzten Jahren wurden neue Ansätze und Lösungen für die Bildzerlegung und die Bildsynthese bekannt, die eine bessere theoretische Grundlage für einen neuen Abtaststandard ergeben.
Ein wichtiger Forschungsschwerpunkt muß daher im Bereich der Grundlagen zur Bildübertragung liegen. Dabei sind Untersuchungen zu folgenden Fragestellungen wichtig
— erforderliche Auflösung und Bandbreite für Luminanz und Chrominanz auch im Hinblick auf ein linearisiertes Display
— günstige Abtaststrategie, Zeilenzahl und Bildwechselfrequenz
— Störeffekte wie Aliasing, Rauschen, Echos, etc.
— mehrkanaliger Raumton bei HDTV-Großbilddarstellungen
— Flimmereffekte (Großflächen-, Zeilenflimmern)
— Bewegungseffekte, Bewegungsauflösung
— Meßtechnik für HDTV-Geräte
— 3 DTV, Möglichkeiten zur Erweiterung auf stereoskopisches Fernsehen.
3.2 Studiotechnik
Die Einführung eines hochauflösenden Fernsehens setzt die Beherrschung einer HDTV-Studiotechnik voraus. Eine derartige Studiotechnik hat darüber hinaus höchste Bedeutung für Anwendungen neuer Systeme wie z. B. Satellitenfernsehen mit erhöhter Bildqualität (MAC) oder digitale Bildübertragung auf Breitbandkanälen mit erhöhter Qualität etc. (kompatible Enhanced Definition Television — EDTV-Systeme). Nicht zuletzt liegt ein großes Interesse an geeigneten HDTV-Techniken für die elektronische Filmproduktion vor.
An dieser Stelle wird allerdings deutlich, daß die Wahl der Studionorm mit einer Bildfrequenz von 60 Hz für eine elektronische Filmproduktion recht ungünstig ist, falls das Endprodukt ein Film mit 24 Bildern/Sekunde sein soll. Eine Scan-Conversion mit Bildratenwandlung von 60 nach 24 Bildern pro Sekunde führt nach dem derzeitigen Stand der Technik noch zu Qualitätsverlusten in bewegten Bildbereichen. Soll die ursprüngliche Studioqualität erhalten bleiben, so ist eine Magnetbandaufzeichnung und eine elektronische Wiedergabe (z. B. mit Eidophor/Beamer Projektion) vorzuziehen.
Die ähnliche Problematik liegt vor, wenn im HDTV-Studio ein Kinofilm abgetastet werden soll. Auch hier führt die Umsetzung der 24 Bilder pro Sekunde in die Studionorm mit 60 Hz Halbbildwechsel zu Verlusten der Bildqualität in bewegten Bereichen.
Ein besonders wichtiger Schwerpunkt im Studiobereich liegt demnach in der Konzeption von geeigneten Normwandlern mit geringstmöglichen Qualitätsverlusten, dies gilt insbesondere auch für die 60 Hz/50 Hz-Wandlung.
Im einzelnen lassen sich die folgenden Arbeitsschwerpunkte für die Entwicklung von HDTV-Studioeinrichtungen erkennen:
- Bildquellen: Farbkamera (hochauflösende Aufnahmeröhren und Halbleitersensoren, Spezialobjektive, Sucher), Filmabtaster 35/70 mm, Diageber, Schrift- und Graphikgeneratoren
- Bildspeicherung: Magnetische Digitalaufzeichnung bei Bitraten 600 MBit/s, als Zwischenlösung Analogaufzeich-nung zwei Kanäle ä 25 MHz Basisbandbreite *
- Bildwiedergabe: Vgl. 3.4
- Bildbearbeitung: Mischer in Komponentenausführung, Chroma Key, Trick- und Effektgeräte, Schnittgeräte etc.
- Bildverbesserung: Digitale Rauschreduktion, adaptive halb- und vollbildgestützte vertikale Aperturkorrektur
- Normumsetzung: 60 Hz/50 Hz, 24 Hz/60 Hz
- Datenreduktion: Zeitlich-räumliche Vorfilterung und Unterabtastung, Bewegungsadaptive Verarbeitung, DPCM-Codierverfahren für eine digitale Übertragung mit 280 MBit/s
- Studiomeßtechnik: Vgl. Abschnitt 3.1.
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3.3 Übertragungs- und Verteiltechnik
Die Verteilung der HDTV-Studioproduktionen kann grundsätzlich über verschiedene Wege erfolgen. Neben dem Verteilmedium Film werden für die Verteilung von Produktionen Magnetbandaufzeichnungen, Video-Kassetten und Bildplatten konkurrierend zur direkten Übertragung über verschiedenartige Breitbandkanäle auftreten. Hier wird deutlich, daß es neben der Produktionsnorm entsprechend dem jeweiligen Verteilmedium eine Reihe von Übertragungsstandards geben wird.
