Wie funktioniert die Lichtbogen-Lampe ? (aus 1947)
Bei der deutschen Nachkriegsgeneration (nach 1945) war die Lichtbogenlampe mit sogenannten Kohlen (es sind runde Kohle- stäbe) nur noch beim Film und im Kino bekannt. Dort wurden extreme Helligkeiten mit möglichst "schneeweißer" Farbtemperatur benötigt. Und bevor es die Xenon-Lampe gab, war die sogenannte Bogenlampe konkurrenzlos. Wie komplex und diffizil diese Technik war und ist, wurde seltenst klar. Professor Dr. Wolfgang Ernst Finkelnburg hat das bis 1947 bekannte Wissen in seinem Buch sehr ausführlich beschrieben.
.
V. Bogenmechanismus und Theorie des Hochstromkohlebogens.
Jetzt sind Sie im extrem technisch wissenschatlichen Bereich angekommen. Hier wird es sehr anspruchsvoll vom Verständnis und vom Durchblick.
.
V-1. Die empirischen Grundlagen der Theorie.
Wir haben in den vorstehenden Kapiteln die bis jetzt bekannten Eigenschaften und Gesetzmäßigkeiten des Hochstromkohlebogens und seiner Strahlung ausführlich dargestellt und mußten dabei zum besseren Verständnis vieler Einzelheiten bereits verschiedentlich vorgreifend von den theoretischen Vorstellungen über den Mechanismus, besonders der anodischen Vorgänge des Hochstrombogens, Gebrauch machen, die in Wirklichkeit von uns erst aus den Experimenten und Messungen nachträglich erschlossen wurden. Diese Vorstellungen vom Bogenmechanis-mus und die bisher vorliegenden Ansätze zu einer Theorie des Hochstromkohlebogens sollen nun im folgenden so systematisch dargestellt werden, wie das beim gegenwärtigen Stand der Forschung möglich ist.
a) Der grundsätzliche Gegensatz zum Niederstrombogen.
Eine Theorie des Hochstromkohlebogens wird wesentliche Bestandteile aus der allgemeinen Bogentheorie des Niederstrombogens übernehmen bzw. an diese anknüpfen können. Das gilt für die kathodischen Entladungsteile und auch für die Theorie der Bogensäule, obwohl sich hier gezeigt hat, daß die Verhältnisse bei der Niederstromsäule in Luft wesentlich komplizierter liegen als bei der Hochstromsäule„ die wir S. 191 behandeln.
Der Schlüssel zum Verständnis der Hochstrombogen- Erscheinungen
Ein grundsätzlicher Gegensatz aber besteht zwischen Hochstrombogen und Niederstrombogen bezüglich der Vorgänge an und vor der Anodenstirnfläche beziehungsweise dem positiven Krater, und hier liegt der Schlüssel zum Verständnis der so auffallenden Hochstrombogen-Erscheinungen.
.
- Zunächst steht experimentell fest, daß und in welcher Weise quantitativ der Anodenfall bei den verschiedenen Hochstrombogenformen mit der Stromdichte wächst und damit die zunächst so unverständliche steigende Charakteristik ergibt (S. 30 f).
- Zweitens steht experimentell fest, daß, wieder im Gegensatz zum Niederstrombogen, der Anodenabbau im wesentlichen durch Verdampfung erfolgt, und daß der Betrag der sekundlichen Verdampfung eine durch Messung bekannte Funktion der Stromdichte ist, daß er insbesondere im Bereich hoher Strombelastimg linear von der im Anodenfall umgesetzten elektrischen Leistung abhängt (S.127).
- Drittens ist experimentell bekannt,daß zwischen der Kraterstrahlung jedes Hochstromkohlebogens und dem Anodenfall sowie dem Betrag der Anoden Verdampfung ein ursächlicherZusammenhang besteht in dem Sinne, daß unter sonst gleichen Bedingungen die Strahlungsdichte des Kraters mit wachsendem Anodenfall sowie mit zunehmender Anodenverdampfung wächst (S. 79).
.
b) Das empirische Hochstrombogengesetz.
Der Verfasser (16) hat nun schon 1940 aus seinen zahlreichen Messungen der Kraterleuchtdichte (die hier als Maß der gesamten Strahlungsdichte des Kraters dient), des Anodenfalls in Volt bzw. der Anodenfalleistung in Watt, sowie der Anoden Verdampfung A-A0 in g/sec oder mm/sec eine die gegenseitige Abhängigkeit dieser drei Größen darstellende empirische Formel abgeleitet, die bisher zwar noch nicht ganz theoretisch verständlich erscheint, die aber wohl als empirische Grundlage jeder künftigen Theorie der anodischen Vorgänge des Hochstromkohlebogens dienen muß.
Sie gilt nämlich nicht nur nach unsern inzwischen wesentlich erweiterten Messungen für alle untersuchten Beckbögen und sonstigen Metallsalz-Dochtbögen in dem gesamten uns zugänglichen Bereich, sondern nach ergänzenden Messungen von Guillery und Zill (38) sowie Hannappel und dem Verfasser (24) auch für Beckbögen allerhöchster Belastung.
Geprüft bei Leistungen von 1 Kilowatt bis 40 Kilowatt
Geprüft ist unsere Beziehung bisher in dem sehr weiten Bereich zwischen 15.000 und 200.000 Stilb, für Anodenfalleistungen zwischen 1.000 und mindestens 40.000 Watt und für Abbrände zwischen 100 und 4.200mm/h.
Dieses Hochstrombogengesetz ist in Abb. 111 für sieben verschiedene Fertigungen von Weichdocht-Beckkohlen (7mm Durchmesser)nach eigenen Messungen dargestellt, während Abb. 112 den guten Anschluß der Messungen von Guillery und Zill im Bereich höchster Leuchtdichten an unsere zuerst veröffentlichten Messungen zeigt.
Beide Figuren vermitteln gleichzeitig eine Vorstellung von der Streuung der Meßpunkte und damit vom Grad der Sicherheit unseres rein empirischen Bogengesetzes.
Formelmäßig dargestellt lautet es in seinem ersten, nahezu linearen Teil, wenn wir die gesamte Bogenleistung W in Watt und die Anodenverdampfung A-A 0 in mm/sec messen, für Beckbögen von 7mm Durchmesser.
Formel
Die Kraterleuchtdichte ist in diesem Bereich also proportional der je Wattsekunde erzeugten Leuchtdampfmenge.
Das Hochstrombogengesetz am Wechselstrom-Beckbogen
Haury (25) hat dieses Hochstrombogengesetz am Wechselstrom-Beckbogen geprüft und in interessanter Weise erweitert. Er fand zunächst, daß seine Wechselstromwerte mit den Gleichstrom werten von Abb. 111 zusammenfallen, wenn er bei der Berechnung von A-A0 nur den Abbrand der einen der beiden Wechselstrom-Beckkohlen berücksichtigt.
Unter Benutzung von Messungen von Schlüge und dem Verfasser am Gleichstrombogen und eigenen Wechselstrommessungen stellte er weiter fest, daß man als Ordinate statt der Leuchtdichte auch irgendeine andere Strahlungsgröße, die Frontallichtstärke, dengesamten Lichtstrom oder auch die Frontalstrahlungsstärke (S. 53) wählen kann.
Um hierbei Übereinstimmung der Kurven für den Gleich- und Wechselstrom-Beckbogen zu erhalten, muß man nun aber bei den Wechselstromwerten für A-A0 den addierten Abbrand beider Kohlen einsetzen (vgl. Abb. 113 bis 115). Das ist theoretisch vernünftig, weil zur Frontallichtstärke, dem Gesamtlichtstrom und der Frontalstrahlungsstärke alle Bogenteile, d. h. der Leuchtdampf beider Kohle beiträgt, während für die Leuchtdichte jedes der beiden Wechselstromkrater natürlich nur der aus diesem einen Krater abströmende Dampf eine Rolle spielt.
Übereinstimmung der Gleichstrom-und Wechselstromkurven
Die ausgezeichnete, von Haury festgestellte Übereinstimmung der Gleichstrom-und Wechselstromkurven in allen diesen Fällen darf wohl als Beleg für die Allgemeingültigkeit unseres Gesetzes angesehen werden. Auf der anderen Seite müßte noch durch sehr exakte Messungen an einer Kohlensorte festgestellt werden, ob die Leuchtdichte oder die Frontallichtstärke bzw. der Gesamtlichtstrom, die ja in verschiedener Weise von der Bogenleistung abhängen, das lineare Gesetz am besten erfüllen.
Es kann nämlich kein Zweifel daran bestehen, daß die einfache Form des Gesetzes (Proportionalität der Strahlung zu A-A0/W) nicht exakt und allgemein gilt.
Die Art des Leuchtsalzes in den Salzdochtkohlen
So zeigt Abb. 116, daß die aus den Meßpunkten für die verschiedenen Salzdochtkohlen gemittelten Kurven nicht genau zusammenfallen, daß vielmehr die Art des Leuchtsalzes eine wesentliche Rolle spielt.
So fallen die verschiedenen Kurven der Ceritkohlen mit der reines Cerfluorid enthaltenden RW Sola Effekt 210 gut zusammen, während die Ceritoxydkohle 208 bereits eine deutliche Abweichung zeigt. Die Lanthanfluoridkohle 2ir, die Fe-Ca-Kohle 356, und ganz besonders die Calciumfluoridkohle 20g dagegen fallen besonders weit aus dem Bereich der übrigen Kohlen.
Nach dem ersten, recht genau linearen Teil biegen die Kurven ferner alle nach rechts ab, und zwar je nach der Dochtzusammensetzung früher oder später. Dieses Abbiegen haben Hannappel und der Verfasser (24) an drei höchstbelastbaren Hartdocht-Beckkohlen genauer untersucht und die Kurven Abb. 117 erhalten. Aus ihnen folgt, daß es sich bei dem Abbiegen teilweise um einen recht deutlichen Knick handelt, der bei den drei verschiedenen Kohlen (H 65 und H 70 verschiedener Docht, H 65 und ND 65 verschiedener Dochtdurchmesser) bei ungefähr der gleichen Leuchtdichte von 65000 Stilb liegt, und dem wieder ein längerer annähernd linearer Teil der Kurve zu folgen scheint. Eine Deutung des Knicks fehlt noch.
Jetzt wirds kompliziert und hochtechnisch
Guillery hat ferner darauf hingewiesen, daß in seinen Messungen Abb. 112 die zu verschiedenen Belastungen gehörenden Meßpunkte nicht innerhalb der Meßgenauigkeit zusammenfallen, sondern daß die zu den höchsten Belastungen gehörenden Punkte noch etwas höher liegen als die übrigen.
Es sei noch bemerkt, daß unser Gesetz zunächst auf die reine Anodenfalleistung bezogen wurde, daß man aber, wie wir das in Abb. 111 und 113-117 bereits getan haben, zur Vermeidung der umständlichen Anodenfallmessungen mit Sonden einfach mit der gesamten Bogenleistung rechnen kann, dann allerdings die Bogenlänge konstant halten muß.
Diese Vereinfachung ist möglich, weil der Spannungsabfall in der Säule ebenso wie der Kathodenfall von der Stromstärke weitgehend unabhängig sind und die gesamte Bogenleistung folglich gleich der Anodenfalleistung zuzüglich eines mit der Stromstärke multiplizierten konstanten Spannungsbetrages ist.
(Im Buch Seite 165)
.
