1989 - Die Benutzeroberfläche einer neuen Mischerfamilie
von B. Kreling in FERNSEH- UND KINO-TECHNIK - Nr.11/1989
Dr. Bernhard Kreling ist Mitarbeiter der BTS Broadcast Television Systems, Darmstadt.
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Einleitung
Bei BTS wird eine neue Mischerfamilie entwickelt, bei der besonders die Aspekte Ergonomie und Arbeitsplatz-Überschaubarkeit berücksichtigt werden. Der Beitrag beschreibt die Konzeption der Bedienelemente-Anordnung, der Anzeigen und weitere Besonderheiten.
Unabhängig von der Diskussion um neue Fernsehnormen bleibt ein Thema stets aktuell: die Bedienung komplexer Geräte der Fernsehstudiotechnik. Der Anwender erwartet, daß trotz verfeinerter technischer Möglichkeiten die Bedienung einfach bleibt und bewährte Arbeitsabläufe unterstützt.
Daher werden im Zuge der Vervollkommnung videotechnischer Funktionen der Geräte die Aspekte der Bedienung zunehmend kaufentscheidend.
BTS hat für seine neue Familie von Produktionsmischern ein einheitliches Bediensystem entwickelt.
Unabhängig von der jeweiligen Fernsehnorm ist es durch eine komfortable Benutzeroberfläche gekennzeichnet. Die wichtigsten Merkmale:
- • ergonomische Gestaltung des Bedienpults,
- • problemangepaßte Information des Benutzers,
- • verallgemeinerte Überblendung als Grundfunktion des Mischers.
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1. Ergonomische Gestaltung
Der ergonomischen Gestaltung des Bedienpults kommt gerade bei Mischern besondere Bedeutung zu. Denn sie gehören zu den bedienintensivsten Geräten in einem Studio. Dies gilt bezüglich der Häufigkeit wie auch der Echtzeitforderungen in Live-Produktionen.
Bei traditionellen Mischpulten gibt es zwei typische Grundformen: das flache, in der dritten Dimension überhaupt nicht strukturierte Pult und das im hinteren Bereich aufgekantete Pult.
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Auf der Suche nach Alternativen entstand eine "Cockpit"-Lösung (Bild 1). Hier ist der Erreichbarkeit aller Bedienelemente besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Als Mischerbedienpult ist jedoch die Plazierung der Monitoren und die Integration in einen Regietisch problematisch.
Ferner ist zu bedenken, daß ein Großteil der Bedienelemente Tasten sind, deren Plazierung an schrägen Flächen ergonomisch ungünstig ist. Die Betätigung einer schräg eingebauten Taste erfordert Bewegungen von Arm und Fingern, eine waagerecht eingebaute Taste kann dagegen ausschließlich mit Fingerbewegungen betätigt werden.
Ein Musterbeispiel für die ergonomische Anordnung vieler Tasten ist die mehrmanualige Orgel. Dieses Prinzip führte auf die Grundform des neuen Mischerbedienpults: ein gestufter, an der Struktur der Mischebenen orientierter Keil (Bild 2).
Hier verbindet sich gute Erreichbarkeit durch räumliche Anordnung der Bedienelemente mit der idealen Tastenbetätigung von oben. Die Überschaubarkeit wird durch eine vergleichsweise geringe Zahl von Bedienelementen gefördert.
Besondere Merkmale sind:
- • aufsteckbare Stege als Fühlhilfen zur Einteilung der Quellenanwahl in Gruppen;
- • Handballen-Auflagen als Ruhepositionen an der Vorderkante des Pults und zwischen den Mischebenen.
Up/Down-Tasten für die Einstellung von Analogparametern entfallen. Stattdessen werden aus ergonomischen Gründen für diesen Zweck Drehknöpfe verwendet. Sie ermöglichen eine besonders feinfühlige Einstellung.
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2. Problemangepaßte Information des Benutzers
Der Mischer ist ein komplexes Gerät mit einer nahezu unbegrenzten Vielfalt von Schaltmöglichkeiten und Effekten. Daher hat die schnelle Information des Bedieners über den augenblicklichen Zustand des Mischers große Bedeutung.
Der Praktiker wünscht, den Zustand des Mischers "auf einen Blick" zu erfassen. Neue Möglichkeiten in der Display-Technik und in der Steuerungstechnik eröffnen hier fortschrittliche Realisierungen.
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3. Beschriftung der Videoeingänge
Die Belegung der Eingangskreuzschiene des Mischers wird üblicherweise zum Zeitpunkt seiner Verkabelung festgelegt oder von einer vorgeschalteten großen Kreuzschiene bestimmt.
Dem Bediener wurde bisher bei nahezu allen herkömmlichen Mischern diese Belegung durch Einlege-Beschriftungen in den entsprechenden Tasten mitgeteilt. Dies hat sich in der Praxis als oft zu umständlich und unflexibel erwiesen.
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Für das neue Mischer-Bediensystem wurde ein Verfahren genutzt, das von Sendeablaufmisehern bekannt ist:
Den Quellenanwahltasten werden rechnergesteuerte Anzeigen zugeordnet (Bild 3), deren Inhalt vom Benutzer auf einfache Art festgelegt bzw. geändert werden kann.
Damit ist die Zuordnung von symbolischen Namen (Cam1, VTR3, aber auch "Sprecher" "Totale" "Start" "Ziel") zu den Eingängen möglich. Ferner ist die Zuordnung von Tasten zu Signalguellen frei wählbar: Sie orientiert sich am Ablauf der Sendung statt an der Verkabelung.
