1973 - Valvo in Aachen:
Farbbildröhren für den europäischen Markt
Die in den Jahren 1953/54 in Aachen errichtete Valvo Fabrik lieferte bis Ende März 1972 ca. 18,75 Millionen Schwarzweißbildröhren und (ab 1967) rund 1,15 Millionen Farbbildröhren. Seit April 1972 fertigt Valvo in Aachen nur noch Farbbildröhren für den deutschen und europäischen Markt. Das Valvo Farbbildröhrenwerk in Aachen ist das z. Z. größte im Bereich der Philips-Unternehmen und dürfte auch die größte Produktionsstätte dieser Art in Europa sein.
Die Kapazität der Valvo Fabrik wurde vor gut einem Jahr durch ein neues Werksgebäude wesentlich erhöht, das für den Produktionsbereich »Schirmbearbeitung« neue Möglichkeiten bietet und der künftigen Entwicklung des Fernsehmarktes angepaßt ist. Das Gebäude umfaßt 59000 Kubikmeter umbauten Raum und erweitert die reine Produktionsfläche des Werkes um rund 3100 Quadratmeter, weitere 3400 Quadratmeter entfallen auf die Räume für die Klimaanlage und die Medienzuführung (Wasser, Gas usw.).
Außerdem sind in dem neuen Gebäude zahlreiche Büros sowie Schulungs- und Sozialräume untergebracht. Mit maximal 650 Arbeitsplätzen allein im produktionstechnischen Bereich des Neubaus können alle Erfordernisse der nächsten Jahre berücksichtigt werden.
Kernstück ist die Schirmbearbeitung
Die Schirmbearbeitung ist das Kernstück der gesamten Farbbildröhrenproduktion. Auf den folgenden Seiten sind einige Ausschnitte aus diesem Bereich gegeben, die einen Einblick in den sehr aufwendigen Herstellungsprozeß vermitteln.
Bekanntlich besteht ein Farbbildschirm aus einem Punktmuster mit den drei Grundfarben Rot, Blau und Grün (siehe auch »Farbfernsehen kurz gefaßt« ab S. 100). Das Punktmuster wird mit Hilfe eines fotochemischen Prozesses erzeugt, für den ein ganz bestimmtes Raumklima notwendig ist. Nur eng tolerierte Temperatur und Feuchtigkeit gewährleisten nämlich die Einhaltung der erforderlichen engen Toleranzen von Punktdurchmesser und Punktfüllung. Wegen der ultraviolettempfindlichen Leuchtstoffsuspensionen darf als Umgebungsbeleuchtung nur langwelliges, monochromatisches gelbliches Licht (Na-Licht) verwendet werden.
.
Der »Flowcoat-Raum«
Diese Umweltbedingungen sind in dem sogenannten »Flowcoat-Raum« anzutreffen, der als Hauptbestandteil des neuen Fertigungsgebäudes der Aachener Bildröhrenfabrik anzusehen ist. Die als Flowcoat-Raum bezeichnete, klimatisierte Fertigungshalle (Bild 1) hat einen umbauten Raum von 25400 Kubikmetern mit einem maximal 27fachen Luftumsatz pro Stunde bei einer Regelgenauigkeit von ±1° Celsius und ±2,5% relativer Luftfeuchtigkeit.
Die Luft tritt über Filter durch die Decke in die Halle ein und wird durch Bodenöffnungen abgesaugt. Dadurch entsteht eine fast laminare Luftströmung von der Decke bis zum Boden, so daß in Arbeitshöhe kein Luftzug bemerkbar ist.
Die Bodenöffnungen werden gleichzeitig für die Zuführung der in der Halle benötigten Medien und für die Abführung von Abwässern benutzt, d. h. alle Zu- und Abführungen haben ihre Basis im Kellergeschoß.
Dies ist eine technische Besonderheit, der es zuzuschreiben ist, daß in der Fertigungshalle keinerlei Leitungssysteme installiert sind und die Möglichkeit von Staubablagerungen weitgehend ausgeschlossen ist.