Proportionalität der Kraterleuchtdichte zur Anodenverdampfung
Zur Deutung des Bogengesetzes läßt sich noch nicht viel sagen. Die Proportionalität der Kraterleuchtdichte zur Anodenverdampfung A-A0 erscheint vernünftig, weil, wie gleich im einzelnen gezeigt werden wird, die Länge wie die Temperatur der Anodenflamme, von denen die Kraterleuchtdichte abhängt, im wesentlichen durch den Betrag der Anodenverdampfung bestimmt sind.
Unverständlich dagegen erscheint zunächst, daß die Anodenfalleistung im Nenner (der Formel) steht, da die Dampfaufheizung im Anodenfallgebiet von der Anodenfalleistung abhängen muß, und da ferner die sekundliche Anoden Verdampfung nach S. 127 ebenfalls von der Anodenfalleistung abhängt. Die Abhängigkeit der Strahlung von 1 /W ist aber nur eine scheinbare, weil A-A0 und W ja nicht unabhängige Variable sind, sondern A-A0 eben selbst von W abhängt, und zwar nach Abb. 84 mehr als proportional zu W ist. Würde man also für A-A0 die empirische Abhängigkeit f (W) von der Bogenleistung einsetzen, so würde eine positive Potenz von W im Zähler stehen, und wir hätten in Abb. III ff. eine Abhängigkeit der Strahlung von einer (noch nicht genau bekannten) Funktion von W. Das aber erscheint vernünftig.
V-2. Die Deutung der Anodenflamme.
Nächst der Übersicht über das empirische Material benötigen wir als Grundlage einer Bogentheorie ein qualitatives Verständnis der allgemeinen Bogenerscheinungen, deren wichtigste beim Hochstrombogen die intensiv strahlende Anodenflamme ist.
a) Die Deutung des Leuchtens und der Länge der Anodenflamme.
In elektrischen Gasentladungen kommen intensive Leuchterscheinungen fast ausschließlich durch elektrische Anregung zustande, indem die ausgestrahlte Energie durch die Zufuhr neuer elektrischer Energie gedeckt wird.
Dieser bekannte Mechanismus kommt zur Erklärung des Leuchtens der Anodenflamme nicht in Betracht, weil nach unseren Messungen der Potentialverteilung (vgl. S. 38) in der gesamten Anodenflamme mit Ausnahme des dem Krater direkt vorgelagerten Stücks der turbulenten Säule gleiches Potential herrscht.
Da somit in der Anodenflamme kein elektrisches Feld vorhanden ist, kann ihr auch keine elektrische Energie zugeführt werden.
Wie ist ihr Leuchten also zu erklären ?
Nach unserer Deutung (15) einfach als Strahlung eines auf sehr hohe Temperatur erhitzten Dampfes. Nach den S. 127 behandelten Abbrandmessungen verdampft ja je Sekunde beim hochbelasteten Hochstromkohlebogen bis über 1mm Länge der Positivkohle.
Dieser Dampf wird nach S. 117 auf eine Temperatur von über 6.000°K erhitzt. Bei dieser Verdampfung und Erhitzung vergrößert sich aber das Volumen des vorher festen Kohlenstoffs um den Faktor 10 hoch5. Einer sekundlichen Verdampfung von 0,5 mm Kohlenlänge entspricht damit ein von der Anodenstirnfläche senkrecht zu ihr abströmender Kohlenstoffdampfstrahl von 5 * 10 hoch3 cm/sec Anfangsgeschwindigkeit.
Die Energiezufuhr und damit die Aufheizung dieses Dampfstrahls auf seine hohe Anfangstemperatur erfolgt wesentlich in dem sehr eng begrenzten Anodenfallgebiet.
Nach Durchströmen des Anodenfallgebiets wird der hoch erhitzte Dampf durch die dauernde Neuverdampfung immer weiter von der Anode fortgeschoben (vgl. hierzu die sehr instruktiven Zeitlupenaufnahmen von Rohloff [78]!), ohne daß ihm dabei weiter Energie zugeführt wird.
Der abströmende Dampf kühlt sich folglich unter Ausstrahlung allmählich ab, wobei er sich zusammenzieht und seine Strömungsgeschwindigkeit entsprechend immer kleiner wird. Die Leuchtdichte des Dampf-Strahls nimmt entsprechend der Abkühlung bei gleichzeitiger Zusammenziehung von der Anode zur Flammenspitze hin ab.
Das scheinbare Flammenende ist erreicht, wenn die Temperatur des Dampfes so niedrig geworden ist, daß er nicht mehr merklich strahlt. Die Flammenlänge ist nach dieser Deutung gleich der mittleren Dampfgeschwindigkeit multipliziert mit der Zeit, die der hoch erhitzte Dampf benötigt, um sich bis zu der Temperatur abzukühlen, bei der seine Strahlung neben dem hell leuchtenden Krater nicht mehr erkennbar ist.
- Anmerkung : Haben Sie es verstanden ?
.
Damalige Messungen
Der Verfasser (15) hat in seiner ersten Arbeit über diese Frage die "Leuchtdauer" auf etwa 10-3 sec geschätzt und kam so bei einer berechneten mittleren Strömungsgeschwindigkeit von 2 10 hoch3 cm/sec auf eine Flammenlänge von 2cm. Die in diesem Ergebnis sich ausdrückende größenordnungsmäßige Übereinstimmung mit der Beobachtung genügte damals.
Die aktuelle Deutung (von 1947)
Heute wird an dieser Deutung der Anodenflamme nicht mehr gezweifelt. Da außerdem die Richtigkeit unserer Berechnung der Dampfstrahlgeschwindigkeit inzwischen durch direkte Messung nach verschiedenen Methoden mit der Zeitlupe von Schlüge und dem Verfasser (89), von Guillery (39) sowie durch die gleich zu besprechende Untersuchung von Rohloff (78) bestätigt worden ist, können wir heute umgekehrt aus der Dampfstrahlgeschwindigkeit und der Flammenlänge die "Abklingdauer" berechnen.
Damit wird eine für die Thermodynamik der Anodenflamme wie für die Kenntnis hoch erhitzter Plasmen sehr interessierende Größe der direkten Bestimmung zugänglich. So folgt z. B. aus einer gemessenen Flammenlänge von 10cm und einer mittleren Dampf-Strahlgeschwindigkeit von 2*10 hoch3 cm/sec eine Abklingdauer von 5*10-3 sec.
Dieser Wert erscheint vom theoretischen Standpunkt aus überraschend hoch, muß aber als experimentell gesichert gelten. Zu seiner Erklärung nimmt Th. Schmidt (90) in seiner S. 100 schon erwähnten Arbeitshypothese an, daß das Anodenflammenleuchten zum Teil, und besonders in den von der Anode entfernteren Teilen, von der Strahlung fester oder flüssiger Partikel (CeC2?) herrühre, wodurch die große Abklingdauer in der Tat sofort verständlich würde. Auf der anderen Seite wurden auch die Schwierigkeiten dieser Hypothese oben bereits erwähnt. Erst eine exakte spektroskopische Untersuchung der Anodenflamme kann diese Frage klären.
Experimentelle Bestätigung unserer Deutung
Unsere Deutung der Anodenflamme findet in einer sehr gründlichen Untersuchung der Anodenflamme durch Seeligers Mitarbeiter E. Rohloff (78) eine sehr schöne experimentelle Bestätigung und Erweiterung, auf die wir z. T. schon bei der Temperaturbestimmung S. 119 eingegangen sind.
Mittels einer eleganten Zeitlupenmethode untersucht Rohloff einmal das Verhalten der Anodenflamme nach dem Abschalten des Bogens und weiter das zeitliche Fortschreiten einer kleinen Störung in der Anodenflamme.
Er kann so nicht nur den von uns behaupteten thermischen Charakter des Leuchtens bestätigen, die Schrumpfung der abströmenden Flammendämpfe messend erfassen und die Abklingdauer des Flammenleuchtens zu 1 - 5 10-3 sec je nach Flammenlänge (bei Rohloff bis zu 9cm) ermitteln, sondern mittels einer Flammenstörung auch die Strömungsgeschwindigkeit längs der ganzen Flamme direkt messen.
Die Abb. 118 dargestellten Ergebnisse zeigen die von uns berechnete Größe der Strömungsgeschwindigkeit, ferner den erwarteten Abfall der Geschwindigkeit längs der Flamme und schließlich die nach unserer Vorstellung erforderliche Zunahme der Strömungsgeschwindigkeiten mit der Flammenlänge, die beide vom Betrag der sekundlichen Anodenverdampfung abhängen.
Flammenlänge durch Temperaturbestimmung mesen
Auf die Möglichkeit der Temperaturbestimmung aus diesen Messungen sind wir oben schon eingegangen. Von Interesse scheint noch, daß bei gleicher Flammenlänge in der Reinkohleflamme die Strömungsgeschwindigkeiten um bis zu 50% größer sind als in der Beckflamme, und daß die am Flammenende bestimmten Geschwindigkeiten von Franzmeyer (91) durch Staurohrmessungen direkt bestätigt worden sind.
Auf den linearen Zusammenhang zwischen Anfangsgeschwindigkeit und Flammenlänge (Abb. 7) haben wir vorn schon hingewiesen. Daß auch die Anfangstemperatur (dicht vor dem positiven Krater) mit der Strömungsgeschwindigkeit und damit mit der Flammenlänge, d. h. letzten Endes mit der Strombelastung zunimmt, stimmt ebenfalls mit unseren Messungen überein und wurde bereits erwähnt.
b) Die Abhängigkeit der Anodenflamme von den Versuchsbedingungen.
Aus der besprochenen Deutung der Anodenflamme folgen zwanglos die wichtigsten experimentell festgestellten Eigenschaften und Abhängigkeiten. Der schon in (15) mitgeteilte und inzwischen von Rohloff durch Messungen als linear festgestellte Zusammenhang zwischen Dampfgeschwindigkeit und Anodenflammenlänge ist nach unserer Deutung eine Notwendigkeit, ja muß geradezu als experimentelle Voraussetzung der Deutung angesehen werden.
Auch daß man mit niedrig gesalzenen Kohlen eine lange, aber schwach leuchtende, mit hoch gesalzenen Kohlen eine kurze und intensiv strahlende Anodenflamme bei gleichem Abbrand der Positivkohle und damit gleicher Dampfstrahlgeschwindigkeit erhält, scheint uns nach unserer Deutung verständlich und wurde oben S. 74 bereits erklärt.
c) Anodenflammensäume und Anodenflammenchemismus.
Die Anodenflamme ist wie der ganze Bogen im allgemeinen von leuchtenden Säumen, der sog. Aureole, umgeben, wenn diese auch ihrer relativ geringen Leuchtdichte wegen besonders auf der Photographie wenig auffällt. Sie kann aber wegen der hier ablaufenden chemischen Vorgänge noch besonderes Interesse gewinnen.
Zunächst findet an der äußeren Begrenzung des Anodendampfstrahls die Verbrennung des verdampften Kohlenstoffs statt, da der Luftsauerstoff anscheinend nicht schnell genug in den Dampf strahl hineindiffundieren kann, um sich im Volumen mit dem Kohlenstoffdampf zu vereinigen.
An der äußeren Begrenzung der Flamme wird dieser daher doch noch Energie zugeführt, nämlich die Verbrennungswärme des Kohlenstoffs. An der äußeren Begrenzung der Anodenflamme und deren Spitze können außer der Verbrennung des Kohlenstoffs auch alle übrigen mit den Gasen der Luft möglichen Reaktionen stattfinden, z. B. die durch ihre Bandenemission (S. 99 f.) bekannte CN-Bildung, aber auch Reaktionen mit Sauerstoff und dem Fluor der Beckflamme, wie die Banden des CaF, LaO und CeO zeigen. Über die Einzelheiten aller dieser Vorgänge ist noch fast nichts bekannt.
