Das "Malteserkreuz" oder "den Film ruckartig bewegen"
Als die Bilder laufen lernten, gab es jede Menge an mehr oder weniger machbaren Ideen, die einzelnen Bilder in genau der Reihenfolge, in der sie aufgenommen wurden, als sich bewegende Figuren-Bilder auf eine Bildwand zu projizieren.
Der Versuch, die einzelnen "Dias" des anfänglich unperforierten Filmbandes so schnell wie möglich (von Hand) nacheinander zu wechseln, schlug grandios fehl. Der nächste Schritt war die Perforation des Filmmaterials mit kleinen beinahe quadratischen Löchern auf beiden Seiten. Dort konnte man mit Greifern einhaken und das Filmband von der Rolle in definierten Weglängen schrittweise "Bild für Bild" (oder besser : "Aufnahme für Aufnahme") weiter transportieren. Bei der Aufnahme in den Kameras klappte das ganz gut, weil die Filmrollen relativ klein und damit entsprechend leicht waren
Doch bei der Projektion war das unbefriedigend, weil ja das extrem helle und heiße Licht durch den Film hindurchscheinen mußte und sich das Filmmaterial ausdehnte. Die Greifer rissen dann die Perforation aus und der Film war dahin. Dann kam Oskar Meßters geniale Idee, das Ganze doch völlig anders zu machen. Historisch korrekt müsste es lauten, Oskar Meßter verbesserte das bereits bekannte Bewegungsverfahren. Erfunden war es schon Jahre früher.
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Oskar Meßters verbesserte das Malteserkreuz
Die Filmspezialisten hatten nämlich herausgefunden, daß ab etwa 24 Bildwechseln pro Sekunde das Auge die laufende Projektion als ein "stehendes Bild" mit bewegten Objekten wahrnimmt. Bei 16 Bildern pro Sekunde scheint das Bild zu flackern, 16 Bildwechsel waren also nicht ausreichend.
Es wurde eine geniale Idee gebraucht. Der Denkansatz der Idee war, die ruckartige Bewegung des Filmmaterials mußte sich an der vollen Umdrehung eines Rades bzw. einer Scheibe orientieren. Also wie man bei einer vollen Umdrehung der Scheibe das perforierte Filmband während 23 von 24 Teilen der Kreisdrehung nicht bewegt und dann den Film in der verbleibenden vierundzwanzigstel Umdrehung dieser Scheibe einen ganz genau bestimmten Weg blitzschnell voran schiebt oder zieht. So läßt sich die Grundidee einigermaßen verständlich formulieren.
Dabei spielt es erst mal gar keine Rolle, wie groß das Rad oder die Scheibe oder der Kreis ist und wie viel Weg der Film machen soll, es geht um das Prinzip, daß der Film eine bestimmte Zeit vor dem Bildfenster des Projektors absolut still stehen muß und dann blitzschnell zum nächsten Bild bewegen werden soll.
Wichtig war dabei auch (und das kommt später), daß der Film während der Durchleuchtung (der Projektion) wirklich 100% physikalisch still steht. Diese Eigenschaft nannte man den "Bildstand".
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Das Malteserkreuz-"Getriebe" besteht aus zwei Scheiben
Heutzutage kommen viele gute Ideen unter der Dusche oder auf der Toilette, ob das bei Meßter damals auch so war, wohnt im Bereich der Legenden.
Jedenfalls hatte er diesen Geistesblitz gehabt, zwei sich drehende Elemente nebeneinander anzuordnen, wobei das eine eine Scheibe mit einer etwas weiter außenliegenden (exzentrischen) Nase (einem "Zapfen" oder auch "Mitnehmer") war und das andere Element eine Scheibe mit 4 kreuzförmig zur Mitte hin eingefrästen Nuten in genau der Breite dieser Nase (bzw. des Mitnehmers) der anderen Scheibe.
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Mit diesen beiden Scheiben hätte er das Haupt-Problem "1" der ruckartigen schnellen Bewegung während einem Vierundzwanzigstel der Umdrehung vom Prinzip her im Griff.
Doch die zweite Scheibe mitsamt der Stahlwalze (mit den Zähnen für die Perforation drauf) hat natürlich eine deutliche Masse und würde nach dem anfänglichen Ruck weiter drehen wollen.
Also gab es Problem Nummer 2 : Wie bremse ich diesen Teil des Malteser-Getriebes ebenso ruckartig wieder ab ? Wie gesagt, die eine Scheibe mit dem Mitnehmer dreht sich immer ununterbrochen und gleichmäßig im Kreis rum. Die zweite Scheibe soll sich nur ganz kurz ruckartig bewegen und dann sofort wieder stillstehen.
Seine weitere Idee war, aus der Scheibe 2 mit den 4 Nuten zwischen den Nuten den Kreisbogen der ersten Scheibe auszufräsen und die erste Scheibe so weit an die zweite Scheibe mit den Ausfräsungen heranzurücken, daß deren Umfang genau in die ausgefrästen Kreisbögen hinein paßt und sich diese nicht mehr bewegen können.
Natürlich muß jetzt bei Scheibe 1 im Bereich des Mitnehmers auch ein Stück des Kreisbogens der 2. Scheibe ausgefräst werden, soadaß die beiden Elemete (die ehemalige Scheibe 2 ist jetzt zum Maltesekreuz geworden) wunderbar synchron drehen können.
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Hier eine Zeichnung aus einem alten Buch
Die Abbildung zeigt, wie der Zapfen (2) oder Stift oder Mitnehmer in das Malteserkreuz (1) eingreift und dieses bewegt und wie nach dem Verlassen der Nut die Bewegung des Malteserkreuzes durch die Sperrscheibe (3) gesperrt wird.
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Eine Problemlösung mit großem Aufwand
Genauigkeit und Dauerbetrieb setzten dann die Maßstäbe. Der Exzenter-Zapfen soll das Malteserkreuz blitzschnell (von 0 bis fast auf 100) drehen und dann soll dieses Malteserkreuz ebenso blitzschnell wieder angehalten werden und in dieser Stellung für 23 Vierundzwanzigstel der gesamten Umdrehung bombenfest stehen bleiben.
Die Nase bzw. der Zapfen soll "saugend" in die Nut eingreifen und auch wieder raus kommen, ohne zu klemmen. Damit ist die Genauigkeit dieser beiden Teile im Bereich von 0,001mm (das sind die sogenannten "müh") angesetzt.
Bei den meisten Kinomaschinen lief das gesamte Malteserkereuz-Getriebe in einem Ölbad und das Öl wurde im Dauerkreislauf mit einem Magnetfilter - wegen des Metall-Abriebs - sauber gehalten.
Ein Glausauge zeigte den Ölstand deutlich an. War das Öl aus irgend einem Grund alle, war die Kinomaschine im Prinzip hin. Und das kam bei meinem Vater öfter vor, wenn der Vorführer oder Betreiber (aus Kostengründen) alles selbst machen wollte.
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