Das Gasplasma als Strahlungsquelle (1972)
aus FERNSEH- UND KINO-TECHNIK 1972 Nr. 6 - P. SCHULZ
- Der Beitrag gibt einen Überblick über die historische Entwicklung, die Physik und den heutigen Stand der Anwendung von Gasplasmen in technischen Strahlungsquellen (Leuchtstofflampe, Quecksilber-Hochdrucklampe, Jodid-Entladungslampe, Xenon-Lampe).
- In elektrischen Entladungslampen wird das Gas bei der Zündung plötzlich in einen Zustand übergeführt, der durch hohe elektrische Leitfähigkeit und Leuchterscheinungen gekennzeichnet ist. Für diesen Zustand hat Langmuir bereits vor fast 50 Jahren die Bezeichnung Gasplasma eingeführt.
Gekürzte Fassung des Festvortrags von Professor Dr. Paul Schulz, Lichttechnisches Institut der Universität Karlsruhe, auf der Jubiläumstagung „Licht im Lebensraum" anläßlich des 50jährigen Bestehens der Lichttechnischen Gesellschaft am 22. März 1972 in Karlsruhe
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Eine einfachere Erklärung lesen Sie hier.
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Der Plasmazustand
Man spricht auch vom Plasmazustand der Materie und faßt ihn auf als einen vierten Aggregatzustand neben dem festen, flüssigen und gasförmigen Zustand.
Im Plasmazustand sind außer den neutralen Molekülen noch positiv und negativ elektrisch geladene Teilchen vorhanden, und ein Teil der Moleküle ist zum Leuchten angeregt. Die folgenden Ausführungen sollen sich der Einfachheit halber auf Gase beschränken, die aus einatomigen Molekülen bestehen. Das sind vor allem die Edelgase und die Metalldämpfe sowie alle Gase bei höheren Temperaturen.
Im Plasmazustand sind von einem Teil der Atome Elektronen abgespalten, so daß man es mit einer Mischung von neutralen, teilweise zum Leuchten angeregten Atomen, positiven Ionen und freien Elektronen zu tun hat.
Die Gasstrecke
Ein Gas enthält auch unter Normalbedingungen einige wenige elektrische Ladungsträger, beispielsweise durch Einwirkung der kosmischen Strahlung oder durch Spuren radioaktiver Elemente. Das Gleichgewicht zwischen Bildung der elektrischen Ladungsträger und ihrer Vernichtung liegt aber unter Normalbedingungen bei so geringen Trägerdichten, daß die elektrische Leitfähigkeit verschwindend gering ist.
Eine Gasstrecke ist unter diesen Bedingungen ein ausgezeichneter "Isolator". Erhöht man jedoch die Spannung, so wird plötzlich die Strecke elektrisch leitend. Die zunächst vorhandenen Ladungsträger - insbesondere die freien Elektronen — werden im elektrischen Feld derart beschleunigt, daß sie bei einem Stoß mit einem neutralen Atom diesem ein oder mehrere Elektronen entreißen können. Es entstehen dann positive Ionen und freie Elektronen, die nun ihrerseits im Feld beschleunigt werden und weitere Ionisierungsprozesse durchführen können.
Dies führt nach Überschreiten einer kritischen Feldstärke zu einem lawinenartigen Anwachsen der Ladungsträger, und in kürzester Zeit verwandelt sich das ursprünglich nichtleitende Gas in einen guten elektrischen Leiter. Eine elektrische Gasentladung ist damit gezündet und das Gas in den Plasmazustand übergeführt worden.
Die "Entladungssäule"
Sieht man von den Bereichen in unmittelbarer Nähe der Elektroden ab, so enthält jeder Volumenteil im Mittel die gleiche Anzahl positiver Ionen und freier Elektronen. Das Plasma in diesem nahezu die gesamte Strecke zwischen den Elektroden ausfüllenden Teil, "Entladungssäule" genannt, ist quasineutral,
Damit soll angedeutet werden, daß zwar im Mittel die Anzahl der positiven und negativen Ladungsträger gleich ist, in einem kleinen Volumenelement jedoch schwankend ein geringer Überschuß an positiver oder negativer Ladung bestehen kann.
Dadurch ist dem von außen aufgeprägten elektrischen Feld ein sich fortwährend veränderndes Mikrofeld überlagert. Es kommt dadurch zustande, daß alle Partner des Plasmas {neutrale Atome, positive Ionen, Elektronen) wie die Moleküle eines normalen Gases eine thermische Bewegung ausführen und sich hierbei einmal zufällig in einem kleinen Volumenelement ein geringer Überschuß an positiven oder negativen Ladungsträgern bilden kann.