V-3. Der Mechanismus der anodischen Vorgänge.
Nach der Zusammenstellung der jeder Theorie zugrunde liegenden experimentellen Ergebnisse und nach der Deutung der Anodenflamme als der wichtigsten Hochstrombogenerscheinung machen wir jetzt den Versuch, die für den Bogen entscheidenden anodischen Erscheinungen anschaulich zu erklären, deren Theorie nach der Behandlung der Energiebilanz S. 174f. besprochen werden soll.
Endlich geht es an das Verstehen des Anodenfalls
Um den Hochstrombogen verstehen zu können, müssen wir mit dem Anodenfall des Homogenkohle-Niederstrombogens beginnen.
- Da bei diesem die Anode keine positiven Ionen emittieren kann, ist direkt vor der Anode der gesamte Bogenstrom ein reiner Elektronenstrom, und diese negative Raumladung stellt einen Spannungsabfall dicht vor der Anoden-Stirnfläche dar, den Anodenfall.
.
Die thermische Auffassung dieser Vorgänge
In dem Anodenfall werden die Elektronen beschleunigt und erzeugen durch Stoßionisation die zur Raumladungskompensation in der positiven Säule erforderlichen positiven Ionen.
Aber auch wenn die Anode Ionen zu emittieren vermag, wie das bei Salzdochtkohlen in gewissen Maß sicher der Fall ist, ist ein wenn auch geringerer Anodenfall erforderlich und vorhanden, wie man am leichtesten erkennt, wenn man die Vorgänge thermisch auffaßt.
Über die Stromdichte zwischen Säule und Anode
Dicht vor der Anode mit ihrer Temperatur von höchstens 4.000°K herrscht nach der Saha-Gleichung eine viel geringere Dichte der Elektronen und Ionen als in der Säule mit ihrer Temperatur von über 6.000°K.
Die im wesentlichen durch die Elektronendichte bestimmte elektrische Leitfähigkeit (Anmerkung : des Plasmas) ist daher vor der Anode viel geringer als in der Säule.
Da aber die durch Stromstärke und Entladungsquerschnitt gegebene Stromdichte zwischen Säule und Anode konstant und stets gleich dem Produkt von elektrischer Leitfähigkeit und Feldstärke ist, folgt, daß vor der Anode wegen der geringeren elektrischen Leitfähigkeit eine gegenüber der Säule wesentlich erhöhte elektrische Feldstärke herrschen muß. Diese ergibt, über das ganze Anodenfallgebiet integriert, den Anodenfall bei beliebig Ionen emittierender Anode.
Über die Blaswirkung des Anodendampfstrahls
Den entscheidenden Unterschied zwischen Nieder- und Hochstromkohlebogen sehen wir nun in der Blaswirkung des Anodendampfstrahls. Rein energetisch folgt, wie wir im nächsten Abschnitt zeigen werden, aus der Existenz des Dampfstrahls, daß zur Deckung der Verdampfung und Dampfaufheizung auf die gemessene Dampftemperatur im Anodenfallgebiet des Hochstrombogens eine größere Leistung umgesetzt werden muß als der Stromstärkeerhöhung entspricht, und daß diese daher nur durch Vergrößerung der Anodenfalls gedeckt werden kann, dessen Zusammenhang mit der Anodenverdampfung und der Dampfstrahlung damit verständlich wird. Der Anodenfall muß also beim Hochstrombogen mit zunehmender Strombelastung der Anode wachsen, in Übereinstimmung mit dem experimentellen Befund.
Eine schwierige Frage ohne Antwort
Weit schwieriger ist die Frage zu beantworten, wie diese Anodeniallvergrößerung durch den Dampfstrahl bewirkt wird, weil bei der Einstellung des der jeweiligen Belastung entsprechenden Gleichgewichtszustandes in etwas undurchsichtiger Weise verschiedene miteinander gekoppelte Vorgänge (Erzeugung und Nachlieferung von Ladungsträgern in einem mit der Belastung sich selbst ändernden Feld) zusammenwirken.
Wir müssen zunächst unterscheiden zwischen der Blaswirkung des Dampfstrahls auf die turbulente Säule und auf das eigentliche Anodenfallgebiet. Die Säule ist ja durch annähernd gleiche räumliche Dichte der Elektronen und Ionen ausgezeichnet. In ihr bewirkt das Blasen daher nur eine Vergrößerung der Ionenstromdichte bei entsprechender Verkleinerung der Elektronenstromdichte, aber keine zu einem Potentialgefälle Anlaß gebende Überschußraumladung.
Überschußraumladung und Ladungsträgernachlieferung
Im Anodenfallgebiet dagegen haben wir stets eine negative Überschußraumladung sowie eine Unsymmetrie der Ladungsträgernachlieferung, da Elektronen beliebig aus der Säule nachströmen können, die abströmenden Ionen aber durch Ionisation erst im Anodenfallgebiet erzeugt werden müssen.
Auch hier bewirkt zwar der Dampfstrahl nicht, wie wir früher glaubten, direkt durch Fortblasen der positiven Ionen eine Vergrößerung der negativen Überschußraumladung und damit des Anodenfalls, weil mit den positiven Ionen die gleiche Anzahl Elektronen fortgeblasen wird. Dagegen kommt die empirisch festgestellte Anodenfallvergrößerung doch indirekt durch das Blasen zustande.
Nach Heinzmann (26) ist nämlich zu bedenken, daß der Dampfstrahl direkt vor der Anode zunächst nur Anodentemperatur (d. h. rund 4.000°K) besitzen kann, also „kalt" ist im Vergleich zu der anschließenden turbulenten Säule mit über 6.000°K.
Der Dampfstrahl bläst daher von der Säulengrenze mit den Ionen und Elektronen des Plasmas Energie nach rechts fort. Da in dem so entstehenden „kühleren" Gebiet aber weniger Elektronen nachgebildet werden als vorher, kommt hier durch die Abwanderung der positiven Ionen in Feldrichtung nach rechts (Abb. 119) eine Vergrößerung der negativen Überschußraumladung im Anodenfallgebiet, d. h. eine Anodenfallvergrößerung zustande.
Diese findet erst ihr Ende, wenn die in dem vergrößerten Anodenfall beschleunigten Elektronen durch Ionisation die zur Erhaltung des neuen stationären Zustands erforderliche sekundliche Ionenmenge erzeugen.
- Anmerkung : Haben Sie es verstanden ?
.
Denkansätze für eine geschlossenen Theorie
Wir glauben somit, daß das Fortblasen der Ionen von der Anodenstirnfläche durch den Anodendampfstrahl und die dadurch bewirkte Raumladungs- und Anodenfallvergrößerung der entscheidende anodische Vorgang ist, der den Hochstromkohlebogen vom Niederstromkohlebogen unterscheidet.
Man kann die hier kinetisch dargestellten Vorgänge aber, da beim Bogen bis weit in das Anodenfallgebiet hinein noch thermisches Gleichgewicht herrscht, auch thermisch deuten.
Dann bewirkt der mit zunehmender Blasgeschwindigkeit wachsende Anodenfall über die Stöße der Elektronen und Ionen mit den Dampfpartikeln eine Temperaturerhöhung im Ionisationsgebiet vor der Anode, und dieser höheren Temperatur entspricht eine höhere Anodenflammen- und Kraterdampfstrahlung.
Auch hier findet sich also die aus der Bogenphysik bekannte scheinbare Paradoxie wieder, daß die Kühlung des Anodenfallgebiets durch den Dampfstrahl wegen des durch ihn bewirkten Ionisierungsausgleichs im Endergebnis zu einer Temperatur-Steigerung im Anodenfallgebiet führt.
Dampftemperatur und Dampfstrahlung müssen somit mit wachsender Belastung zunehmen, in Übereinstimmung mit den Meßergebnissen. Da die Ionisierung von der effektiven Ionisierungsspannung, die Strahlung aber von der mittleren Anregungsspannung der Dampfatome abhängt, ist auch der experimentell festgestellte Einfluß dieser atomaren Größen auf die Hochstrombogenvorgängc verständlich.
Ganz eindeutig geht damit aus diesen Überlegungen hervor, daß Dampftemperatur wie Dampfstrahlung (und damit auch die technisch interessierende Leuchtdichte!) physikalisch und nicht, wie oft behauptet wurde, chemisch bestimmte Größen sind. Im übernächsten Abschnitt werden wir die Versuche besprechen, den vorstehend dargestellten Mechanismus der anodischen Vorgänge zu einer geschlossenen Theorie auszubauen.
V-4. Die Energiebilanz des Anodenfallgebiets.
Zur Verschärfung unserer Einsicht in die Hochstrombogenvorgängc ist die Aufstellung einer Energiebilanz von Wert. Die gesamte im Bogen umgesetzte Leistung zerlegen wir in
.
- die im Kathodenfallgebiet umgesetzte Leistung Wk,
- die Leistung der Bogensäule Ws und
- die Leistung des Anodenfallgebiets Wa.
.
Die gesamte Bogenleistung W ist experimentell bekannt als das Produkt von Stromstärke und Bogenbrennspannung J LT. Aus den S. 40 behandelten Anodenfallmessungen ist ferner der Spannungsabfall zwischen der negativen Kohle und dem säulenseitigen Ende des Anodenfalls Uks bekannt, und damit ist
Formel wk - ws = j uks.
Die Anodenfalleistung
Die Anodenfalleistung besteht demgegenüber nicht nur aus dem Anodenfall Ua multipliziert mit der Stromstärke, sondern dazu kommt noch die beim Eintritt der Elektronen in die Anode frei werdende Austrittsarbeit Uau hinzu, deren Wert sich je Elektron zu 4,2 Volt mit einer Unsicherheit von höchstens 10% abschätzen läßt.
Die im Anodenfallgebiet umgesetzte und durch die auf die Anodenstirnfläche aufprallenden Elektronen im wesentlichen auf diese übertragene Leistung beträgt also
Formal Wa = J (U. + Uau).
Die Leistung bei der Erzeugung der Anodenflamme
Ein Teil dieser Leistung wird wie beim Niederstrombogen dazu aufgewandt, um die Anodenstirnfläche und die hinter ihr liegenden Schichten der Positivkohle auf Glühtemperatur zu erhitzen und deren Energieverlust durch Abstrahlung der festen Kohle zu decken.
Dieser Anteil dürfte seinem Betrag nach etwa mit dem des Niederstrombogens übereinstimmen und sei deshalb Wn genannt. Der Rest der zugeführten Energie Wa-Wn, soll nach unseren Vorstellungen zur Verdampfung des Anodenmaterials und Erhitzung des Dampfes unter Expansion auf das 10 hoch5-fache auf die Temperatur von über 6.000°K aufgewandt werden, dient also zur Erzeugung der Anodenflamme.
Bezeichnen wir mit Q (T) die zur Verdampfung und Erhitzung von 1g Anodenmaterial auf die Temperatur T erforderliche Energie, so lautet die Energiebilanz für das Anodenfallgebiet
Formel J(Ua + U?n)=WN +(A-A0)Q(T).
In Arbeit (16) haben wir die Größe WN abgeschätzt und dann für eine Anzahl verschiedener Beckbögen und einen Homogenkohle-Hochstrombogen für jeweils acht verschiedene Belastungen nach obiger Gleichung die Größe Q berechnet.
