Filmecho/Filmwoche werden 50 Jahre alt - ein Rückblick
In der aktuellen Tagespresse wurden immer wieder populistische Zahlen eingebunden, je nach Absicht und Laune mal korrekt zitiert, mal ganz geschickt nur mit ausgewählten Werten zur Untermauerung einer lancierten Meinung verbreitet.
Hier aber standen und stehen die nackten Zahlen alle beisammen. Natürlich wurde auch hier mal so und mal so argumentiert, daß das Fernsehen das Kino und den Film gekillt habe. Doch liest man die Zahlen etwas sorgfältiger, werden alle diese populistischen und gerade mal opportunen Aussagen alle relativiert oder sogar ins Gegenteil korrigiert.
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Ein jahrelanger Kampf um Transparenz.
Der Einstieg kam mit dem Index : verschlüsselt aber aussagekräftig.
„Künstlerisch und geschäftlicher Großerfolg, Pressebeurteilung wie selten. Kann allen Kollegen bestens empfohlen werden". So das Thalia Darmstadt zu „Der dritte Mann". „Unter Durchschnitt. Durch seine dünne Handlung und für Nichtberliner kaum verständlich, wird der Film das Publikum schwer ansprechen. Derartige Filme können einem die Freude am Geschäft verderben." So der Bieberbau Frankfurt/M zu „Nächte am Nil".
Zitate aus dem Film-Echo vom 10. März 1950. Die Rubrik „Die Theaterbesitzer melden" verschwandt indessen schneller als sie aufgetaucht war.
Positive Stimmen - ja! Negative Bemerkungen: „Geschäftsschädigung" schrien die betroffenen Verleiher. Also: Sendepause bis 1952.
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Anfang Februar verkündete Film-Echo : „Das Sicherste ist der Erfahrungsaustausch im Echo der Filme." Das lief folgendermaßen : Alle vier Wochen erhielten die Kinobesitzer eine Postkarte zum "Kreuzchenmachen".
Von „ausgezeichnet" bis „sehr schlecht" wurde eingetragen in den Bereichen „Presse", „Publikum" und „Geschäft"; halbwegs anonym: es erschienen nur die Platzzahl des Kinos und ob es in einer Großstadt, einer Mittel- oder einer Kleinstadt steht. In Zensurnoten von 1 bis 7 umgesetzt, lieferten die Durchschnittswerte das Material zu Querschnitt-Berechnungen für längere Zeiträume.
Sage und schreibe 21 Jahre lang gaben sie allein die Möglichkeit, Bestseller-Listen zu drucken, die auch Nieten beim Namen nannten.
Freunde durften es wissen, Feinde aber nicht.
Jedermann war klar, daß dieses, weil von subjektiven Beurteilungen ganz schön durchwirkte Verfahren insbesondere bei mittelmäßigen Geschäften starke Abweichungen von der (statistischen) Wahrheit produzierte.
Aber: FFA-Listen oder Media Control oder EDI ließen sich damals noch nicht erahnen, geschweige denn, daß sie sich am Horizont andeuteten.
Weiterhin galt, was die Kinowirtschaft noch heute trennt: für das Verhältnis von einem Betrieb zum anderen gibt es nur „ja" oder „nein" - soll heißen, der „Freund" darf alles wissen und der „Feind" gar nichts.
Unter Freunden durfte schon immer jeder hören, wer wieviel (Umsatz oder Profit) womit „gemacht" hat. (Daß auch die Konkurrenz eigentlich gut informiert war und ist, spielte und spielt in diesem
Spielchen keine Rolle.)
Immerhin: Etwa zur Jahreswende 1972/73 konnte das Film-Echo mit Hilfe einiger „Abweichler", insbesondere aus dem Arbeitskreis der Erstaufführer, eine Formel finden, eine Goldene Brücke:
den Index.
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Schaut man genau, ist der Index leicht zu knacken
Bei genauerem Hinsehen wird klar, daß der Index relativ leicht zu „knacken" ist - aber: es sind halt nicht die exakten Besucherzahlen, die doch „geheim" bleiben müssen. Man denke nur an den Knartsch der jüngsten Tage, als bei "EDI" eine „Panne" geschah. Oder war's ein Crash-Test, um zu erkunden, ob eherne Regeln der Branche mittlerweile weicher worden sind ?
