Die Technik der Empfangsversorgung bei Rundfunk und Fernsehen (vielleicht doch wissenswert)
Eine sehr technische Erläuterung der Grundlagen der Ausbreitung von Rundfunkwellen und deren Empfangbarkeit.
Dem Wesen des Rundfunks entspricht die Forderung, im Rahmen der technischen Möglichkeiten einem möglichst großen Teil der Bevölkerung möglichst viele Programme empfangswürdig zur Verfügung zu stellen.
Die Empfangswürdigkeit einer Sendung im technischen Sinne ist dann gegeben, wenn beim Empfang des gewünschten Senders die Wiedergabequalität weder durch das auf örtliche Störungen zurückzuführende Grundgeräusch noch durch die Signale etwaiger z. B. auf dem gleichen Kanal arbeitender Fremdsender (Interferenzstörungen) beeinträchtigt wird.
Eine Ausnahme bilden in dieser Hinsicht die Kurzwellen, bei deren Empfang die Wiedergabequalität gegenüber anderen Gesichtspunkten häufig von nachgeordneter Bedeutung ist.
Die Bedingungen des Empfangs
Zur Erzielung einer einwandfreien Versorgung müssen die beiden folgenden Bedingungen erfüllt sein:
1. Das Nutzsignal muß mit einer bestimmten Mindestfeldstärke am Empfangsort verfügbar sein, damit die von der Empfangsantenne an den Empfängereingang gelieferte Spannung das Empfängerrauschen, atmosphärische oder sonstige in der Umgebung des Empfängers erzeugte, meist breitbandige Störungen (man-made noise) um das "Rauschverhältnis" übertrifft. Dieses Rauschverhältnis beträgt etwa 30:1 entsprechend 30 dB und hängt sowohl vom Wellenbereich (wegen der unterschiedlichen Störpegel) als auch von der Art der übertragenen Darbietung (Rundfunk oder Fernsehen) sowie von der Modulationsart ab. Meist übertrifft der örtliche Störnebel das Eigenrauschen der Empfänger, so daß die Mindestfeldstärke (s. Tabelle) vom Störnebel abhängig wird und in Gebieten mit vorwiegend ländlichem Charakter kleiner sein kann als in den Städten.
2. Im Falle von Interferenzstörungen muß die Feldstärke des Nutzsignals ein bestimmtes, von der Art der Störung abhängendes Mindestverhältnis zu der Feldstärke jedes einzelnen interferierenden Störsignals in einem überwiegenden Teil der Zeit (meist 90 bzw. 99 Prozent) überschreiten. Dieses Mindestverhältnis hängt von der Modulation und Modulationsart des Nutzsenders und des interferierenden Senders sowie von deren Trägerfrequenzabstand ab.
Bei Rundfunksendern, die annähernd exakt die gleiche Trägerfrequenz benutzen, beträgt das erforderliche Mindestverhältnis je nach Qualitätsansprüchen zwischen 20:1 und 100:1 (also etwa 26 dB bzw. 40 dB), wenn sie amplitudenmoduliert sind und 10:1 bis 20:1 (etwa 20 dB bis 26 dB), wenn sie frequenzmoduliert sind.
Fernsehsender erfordern Mindestverhältnisse von 25 :1 bis 200 :1 (28 dB bis 46 dB). Die Größe eines Versorgungsgebietes ist demnach bei jedem Sender in zweifacher Weise begrenzt, so daß man beliebig große Flächen nur mit Hilfe eines flächendeckenden Netzes von Sendern versorgen kann. Dabei muß für jedes zu verbreitende Programm ein eigenes Sendernetz vorgesehen werden. Bei der beschränkten Zahl von zur Verfügung stehenden Wellen läßt es sich bei der Planung von Sendernetzen, besonders auch in den UKW-Bändern, nicht vermeiden, daß die gleiche Welle mehreren Sendern zugeteilt wird.
Nutzsender und Störsender
Jeder Sender erhält auf diese Weise eine doppelte Bedeutung: innerhalb seines Versorgungsgebietes ist er "Nutzsender", außerhalb "Störsender".
Auf diese Weise entstehen zwischen den beiden vorstehend genannten Voraussetzungen Wechselbeziehungen, weil sich nämlich z. B. eine Leistungserhöhung bei einem Sender nicht nur auf die Größe seines eigenen Versorgungsgebietes, sondern auch auf seine Störwirkung außerhalb desselben und damit auf die Größe der Versorgungsgebiete anderer Sender auswirkt. Aufgabe der Sendernetzplanung ist es, angesichts dieser Wechselbeziehungen die Senderstandorte, Wellen- und Leistungsverteilung möglichst so festzulegen, daß bei den einzelnen Sendern
1. die Versorgungsgebiete aneinander grenzen, d. h. Versorgungslücken oder Doppelversorgungen vermieden werden,
2. Interferenzstörungen auf Gebiete beschränkt bleiben, in denen auch die Mindestfeldstärke unterschritten wird.
Die Berücksichtigung von Interferenzstörungen ist demnach bei der Sendernetzplanung von besonderer Bedeutung und macht noch eine Reihe weiterer Ausführungen erforderlich. Sie erstreckt sich jedoch nicht auf Störungen durch solche Sender, die auf einer widerrechtlich benutzten Frequenz ausschließlich zu Störzwecken betrieben werden. Interferenzstörungen sind zu erwarten:
1. im Lang- u. Mittelwellenbereich durch Boden- oder Raumwelle nahe gelegener Gleichwellensender mit gleichem Programm,
2. im Lang-, Mittel- und Kurzwellenbereich durch die Raumwelle weit entfernter Gleichkanalsender mit fremdem Programm sowie durch Boden- oder Raumwelle von Nachbarkanalsendern.