Dabei ergab sich, daß ihr Wert für jede einzelne Kohlensorte innerhalb 8% konstant war, während sein Betrag für die bestuntersuchte Beckkohle RW Sola Effekt 134 gleich 1,0 * 10 hoch5 Wattsekunden je Gramm Anodenmaterial war. Auf S. 128 hatten wir für die gleiche Größe Q auf der Abbrand-Leistungskurve Abb. 84 einen Wert von 1,3 10 hoch5 Wattsec/g ermittelt. Aus der angenäherten Konstanz der Q-Werte schlossen wir in Arbeit (16) auf die grundsätzliche Richtigkeit unserer Vorstellungen vom Anodenfallmechanismus, da der zu erwartende Anstieg von Q(T) mit der Belastung innerhalb der Fehlergrenzen der rohen Bilanzrechnung liegen mußte.
Elektrische Anodenfallenergie samt Strahlungsanteil
Bei dieser Rechnung war aber vernachlässigt worden, daß die Anode nicht nur durch Elektronenenergie, sondern auch durch Rückstrahlung der ihr vorgelagerten erhitzten Dämpfe aufgeheizt wird. Aus der Annahme, daß diese nach rückwärts ebensoviel strahlen wie nach vorwärts, und daß entsprechend dem mittleren Absorptionsvermögen der Kohle etwa 70% dieser Strahlung absorbiert und zur Aufheizung verwandt werden, entnimmt man unseren Gesamt Strahlungsmessungen S. 58, daß zu der elektrischen Anodenfallenergie noch ein Strahlungsanteil von etwa 30% hinzukommt, wodurch der Wert von Q für die Beckkohle RW Sola Effekt 134, für die allein Gesamtstrahlungsmessungen vorliegen, in Übereinstimmung mit unserm Q-Wert von S. 128 auf 1,3 10 hoch5 Wattsec/g steigt.
Angesichts der Unsicherheit, die die ungenaue Kenntnis der Rückstrahlung zur Anode in unsere Anodenfallenergiebilanz hineinbringt, scheint es verfrüht, sich über Verfeinerungen wie die Beteiligung der Verdampfungswärme des Kohlenstoffs, die Inkonstanz von A0 usw. schon jetzt Gedanken zu machen. Auch eine rein theoretische Berechnung von Q-Werten aus atomaren Daten zum Vergleich mit den aus der Bilanz folgenden Werten scheint bisher nicht möglich zu sein.
Die hinreichend gesicherte Energie-Bilanzrechnung
Trotzdem scheint uns nach dem Ergebnis der rohen Bilanzrechnung unsere Vorstellung, daß die im Anodenfallgebiet umgesetzte Energie teils zur Aufheizung der festen Anode und teils über Verdampfung und Erhitzung von Anodenmaterial zur Bildung der Anodenflamme aufgewandt wird, experimentell wie theoretisch hinreichend gesichert, um als Grundlage einer späteren Theorie dienen zu können.
Zur Vermeidung von Mißverständnissen sei dabei bemerkt, daß abgesehen von der von der Anode absorbierten Strahlung die sehr erhebliche Strahlung der Anodenflammendämpfe in unserer Rechnung nicht aufzutreten braucht, da für die bisher angestellte Bilanzrechnung gar nicht interessiert, in welcher Weise die dem Anodenfallgebiet zugeführte Energie schließlich insgesamt wieder abgeführt wird.
Tatsächlich geschieht das in Form von Strahlung und Wärmeleitung des glühenden Anodenendes, in Form von Strahlung der Anodenflamme und in Form der verwickelten strahlungsloscn Wärmetransportvorgänge in den Grenzzonen der Anodenflamme, die unter dem Begriff der erweiterten Wärmeleitung zusammengefaßt werden. Diese gesamten Wärmeleitungsverluste sind bisher einzeln quantitativ nicht erfaßbar, und daher ist auch diese zweite mögliche Form der Energiebilanz der anodischen Vorgänge nicht quantitativ durchgeführt.
V-5. Die Theorie des Anodenfalls beim Hochstromkohlebogen.
.
Voraussetzung der Beherrschung des Hochstromkohlebogens
Unsere in den vorhergehenden Kapiteln dargestellten Untersuchungen haben immer wieder auf die entscheidende Bedeutung der Vorgänge im Anodenfallgebiet hingeführt, über das wir auf rein experimentellem Wege nur wenig Aufschluß gewinnen können.
Erst ein theoretisch klares, quantitatives Verständnis der Verhältnisse und Vorgänge im Anodenfallgebiet kann also auch die Voraussetzung der Beherrschung des Hochstromkohlebogens bilden. Als Grundlage einer Anodenfalltheorie müssen dabei die experimentellen Ergebnisse sowie unsere Betrachtungen von S. 169 über den Mechanismus der anodischen Vorgänge dienen.
a) Modellvorstellungen und Möglichkeiten einer Anodenfalltheorie.
Es gibt grundsätzlich zwei verschiedene Modellvorstellungen, die zu Ansätzen für Anodenfalltheorien führen, und zwar eine thermische und eine kinetische Vorstellung.
Die von Steenbeck (92) stammende, quantitativ noch nicht durchgeführte thermische Theorie geht davon aus, daß erfahrungsgemäß die Vorgänge im elektrischen Bogen, und zwar bis weit in das Anodenfallgebiet hinein, durch eine Größe, die Temperatur, bestimmt sind, und daß deshalb eine rein thermische Theorie des Anodenfalls möglich sein muß, deren Grundvorstellungen wir gleich besprechen.
Schon älter sind die auch auf Unterhaltungen mit Steenbeck und Schlüge zurückgehenden Versuche von Heinzmann und dem Verfasser (26), auf Grund der allgemeinen, für alle Entladungen geltenden gaskinetischen und elektrischen Grundgleichungen unter Berücksichtigung der aus dem Experiment bekannten Daten (Randbedingungen) den Verlauf aller interessierenden Größen im Anodenfallgebiet, sowie dessen Dicke zu berechnen.
Diese kinetische Theorie ist als einzige bisher wirklich durchgeführt worden und führt zu eindeutigen Schlüssen auf die entscheidenden Vorgänge im Anodenfallgebiet des Hochstromkohlebogens und ihre Unterschiede gegenüber dem Niederstrombogen, wobei unsere Grundanschauungen über den anodischen Mechanismus sich zu bestätigen scheinen. Wir behandeln zunächst die thermische und dann die kinetische Anodenfalltheorie.
b) Die thermische Anodenfalltheorie.
Steenbeck nimmt bei seiner thermischen Theorie die experimentell festgestellte Verdampfung des Anodenmaterials und den dadurch entstehenden Dampfstrahl als gegeben an, geht also davon aus, daß von der Anodenstirnfläche (dem positiven Krater) je Sekunde A-A0 Gramm Anodenmaterialdampf von Anodentemperatur (höchstens 4.000°K) ausgehen und im Anodenfall auf die Temperatur der turbulenten Säule (über 6.000°K) aufgeheizt werden.
Er setzt ferner voraus, daß in dem räumlich eng begrenzten Anodenfallgebiet der Energieverlust des Dampfes durch Ausstrahlung vernachlässigt werden darf.
Rechnet man nun nach Abb. 119 x von der Anoden -Stirnfläche nach rechts (wobei stets eindimensional gerechnet wird), und sei an der Stelle x das Potential U, die Feldstärke E, und im ganzen Anodenfallgebiet die Stromdichte konstant j, so gilt für einen Ausschnitt der kleinen Länge dx eine komplexe Formel, die wir hier nicht weiter vertiefen wollen.
Notwendig zu dieser Berechnung wäre die Kenntnis der Funktionen cp(T) und or(T), d. h. der Temperaturabhängigkeit der spezifischen Wärme und der elektrischen Leitfähigkeit des Anodenmaterialdampfes. cp(T) ist aus atomphysikalischen Daten berechenbar, für ein Dampfgemisch wie das der Beckflamme allerdings recht mühsam, während cr(T) durch die Saha-Gleichung und die effektive Ionisierungsspannung des Dampfes bestimmt ist.
Es ist ein Vorzug dieser thermischen Theorie, daß man den Einfluß mancher interessierender Parameter sofort übersehen kann. So steigt beispielsweise a(T) sehr steil mit der Temperatur. T (x) muß dehsalb von der Anode aus zunächst sehr schnell wachsen, um sich dann asymptotisch der Säulentemperatur zu nähern. Eine scharf definierte Grenze des Anodenfallgebiets gegen die turbulente Säule ist folglich nicht zu erwarten.
Schlussforlgerungen aus vielen Formeln
Besonders interessant ist die Einsicht, daß nach (6) die Temperatur im Anodenf allgebiet um so größer sein muß, je geringer die elektrische Leitfähigkeit dort ist, und das heißt wegen der Saha-Gleichung, je größer die effektive Ionisierungsspannung des Dampfes dort ist.
Dieser Zusammenhang war von uns aus qualitativen Überlegungen schon lange behauptet worden und stimmt mit der Erfahrung ausgezeichnet überein (vgl. S. 75). Durch Steenbecks Überlegungen findet vielleicht auch die Rolle des Fluors im Beckbogen als die eines elektronegativen, Elektronen herausfangenden und damit die Leitfähigkeit herabsetzenden Elements ihre Erklärung. Ob diese Wirkung aber wirklich auch bei der hohen Temperatur des Anodenfallgebiets noch besteht, müßte untersucht werden.
Die thermische Anodenfalltheorie ist also äußerst einfach und durchsichtig.
(meint der Herr Professor)
.
Zu viele Vereinfachungen und Vernachlässigungen
Sie enthält andererseits so viele Vereinfachungen und Vernachlässigungen, daß auch nach Ansicht von Steenbeck ihre quantitative Durchführung kaum zuverlässige Daten erhoffen läßt. Einmal nämlich ist die Voraussetzung der Rechnung, daß Strahlungsverluste vernachlässigt werden dürfen, zum mindesten recht zweifelhaft.
Auch die Bestimmung der Dicke des Anodenfallgebiets als des x-Werts, bei dem die Aufheizung beendet ist und Strahlungsverluste entscheidend werden, erscheint recht unsicher, wenn auch dieser Einwand bei der Unsicherheit der Definition der Fallraumdicke nicht sehr schwerwiegend ist.
Eine sehr ernste Vernachlässigung der thermischen Theorie ist es aber, daß sie nur einen Teil der energieverbrauchenden Vorgänge erfaßt, nämlich die Dampfaufheizung, nicht dagegen den ebenso wichtigen der Dampferzeugung. Der Anodenfall stellt sich nach unsern S. 170 behandelten Vorstellungen ja so hoch ein, daß die im Anodenfallgebiet umgesetzte elektrische Energie einschließlich der von der Anode absorbierten Strahlungsenergie gerade zur Verdampfung und Aufheizung von A-A0 Gramm Anodenmaterial je Sekunde ausreicht.
Der aus der thermischen Theorie folgende Betrag der Anodenfallspannung muß also beträchtlich kleiner sein als der tatsächliche Anodenfall, weil in der Rechnung die Verdampfung nicht berücksichtigt ist.
Der für sie aufzuwendende Spannungsbetrag wäre nun zwar durch eine unabhängige Zusatzrechnung zu ermitteln und könnte dann zu dem aus der thermischen Theorie folgenden Spannungsbetrag addiert werden, sofern er nicht wenigstens teilweise durch die Rückstrahlung der erhitzten Dämpfe zur Anode gedeckt wird.
Grundsätzlich unbestimmt bleibt dann aber u. E. der Spannungs- und Feldstärkeverlauf im Anodenfallgebiet dicht vor der Anode.