Am 23. März 1973 - vor 24 Jahren - nannte dann das „Echo der Filme" erstmals die Index-Werte, den Namen des Kinos und des Ortes. Endlich war Schluß mit der Daumenpeilung, also der Subjektivität der Urteile, endlich konnte man nicht nur die Zugkraft des Films ausmachen, sondern auch das Lokal, in dem „die Musi spielt" ... oder nicht.
Insofern hat der Index deutliche Vorteile gegenüber absoluten Zahlen, weil viel leichter ersichtlich ist, was für das betreffende Haus „gut" oder „mies" bedeutet.
Natürlich motzten die "glücklosen" Verleiher
Die erste Zeit nach dem Start war erwartungsgemäß nicht frei von Meckereien - insbesondere aus dem Lager momentan etwas glückloser Verleiher.
- Anmerkung : Werfen Sie eine Blick auf unsere Seite mit den vielen "Verleihern" und deren Anzeigen und meinen Kommentaren dazu.
Als wir die Hit-Box (erscheint seit September 1977) planten, wollten einige Firmen-Bosse darauf bestehen, daß die Filme in alphabetischer Reihenfolge und nicht nach Besucherzahlen geordnet werden ... zum Beispiel.
Die Transparenz der Veröffentlichungen ist unerreicht geblieben. Dank der rund 1.100 teilnehmenden Kinos - bei gut 4.000 in der Bundesrepublik insgesamt - weichen auch unsere Monats- und Jahres-Übersichten in der Rangordnung nur minimal von den Verleih-Angaben ab.
Daß fast 400 Filmtheater auf den wöchentlich erscheinenden Index-Seiten mit Namen und Ort zu finden sind, spricht ganz besonders für die Melde-Betriebe und den Wunsch der Leser, nicht nur mit globalen Zahlen abgespeist zu werden.
N.W. in 1997
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Vom Sonderteil zum Katalog. Mehr als 20.000 Einträge im Filmverzeichnis. Plus starker "Gelber Teil"
In diesem Jahr (1997) gibt es ihn als 42. Ausgabe. Der Umfang steht noch nicht fest. Man weiß aber, die Seitenzahl des Verleih-Kataloges 1997/98 beträgt in jedem Fall 400 plus „x".
Der Beginn reicht zurück in die Anfangsjahre in Hamburg. Im März 1950 hatte Horst Axtmann aus Anlaß der Bekanntgabe des Verleihprogramms 1949/50 dem Film-Echo einen Sonderteil beigefügt. Umfang 80 Seiten, Format damals schon DIN A 4.
Der ersten Ausgabe folgte im November des gleichen Jahres die zweite. Hier wurde das Verleihprogramm 1950/51 erfaßt, und erstmals gab es dazu ein alphabetisches Verzeichnis der Filmtitel. Auch enthielt diese Aufstellung zahlreiche Filme, die noch gar nicht erschienen waren, sondern nur als Ankündigung existierten. Ein Vorteil, der gegenüber Jahrbüchern bis heute gilt. Ergo: Der Verleih-Katalog war geboren. Anno 1950.
Zitat aus dem Katalog Nr. 1 : „Das Film-Echo hat sich der Mühe unterzogen, zunächst einmal alle derzeit im Bundesgebiet und Westberlin ... tätigen Verleihfirmen zu registrieren, ihre Programme zu sammeln und ... zu einer Gesamtübersicht zusammenzustellen.
Auch hier nicht überalll Zustimmung
Dieses Bestreben fand nicht bei allen Verleihern vollste Zustimmung und die ... Erfahrungen deuten darauf hin, daß es manchen Filmvertriebsunternehmen lieber gewesen wäre, mit diesem oder jenem Titel nicht allzu sehr an die Öffentlichkeit zu treten.
Um so mehr wird der Filmtheaterbesitzer Wert darauf legen, nun endlich einmal einen Gesamtüberblick ... in die Hand zu bekommen."