3. in den Ultrakurzwellenbereichen durch Gleich- oder Nachbarkanalsender, in den UKW-Bereichen IV und V auch durch Sender auf Spiegelfrequenzen.
Gleichwellennetze, Gleichwellensender und Verwirrungsgebiete
Gleichwellennetze bestehen aus einer Anzahl räumlich benachbarter Sender, deren Trägerwellen durch besondere Maßnahmen konstant gehalten und synchronisiert werden. Die Versorgungsgebiete von Gleichwellensendern sind durch Gebiete mit Interferenzstörungen, sog. Verwirrungsgebiete, voneinander getrennt. Das Mindestverhältnis von Nutz- zu Gesamtstörfeldstärke in Gleichwellennetzen hängt von der Frequenzdifferenz der Trägerwellen ab.
Bei sehr geringen Frequenzdifferenzen (Bruchteile von 1 Hz) beträgt es etwa 3:1 bis 2:1 (etwa 6 bis 10 dB). Das Tagesverwirrungsgebiet findet man bei ausschließlicher Berücksichtigung der Bodenwellenfeldstärken, die keinen nennenswerten zeitlichen Schwankungen unterworfen sind. In einem Netz von mehreren Gleichwellensendern kann man die Gesamtstörfeldstärke mit einer komplizierten Wurzelgleichung berechnen.
Die Gesamtstörfeldstärke muß am Rande des Versorgungsgebietes des letzten Senders um das Mindestverhältnis kleiner sein als dessen Nutzfeldstärke. Die Ermittlung der Nachtverwirrungsgebiete kann trotz der zeitlichen Schwankungen der Raumwellenfeldstärke auf analoge Weise erfolgen, wenn man außer den Bodenwellen auch die Raumwellen der (n-1) Störsender berücksichtigt.
Ist die jeweilige Raumwellenfeldstärke vernachlässigbar gegen die Bodenwellenfeldstärke, so stimmen Tages- und Nachtverwirrungsgebiete praktisch überein. Durch geeignete Wahl der Senderstandorte und -leistungen sowie durch Verwendung schwundmindernder Antennen mit unterdrückter Höhenstrahlung kann man in vielen Fällen erreichen, daß die Nachtverwirrungsgebiete tatsächlich nur unwesentlich größer sind als die Tagesverwirrungsgebiete.
Das tatsächliche Versorgungsgebiet
Eine Versorgung in den Verwirrungsgebieten ist nur mit Hilfe weiterer Sender oder Gleichwellennetze auf anderen Frequenzen möglich. Trotzdem werden Gleichwellennetze nur ausnahmsweise und ungern verwendet, weil bei ihnen die im Mittel- und Langwellenbereich mögliche und meist erwünschte Fernversorgung auf Grund von Interferenzstörungen entfällt. Die Berücksichtigung der Raumwellen weit entfernter Gleichkanalsender mit fremdem Programm erfolgt trotz der starken zeitlichen Schwankungen meist auf analoge Weise wie in Gleichwellennetzen, weil die Anzahl der Gleichkanalsender im Mittel- und Langwellenbereich im Allgemeinen nur sehr gering ist. Jedoch ist das erforderliche Mindestverhältnis von Nutz- zu Gesamtstörfeldstärke auf Grund der verschiedenen Programme und der meist größeren Trägerfrequenzdifferenzen größer und beträgt 20:1 bis 100:1 (26 dB bis 40 dB).
Die zeitlichen Schwankungen werden bei der Berechnung der Gesamtfeldstärke in der Weise berücksichtigt, daß nicht der zeitliche Mittelwert der Raumwellenfeldstärken der einzelnen Störer herangezogen wird, sondern ein in nur 5 Prozent der Zeit überschrittener Feldstärkewert, den man als Quasi-Maximum bezeichnet. Dadurch wird gewährleistet, daß das gewählte Mindestverhältnis während 95 Prozent der Zeit überschritten wird. Im Bereich der ultrakurzen Wellen (also bei Ton-Rundfunk und Fernsehen) ist der Einfluß der Ionosphäre nur noch gering. Die Raumwellenstrahlung kann daher bei der Netzplanung unberücksichtigt bleiben und die Entfernung zwischen Sendern, die die gleiche Frequenz benutzen, gegenüber derjenigen im Lang-und Mittelwellenbereich erheblich vermindert werden.
Für die außerhalb des Versorgungsgebietes auftretenden Feldstärken von UKW - Sendern ist das Ausbreitungsverhalten in der Troposphäre bestimmend. Sie sind damit in hohem Maße vom Zustand der Troposphäre abhängig und unterliegen daher starken, nur statistisch erfaßbaren Schwankungen. Diese Tatsache hat in Anbetracht der erhöhten Zahl zu berücksichtigender Störer dazu geführt, Versorgungsgebiete von UKW-Sendern mit Hilfe wahrscheinlichkeitstheoretischer Untersuchungen zu ermitteln.
Das tatsächliche Versorgungsgebiet läßt sich auf diese Weise zwar hinsichtlich seiner Fläche, nicht aber hinsichtlich seiner Form ermitteln, da sich - wie das auch den Tatsachen entspricht - auf Grund der Berechnung kein zusammenhängender Bereich ergibt. Es ist aber üblich, ein äquivalentes Versorgungsgebiet mit einer eindeutigen Begrenzung anzugeben. Dabei wird diese Grenze so angenommen, daß dort die Versorgungswahrscheinlichkeit 50 Prozent beträgt. Demnach ist am Rande eines Versorgungsgebietes der Empfang an der Hälfte der Orte einwandfrei, an der anderen Hälfte unzureichend.