Der schwerwiegendste Einwand
Der schwerwiegendste Einwand gegen die thermische Anodenfalltheorie aber dürfte auch nach Ansicht von Steenbeck der sein, daß die der Theorie zugrunde liegende Voraussetzung des thermischen Gleichgewichts im gesamten Anodenfallgebiet sicherlich nicht erfüllt ist.
Durch Einwandern von Elektronen aus den anodenfernen Gebieten höherer Temperatur in das anodennahe Gebiet wird hier vielmehr eine wesentlich höhere elektrische Leitfähigkeit erzeugt werden als aus der thermischen Theorie folgt.
Daher müssen die Potential- und Feldverhältnisse vor der Anode abweichend von den Ergebnissen der thermischen Theorie wesentlich durch die Feldbewegung und Diffusion der Ladungsträger bestimmt sein.
Zusammenfassend kann man wohl sagen, daß die thermische Theorie für den säulenseitigen Teil des Anodenfallgebiets den richtigen Verlauf der Temperatur, des Potentials und der Feldstärke ergeben wird, daß sie dagegen über die Verhältnisse in dem der Anode direkt vorgelagerten Gebiet wenig aussagen kann.
.
c) Die kinetische Anodenfalltheorie
Die auf Grund von Unterhaltungen mit Herrn Steenbeck entstandene und von Heinzmann und dem Verfasser (26) im einzelnen durchgeführte kinetische Anodenfalltheorie sieht von der Tatsache des thermischen Gleichgewichts in mindestens einem Teil des Anodenfallgebiets zunächst vollständig ab.
Ihr Gedankengang ist der folgende:
Da die Stromstärke im ganzen Bogen, d. h. in der Säule wie im Anodenfallgebiet, konstant ist, vor der Anode aber ein die Säulenfeldstärke um mehr als eine Größenordnung übersteigendes elektrisches Feld und eine entsprechend große Geschwindigkeit der Ladungsträger herrscht, muß vor der Anode die Dichte der Elektronen und Ionen um mehr als eine Größenordnung geringer sein als in der anschließenden turbulenten Säule.
Zwischen Anode und Säule, d. h. im Anodenfallgebiet, muß folglich eine beträchtliche Ionisation stattfinden, und die hierzu erforderliche Verteilung von Potential, Feldstärke und Raumladung soll unter Berücksichtigung der durch das Experiment gegebenen Randbedingungen aus den zwischen U, E und q, den Stromdichten j+ und j-, sowie den Geschwindigkeiten v+ und v- der positiven Ionen und Elektronen bestehenden allgemeinen Gesetzen (Raumladungsgleichung, Kontinuitätsgleichung usw.) berechnet werden.
Dabei soll der Hochstromkohlebogen gegenüber dem Niederstrombogen, abgesehen von den experimentell gegebenen veränderten Werten von Stromstärke und Anodenfall nur durch die Blasgeschwindigkeit des Anodendampfstrahls ausgezeichnet sein.
Man könnte es berechnen
Während beim Niederstrombogen also die gerichtete Geschwindigkeit der Elektronen und Ionen vor der Anode ausschließlich durch ihre Beweglichkeiten b+ und b- und die ortsabhängige Größe der Feldstärke E (x) nach der Gleichung
Formel v(x) =bE(x)
bestimmt ist, überlagert sich dieser Feldgeschwindigkeit beim Hochstrombogen die Blasgeschwindigkeit des Dampfstrahls, so daß beim Hochstrombogen die gerichtete Ladungsträgergeschwindigkeit gegeben ist durch
Formel v(x)=bE(x)±u,
wobei das positive Vorzeichen für die Ionen, das negative für die Elektronen gilt. Dabei wird die Feldgeschwindigkeit der Elektronen durch u wegen ihrer Größe nur unmerklich verkleinert, die der positiven Ionen dagegen am säulenseitigen Ende des Anodenfallgebiets erheblich vergrößert, weil hier u um ein Vielfaches größer ist als die Feldgeschwindigkeit b+E der schweren Ionen.
Die obigen Gleichungen genügen bei experimentell bekannter Gesamtstromdichte j zur Berechnung der sieben Unbekannten U, E, 0, g+, q-, j+ und j-, da auch die genügende Zahl der Randbedingungen gegeben ist. Dabei ist allerdings eine Aussage über die Ionenemission der Anodenoberfläche erforderlich, die zunächst gleich Null gesetzt wurde.
Manche Gleichung kann man nicht lösen !!
Für den Hochstromkohlebogen dagegen ließ sich überraschenderweise das obige Gleichungssystem nicht lösen, da für ihn eine mit den Randbedingungen verträgliche Lösung offenbar nicht existiert.
Das kann wegen der allgemeinen Gültigkeit der Gl. (1 bis 6) nur an der Ionisierungsbedingung (7 b) liegen, die die Verhältnisse nicht mehr richtig beschreiben kann, sobald die thermische Ionisierung eine entscheidende Rolle zu spielen beginnt.
Das ist aber, wie wir glauben, beim Hochstrombogen der Fall, und die Rechnung ergab, daß in dem für die thermische Ionisation wesentlichen säulenseitigen Teil des Anodenfallgebiets die Bedingungen für thermisches Gleichgewicht genügend erfüllt sind, und daß dieses weiter durch den berechneten Trägerentzug nicht wesentlich gestört wird.
Versuchen wir es mit einem Kunstgriff
Wir drehen deshalb den Gang der für den Niederstrombogen durchgeführten Rechnung um, indem wir jetzt die Ionisierungsfunktion (7b) als Unbekannte f (U) bzw. f (x) auffassen und dafür zum Ersatz der nun fehlenden letzten Gleichung den unbekannten Potentialverlauf U(x) willkürlich als Polynom 4. Ordnung ansetzen, wobei sich gerade alle Koeffizienten aus den Randbedingungen ermitteln lassen und die (streng allerdings nur für den Homogenkohlebogen zutreffende) Randbedingung der verschwindenden Ionenemission der Anode wie beim Niederstrombogen wieder eine Bestimmungsgleichung für die Dicke des Anodenfallgebiets ergibt, die natürlich zum gleichen Ausdruck wie oben beim Niederstrombogen führt und damit auch größenordnungsmäßig gleiche Werte der Anodenfalldicke ergibt.
Wir übergehen die ganzen Berechnungen ohne Ergebnis . . .
Die hier nur angedeutete und ohne Zahlenbeispiele wiedergegebene Anodenfalltheorie von Heinzmann und dem Verfasser führt also entsprechend unseren ersten Vermutungen (15, 16) die Unterschiede zwischen Niederstrom- und Hochstrombogen allein auf die Blaswirkung des durch die Anoden Verdampfung entstehenden Dampf Strahls zurück.
Sie gestattet die nicht direkt meßbare Dicke des Anodenfallgebiets d zu etwa 0,1 mm zu berechnen, und gibt Aufschluß über den Verlauf des Potentials, der Feldstärke, der beiden Raumladungen, des Ionenstrom-anteils und der Ionisierung im Anodenfallgebiet. Mit Rücksicht auf die S. 177 diskutierte Begrenzung der Gültigkeit der thermischen Theorie ist es interessant, daß die Feldstärke vor der Anode mit größenordnungsmäßig 10 000 Volt/cm die Säulenfeldstärke um drei Zehnerpotenzen übersteigt! Einzelheiten sind aus (26) zu ersehen.
d) Offene Probleme der Anodenfalltheorien.
Sieht man von den durch exaktere, wenn auch oft sehr komplizierte Rechnungen und numerische oder graphische Auswertungen noch zu verbessernden Unvollkommenheiten der z. Zt. bekannten Anodenfalltheorien ab und betrachtet nur deren grundsätzliche Schwierigkeiten und die durch sie bedingten offenen Fragen, so erkennt man folgendes:
Die thermische wie die kinetische Theorie gehen von experimentell bestimmten Randbedingungen aus und suchen aus ihnen den Verlauf der physikalisch interessierenden Größen im Anodenfallgebiet zu berechnen.
Ob dabei die thermische Theorie von den experimentell zu bestimmenden Temperaturen der Anode und der turbulenten Säule, oder die kinetische Theorie von den experimentellen Werten des Anodenfalls, der Ionenemission der Anode und eventuell noch der Säulenfeldstärke ausgehen, ist grundsätzlich gleichgültig.
Das Ziel einer wirklichen, geschlossenen Anodenfalltheorie müßte demgegenüber darin bestehen, aus den gegebenen Konstanten wie der Ionisierungsspannung und der spezifischen Wärme der betreffenden Bogengase und -dämpfe die Abhängigkeit aller interessierenden Größen von der einzigen willkürlich einstellbaren Größe, nämlich der Stromstärke bzw. Stromdichte zu berechnen.
Eine derartige vollständige Theorie würde daher nicht nur einen bestimmten stationären Zustand wie den eines Hochstromkohlebogens gegebener Stromdichte beschreiben, sondern auch die bei Steigerung der Stromstärke vor sich gehende Entwicklung des Hochstrombogens aus dem Niederstrombogen (vgl. S. 7) quantitativ wiedergeben müssen. Zu einer solchen vollständigen Theorie liegen aber kaum die ersten tastenden Versuche vor.
.
V-6. Mechanismus und Theorie des normalen und des zischenden Homogenkohlebogens.
Bei der Besprechung der Eigenschaften des zischenden Homogenkohlebogens S. 411. wurde bereits darauf hingewiesen, daß die Voraussetzung zu seiner Erklärung das Verständnis des normalen, nicht zischenden Homogenkohlebogens ist, der besonders durch seine konstante Stromdichte von rund 40 Amp./cm2 an der Anode ausgezeichnet ist, die er unabhängig vom Kohlematerial und der Gesamtstromstärke im gesamten von uns untersuchten Bereich beibehält.
.
a) Die Theorie der Stromdichtekonstanz beim normalen Anodenfall des Homogenkohlebogens.
Schlüge (86) hat diese Frage theoretisch behandelt, wobei er von der zunächst rein formalen Analogie zu der konstanten kathodischen Stromdichte im normalen Kathodenfall von Glimmentladungen ausgeht, die sich z. B. in dem völlig gleichen Bau unseres Ausdrucks für die Anodenfalldicke S. 179 und des im Engel-Steenbeck 1) abgeleiteten für die Dicke des normalen Kathodenfallgebiets der Glimmentladungen ausdrückt.
Entscheidend ist, daß die Kurve bei einer bestimmten Stromdichte ein Minimum des Anodenfalls zeigt, und daß dieser Kurvenverlauf unabhängig von allen speziellen Annahmen über die in die Theorie eingehenden Konstanten stets herauskommt.
Bei der großen Zahl von Vereinfachungen in der hier nicht wiedergegebenen Rechnung und bei der Unsicherheit vieler eingehender Konstanten ist eine quantitative Übereinstimmung mit den empirischen Werten (beim Homogenkohlebogen Ua - 30 Volt und Ir 40 Amp./cm2) nicht zu erwarten. Die von Schlüge gefundene Übereinstimmung, bei der beide Werte ungefähr um den Faktor 2 zu hoch herauskommen, erscheint daher schon recht befriedigend. Denn das entscheidende ist beim gegenwärtigen Stand des Problems der Nachweis, daß die Theorie überhaupt ein Minimum des Anodenfalls für eine bestimmte Stromdichte ergibt.