Für das Programm 1949/50 rätselte man damals: sind es nun 300 oder 500 Filme, die angeboten werden? Es waren fast Eintausend!! 480 deutsche Filme, davon 80 aus der Nachkriegsproduktion und etwa 400 Reprisen. Aus Amerika kamen 225 Filme, 120 aus England, 79 aus Frankreich und 50 aus Österreich. Kein Wunder, daß auch bei damals schon kleinem Schriftgrad die 80 Seiten schnell zusammenkamen.
1952 - Der Katalog wuchs und wuchs - und alles in Handarbeit
Das erste alphabetische Gesamt-Verzeichnis enthielt dann fast 2.000 Titel.
Nächste Station: Film-Echo in Wiesbaden. Im November 1951 erschien eine Sonderausgabe mit fast 150 Seiten. Man beachte den Titel: „Verleih-Programm 1951/52 - KATALOG des Film-Angebotes."
Fortan wurde er von Georg Herzberg erstellt (bis zu seinem Tod im Frühjahr 1987). Im Oktober 1952 dann die endgültige Betitelung: „Verleih-Katalog". Er wuchs und wuchs und wuchs - alles in Handarbeit, was zwar „nur" im alphabetischen Gesamtverzeichnis zentnerweise Bleizeilen ansammelte.
Aber: die Anzahl der nicht ganz korrekt eingefügten, neu hinzugekommenen Titel löste ein alljährlich wachsendes Haarsträuben aus. Man wird mich verstehen, wenn ich 1990 im Vorwort zur 36. Ausgabe entnervt glücklich aufstöhnte: „Es ist vollbracht...!"
Vorausgegangen war der Entschluß, die Katalog-Daten (mittlerweile hatte man sie per Hand in den Satz-Rechner eingegeben - eine Prozedur der eigenen Art) in die Redaktions-EDV zu überspielen. Wir befürchteten eine Menge Müll.
Doch die Wirklichkeit stellte alle bösen Ahnungen in den Schatten. Zwei Jahre später - 1992 - wurde der „Gelbe Teil" geboren. Die Adressen-Seiten von filmbezogenen Firmen hatten erheblich zugenommen, aber der Clou hieß: Filmtheater-Anschriften.
Wer den Katalog kennt, sieht, daß uns bei der Aufbereitung ein paar gute Ideen zu Hilfe kamen. In dieser 38. Ausgabe überschritten wir zudem eine signifikante Marke. Das Filmtitel-Verzeichnis, der „Blaue Teil", enthielt erstmals mehr als 20.000 Einträge. Genau: 20.220.
Das 40-Jubiläum haben wir hinter uns, die Nr. 42 kommt demnächst. Von wem der ehrenwerte Spitzname „Bibel der Film-Wirtschaft" stammt, weiß ich nicht. Aber man hört ihn gern.
Norbert Wiesner in 1997
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Zm Entstehen des Film / Fernseh-Abkommens 1974. Heinz Ungureit zur schwierigen Annäherung zwischen TV und Film.
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- Anmerkung : Das ist sehr wohlwollend verdreht, es wurden keine echten Partner.
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Mit dem ersten Filmförderungsgesetz des Bundes 1968 verfügte der Gesetzgeber, daß die FFA die Zusammenarbeit zwischen Film und Fernsehen pflegen solle.
Abgaben der Fernsehanstalten von 40.000 DM bzw. 20.000 DM pro ausgestrahltem Spielfilm an die FFA enthielten Gesetzentwürfe von 1962, 1967 und schließlich auch 1973.
Aus verfassungsrechtlichen Bedenken (Zuständigkeit der Länder für Rundfunk und Fernsehen) kam es nicht dazu, aber ein Abgleich der Interessen und ein Versuch kooperativer Maßnahmen waren auch aus anderen Gründen unausweichlich.
Die Gefahr, die über den Äther kam
Verleiher und Theaterbesitzer sahen in dem neuen Medium Fernsehen eine Gefahr für sich, zumal dieses neue Medium auch Spielfilmausstrahlungen ungeniert in sein Programm aufgenommen hatte und verstärkt aufnehmen wollte.