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4. Zusammensetzung des Ausgangsbildes
Der Zustand von Überblendstufe und Quellenanwahl wird herkömmlich durch Leucht-Markierung der aktiven Tasten dargestellt (Bild 4). Dies ist eine Präsentation von Information in verteilter codierter Form, die weniger am darzustellenden Informationsgehalt orientiert ist, als an dem Zustand einzelner Videobaugruppen. Die Zusammensetzung des Ausgangsbildes kann daraus nur indirekt durch "Decodierung" der Information entnommen werden.
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Ein jeder Mischstufe zugeordnetes "Informationszentrum" stellt nun genau die Zusammensetzung des Ausgangsbildes kompakt und im Klartext dar (Bild 5).
Hier ist in übersichtlicher Form abzulesen, welche Signalquellen als Hintergrund-, Key- und Füllsignal am Bild beteiligt sind, wie groß die einzelnen Bildanteile sind, und wie sich die Reihenfolge der Keysignale darstellt.
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5. Graphische Präsentation von Bedienfunktionen zweiter Ordnung
Angestrebt ist ein Mischpult mit kompakten Abmessungen. Um trotz der Vielzahl der zu steuernden Videobaugruppen in einem großen Mischer die Zahl der Bedienelemente überschaubar zu halten, kommen vermehrt rechnergesteuerte Anzeigen zum Einsatz. Ihnen ist eine Anzahl von Bedienelementen zugeordnet, die in der Anzeige selbst beschriftet werden, und deren Funktion umschaltbar ist. Dieses System bietet selektive Information und selektiven Zugriff auf einzelne Funktionsgruppen.
Gerade für einen Produktionsmischer ist eine sorgfältige Auswahl der Bedienfunktionen wichtig, die in eine solche Anzeige verlegt werden. Es muß vermieden werden, daß der Zugriff auf diese Funktionen langsamer wird. Außerdem gab es mit solchen Anzeigen in der Vergangenheit Akzeptanzprobleme, die oft dadurch bedingt waren, daß die Anzeigen "Datensichtgeräten" ähnelten und den Betrachter mit einer Fülle von Zahlen und Texten überforderten.
Da der Mensch in Form von Bildern und Graphiken deutlich mehr und schneller Information aufnehmen und verarbeiten kann, hat BTS in der Gestaltung der Anzeige einen Stil gewählt, der auf der Darstellung von graphischen Objekten basiert, sich im Bereich der Personal Computer bereits weitgehend durchgesetzt hat und dort gerade Bedienern, die nicht aus der EDV-Welt kommen, den Zugang zum Gerät erschließt.
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6. Die verallgemeinerte Überblendung als Grundfunktion des Mischers
Die von einem modernen Mischer bereitgestellte Vielfalt von Funktionen und Effekten kann von einem einzelnen Bediener in einer Live-Produktion kaum voll genutzt werden. Das Ziel muß daher sein, dem Bediener mächtigere Funktionen zu erschließen, indem sie den vertrauten Bedienelementen zugeordnet werden.
Der Bedienablauf für die Grundfunktion eines Mischers setzt sich zusammen aus:
- • Vorwahl der nächsten Bildquelle auf der Eingangskreuzschiene und
- • Überblendung zu dieser Bildquelle.
Die Überblendung wird manuell oder automatisch durchgeführt. Dabei stehen als Blendarten die Pegelüberblendung (Mix) oder die Trickmuster-Überblendung (Wipe) zur Verfügung.
Komplexere Effekte wurden bisher mit Hilfe von rechnergestützten Zustands- und Ablaufspeichern realisiert. Da sie über eine völlig andersgeartete und räumlich abgesetzte Bedienung aktiviert wurden, fanden sie keine große Akzeptanz.
Mit dem Ziel der Integration der genannten komplexen Effekte in den gewohnten Arbeitsablauf definieren wir die "erweiterte Überblendung" als
- • Vorwahl des nächsten Mischerzustands, das heißt der nächsten Szene, auf der "Kreuzschienen"-Tastatur, gefolgt von der
- • Überblendung zu diesem Mischerzustand, das heißt zu dieser Szene. Dazu wird die "Kreuzschienen"-Tastatur umbeschriftet.
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Die Überblendung erfolgt wie üblich mit dem Blendhebel, indem seine Momentanposition zur Interpolation aller sich bei dieser Überblendung ändernden Analogwerte benutzt wird (Bild 6).
Die "Erweiterte Überblendung" steht somit gleichberechtigt neben den herkömmlichen Blendarten Mix und Wipe und macht den Zustands- und Ablaufspeicher über die Standard-Bedienelemente verfügbar.
Das oben beschriebene neue Bediensystem wurde bei BTS in internen Arbeitskreisen unter Beteiligung eines Instituts für Anthropotechnik und Produktgestaltung entwickelt. Die Vorstellung des Konzeptes erfolgte anhand eines Pultmodells im November vergangenen Jahres vor einem Kreis von zehn Bildmischern und Bildingenieuren verschiedener Rundfunkanstalten und Produktionshäuser. Wertvolle Anregungen und zusätzliche Hinweise aus diesem Kreis fanden weitgehend Berücksichtigung.
Die erste öffentliche Präsentation für das Fachpublikum erfolgt in diesem Jahr anläßlich der technischen Ausstellung des Internationalen Fernsehsymposiums 1989 in Montreux in der Schweiz.
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