Aus Abb. 121 folgt, daß eine kleinere Stromdichte als die dem Minimum der Kurve entsprechende nicht möglich ist, weil sie eine Vergrößerung des Anodenfalls, d. h. des Energieumsatzes im Anodenfall bedingen würde. Ob die empirisch festgestellte Unmöglichkeit einer größeren Stromdichte als der des Minimums auf dem schwachen Anstieg der Kurve nach rechts beruht oder auf der dann plötzlich (aus noch unbekannter Ursache) einsetzenden Kontraktion des anodischen Bogenansatzes, d. h. auf dem Umschlag in die energetisch benachbarte zischende Brennform des Bogens, ist noch nicht bekannt. Hierfür wird die zunächst noch recht formale Theorie von Schlüge durch kinetische Gedanken und Ansätze erweitert werden müssen.
b) Der Mechanismus des Zischens.
Über die Zisch-Vorgänge an der Anode hat Schlüge (89)aus den S. 41 f. behandelten Untersuchungen folgendes erschlossen: Im Gegensatz zum Beckbogen ist die Säule des Homogenkohle-Hochstrombogens in ihrer ganzen Länge zwischen Kathode und Anode auf einen Durchmesser von 2-3mm (bei 75 Amp.) kontrahiert. Im Anodenfallgebiet kontrahiert der Bogen noch viel stärker und setzt an der Anode mit einem Mikrobrennfleck von nur etwa 0,3mm Durchmesser an, in dem eine Stromdichte der Größenordnung 50.000 Amp./cm2 herrschen muß.
Dieser Mikrobrennfleck läuft mit einer Geschwindigkeit von etwa 300 m/sec kreisend in dem größeren Brennfleck um, der sich seinerseits entsprechend der Bewegung der Bogensäule, deren anodischen Fußpunkt er bildet, über die Stirnfläche der Anode bewegt.
Die Bewegung des großen Brennflecks erfolgt nun nach Schlüge beim hochbelasteten Bogen mit Winkelstellung der Kohlen stets regelmäßig vom unteren, der Kathode näheren Rand der Anodenstirnfläche zu deren oberem Rand, wo die Entladung durch Neuzündung am unteren Rand abreißt.
Dieser Vorgang, der mit einer Frequenz von 1.500-2.000 Hz erfolgt, steht in Übereinstimmung mit dem vielseitigen experimentellen Befund, dürfte also kaum mehr zu bezweifeln sein. Versuche ergaben auch eindeutig (vgl. S. 51), daß diese Bewegung offenbar durch das Eigenmagnetfeld des Bogenstroms bewirkt wird, oder mindestens ihre große Regelmäßigkeit erhält.
Noch keine Theorie der Erscheinung
Die wesentlichen bisher bekannten Tatsachen des Zischens scheinen so verständlich zu sein, wenn auch eine Theorie der Erscheinung noch fehlt. Diese müßte zunächst die Erscheinung der anodischen Kontraktion beim Homogenkohlebogen im Gegensatz zu den nicht zischenden Salzkohlebögen erklären, die wohl sicher mit der Ionenemission der letzteren zusammenhängt.
Sie muß weiter zeigen, warum beim nicht-zischenden Bogen mit dem eben behandelten normalen Anodenfall keine anodische Kontraktion stattfindet. Sie muß schließlich die Abhängigkeit der Erscheinungen vom Kohlematerial erklären, die sich in der gesetzmäßigen Abhängigkeit aller Zischerscheinungen (vgl. Abb. 20 bis 22) vom spezifischen Widerstand (und damit wohl auch vom Wärmeleitvermögen) ausdrückt.
c) Die Ermittlung von Säulengradient und Anodenfall des zischenden Homogenkohle- Hochstrombogens.
Die Schlugeschen Experimente gestatten nun direkt die Ermittlung des Gradienten der kontrahierten Bogensäule sowie der Summe von Kathoden- und Anodenfall. Aus den Oszillogrammen sind nämlich die zu den beiden in Abb. 2 gezeichneten extremen Säulenlängen gehörenden Brennspannungswerte zu entnehmen. Da die Größe des Kathoden- wie des Anodenfalls aber von der Bogenlänge unabhängig sein muß, können wir aus den auf den Filmaufnahmen ausmeßbaren Säulenlängen und den zugehörigen Brennspannungswerten den Säulengradienten E sowie den Wert der Summe Uk + Ua berechnen.
Es ist ja
U = EL + (Uk + Ua), wenn L die gemessene Säulenlänge bedeutet. Die Unbekannten E und (Uk + Ua) dieser Gleichung lassen sich berechnen, da wir zwei Gleichungen (für die größte und für die kleinste Bogenlänge) zu ihrer Bestimmung haben. Die Ergebnisse sind für eine Anzahl von Stromstärken in Tab. 8 zusammengestellt.
Tabelle 8. - Kathodenfall und Anodenfall
Werte des Säulengradienten E und der Summe von Kathoden- und Anodenfall für verschiedene Kohlen und Belastungen des Homogenkohle-Hochstrombogens
nach Schlüge.
Kohlenart 7mm 0 | Stromstärke | Gradient E | Ua + Uk |
---|---|---|---|
Amp. | Volt/cm | Volt | |
Graphit „534" | 45 | 20 | 29 |
75 | 22 | 28 | |
Ruß(RW Gamma V) | 45 | 33 | 32 |
75 | 35 | 28 |
Der Säulengradient ist größer als erwartet. Besonders überraschend aber ist der kleine, und mit der Stromstärke im Gegensatz zum Beckbogen nicht zunehmende, Wert der Summe von Anoden- und Kathodenfall. Rechnet man nämlich, was ungefähr den Tatsachen entsprechen muß, für den Kathodenfall den Betrag von 10 Volt, so bleibt für den Anodenfall nur ein innerhalb der Fehlergrenze konstanter Betrag von knapp 20 Volt übrig. An der Richtigkeit dieser Berechnung zu zweifeln sehen wir aber keinen Grund.
.
d) Die Deutung der Anodenfallmessungen am Zischbogen.
Wie sind angesichts dieser neuen Anodenfallwerte nun die größere und mit der Belastung leicht ansteigende Anodenfallwerte ergebenden Sondenmessungen von Abb. 19 S. 40 zu verstehen?
Hierzu ist die Frage zu klären, welches Potential man mit einer Sonde mißt, wenn diese nicht, wie beim Beckbogen, in eine räumlich ausgedehnte Säule eintaucht, sondern wenn, wie im Fall des zischenden Homogenkohlebogens, die stark kontrahierte Säule bei ihrer Bewegung auf der Anodenstirnfläche der störenden Sonde auszuweichen bestrebt ist.
Hier wird die Sonde das Potential des der Sonde nächsten Säulenteils annehmen müssen. Dann würde man mit der Sonde also nicht den gesuchten Anodenfall messen, sondern zusätzlich den Spannungsabfall in der Säule zwischen deren anodenseitigem Ende und dem der Sonde nächsten Punkt der Säule.
Es wäre dann verständlich, daß die vor der Klärung der Zischvorgänge ausgeführten Sondenmessungen am Homogenkohle-Hochstrombogen zu hohe Anodenfallwerte geliefert hätten. Daß diese Werte mit zunehmender Anodenbelastung leicht anwachsen, scheint nach den Filmaufnahmen des Zisch-Vorgangs ebenfalls verständlich, weil mit wachsender Strombelastung infolge der zunehmenden magnetischen Kraft die Krümmung und damit die Länge der kontrahierten Säule in ihrem längsten Zustand größer wird, und mit ihr der bei der Sondenmessung mit erfaßten Spannungsabfall zwischen dem säulennächsten Punkt und dem anoden-seitigen Säulenende.
e) Der Mechanismus des Homogenkohle-Hochstrombogens.
Wie ist nun auf Grund der neuen Anodenfallwerte der Anodenmechanismus des Homogenkohle-Hochstrombogens zu verstehen?
Unsere frühere und beim Beckbogen im wesentlichen auch weiter gültige Vorstellung vom Mechanismus der anodischen Vorgänge nahm an, daß die zur Verdampfung und Aufheizung von A-A0 Gramm Anodenmaterial je Sekunde erforderliche Energie der Anodenstirnfläche durch die im Anodenfall beschleunigten Elektronen und durch die Rückstrahlung seitens der turbulenten Säule zugeführt wird.
Der mit der Anodenbelastung gemäß Abb. 83 stark zunehmenden Anodenverdampfung muß dann gemäß Abb. 19 ein mit der Stromstärke wachsender Anodenfall entsprechen, in Übereinstimmung mit dem empirischen Befund.
Als Abschluß noch ein paar Vermutungen
Nun war zwar auch beim Homogenkohlebogen das Ergebnis der Anodenfallmessungen in Übereinstimmung mit der Bilanzrechnung. Aber diese Sondenmessungen sind ja nun wahrscheinlich gestört und unzuverlässig, während Schluges neue, anscheinend zuverlässigere Methode einen innerhalb der Eehlergrenzen von der Stromstärke unabhängigen Anodenfallwert von nur etwa 20 Volt liefert. Bei Richtigkeit dieses Werts reicht nun die der Anodenstirnfläche durch die Elektronen zugeführte Energie nicht mehr zur Deckung des nachweisbaren Energieverlusts der Anode aus.
Es muß, wenn die niedrigen Anodenfallwerte richtig sind, also beim zischenden Homogenkohle-Hochstrombogen noch zusätzlich ein entscheidender Energiebetrag zur Anodenstirnfläche transportiert werden. Dies kann nur durch Wärmestrahlung und Wärmeleitung von der kontrahierten Säule her geschehen.
Es scheint verständlich, daß die beim Homogenkohlebogen im Gegensatz zum Beckbogen kontrahierte und wegen ihrer viel höheren Stromdichte und Temperatur viel weitgehender dissoziierte und ionisierte Säule mehr Energie auf die Anode übertragen kann (Abhängigkeit des Wärmeleitvermögens vom Dissoziations- und Ionisierungsgrad!) als die der Anode des Beckbogens vorgelagerte turbulente Säule.
Es ist auch sinnvoll anzunehmen, daß diese Energieübertragung von der kontrahierten Säule auf die Anode mit wachsender Stromstärke wegen der zunehmenden Säulenkontraktion und Temperatur ebenfalls zunimmt und damit trotz des konstanten Anodenfalls der Energieverlust der Anode gedeckt wird. Daß ein Teil dieser Energie aus der Säule stammen würde, könnte (da das eine Kühlung der Säule bedeuten würde) den überraschend hohen Säulengradienten erklären. Hier handelt es sich aber nur um Vermutungen, wie offenbar allgemein unsere Kenntnis der Theorie des Zischbogens noch äußerst unsicher ist.
V-7. Zur Theorie der kathodischen Vorgänge.
Über die kathodischen Vorgänge im Hochstromkohlebogen ist bisher außer der S. 131 erwähnten, mit zunehmender Stromstärke erfolgenden Kontraktion des Kathodenbrennflecks bis zu einer maximalen Stromdichte von etwa 5.000 Amp./cm2 nicht viel bekannt.
Nicht einmal gesicherte Werte des Kathodenfalls liegen vor. Aus der Energiebilanz der Kathode 1) folgt, daß dicht vor dem Kathodenbrennfleck 20-25% des Stroms durch Ionen transportiert werden müssen.
Der Restbetrag von etwa 4.000 Amp./cm2 kann bei der Brennflecktemperatur von 4.000°K anscheinend von der Kohle emittiert werden, so daß bezüglich der Elektronenerzeugung keine grundsätzlichen Schwierigkeiten zu bestehen scheinen.
Trotzdem ist zur Erzeugung der Ionen vor der Kathode ein Ionisierungsgebiet und ein entsprechender Spannungsabfall erforderlich, und ein weiterer Spannungsabfall ist zur Überbrückung des Temperaturintervalls zwischen dem Kathodenbrennfleck (4.000°K) und der Temperatur der kontrahierten Säule von 11.000°K erforderlich.