Produzenten und andere Rechte-Inhaber verkauften diese Spielfilm-Fernsehrechte nur zu gern an den „feindlichen Bruder", aber das führte zu Konflikten innerhalb der Filmwirtschaftsverbände.
Der Präsident des Zentralverbandes Deutscher Filmtheater, Rolf Theile, hatte schon früh erklärt: „Wenn das Fernsehen nicht zu dem geringsten Entgegenkommen bereit ist, sollte die Filmwirtschaft daraus die Konsequenz ziehen und dem Fernsehen keinen Meter Film zur Verfügung stellen."
Diese Abwehrhaltungen eines bestehenden Mediums gegenüber dem neuen Medium sind ebenso verständlich wie üblich. 1913 hatte der Deutsche Bühnenverein bei Androhung des Ausschlusses Schauspieler und Regisseure vergeblich davor gewarnt, bei der „Afterkunst" Film mitzumachen.
Man mußte miteinander auskommen, um fast jeden Preis
Theater und Kino mußten sich gleichwohl daran gewöhnen, miteinander auszukommen, was Änderungen und gewisse Reduktionen des älteren Mediums einbezog.
Diese Reduktionen beim Kinobesuch, bei der Kinozahl und der Spielfilmproduktion waren in den sechziger Jahren evident.
Alarmstimmung kam auf, zumal in Frankreich, Italien, Großbritannien und Skandinavien längst nationale Filmförderungen bestanden und zum Teil griffen. Sollte dieser wichtige Wirtschafts- und Kulturzweig ausgerechnet in Deutschland, wo er in den zwanziger und beginnenden dreißiger Jahren Weltgeltung hatte, vor die Hunde gehen?
Das konnte in niemandes Interesse sein, auch nicht des Fernsehens, das auf populäre Spielfilme aus dem Kino, auf den Fundus der Filmgeschichte und der Filmkunst ebenso wie auf neue Kinofilme in dieser Zeit regelrecht angewiesen war.
Die Zuschauer kannten viele dieser Filme noch aus dem Kino, wollten sie im Fernsehen wiedersehen und erwarteten ebenso Filme, die sie nicht kannten oder die Neuigkeitswert hatten. Das Fernsehen stellte zwar selbst Filme her (Fernsehspiele und Serien), aber nicht in dem Umfang und mit dem Aufwand, der im Kino immerhin größtenteils üblich war.
Annährungen schon vom Gesetz geboten
Es gab übrigens auch Fernsehspielmacher der reinen Lehre, die die Konkurrenz des Kinofilms auf dem Bildschirm fürchteten - vor allem dann, wenn es um Koproduktionen für Kino und Bildschirm (mit Vorrecht fürs Kino) ging, wenn eigene fiktive Programme immer filmischer wurden.
Schließlich waren inzwischen Autoren, Regisseure, Kameraleute, Schauspieler und Produzenten vom Kino längst im Fernsehen tätig. Sie machten auch für dieses Medium, was sie kannten und was außerdem erfolgreich war.
Annäherungen waren also nicht nur vom Gesetz her geboten, sondern sie lagen im Interesse beider Medien, mit dem Ziel der teilweisen Bündelung der Kräfte, der Ordnung der Auswertungsreihe (Kino zuerst), der werblichen Hinweise im Fernsehen auf anlaufende Filme im Kino etc.
Dem wahren Film- und Kinofreund lag auch im Fernsehen daran, dem Kino als ursprünglichem und schönstem Ort des Film-Erlebnisses so viel Raum zu lassen oder zurückzugeben wie eben möglich.
Anmerkung : Wo er diese Weisheit her hatte, hat er nicht angeführt. Ich jedenfalls und mein kulturelles Umfeld wurden nie gefragt, was wir denn davon halten.
Fast im Geheimen verhandelt ....
Trotzdem hatten die ersten Begegnungen der Film- und Fernsehleute 1973/74 zur Vorbereitung eines ersten Film/Fernseh- Abkommens noch fast konspirativen Charakter, angesichts des großen Mißtrauens von vielen Seiten.