Der Ladungstransport
Die Ladungsträger werden im elektrischen Feld beschleunigt. Die Bevorzugung der Bewegung in Richtung des elektrischen Feldes wird jedoch dauernd wieder durch Stöße mit anderen Plasmapartnern weitgehend aufgehoben. Auf diese Weise kommt eine thermisch ungeordnete Bewegung der Ladungsträger zustande, der aber eine schwache Drift in Richtung der Beschleunigung durch das elektrische Feld überlagert ist.
Diese Drift bewirkt einen Ladungstransport durch das Gas. Sie ist die Ursache der elektrischen Leitfähigkeit des Plasmas. Dabei ist der durch den Ladungstransport der Elektronen hervorgerufene Strom beträchtlich größer als der durch die positiven Ionen, weil die Elektronen dem elektrischen Feld leichter folgen können als die vergleichsweise schweren Ionen.
Durch die Beschleunigung der Ladungsträger im elektrischen Feld wird ihre Bewegungsenergie erhöht. Die im Feld aufgenommene Energie wird durch Stöße auch auf neutrale Atome übertragen. Insgesamt wird also das Plasma unter der Wirkung des elektrischen Feldes aufgeheizt.
Da nun die Elektronen den Hauptteil der Energie aufnehmen, kann es dazu kommen, daß sie eine höhere mittlere Energie haben als die anderen Plasmapartner. Bei einem elastischen Stoß zwischen einem Elektron und einem (einige tausendmal schwereren) neutralen Atom wird jeweils nur ein geringer Bruchteil der Energie übertragen. Ein Energieausgleich tritt erst nach einer großen Anzahl von Stößen ein. Ist die Gasdichte gering, so ist auch die Stoßzahl verhältnismäßig klein, und es kommt deshalb nicht zu einem Ausgleich der Energien zwischen Elektronen und Atomen. Die mittlere Energie der Elektronen und damit die Temperatur des aus Elektronen gebildeten Gases stellt sich auf sehr viel höhere Werte ein als die der Atome.
Die Elektronentemperatur
Im Plasma einer Niederdruckentladung kann die Elektronentemperatur viele tausend Grad betragen, während die Temperatur des Gases aus neutralen Atomen praktisch der Zimmertemperatur gleich ist. Infolge ihrer hohen Bewegungsenergie sind die Elektronen imstande, die Atome bei einem Stoß zum Leuchten anzuregen. In einer Niederdruckentladung kann das aus Atomen gebildete Gas Zimmertemperatur haben und trotzdem Strahlung aussenden, als sei es auf eine hohe Temperatur erhitzt.
Unsere Leuchtstofflampe
Dieses Verhalten zeigt die Quecksilberniederdruckentladung in der Leuchtstofflampe. Das Gas der Lampe bleibt nahezu auf Zimmertemperatur, während die Elektronentemperatur etwa 12.000 Grad beträgt. Die Elektronenenergie reicht aus, die Strahlung der ultravioletten Quecksilberlinien anzuregen, die dann durch einen Leuchtstoffbelag an der Innenwand des Lampenrohres in sichtbares Licht verwandelt wird.
Mit zunehmendem Druck wird die Stoßzahl immer größer, und die mittleren Energien der Elektronen und Atome nähern sich. Bei Drücken von einer Atmosphäre ist die energetische Kopplung der einzelnen Plasmapartner bereits so stark, daß die mittleren Energien der Elektronen, Ionen und Atome praktisch gleich sind. Alle Plasmapartner haben dann die gleiche Temperatur (thermisches Plasma).
Solche Plasmen bestehen in den bekannten Quecksilber- und Xenon-Hochdruckentladungen. Bei der technischen Realisierung dieser Entladungen waren große technische Schwierigkeiten zu überwinden. In den Achsen dieser Entladungen liegen die Temperaturen zwischen 5.000 und 10.000 Grad. Trotzdem ist es möglich, sie in durchsichtigen Entladungsgefäßen zu betreiben, die wie beispielsweise Quarz nur auf etwa 1.000 Grad erhitzt werden dürfen. Es muß also dafür gesorgt werden, daß die Temperatur von der Achse bis zur Gefäßwand auf genügend niedrige Werte abfällt.