Daß größtmögliche Staubfreiheit zu den Voraussetzungen einer einwandfreien Bildschirmbearbeitung gehört, läßt sich im übrigen an einer weiteren Einrichtung erkennen: Alle im Flowcoat-Raum tätigen Mitarbeiter betreten die Halle durch eine Luftschleuse, in der Kleidung und Schuhe gewechselt werden müssen.
.
1,08 Millionen grüne, blaue und rote Leuchtstoffpunkte
Auf dem Bildschirm der Valvo Normhals-Farbröhre müssen insgesamt 1,08 Millionen grüne, blaue und rote Leuchtstoffpunkte exakt aufgebracht werden, d. h. pro Grundfarbe 360.000 Stück. Jeweils drei Farbpunkte bilden die Ecken eines gleichseitigen Dreiecks, ihre Durchmesser betragen im Mittel 470um bei einer zulässigen Toleranz von 20um. Nach dem Justieren des Glasschirms auf dem Belichtungstisch werden die Leuchtstoffpunkte fotochemisch ausgehärtet. In Bild 2 sind diese Arbeitsplätze im Flowcoat-Raum zu sehen, gut erkennbar auch die spezielle Bekleidung der Mitarbeiter sowie die Lufteinlässe in der Hallendecke.
Die Leuchtstoff-Suspension für die jeweilige Punktfarbe wird auf dem Schirmboden aufgebracht und dort verteilt. Das Bild 3 zeigt das Einsetzen der Auffangtaschen am Suspensions-Dosierstand des Beschirmungskarussells im Flowcoat-Raum. Danach erfolgt das Belichten und Aushärten der Leuchtstoffpunkte (Bild 2). Diese Vorgänge laufen für Rot, Grün und Blau in drei Arbeitsgängen ab.
Nach dem Aufbringen der Leuchtstoffpunkte muß die fertige Leuchtschicht mit einem Schutzlackfilm behandelt werden. Hierzu setzt man die Farbbildröhren auf die in Bild 4 sichtbare Maschinenanlage, auf der der Schutzlack von unten durch den Röhrenhals eingebracht wird. Da die mit der seltenen Erde Europium angereicherte rote Leuchtstoffsuspension besonders wertvoll ist, sind unterhalb des Flowcoat-Raums spezielle Anlagen - sogenannte Separatoren - vorhanden, mit denen man den kostbaren Rot-Leuchtstoff zurückgewinnt (Bild 5).
.
Für die Beförderung der Farbbildröhren werden im Aachener Valvo-Werk umfangreiche Transportbänder benutzt. In Bild 6 ist ein kleiner Ausschnitt des sich über mehrere Etagen hinziehenden Systems zu sehen.
Das große Montage-Atelier
Zum Fertigungsbereich der modernen Bildröhrenfabrik gehört auch das große Montage-Atelier, von dem Bild 7 einen Teil zeigt. Hier setzen geschickte Frauenhände das komplizierte Dreifach-Elektronenstrahlsystem der Farbbildröhre zusammen. Es wird danach auf einem Einschmelzkarussell in den Hals der Farbbildröhre eingeschmolzen. Dieser Vorgang ist in Bild 8 dargestellt.
Nach dem Einschmelzen durchlaufen die Farbbildröhren eine Pumpenstraße (Bild 9), auf der das Vakuum hergestellt und anschließend der Pumpstengel abgeschmolzen wird.
Nur wenige Arbeitsgänge konnten in diesem Bildbericht gezeigt werden.
Die Konusherstellung, das Zusammenfügen von Schirm und Konus sowie die zahlreichen Kontrollen während des Produktionsablaufs und am fertigen Produkt (um nur einiges zu nennen) runden das Bild einer auf hohem Qualitätspegel laufenden, speziellen Massenfertigung ab.
Bildunterschriften
Bild 1 Blick in den Flowcoat-Raum der neuen Fertigungshalle Aachen.
Bild 2 Belichtungstische im Flowcoat-Raum.
Bild 3 Suspensionsdosierstand A
Bild 4 Schutzlackierungsanlage A
Bild 5 Separatorengruppe ?
Bild 6 Transportbänder für Farbbildröhren
Bild 7 Blick in das Montageatelier
Bild 8 Einschmelzkarussell für Elektronenstrahlsysteme
Bild 9 Pumpenstraße zum Evakuieren der Farbbildröhren