Interessenunterschiede gab es schließlich nicht nur zwischen den Sparten der Film-Wirtschaft, sondern der Riß ging vor allem durch die Sparte Produktion selbst, in der es zu heftigen Auseinandersetzungen über den richtigen Weg zwischen sogenannten Alt- und Neuproduzenten kam.
Von Frankreich und Italien her waren längst Neuerungen durch den Autorenfilm deutlich geworden. Das wollten die Jungen auch hier, nur radikaler und ideologischer und leider zu oft auch für die, die gar keine talentierten Autorenfilmer waren.
All diese Zerreißproben (wohlgemerkt: auch innerhalb des Fernsehens) gab es, als 1974 schließlich das erste Film/Fernseh-Abkommen zustande kam - mit einer Laufzeit von fünf Jahren und einem Finanzvolumen von 44,4 Milllionen DM, das meiste davon für Koproduktionen.
In späteren Abkommen (inzwischen läuft das siebente) wurden die Mittel für die Projektförderung der FFA erheblich aufgestockt.
Ingesamt haben die öffentlichrechtlichen Anstalten mit den sieben Abkommen 422,15 Millionen DM für die Zusammenarbeit innerhalb des Abkommens aufgewendet, dazu kommen noch einmal erhebliche Summen für Spielfilm-Koproduktionen außerhalb des Abkommens. Devise war immer: Wer Kinofilme nutzt, muß auch dazu beitragen, daß Kinofilme entstehen.
Beide Medien mit jeweils eigenem Erlebnisort
In der Achter-, dann Zehner-Kommission, paritätisch aus Film- und Fernsehleuten zusammengesetzt, prallten die divergierenden Meinungen vor allem der Produzenten zu Anfang heftig aufeinander.
- Anmerkung : Jetzt in 2012 fällt natürlich extrem auf, es waren da nur alte Männer an den Konferenztischen.
Es ging um die richtige Auswahl, um Bestätigung oder Nichtbestätigung der vorgelegten Filmproiekte, die für Kino und Bildschirm gleicherweise eine Bereicherung sein sollten.
Tatsächlich fand der deutsche Film gleich in den nächsten zehn Jahren erhebliche nationale und internationale Reputation. Es gab Oscar- und Festival-Preise. Man fand sogar teilweise, daß der deutsche Film im internationalen Wettbewerb einer der quirligsten, lebendigsten und vielfältigsten Europas sei. Und 1985 war dann auch der Anteil des deutschen Films am Einspiel in deutschen Kinos wieder über zwanzig Prozent gestiegen, nachdem er sonst zwischen neun und 18 Prozent geschwankt hatte.
Der Deutsche Film in babylonischer Gefangenschaft
Die Debatten über den „amphibischen" Film begleiteten alle Phasen dieser Kooperation; zum Teil sah man den deutschen Film gar in der „babylonischen Gefangenschaft" des Fernsehens, das ja nur mit flankierenden Maßnahmen zum Entstehen deutscher Kinofilme beitragen wollte.
Zweifellos ist nicht alles geworden, wie gedacht. Es gab ein lebhaftes Auf und Ab in den bald 25 Jahren, aber es wurden auch kreative Kräfte freigesetzt; es kam zu den Annäherungen (nicht Interessengleichheiten), die der Gesetzgeber gewünscht (Anmerkung : erzwungen) hatte und die den Partnern im Spiel zustatten kamen.
Heute haben - bei gelassenerer und ruhigerer Einstellung zueinander - beide Medien deutlicher ihren eigenen Erlebnisort gefunden. Fernsehen ist alltäglicher geworden - auch und erst recht für Tausende von Spielfilmausstrahlungen.
Das Kino ist der große, überwältigende, intensive soziale Erlebnisraum für den einzelnen Film geblieben oder wieder richtig geworden.
Es gibt erfolgreiche Film/Fernseh-Koproduktionen in unseren Kinos (inzwischen ohne Auswahlgremium), und es gibt erfolgreiche Filme, die ohne Fernsehen entstehen.
Eine neue Generation mit neuen Kino-nahen Einstellungen ist angetreten und bringt wieder mehr Zuschauer auch und gerade für ihre Filme in die Kinos. So war es von den Kinofreunden im Fernsehen längst gewollt.