Betriebsdrücke von 100 Atmosphären
Dabei muß das Material des Kolbens hohen Innendrücken standhalten, nd es müssen dichte und druckfeste Stromzuführungen vorhanden sein. Die Betriebsdrücke der heute verwendeten Entladungslampen erreichen etwa bis 100 Atmosphären und die Stromstärken gelegentlich mehrere hundert Ampere.
Während in den Niederdruckentladungen im wesentlichen nur die als Resonanzlinien bezeichneten Linien, die zur Anregung die geringste Energie erfordern, ausgestrahlt werden, verschwinden sie in einer Hochdruckentladung völlig.
Es entsteht zwar in der Entladung dauernd Strahlung dieser Wellenlängen; sie wird aber sofort wieder von Nachbaratomen absorbiert. Wegen dieser Absorption der Resonanzstrahlung erscheinen in der Hochdruckentladung nur Linien, die höhere Anregungsenergien erfordern; das Spektrum wird linienreicher. Überdies werden die einzelnen Spektrallinien wegen der starken Störungen der strahlenden Atome durch benachbarte Plasmapartner verbreitert, und es entsteht ein mit Stromstärke und Druck zunehmender kontinuierlicher Untergrund.
Quecksilber-Hochdruckentladung
In der Quecksilber-Hochdruckentladung liegen die im Sichtbaren ausgestrahlten Linien im gelben (577 nm und 579 nm), grünen (546 nm), blauen (436 nm) und violetten (405 nm) Spektralbereich.
Auffallend ist, daß die Quecksilber-Entladung keine Linien im roten Spektralbereich hat, was für die Farbwiedergabe von angestrahlten Objekten sehr nachteilig ist. Man könnte daran denken, das Spektrum durch Strahlung anderer Metalldämpfe anzureichern und damit die Farbwiedergabe zu verbessern und außerdem auch noch die Lichtausbeute über die an sich schon recht hohen Werte zu vergrößern.
Dem waren aber zunächst enge Grenzen gesetzt, weil andere Metalle bei den in einem Quarzkolben zu realisierenden Temperaturen zu niedrige Dampfdrücke haben oder wie die Alkalimetalle, zum Beispiel Natrium, die Gefäßwände angreifen.
Andere Metallhalogenide
Es gibt nun eine Reihe von Metallen (zum Beispiel Thallium, Indium, Scandium, Dysprosium), deren Halogene höhere Dampfdrücke haben als die Metalle selbst.
Man kann somit bei den am Kolben zu realisierenden Temperaturen von rund 1.000 Grad höhere Drücke dieser Metallhalogenide erzeugen. Die Halogenidmoleküle gelangen durch Diffusion auch in den eigentlichen Entladungskanal.
Bei den hier herrschenden Temperaturen von 5.000 bis 10.000 Grad dissoziieren sie sofort, und es stehen somit die Metallatome für Anregungsprozesse zur Verfügung. Auch die Wolframhalogenide haben wesentlich höhere Dampfdrücke als das reine Metall.
Wolfram verdampft
Bei den bereits vor rund 25 Jahren (vor und um 1950) begonnenen Untersuchungen der Entladungen durch Halogenide hatte man sehr mit der Schwärzung der Kolben durch verdampftes Wolfram zu kämpfen. Es zeigte sich dann, daß man die Kolben durch einen geringen Zusatz von Chlor, Jod oder Brom nicht nur wieder klar machen, sondern auch von vornherein die Schwärzung der Kolben verhindern konnte.
Weitere Versuche zeigten bald, daß sich durch Beigabe von Halogeniden anderer Metalle das Spektrum auffüllen ließ und man außer der damit verbesserten Farbwiedergabe sogar noch eine höhere Lichtausbeute erzielen konnte. Die weitere Entwicklung hat dann zu den heute in großem Maße verwandten Jodid-Entladungslampen geführt, die sich durch gute Farbwiedergabe und eine sehr hohe Ausbeute auszeichnen.
Einwelliges Licht - z.B. gelb = 589nm
Der andere Weg, Entladungen durch Alkalidämpfe bei hohen Drücken zu betreiben und hierbei ein im Vergleich zur Natrium-Niederdruckentladung (nur eine gelbe Linie bei 589 nm) ausgedehnteres Spektrum zu erzielen, lag zwar für den Physiker nahe, scheiterte aber lange an nicht zu überwindenden technischen Schwierigkeiten.
Den genügend hohen Dampfdruck herzustellen, ist nicht das Problem, sondern die Aggressivität der Alkalidämpfe. Schon bei der Entwicklung der Natrium-Niederdruckentladungslampe mußte zunächst ein Glas gefunden werden, das nicht wie die damals bekannten Gläser das Natrium sofort absorbiert und sich dabei verfärbt.