Eine Trennung des Produktionsstandards vom Übertragungsstandard schafft dabei die Möglichkeit, aus dem Quellenmaterial höchster Qualität mit Hilfe von Normwandlern eine kanalangepaßte Übertragungsqualität abzuleiten. So können für verschiedene vorhandene und neue Übertragungskanäle jeweils optimal angepaßte Übertragungsstandards verwendet werden. Zu berücksichtigen sind hier (neben den zu entwickelnden HDTV-Kanälen für eine direkte analoge oder digitale Übertragung mit Studionorm und -qualität) analoge und digitale Übertragungskanäle für 525, 625 Zeilen bzw. 50, 60 Hz Bildwechsel für konventionelle PAL-Codierung aber auch Komponentencodierung. Auch in diesem Zusammenhang spielt die 60 Hz/50 Hz-Umsetzung eine zentrale Rolle.
Überzeugende Lösungen für diese Schlüsselkomponente — gerade auch für die Umsetzung der HDTV-Signale für das derzeitige PAL-Verteilnetz — sind noch zu entwickeln.
Als ergänzende Schwerpunkte von Forschung und Entwicklung werden die folgenden Themen gesehen:
- Glasfaser-Ortsnetz: Monomode-Teilnehmeranschlußleitung, Zentrale mit Verteilvermittlung, Demultiplexer/Kanalwäh-ler für den Einzelteilnehmer
- Verteilsatellit: Digitale oder breitbandige analoge HDTV-Übertragung als Ergänzung zum Glasfaser-Ortsnetz, Untersuchung des 43 GHz-Bereichs
- Rundfunksatellit: Übertragung im Bereich um 22 GHz, falls es gelingt, dafür eine internationale Frequenzzutei-lung auch in der Region 1 (Europa und Afrika) zu erhalten, wie sie bereits für die beiden anderen Regionen existiert. Entsprechende Bemühungen sind in Gang gekommen.
- Fernübertragung: Digitale Übertragung im Fernnetz mit Studioqualität, Übertragung durch Fernmeldesatelliten.
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3.4 Heimempfänger, Bildwiedergabe
Das Ziel einer HDTV-Übertragung soll es sein, dem Teilnehmer einen möglichst natürlichen Eindruck des Geschehens zu übermitteln. Dazu muß das dargebotene Bild einen hinreichend großen Gesichtsfeldwinkel bei entsprechend gesteigerter räumlicher Auflösung ausfüllen, so daß der Zuschauer das Gefühl bekommt, daß er sich in der Szene des Aufnahmeortes befindet („Telepräsenz").
Ein Wiedergabegerät für HDTV muß deshalb grundsätzlich eine Großbildwiedergabe ermöglichen. Die Systemgestaltung wird letztlich bestimmt werden durch die technologischen und wirtschaftlichen Grenzen der Realisierbarkeit einer solchen Bildwiedergabe in einem Heimempfänger. Die Einführbarkeit von HDTV steht und fällt mit der Lösung der Display-Problematik.
Die großen Abmessungen wird man aller Voraussicht nach nur mit Projektionsverfahren erreichen können. Der notwendige hohe Lichtstrom und die hohe Auflösung sind für die bislang fast ausschließlich verwendeten Kathodenstrahlröhren zwei sich widersprechende Forderungen. Bei Projektionsverfahren nach dem Lichtventilprinzip (Eidophor), die mit einer Steuerschicht und einer separaten Lichtquelle arbeiten, können Lichtstrom und Auflösung voneinander unabhängig gesteigert werden. Ein kleines kompaktes Gerät muß jedoch gefordert werden, das eine preisgünstige Massenfertigung ermöglicht. Projektionsgeräte mit Kathodenstrahlröhren werden, wenn sie die notwendige Auflösung erreichen sollen, sehr schwer und groß, und die notwendige Leuchtdichte erreicht man bislang nur mit einer speziellen, stark bündelnden Bildwand.
Für den Studiomonitor ist die Großbildwiedergabe nicht zwingend, so daß hier — nach entsprechender Weiterentwicklung — konventionelle Direktsichtgeräte mit Kathodenstrahlröhren eingesetzt werden können. Die Schattenmaskenbildröhre, die im Bildformat 3:5 mit einer Bilddiagonalen von 30" hierzu zur Verfügung steht, zeigt noch eine unbefriedigende Farb-reinheit und Helligkeit.
Neben der Weiterentwicklung bestehender Systeme und ihrer Technologie sollte nach ganz neuen Ansätzen — z. B. auf dem Gebiet der Lichtventiltechniken, der Kathodenstrahlprojektoren und des „Flachen Bildschirms" (Optoelektronik) — gesucht werden.
In Ergänzung dieser Arbeiten auf dem Gebiet der Displaytechnik müssen geeignete Bildspeichertechniken (Videorekorder, Videodisc) auch für den Einsatz im Heimbereich entwickelt werden. Darüber hinaus sollen die großen Fortschritte der Mikroelektronik zur Verbesserung der Bildqualität durch digitale Signalverarbeitungstechniken ausgeschöpft werden. Auf diese Weise kann eine Reihe der im Abschnitt 2. aufgeführten Mängel überwunden werden. Hierbei kommt insbesondere einem hochintegrierten, billigen Bildspeicher eine zentrale Bedeutung zu.