Glückwunsch, daß es erreicht ist, hoffentlich noch lange so bleibt und noch besser wird! Vielfalt zwischen „Jenseits der Stille", „Rossini", „Knockin' on Heaven's Door", „Das Leben ist eine Baustelle" bis zu internationalen Großproduktionen ä la „Fräulein Smillas Gespür für Schnee" oder auch zu „Werner - das muß kesseln" ist dafür freilich geboten.
Einspurigkeit führt meist nur zu kurzlebigem Erfolg. Die internationale Reputation des deutschen Films, wie es sie in den siebziger und achtziger Jahren schon einmal gab, kommt dann sicher auch wieder hinzu.
Heinz Ungureit in 1997
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Gedanken über den weiteren Gang des deutschen Kinomarktes
Jürgen Schau, der General-Manager (das ist der Geschäftsführer) der Columbia/TriStar Deutschland schreibt :
Wenn man ein 50jähriges Jubiläum feiert, ist es vielleicht ganz angebracht, einen visionären Blick in die Zukunft unseres Berufes und der Industrie zu wagen.
Kurz zum Rückblick: Die ersten 50 Jahre nach dem Naziregime und dem Zweiten Weltkrieg haben unsere gesamte Industrie, die ehemals weltweit führend war, zurückgeworfen. Durch den Verlust der kreativen Talente und der ideologisch einseitigen Konzentration mußte nach dem Zusammenbruch von vorne angefangen werden.
Es empfiehlt sich übrigens, die Bücher „Geschichte der UFA" und Will Trempers „Meine wilden Jahre" wieder einmal zu lesen, um sich bewußt zu machen, wie es begann.
Denn: Keine Zukunft ohne Vergangenheit! Jetzt, nach 50 Jahren, kommen wir zu einigermaßen normalen Verhältnissen, nur müssen wir uns jetzt dem Macht- und Qualitätsfaktor Hollywood stellen.
Informationen gehen in Sekunden um die Welt
Die Globalisierung der Märkte, hervorgerufen durch neue Technologien, hat zu einer radikalen Veränderung geführt. Wir merken es - ob wir es wollen oder nicht - jeden Tag. Spätestens bei den Nachrichten. Neue Technologien in der Kommunikation sorgen dafür, daß der Informationsaustausch in Sekunden um die ganze Welt geht.
Als selbstverständlich gilt mittlerweile die Innovation, daß
Astronauten routinemäßig in der MIR-Station Sonderaufgaben lösen, die später unsere tägliche Arbeit erleichtern werden.
Das Freizeitverhalten hat sich ebenfalls total gewandelt. Zwar beschränkt der Sparzwang kurzfristig die Reiselust (der Artikel isz aus 1997 - da gab es noch keien Corona) , aber im harten Zahlenvergleich bleibt die Reisefreudigkeit stabil. Die Deutschen wollen immer raus und weg. Jeder Zweite sitzt auf gepackten Koffern.
Professor Opaschowski, unser großer Freizeit-Guru, geht sogar so weit, zu sagen, daß Reisen für die Deutschen so wichtig wie die Grundbedürfnisse des Wohnens und der Kleidung sind.
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Es ist uns recht, gehts den anderen schlecht
So gesehen tut es unserer Branche ganz gut, wenn das Reiseland als kalt, teuer und erlebnisarm geschildert wird. Das Freizeitangebot und die verfügbare Freizeit werden größer, und der Kinobesuch hat an Attraktivität wieder zugenommen.
Dies liegt zum großen Teil an dem Kinoangebot, hier sind die internationalen großen Produktionen immer noch die Hauptattraktion, aber auch lokale Produktionen, die nicht nur das Komödienumfeld abdecken, sind mehr und mehr gefragt.
Der Anteil an lokalen Produktionen wird sich in Zukunft erhöhen, weil es wieder „in" ist, sich in der globalen Welt in einem heimischen, lokalen Umfeld wiederzufinden, ohne jedoch das Fenster zur Welt zuzumachen.