Beide Anteile zusammen müssen den Kathodenfall ergeben. Obwohl also im Kathodenbrennfleck des Hochstromkohlebogens eine zur Deckung des Elektronenstroms ausreichende thermische Elektronenemission vorhanden sein dürfte, muß zur Berechnung des Kathodenfalls eine an Weizel, Rompe und Schön 2) angelehnte Kathodenfalltheorie benutzt werden. Wie unsere Rechnungen ergeben haben, ist die genannte Theorie dagegen auf den Kohlebogen in Luft direkt nicht anwendbar.
1) Vgl. A. v. Engel u. M. Steenbeck, Elektrische Gasentladungen, Bd. II. Springer, Berlin 1934.
2) ZS. Physik 115, 1940, 179.
V-8. Die Theorie der turbulenten und der kontrahierten Säule des Hochstromkohlebogens.
Im folgenden sollen die vorliegenden theoretischen Ansätze zum Verständnis der Hochstrombogensäule und ihrer Besonderheiten gegenüber der normalen Lichtbogensäule behandelt werden.
Hierbei haben wir zu unterscheiden zwischen der turbulenten, im Anodenmaterialdampf brennenden, und der kontrahierten, in Luft brennenden Säule, wobei das Übergangsgebiet zwischen beiden Entladimgsteilen noch ein besondereres Problem darstellt (vgl. S. 144, 152).
Das magnetische Eigenfeld des Bogens
Allgemein haben Höcker und der Verfasser (27) die eigentliche (nicht turbulente) Hochstrombogensäule als eigenfeldbestimmt bezeichnet, in dem Sinn, daß gemäß S. 138 ihre äußere Form ebenso wie wesentliche ihrer Eigenschaften durch das magnetische Eigenfeld des Bogens bestimmt sind. Die Hochstromsäule unterscheidet sich dadurch von der wandstabilisierten Säule der in einem engen Rohr brennenden Bögen, dem elektrodenstabilisierten kurzen Hg-Hochdruckbogen, dessen ellipso-idische Form wesentlich durch den Abstand der beiden Elektrodenspitzen bedingt ist, und dem konvektionsbestimmten Flammenbogen, für dessen Form und Eigenschaften die ihn umgebenden (meist durch den thermischen Auftrieb bedingten) Konvektionsströme entscheidend sind.
(im Buch ist das die Seite 188 )
Bevor wir auf die eigentliche stationäre Bogensäule eingehen, behandeln wir kurz die turbulente Säule.
.
a) Die turbulente Bogensäule.
Nach S. 15 bezeichen wir als turbulente Säule des Hochstromkohlebogens den Teil der Strombahn, der in dem schnell strömenden, vom positiven Krater ausgehenden Dampfstrahl verläuft.
Schon äußerlich zeigt dieser zwischen 5 und 20mm lange, der Anode vorgelagerte Säulenteil nicht die schöne radiale Struktur, die man von der kontrahierten und jeder anderen stabilen Bogensäule als Folge der stationären Temperaturverteilung kennt.
Wir schließen daraus, daß ein stationärer, gleichmäßiger Temperaturabfall von der Säulenmitte zum Rand hin sich in der turbulenten Säule nicht ausbilden kann. Dafür gibt es drei Ursachen.
- Erstens wird die turbulente Säule vom Anodenfallgebiet her über den ganzen Säulenquerschnitt annähernd gleichmäßig aufgeheizt ;
- zweitens erfolgt anscheinend noch eine einseitige Aufheizung an der Elektroneneintrittsstelle (Rohloff [78], vgl. S. 78), und
- drittens verhindert die ,,Blaswirkung" des Dampf Strahls jedes radiale Temperaturgleichgewicht, weshalb wir auch diesem Säulenteil den Namen „turbulente Säule" gegeben haben.
Wegen dieser fehlenden radialen, stationären Temperatur-Verteilung ist die normale, gleich kurz zu behandelnde allgemeine Theorie der Bogensäule auf die turbulente Säule nicht anwendbar. Wir können für diese lediglich aus dem Experiment die mittlere Temperatur entnehmen (vgl. S. 117) und aus ihr und der bekannten Ionisierungsspannung des Anodenmaterialdampfes den Ionisierungsgrad mittels der Saha-Gleichung berechnen. Eine verfeinerte Theorie der turbulenten Säule wird auch dadurch erschwert, daß ein nicht unwesentlicher Bruchteil der zugeführten Energie abgestrahlt wird.
b) Die allgemeine Theorie der stationären Bogensäule.
Die allgemeine Theorie der stationären, nicht durch Turbulenz gestörten Bogensäule beruht auf der von Elenbaas stammenden Vorstellung, daß die je cm Säulenlänge umgesetzte elektrische Leistung E*j im stationären Gleichgewicht zum Teil abgestrahlt und der Rest durch radiale Wärmeleitung nach außen abgeführt werden muß. In einfachster Form schreibt sich die Elenbaassche Differentialgleichung der Bogensäule also
Formel
wobei k der Wärmeleitungskoeffizient des Säulenplasmas, der natürlich von der Temperatur abhängt, und S die Abstrahlung je cm Säulenlänge ist.
Mannkopff 1) hat diese Grundidee zu einer Theorie der normalen Niederstrombogensäule in Luft auszubauen versucht, indem er die bei der radialen Energieabfuhr mitwirkenden atomaren Prozesse wie besonders die Dissoziation der Moleküle O2, N2 und NO in der Säulenachse und die radiale Diffusion ihrer Atome nach außen mit der anschließenden Rekombination in den dadurch erweiterten Wärmeleitungskoeffizienten einbezog.
Da diese Erweiterung auf einem indirekten Wege, nämlich über eine Erweiterung der Theorie der spezifischen Wärmen erfolgte, bleiben die einzelnen Zusammenhänge etwas undurchsichtig, obwohl die Grundlage der Theorie, wenigstens für Niederstromsäulen mit Achsentemperaturen unter 7OOO0K, an sich richtig ist.
Höcker und der Verfasser (46) gehen dehalb in ihrer Theorie von einer erweiterten Elenbaasschen Differentialgleichung der Bogensäule in Luft aus, in der statt des einfachen klassischen Wärmeleitungskoeffizienten k der Gl. (1) der vollständige Wärmeleitungskoeffizient K
(2) K = kA + ke + e üi DA -~ + e UD DM y
explizit eingeführt wird. Hierin bedeuten kA und ke die klassischen Wärmeleitungskoeffizienten der Atome (bzw. Moleküle oder Ionen) und der freien Elektronen, während die beiden Ausdrücke
(3) kj = e Ui DA -p und / \ 1 TT -n dnM
(4) kD = e LD dm- y
die Anteile darstellen, die der radiale Transport der lonisations- und Dissoziationsenergie zum gesamten Wärmeleitungskoeffizienten K beträgt. LTi und Ud sind die Ionisierungs- bzw. Dissoziationsenergie, DA bzw. DM die Diffusionskoeffizienten und nA und nM die räumlichen Dichten der Atome bzw. Moleküle.
Das Mannkopff Verfahren
Durch Berechnung der einzelnen Glieder des vollständigen Wärmeleitungskoeffizienten für Luft als Funktion der Temperatur konnte Höcker zeigen, daß für die Niederstromsäule mit T = 7.000°K der Wärmeleitungsbeitrag der freien Elektronen völlig vernachlässigt werden kann, und daß in der Gegend von 6.800°K ein Minimum von K liegt, da bei dieser Temperatur die Dissoziation der Moleküle im wesentlichen abgeschlossen, die Ionisation dagegen noch unerheblich ist.
Wir kommen gleich noch auf die Tatsache zurück, daß die Niederstromsäule sich anscheinernd unabhängig von der Stromstärke so einstellt, daß ihre Achsentemperatur dem Minimum des Wärmeleitungskoeffizienten K entspricht, wodurch nach Höcker verständlich würde, daß die Achsentemperatur der Niederstromsäule ziemlich unabhängig von der Stromstärke etwa 6.800°K beträgt.
Mannkopff hat mit seinem oben angedeuteten Verfahren eine numerische Berechnung der Temperatur der Niederstrombogensäule vorgenommen. Seine zahlenmäßigen Ergebnisse können allerdings nicht mehr zum Vergleich mit Höckers Daten herangezogen werden, weil sie auf der Benutzung einer inzwischen als falsch anzusehenden Dissoziationsenergie des N2 und ferner auf der Annahme einer über den ganzen Säulenquerschnitt konstanten Ionisierungsspannung beruhen, während in Wirklichkeit entsprechend dem jeweiligen Anteil des NO am Trägergas für die Temperaturen in den äußeren Bogenzonen zwischen 3.000° und 5.000° die niedrige Ionisierungsspannung des NO von 9,5 Volt (gegenüber 12,5 bzw. 15,8 Volt des 02 und N2) eine entscheidende Rolle spielt.
Die thermische Ionisierung der Säule
Auf dieser Tatsache beruht ein von Höcker (45) festgestellter, für die Niederström-säule in Luft anscheinend grundsätzlich wichtiger Effekt. Weil von den im Bogen vorhandenen Molekülgasen das NO die weitaus niedrigste Ionisierungsspannung besitzt, erfolgt die thermische Ionisierung in den Außengebieten der Säule überwiegend durch Ionisierung von NO-Molekülen.
Da in der Achse der Säule (auch der Niederstromsäule, von der zunächst nur die Rede ist!) die NO-Moleküle aber bereits vollständig dissoziiert sind, nimmt nach Höckers Rechnungen die Elektronendichte in der Säule ohne Berücksichtigung von Elektronendiffusions-Vorgängcn von außen nach innen zunächst wegen der steigenden Temperatur zu, um dann aber nach Durchlaufen eines Maximums bei 5.200°K, entsprechend einem Achsenabstand von etwa 1mm, nach der Achse hin wieder abzunehmen, weil in dieser nicht mehr genügend ionisierbare NO-Moleküle vorhanden sind.
Diese dem stationären Fall des thermischen Gleichgewichts ohne Diffusion entsprechende Elektronendichteverteilung mit einem Minimum in der Säulenachse wird durch Elektronendiffusion mehr oder weniger verwischt werden. Eine vertrauenserweckende Berechnung der radialen Temperaturverteilung der Niederstromsäule in Luft liegt also noch nicht vor, ja die bisherigen Versuche leiden sämtlich noch an einem grundsätzlichen Mangel.
Während nämlich bei entsprechendem Aufwand an Rechnung die bisher angeführten Verbesserungen z. B. in das Mannkopffsche numerische Verfahren eingebaut werden könnten, bleibt die nach Abschätzungen von Höcker bei der Niederstromsäule nicht unbeträchtliche Energieabfuhr durch thermische Konvektionsströme unberücksichtigt und ist im Rahmen der bisherigen Theorie mathematisch schlecht zu erfassen. Im Gegensatz hierzu zeigt die Abschätzung von Höcker, daß der Konvektionseinfluß bei der jetzt zu besprechenden Hochstromsäule in Übereinstimmung mit der experimentellen Erfahrung keine merkliche Rolle spielt, so daß hier eine einwandfreiere Theorie möglich ist.
c) Die Theorie der kontrahierten Hochstromsäule.
Diese von Höcker und dem Verfasser (46) bearbeitete Theorie der kontrahierten Hochstromsäule, deren Eigenschaften wir oben S. 151 im einzelnen behandelt haben, folgt als besonders einfacher Grenzfall aus der skizzierten allgemeinen Theorie der Bogensäule von Höcker.