Die Natrium-Hochdrucklampe
Erst in neuerer Zeit steht ein Material zur Verfügung, das auch bei hohen Temperaturen nicht vom Natrium angegriffen wird und wenigstens durchscheinend ist. Auch die Natrium-Hochdrucklampe spielt heute bei zufriedenstellender Farbwiedergabe und hoher Lichtausbeute eine zunehmende Rolle in der Lichttechnik.
Schon bei Untersuchungen über die Strahlung der Quecksilber-Hochdruckentladung hatte man gefunden, daß dem Linienspektrum ein kontinuierlicher Untergrund überlagert ist, der mit steigendem Druck und wachsender Stromstärke schnell zunimmt.
Dieses Kontinuum entsteht bei der Wiedervereinigung positiver Ionen und freier Elektronen zu neutralen Atomen. Es ist naturgemäß dann besonders stark, wenn viele Ionen und Elektronen zur Verfügung stehen. Nun sind im Gegensatz zu den meisten Metalldämpfen in den Edelgasen die Energien zur Ionisation, das heißt zur Bildung von positiven Ionen und Elektronen, nur wenig größer als die Energien zur Anregung linienhafter Strahlung.
Der Anteil von Ionen und Elektronen ist im Verhältnis zum Anteil der zur Linienstrahlung angeregten Atome somit besonders groß. Schon bei relativ geringen Drücken ist deshalb der Anteil der kontinuierlichen Strahlung im Edelplasma hoch.
Die Xenon-Hochdruckentladungslampe
Diese Überlegung hat zur Entwicklung der Xenon-Hochdruckentladungslampe geführt, die im Sichtbaren ein fast reines Kontinuum mit einer spektralen Zusammensetzung aussendet, die nahezu gleich der spektralen Verteilung des natürlichen Tageslichts ist.
Die Xenon-Lampe hat sich deshalb überall dort bewährt, wo es auf eine sehr gute Farbwiedergabe ankommt.
Im ganzen gesehen, hat man auf dem Gebiet der Lichterzeugung in elektrischen Gasentladungen bis in die jüngste Zeit große Fortschritte gemacht, und die Entwicklung ist noch weiterhin stark im Fluß. Innerhalb weniger Jahre konnte die Lichtausbeute in Hochdrucklampen bei wesentlich verbesserter Qualität der Farbwiedergabe fast verdoppelt werden.
Die Lichtausbeuten nähern sich dem Wert 100 lm/Watt. Noch höhere Werte werden in der Natrium-Niederdruckentladungslampe mit etwa 150 lm/Watt, allerdings bei Strahlung nur einer einzigen Wellenlänge im gelben Spektralbereich, erzielt.
Kernfusionsprozesse durch thermisches Plasma
Trotz der großen wirtschaftlichen Bedeutung hat diese großartige Entwicklung der Lichttechnik außerhalb des engeren Kreises der Fachleute verhältnismäßig geringen Widerhall gefunden. Dafür steht ein anderes Gebiet der Plasmaphysik, die Hochtemperaturplasmen, im Vordergrund des Interesses, weil die Hoffnung besteht, bei extrem hohen Temperaturen Kernfusionsprozesse, bei denen kaum vorstellbare Energiemengen frei werden, einzuleiten.
Dieser Prozeß spielt sich im Weltall fortlaufend ab. Das Innere der Sonne und der Fixsterne ist als ein thermisches Plasma von vielen Millionen Grad Temperatur aufzufassen. Bei diesen hohen Temperaturen sind infolge der schnellen thermischen Bewegung alle Atome ihrer Elektronenhülle vollständig entkleidet. Es liegt ein vollionisiertes Plasma vor.
Die Materie des Weltalls befindet sich demnach überwiegend im Plasmazustand. Nicht er ist also eine Ausnahme, sondern der Zustand der Materie auf der Erde und den Planeten. Lange ist es eine offene Frage gewesen, woher die Sonne und die Fixsterne die großen Energiemengen nehmen, die ständig abgestrahlt werden. Heute wissen wir, daß die Sonne zum überwiegenden Teil aus Wasserstoff besteht und in ihrem Innern durch Fusion von Wasserstoff zu Helium Energien frei werden, die groß genug sind, den Energiehaushalt zu decken.
Gekürzte Fassung des Festvortrags von Professor Dr. Paul Schulz in 1972
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