Das private Fernsehen und die Reaktion der öffentlich-rechtlichen Sender auf die Erfolge der Privaten zeigt eine neue Kreativität in der Programmgestaltung und man entdeckt neue Nischenmärkte.
Die VIVA- und MTV-Generation beeinflußt das Sehverhalten und den kreativen Entertainment-Charakter auch in der Filmproduktion. Eine neue Generation von Autoren, Regisseuren und Schauspielern entsteht aus dieser Kultur und wird das Fernsehen als Sprungbrett zur großen Leinwand nutzen.
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Jürgen Schau schreibt in 1997 weiter :
Neue Kino-Investitionen und Full-Service-Pakete, die sich um den Kunden als Gast in einer Entertainment-Welt kümmern, werden mehr und mehr den erfolgreichen Unternehmer von dem weniger erfolgreichen trennen.
Es wird als selbstverständlich betrachtet, beste Sound- und Vorführqualität in bequemer Atmosphäre im Kino zu bieten. Das Entertainment-Instrumentarium für die Beschäftigung vor dem Kinobesuch und danach wird immer wichtiger werden und muß zielgruppenmäßig differenzieren. Es wird nicht ausreichen, nur ein gastronomisches Konzept mit anzubieten.
Die Kinolandschaft wird sich in Deutschland verändern, von der eher monokulturellen zur „multi-plexerellen".
Der Kinobetreiber der Zukunft muß seine Kundenstruktur genau kennen und die Wünsche und Bedürfnisse entsprechend bedienen. Für den Verleih wird die Qualität der Zielgruppe des jeweiligen Kinos wichtiger als je zuvor werden.
Kreative Booker, die ihr Produkt (Film) und die Instrumente des Marketings genau kennen, werden mit qualifizierten Kino-Disponenten längerfristige Film-Planungen machen.
Das Marketing in der klassischen Definition wird ein täglicher Bestandteil in der Planung und Durchführung von Kinoeinsätzen werden.
Neben der Massenwerbung in den breiten Medien TV, Radio, Poster, Print etc. wird die individuelle Ansprache der jeweiligen Kernziel-
gruppe der Schlüssel zum erfolgreichen Positionieren eines Films werden.
Es ist wieder „in", trotz aller Globalität heimisch zu sein (1997)
Das Internet eröffnet eine komplette neue direkte Kommuni- kationswelt. Die Mittel des modernen Marketings, in der klassischen Industrie schon seit Jahren etabliert, haben endgültig auch unsere Industrie erfaßt.
Kooperationen mit Partnern aus der Industrie sind absolut notwendig, um überhaupt noch die Werbekosten zu finanzieren. Die Werbekosten für Film- Promotion werden steigen, weil der Markt nur begrenzte Verfügbarkeiten hat und ein Überangebot von Filmen bei einer relativ knappen Verbreitung durch zu wenig Kinos auch in der Zukunft dafür sorgen wird, daß ein äußerst harter Verdrängungswettbewerb stattfinden wird.
Kinos werden ein weiteres Mittel der Profilierung in der Form suchen, indem sie absolut werbefreie Oasen anbieten werden. Ähnlich wie in England, wo das Kino sich voll auf den Kinofilm konzentriert und Trailer zeigt, die zum nächsten Kinobesuch animieren.
Die technische Revolution durch die Digitalisierung wird den Home Video- und Fernsehmarkt stark verändern. Auswirkungen auf das Kino werden unausweichlich sein.
Längerfristige Film-Planungen für das Kino
Die Instrumente des Marketings, die technischen Innovationen, die bessere Ausbildung werden für eine hohe Professionalität in unserer gesamten Industrie sorgen. Wir haben jedoch im Gegensatz zu anderen Industrien einen großen Vorteil: den des großen kreativen Freiraums.
Solange wir den kreativen Talenten die Chance geben, sich zu entwickeln und Deutschland als ihre Heimat zu sehen, ist es nicht ausgeschlossen, Erfolge im Kulturellen und Kommerziellen auch in den nächsten 50 Jahren zu halten.
Aber nur wenn wir unsere Künstler pflegen und sie lieben!
Das alles prophezeit Jürgen Schau im Herbst 1997
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