In der Hochstromsäule wird bei gleicher äußerer Oberfläche (gleichem Radius) je cm Säulenlänge mehr als die zehnfache Energie umgesetzt wie in der Niederstromsäule, nämlich bei der 200 Amp.-Säule 2.000 Watt/cm gegenüber 150 Watt/cm bei der meist untersuchten 10 Amp.-Niederstromsäule.
Aus dieser Tatsache folgt in Übereinstimmung mit dem S. 102 erwähnten spektroskopischen Befund, daß die Temperatur der kontrahierten Hochstromsäule ganz wesentlich über 7.000°K liegen muß. Für diese Temperaturen sind aber nach unseren Rechnungen alle Anteile des gesamten Wärmeleitungskoeffizienten (Gl. 2) vernachlässigbar gegen die Wärmeleitung der freien Elektronen ke, und das gleiche gilt für die Energieabfuhr durch Konvektion erhitzter Luft.
Die Hochstromsäule ist also gegenüber der Niederstronisäule physikalisch dadurch ausgezeichnet, daß in ihr die klassische Wärmeleitung der freien Elektronen gegenüber allen anderen Wärmeableitungsbeiträgen die allein entscheidende Rolle spielt.
Die vom Verfasser zunächst aus phänomenologischen Gründen eingeführte Unterscheidung von Hoch- und Niederstromsäule hat damit ihre physikalische Begründung gefunden.
Nur noch Atome, Ionen und Elektronen in der Säule
Weiterhin liegen die Verhältnisse in der Hochstromsäule gegenüber der Niederstromsäule dadurch viel einfacher, daß Moleküle in ihr nicht mehr existieren, man es also nur mit Atomen, Ionen und Elektronen zu tun hat, und daß die nach S. 190 für die Niederstromsäule wesentliche radiale Änderung der Ionisierungsspannung nur eine unwesentliche Randkorrektur bedingt, die für den kontrahierten Teil der Säule ohne Belang ist.
Für die numerische Berechnung der Verhältnisse in der Hochstromsäule ist die alleinige Berücksichtigung der Elektronen-Wärmeleitung darum von Bedeutung, weil man nun auf die Hochstromsäule das Wiedemann-Franzsche Gesetz der Temperaturproportionalität von Wärmeleitfähigkeit und elektrischer Leitfähigkeit anwenden kann und dadurch die unsichere Berechnung der Elektronenbeweglichkeit in hochionisierten Plasmen ein geringeres Gewicht bekommt. Da ferner nach Schluges Messungen S. 154 in Übereinstimmung mit eigenen theoretischen Überlegungen der ausgestrahlte Anteil der in der Säule umgesetzten elektrischen Leistung nur wenige Prozent beträgt, kann er in erster Näherung vernachlässigt und die erweiterte Differentialgleichung (1) mit (2) dann näherungsweise integriert werden.
Führt man an Stelle der fehlenden Temperaturrandbedingung zur Festlegung der Absolutwerte die nach S. 153 experimentell bekannte mittlere Säulenfeldstärke E - 10 Volt/cm ein, so erhält man für die 200 Amp.-Säule mit einem Durchmesser des kontrahierten Teils von etwa 4mm eine Achsentemperatur T0 von etwa 11.ooo°K und eine radiale Temperaturverteilung gemäß der Lösung
Formel
worin J0 die Besselfunktion nullter Ordnung und a, A und ß Konstanten sind, die in (46) berechnet sind. Dieser Temperaturverlauf gilt aber nur, solange die Achsentemperatur des Bogens unter 12.000°K bleibt. Er gilt weiter nur für den kontrahierten Teil der Säule, während außerhalb der Verlauf noch schwer zu übersehen ist.
THeorie des Emission des Elektronenbremskontinuums
Dieser kontrahierte, weißlich erscheinende Teil der Hochstromsäule ist in Übereinstimmung mit unseren ersten Vorstellungen (16) durch die hohe Elektronendichte bestimmt, die sich außer durch die überwiegende Wärmeleitung der Elektronen optisch durch die Emission des Elektronenbremskontinuums anzeigt. Bezüglich aller Einzelheiten sei auf unsere Arbeit (46) verwiesen.
Die Theorie der stabilen kontrahierten Hochstromsäule ist damit im wesentlichen klar bis auf die wichtige Frage, weshalb die Säule eigentlich „kontrahiert", weshalb also die Niederstromsäule bei der Temperatur des Minimums des Wärmeleitungskoeffizienten K brennt, während die Hochstromsäule einen relativ geringeren Radius bei entsprechend höherer Temperatur vorzieht.
Hierzu ist zu bemerken, daß die Bogensäule sich ganz allgemein so ausbildet, daß die von außen eingestellte Stromstärke mit einem Minimum an Energieaufwand transportiert wird. Bei Stromstärkevergrößerung kann die Säule nun entweder bei der konstanten Temperatur des Wärmeleitungsminimums ihren Radius vergrößern oder im anderen Extremfall bei konstantem Radius ihre Temperatur (und damit Leitfähigkeit) erhöhen.
Im ersten Fall steigt der Energieaufwand wegen der der Säulenoberfläche proportionalen Energieabfuhr wie 2 n r, also proportional zum Radius, im zweiten Fall bei konstantem Radius wegen des mit T sehr schnell zunehmenden Wärmeleitvermögens der freien Elektronen nach (46) oberhalb 7000°K etwa linear mit T. Bei den relativ geringen Stromstärken der Niederstromsäulen ist die Ausdehnung der Säule bei konstanter Temperatur energetisch günstiger, während bei den hohen Stromstärken der Hochstromsäulen wegen des exponentiellen Anstiegs der Elektronendichte und damit der elektrischen Leitfähigkeit mit der Temperatur ein Temperaturanstieg bei entsprechend geringerem Säulenradius offenbar energetisch günstiger ist. Dabei kann möglicherweise die mit der Stromstärke zunehmende kontrahierende Wirkung des Eigenmagnetfelds insofern eine Rolle spielen, als sie eine radiale Ausdehnung der Säule zu verhindern strebt.
Die bisherige Bogentheorie
Dieser Ansatz ist in die bisherige Bogentheorie noch nicht eingearbeitet worden. Auch eine Theorie der „überkontrahierten" bei etwa 1ooo Amp. nach Abb. 122 auf tretenden Bogensäule fehlt bisher, sollte aber aus den gleichen Ansätzen folgen (Beginn der Doppelionisation!?).
d) Die Theorie des Wendelns der kontrahierten Säule und seiner Verhinderung.
Auf das Wendeln der kontrahierten Säule, das bei Stromstärken über 400 Amp. einen stabilen Bogen unmöglich machen kann, sind wir S. 17 bereits eingegangen. Nach Untersuchungen von Guillery (39) ist es sicher, daß das Wendeln in einer schnellen Rotation der spiralförmig verkrümmten kontrahierten Säule besteht, wobei nach Zeitlupenaufnahmen die Wendelfrequenz mit wachsender Stromstärke von etwa 700 auf 1.500 Hz anstieg. Diese Größenordnung der Wendelfrequenz ebenso wie ihr Anstieg mit der Stromstärke läßt nach Guillery an einen Zusammenhang mit den ähnliche Frequenzen und einen ähnlichen Gang mit der Stromstärke zeigenden Zischerscheinungen (vgl. S. 42 f. und Abb. 20) denken.
Spiralige Krümmung und Rotation
Bezüglich der Theorie des Wendelns sind also zwei Fragen zu unterscheiden,
- erstens wie die spiralige Krümmung der Säule zustande kommt, und
- zweitens wie die Säule dann in Rotation gerät.
Die spiralige Krümmung der kontrahierten Säule, die offenbar die erste Voraussetzung des Wendelns ist, kann wegen der S. 154 behandelten Steifheit der Säule nur entstehen, wenn gemäß Abb. 123 infolge unsymmetrisch an der Kathode ansetzenden Säulenfußpunktes die Richtung der Säule nicht mit der Verlängerung der Negativkohle übereinstimmt.
Um trotzdem zur Anode zu gelangen, muß sich die Säule dann in der angedeuteten Art krümmen. Erfahrungsgemäß führt aber eine solche Säulenkrümmung noch nicht immer zum Wendeln. Dazu muß vielmehr nach Guillery noch die nächste Umgebung des Säulenfußpunkts so hoch erhitzt sein, daß eine gewisse freie Beweglichkeit des Säulenfußpunkts möglich ist.
Der kleine Krater bzw. die Brennschüssel
Nun bildet sich, wie S. 131 schon erwähnt, gerade bei Stromstärken über 400 Amp. infolge Verdampfung auch an der Spitze der Negativkohle ein kleiner Krater, die sog. Brennschüssel aus, die in ihrer ganzen Ausdehnung ungefähr die Temperatur des siedenden Kohlenstoffs besitzt. In dieser Brennschüssel ist der Säulenfußpunkt also frei beweglich, und es wäre nach Meinung des Verfassers sogar möglich, daß die Verdampfung unter dem jeweiligen Säulenfußpunkt diesen direkt in Bewegung setzt.
Sind nun die beiden Bedingungen der Säulenkrümmung und der Beweglichkeit des Säulenfußpunkts in der Brennschüssel gegeben, so muß die Säule infolge ihres eigenen Magnetfelds zu rotieren beginnen, wie Guillery durch den in Abb. 124 dargestellten Modellversuch direkt bestätigt hat, und wird sich infolge ihrer nach der positiven Kohle hin abnehmenden Steifheit aus dem zunächst in einer Ebene liegenden Bogen in eine richtige räumliche Spirale verkrümmen.
An Hand der Dreifingerregel kann man sich leicht überzeugen, daß die Rotation beginnen muß, wenn die Spirale die in Abb. 124 angenommene Form hat, da der Säulenstrom dann stets eine radiale Komponente besitzt, die senkrecht zu dem vom Spiralstrom selbst erzeugten Magnetfeld steht und damit zu einer Drehung führen muß.
Diese besondere Spiralstruktur ist aber ebenso wie die Säulenrotation durch Zeitlupenaufnahmen im Nürnberger Siemens-Schuckert-Werk von Guillery sowie unabhängig von den Brüdern Beck (5) direkt nachgewiesen worden (Abb. 10). Durch Anbohren der Kathodenspitze kann, wie nach dieser Vorstellung zu erwarten, das Wendeln nach Guillery schon bei Stromstärken unter 400 Amp. erzeugt werden, ebenso wie ein achsiales äußeres Magnetfeld erwartungsgemäß das Wendeln begünstigt. Die Theorie des Wendeins ist damit im wesentlichen klar.
Die Verhinderung des Wendelns
Zur Verhinderung des Wendelns, die die unumgängliche Voraussetzung für einen stabilen Bogenbetrieb oberhalb 500 Amp. darstellt, hat sich bisher technisch nur die ebenso einfache wie einleuchtende Methode von Guillery und Zill (39) bewährt, und zwar bis herauf zu Stromstärken von 2000 Amp. Bei diesem Verfahren drückt man durch ein magnetisches Querfeld die kontrahierte Säule mit ihrem negativen Fußpunkt so kräftig in Richtung der positiven Kohle, daß der Säulenfußpunkt stark exzentrisch auf der ziemlich dicken Negativkohle ansetzt (Abb. 125). Durch langsame Rotation der Negativkohle erreicht er dann, daß diese sich dauernd unter dem Säulenfußpunkt wegdreht, wodurch jede Ausbildung einer Brennschüssel und damit eines beweglichen Säulenfußpunkts, d. h. die Voraussetzung für das Wendeln, mit Sicherheit vermieden wird. Ohne diesen hübschen Kniff wären die gleich zu behandelnden Höchststrombeckbögen technisch nicht anwendbar.
.