Die Fördermaßnahmen betreffen daher:
- HDTV-Displays: Geeignet zur Großbilddarstellung (1,5-2 m2) mit hoher Auflösung, hohem Lichtstrom sowie kompaktem und preiswertem Aufbau, verbesserte Lichtventil-Projektion. Andere Projektionsverfahren, Flachbildschirme
- Bildspeicherung: Videorekorder, Videodisc
- Signalverarbeitung: Unter Einsatz von Bildspeichern Vollbildwiedergabe ohne Zeilensprung, evtl. Bildfrequenzerhöhung zur Flimmerreduktion. Digitale örtlich-zeitliche Filterung und Interpolation. Decodierung von codiert übertragenen Signalen. Hochintegration der Schaltungstechnik.
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4. Durchführung
4.1 Förderungsbedingungen
Gefördert werden können grundsätzlich Forschungs- und Entwicklungsprojekte in der Industrie und in Forschungseinrichtungen sowie Pilotvorhaben von Anwendern und begleitende Untersuchungen, die dazu beitragen, die Ziele des Programms zu erreichen, und die sich in die — im vorangehenden Kapitel geschilderten — Förderungsschwerpunkte einordnen.
Projekte in der Industrie können nur gefördert werden, wenn die zu entwickelnden Komponenten, Geräte, Verfahren oder Systeme sich darüber hinaus deutlich erkennbar in die Marktstrategie des geförderten Unternehmens einordnen lassen.
Projekte in Forschungseinrichtungen können dann gefördert werden, wenn neuartige technische Lösungen erarbeitet werden, oder wenn Forschung und Entwicklung im Verbund mit der Industrie und im Vorfeld wirtschaftlicher Verwertbarkeit betrieben wird.
4.2 Projektauswahl
Die Projekte der Industrie und von Forschungseinrichtungen werden im Rahmen der einzelnen Programmschwerpunkte aufeinander abgestimmt.
Zur Vorbereitung von Förderungsentscheidungen können Sachverständige herangezogen werden, die dem BMFT Empfehlungen zur Förderungswürdigkeit unterbreiten. Hierzu gehören auch Vorschläge zur eventuellen Abänderung der Arbeitspläne von Projekten und zur Zusammenarbeit zwischen Projekten.
Zur fortlaufenden Verfolgung der einzelnen Förderungsprojekte werden Projektbegleiter berufen. Zur Verbesserung des Informationsflusses können von Zeit zu Zeit Seminare veranstaltet werden. Die Forschungs- und Entwicklungsergebnisse aus geförderten Projekten werden vom BMFT veröffentlicht.
4.3 Fördermittel
Zur Förderung von Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet „Hochauflösendes Fernsehen" gewährt die Bundesregierung aus Haushaltsmitteln des Bundesministers für Forschung und Technologie finanzielle Zuwendungen. Ihre Höhe beträgt bei nicht industriellen Forschungseinrichtungen bis zu 100 v. H., bei der Industrie in der Regel 50 v. H. der Gesamtkosten der geförderten Projekte.
Für die Fördermaßnahme „Hochauflösendes Fernsehen" stehen für den Zeitraum 1984-1988 insgesamt 60 Mio DM zur Verfügung.
5. Hinweis
An der Vorbereitung dieser Broschüre, insbesondere der Zusammenstellung und Formulierung der für notwendig gehaltenen Fördermaßnahmen zum Thema „Hochauflösendes Fernsehen" waren mit ihren Mitarbeitern und Kollegen beteiligt:
Professor Dipl.-Ing. G. Bolle
Direktor der Robert Bosch GmbH
c/o Blaupunkt-Werke GmbH
Robert-Bosch-Straße 200
3200 Hildesheim
Dr.-Ing. W. Klimek
DFVLR — Bereich für Projektträgerschaften
Linder Höhe
5000 Köln 90
Professor Dr.-Ing. G. Mahler
Heinrich-Hertz-Institut für Nachrichtentechnik Berlin GmbH
Einsteinufer 37
1000 Berlin 10
Professor Dr.-Ing. U. Messerschmid
Direktor des Instituts für Rundfunktechnik GmbH
Floriansmühlstraße 60
8000 München 45
Dr.-Ing. D. Pohl
Geschäftsleiter der Robert Bosch GmbH
Geschäftsbereich Fernsehanlagen
Robert-Bosch-Straße 7
6100 Darmstadt
Professor Dr.-Ing. H. Schönfelder
Institut für Nachrichtentechnik der Universität Braunschweig
Schleinitzstraße 23
3300 Braunschweig
Professor Dr.-Ing. B. Wendland
Lehrstuhl für Nachrichtenübertragung der Universität Dortmund
4600 Dortmund-Barop
Dipl.-Ing. H. Wolff
Technischer Direktor des SFB
Masurenallee 8-19
1000 Berlin 19
Dr. A. Ziemer
Technischer Direktor des ZDF
Postfach 4040
6500 Mainz